Protokoll der Sitzung vom 12.07.2007

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 16. Sitzung des Abgeordnetenhauses. Ich begrüße Sie alle, auch unsere Zuhörer, ganz herzlich.

Bevor ich den einzigen Tagesordnungspunkt aufrufe, habe ich Ihnen geschäftlich mitzuteilen, dass einvernehmlich die Federführung bzw. Mitberatung zum Antrag der Fraktion der CDU über „Landesverfassung achten – Ergebnisse des Volksbegehrens zum Flughafen Tempelhof abwarten“, Drucksache 16/0525, geändert wurde. Die Federführung erhält aus gegebenem Anlass nunmehr der Rechtsausschuss. Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr, der hierzu am 3. September 2007 tagt, wird mitberatend tätig. Zu dieser Veränderung höre ich keinen Widerspruch, dann können wir so verfahren.

Dann rufe ich auf den einzigen Punkt der Tagesordnung

Dringliche Beschlussempfehlung

Veräußerung der Aktien des Landes Berlin an der Landesbank Berlin Holding AG (Nr. 6/2007 des Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte)

Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/0733 Vorlage – zur Beschlussfassung – gemäß § 38 Abs. 1 GO Abghs

verbunden mit

Dringliche I. Lesung