Protokoll der Sitzung vom 10.05.2007

Alle drei Prämissen sind grundfalsch, und das weiß die CDU.

Zu 1: Ein bundesweites Benchmarking sei möglich, man muss es nur wollen:

Berlin gehört bundesweit zu den Rufern in der Wüste. Wir wollen Benchmarking – im Rahmen der Stadt und mit anderen Bundesländern –, und wir machen es auch, soweit es möglich ist. Aber: Um es durchzusetzen, müssen Verwaltungsleistungen vergleichbar definiert werden, müssen Zuständigkeiten angeglichen werden, muss vor allem überall der Weg für Kosten-Leistungs-Relation geöffnet werden. Doch dazu fehlt – woanders – die Bereitschaft.

Zu 2: Man könne das Benchmarking-System aus der Industrie übernehmen:

Der Eindruck, man könne die Industrie mit der Verwaltung vergleichen, wird zwar häufig erweckt, ist aber schlichtweg falsch. In der Industrie heißt z. B. das Endprodukt „Auto“, übertragen auf die Tätigkeit der Verwaltung müsste es aber „Einbau des Schalthebels an der Gangschaltung“ heißen. Kurz: In der Industrieproduktion gibt es keine mitunter sehr kleinteiligen Einzelprodukte, sondern es gibt – um es in der Verwaltungssprache zu sagen – höchstens ein paar Produktgruppen. Und es ist der

größte Trugschluss, dass es in der Industrie ein KostenLeistungs-Benchmarking gäbe. Über die Qualität wird nur im geringsten Teil in der Produktion und vor allem in der Konstruktion entschieden. Insofern sind die Benchmarkings der Produktionsprozesse vorwiegend auf den reinen Kostenvergleich orientiert, und das ist für unsere Belange nicht geeignet. Aber selbst unter diesen Einschränkungen ist die Entwicklung von Benchmarking in der Industrie – Kollege Schmidt von der FDP hat in der Ausschussberatung auf der Grundlage seiner Erfahrungen als Unternehmensberater intensiv darauf hingewiesen – oft ein jahrelanger, komplizierter und höchst spezialisierter Prozess auf ausgewählten Gebieten. Das wurde den Koalitionsfraktionen auch in einer Beratung mit der Firma Roland Berger deutlich gemacht. Man kann also gerade nicht auf das auch in der Industrie nur kärglich vorhandene Benchmarking so einfach zurückgreifen, wie es die CDU uns weismachen will.

Zu 3: Berlin mache nichts und hinkt hinterher:

Auch das ist eine falsche Widerspiegelung der Realität. Denn Berlin macht ziemlich viel und steht mit seinen komplexen Bemühungen um Vergleichbarkeit der Kosten und Leistungen, um Leistungsvergleiche und um den Wettbewerb ziemlich weit vorn. Nur einige Beispiele:

Wir haben ausgefeilte Produkthaushalte in den Bezirken. Die Produkte werden ständig überarbeitet. Sie müssten nach unserer Auffassung noch mehr in Produktgruppen zusammengefasst werden, aber insgesamt hat sich dieser Weg, auf dem wir auch im nationalen Vergleich sehr gut vorangekommen sind, bewährt. Jährlich werden in der Broschüre „Was kostet wo wie viel?“ die Produkte aller Bezirke miteinander verglichen, und auch die CDU weiß, dass auf der Basis dieser Vergleiche die Mittelzuweisung erfolgt und dass in den Bezirken große Anstrengungen unternommen werden, um – im Ergebnis dieser Vergleiche – eine hohe Qualität mit einem effektiven Kosteneinsatz zu verbinden. Das ist funktionierendes Benchmarking.

Vor allem bei den bürgernahen Verwaltungsleistungen arbeiten wir an einem Weg, um politisch gewollten Fortschritt auch finanziell zu befördern und dort nicht das Mittelmaß zum Richtwert kommen zu lassen – aber insgesamt ist das genau der richtige Weg.

Weitaus schwerer ist es in der Hauptverwaltung, denn ein Großteil deren Arbeit betrifft ministerielle Geschäftsfelder. Zur Zeit sind wir dabei, diese genau zu definieren, denn die jetzige Zahl von 300 ministeriellen Geschäftsfeldern ist natürlich zu viel. Aber wir wären blind, wenn wir die Existenz ministerieller Geschäftsfelder negieren würden. Es gibt sie, und sie sind oftmals unvergleichbare Unikate.

Grundsätzlich haben wir uns in der KoalitionsVereinbarung darauf geeinigt, für die schwer miteinander vergleichbaren Produkte der Hauptverwaltung einen an

deren Weg zu gehen, nämlich den, die Verwaltungs- bzw. Bürokratiekosten genau zu erfassen und zu normieren. Das ist ein Verfahren, wie es auch von der Verwaltungswissenschaft als für die ministerielle Ebene besonders geeignet empfohlen wird. Ende Mai sitzen die Koalitionsfraktionen z. B. mit der IHK Berlin zusammen. Wir wollen an fünf, sechs zentralen Vorgängen analysieren, mit welchem bürokratischen Aufwand die Wirtschaft konfrontiert ist. Noch vor der Sommerpause – so haben wir es im Verwaltungsreform-Ausschuss vereinbart – werden wir das Projekt im Ausschuss vorstellen, damit es von allen begleitet werden kann.

Allerdings werden wir – auch das ist vereinbart – Regelungen zur Mitbestimmung, zur Gleichstellung und zur ökologischen Nachhaltigkeit nicht in Frage stellen, und wir wollen alle bürokratischen Anforderungen – also auch das hohe Maß an Bürokratie, das durch Verbände und eigene Organisationen kommt – analysieren.

Wir haben in Berlin alle Rechtsvorschriften zeitlich befristet, und für alle Gesetze gibt es Evaluierungszeiten. Bereits jetzt ist Berlin dadurch mit Abstand das Bundesland mit der geringsten Regelungsdichte. Seit Jahren haben wir eine externe Normenkontrollkommission, die zu allen Gesetzen Vorschläge unterbreitet, ob sie überhaupt notwendig sind, wo es Vereinfachungspotenziale gibt und wie eventuelle Überschneidungen zu vermeiden sind.

Das sind wichtige und nachhaltige Schritte, die zur Durchsetzung des Kosten-Leistungs-Gedankens wesentlich besser geeignet sind als das Zurückgreifen auf unreife Idealvorstellungen, die nach eigener Aussage die Wirtschaft selbst zu bieten nicht in der Lage ist.

Und eine letzte Bemerkung: Am 2. Mai hat die FriedrichEbert-Stiftung eine Studie zur Demokratiebelastung vorgestellt. Fachleute der Universität Potsdam, die auf dem Gebiet der Verwaltungswissenschaften und des Public Managements national und international führend ist, haben fünfzehn hoch entwickelten Industriestaaten danach verglichen, welche Regelungsdichte, welchen Personalaufwand für staatliche Bürokratie und welche Staatsausgaben für Bürokratie es gibt.

Das Ergebnis ist überraschend: Deutschland hat mit die geringste Regelungsdichte und gehört zu den Staaten, die das wenigste Geld für Staats- und Verwaltungspersonal sowie für Bürokratie ausgeben. Solche klassisch liberalen Länder wie Großbritannien und die USA liegen überall weitaus höher.

Wenn wir das ernst nehmen – die Studie ist im Internet abrufbar –, dann müssen wir davon ausgehen, dass es sich bei der Klage über zuviel Bürokratie sehr stark um „gefühlte“ Bürokratie handelt, die teilweise geradezu hysterisch aufgebauscht wird. Das macht die Notwendigkeit nicht kleiner, alle Bemühungen zu Kosten-LeistungsVergleichen zu intensivieren, aber es rückt die Dimension dessen, worum es sich handelt, ins rechte Licht. Und – um

mich zu wiederholen – Berlin muss hier sein Licht nicht unter den Scheffel stellen.

Das alles haben wir gründlich im Ausschuss debattiert und ausargumentiert, deshalb werten wir es als bloßen Aktivismus und populistische Profilierungssucht der CDU, damit nun auch noch das Parlament zu beschäftigen. Und das Parlament ernsthaft bewegen zu wollen, den erfolgreichen – und ganz sicher auszubauenden – Weg zu verlassen und sich abenteuerlich auf sumpfiges und ungewisses Terrain zu begeben, ist schlicht unverantwortlich.

Die Linksfraktion lehnt diesen Antrag ab, weil wir uns bereits auf einem besseren Weg befinden, den auszubauen unsere ganze Kraft gelten sollte.

Mit schöner Regelmäßigkeit bringt Finanzsenator Sarrazin neue Vergleichstatistiken in den Umlauf, die den Beweis liefern sollen, dass Berlin bei der Aufgabenerfüllung teurer sei als andere Kommunen oder andere Stadtstaaten. Wie man hört, weigerten sich Hamburger Beamte schon, entsprechende Zahlen rauszurücken, weil Sarrazin sie immer nur dazu benutzt, den Sozialabbau in Berlin voranzutreiben, wie jetzt im Gesundheitsbereich.

Zuletzt gab es Ende 2006 wieder so einen Foliensatz über einen angeblichen Vergleich Berlins mit 27 deutschen Städten über 43 typische kommunale Aufgaben. Doch was hatte Sarrazin verglichen? Im Wesentlichen ging es lediglich um das Verhältnis von Fallzahlen zu Vollzeitbeschäftigten. Meine Damen und Herren, so eine simple Art des Benchmarking greift zu kurz und wird den unterschiedlichen sozialen, strukturellen und organisatorischen Rahmenbedingungen nicht gerecht.

Es ist eben so: Ein Handy ist nicht gleich einem Handy, nur weil es auch so heißt, sondern das eine kann auch noch fotografieren und ist deswegen teurer und ein anderes kann das nicht und mag deswegen trotzdem zu teuer sein. Genau so verhält es sich beispielsweise mit Beratungsleistungen. Eine Beratungsgespräch ist nicht gleich einer Beratung, es kommt auch auf die Wartezeit, die Beratungsdauer und –tiefe an, auf den Fortbildungsstand des Personals, bis hin zur Wirkung des Beratungsgesprächs – kurz auf die Qualität!

Die Vergleiche à la Sarrazin hingegen führen letztlich zu mehr Widerstand, als dass sie Politik und Verwaltung tatsächlich dazu motivieren, ihre Mittel effizienter und effektiver einzusetzen.

Der CDU-Antrag für ein professionelles Benchmarking setzt genau hier an und ist insofern ein Schritt in die richtige Richtung und findet auch unsere Zustimmung. Aber auch dieser Antrag geht uns in der Zielrichtung nicht weit genug. Deshalb hatten wir auch einen Ergänzungsantrag gestellt, den wir im Verwaltungsreformausschuss zu ei

nem gemeinsamen Änderungsantrag von Grünen und CDU gemacht hatten.

Wir wollen nämlich, dass als Grundlage für ein Benchmarking alle Bereiche der Verwaltung, also auch der Senat, endlich Kennzahlen für Zielvereinbarungen entwickeln. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, steht ja auch so im Verwaltungsreform-Grundsätze-Gesetz.

Aber leider halten sich viele Verwaltungen nicht dran, vorneweg der Senat, und wir mussten erstaunt zur Kenntnis nehmen, dass ausgerechnet Herr Sarrazin sogar die Abschaffung des VGG vorgeschlagen hat. Damit drückt er nur aus, was der Senat faktisch praktiziert, den Abschied von der Verwaltungsmodernisierung. Kürzen als einfachen Streichungsakt ohne die Effektivitätsreserven zu heben, das ist ihre Devise! Das führt aber zu Frust bei den Bürgern/-innen und bei den Mitarbeitern/-innen! Unterhalten Sie sich z. B. mit der IHK mal darüber. Wir dagegen werden den Reformweg nicht aufgeben.

Diese kennzahlengestützten Zielvereinbarungen sollen als Grundlage für strategische Vergleichsberichte dienen, die eben nicht nur Kostenaspekte beinhalten, sondern auch die Qualität von Leistungen berücksichtigen. Diese Qualitätsvergleiche sollen innerhalb Berlins durchgeführt werden, aber auch zwischen Berlin und anderen Gebietskörperschaften und auch zwischen geeigneten Berliner Verwaltungen und der Privatwirtschaft.

Wir stellen uns das dann ganz praktisch z. B. so vor, dass die bekannte Broschüre „Was kostet wo wie viel?“ im Titel ergänzt werden könnte durch „und was bekommen die Berlinerinnen und Berliner dafür?“

Und wenn Sie das für nicht machbar halten, dann frage ich Sie, warum wir alle mit Lust die Produktvergleiche der Stiftung Warentest verfolgen. Warum geht so etwas in der Privatwirtschaft, aber der öffentliche Dienst wird davon ausgenommen?

Einen ähnlichen Antrag für Berlin-interne Qualitätsvergleiche hatten wir bereits letzte Legislaturperiode eingebracht und sogar einen Mehrheitsbeschluss dazu herbeigeführt. Aber der Senat kanzelte mal wieder die Reformer in den eigenen Reihen ab und lieferte einen unverschämten Schlussbericht dazu. Er liest sich so, als hätte der Senat den Beschlusstext bewusst missverstanden und unter dem Stichwort „Vergleich“ wieder nur den Kostenvergleich gesehen. Und selbst dann argumentiert er immer noch: In der Hauptverwaltung geht das alles gar nicht, ausgenommen die Bereiche IT, Organisations- und Personalmanagement, und im übrigen habe man ja in den Bezirken die Kosten- und Leistungsrechnung und das genüge.

Wir lassen Sie so einfach nicht davonkommen: Berlin muss sich endlich ernsthaft mit dem Thema „Qualität von Leistungen“ beschäftigen, damit dieser Unsinn aufhört, dass dauernd Äpfel mit Birnen verglichen werden.

Aber der Senat ist ja noch nicht einmal bereit, einen professionellen Kostenvergleich, wie die CDU ihn vorschlägt, mitzugehen. Da kann ich nur sagen: Wenn wir nach 13 Jahren Verwaltungsreform nicht weiter sind, dann haben wir tatsächlich viel Geld für Beratungsfirmen und Mitarbeiterschulungen umsonst versenkt.

Der vorliegende Antrag der CDU-Fraktion ist sicher gut gemeint. Die FDP-Fraktion teilt natürlich das Anliegen, endlich auch die Hauptverwaltungen regelmäßigen Vergleichen zu unterwerfen. Das ist schon lange überfällig und wird auch von uns seit langem gefordert. Der Antrag ist in der vorliegenden Form allerdings nicht so richtig brauchbar. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Erstens: Es gibt gar keine „allgemeine Methodik der Privatwirtschaft“ zum Benchmarking, deren Anwendung hier gefordert wird. Benchmarking ist ein komplexes Verfahren mit sehr unterschiedlichen Ansätzen im Einzelfall.

Zweitens: ein wirklich ernst gemeintes Benchmarking würde erhebliche Ressourcen binden. Dazu müssen Sie nämlich erst einmal mit mehreren anderen Beteiligten Berechnungsverfahren vereinheitlichen, Messgrößen definieren und Vieles andere mehr. Wir denken, dass stattdessen auch schon einfache Vergleiche zwischen den Hauptverwaltungen und zwischen Hauptverwaltungen und Bezirken ausreichen. Was der Antrag fordert, ist aus unserer Sicht also Ressourcenverschwendung.

Drittens: Das im Antrag vorgeschlagene Vorgehen passt nicht so richtig zum gewählten Instrumentarium der Verwaltungsreform. Wir wollen, dass ein Controlling der Wirksamkeit von Maßnahmen durchgeführt wird, ein Qualitäts- und Zeitmanagement angewendet wird und dafür klare Zielvorgaben gemacht werden. Zahlenvergleiche sind deshalb nur ein Aspekt unter vielen anderen.

Der Antrag ist gut gemeint, über das reine Schlagwort „Benchmarking“ hinaus aber nicht zu Ende gedacht und nicht umsetzungsfähig. Deshalb muss die FDP-Fraktion ihn leider ablehnen.

Der Ausschuss empfiehlt jeweils mehrheitlich die Ablehnung, und zwar gegen die CDU und die Grünen und im Hauptausschuss bei Enthaltung der FDP. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das sind die Fraktionen der CDU und der Grünen. Wer ist gegen diesen Antrag? – Das sind die übrigen Fraktionen. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen nun zur

lfd. Nr. 21 A:

Dringliche Beschlussempfehlung

Vermögensgeschäft Nr. 4/2007 des Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte

Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/0507 Vorlage – zur Beschlussfassung – gemäß § 38 Abs. 1 GO Abghs

Der Dringlichkeit wird offensichtlich nicht widersprochen.

Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Der Hauptausschuss empfiehlt bei Enthaltung der Fraktion der CDU einstimmig die Annahme der Vorlage. Wer der Drucksache 16/0507 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Das sind die Koalitionsfraktionen, die Grünen und die FDP. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? Bei Enthaltung der CDU-Fraktion ist das angenommen.

Ich komme nun zur

lfd. Nr. 22: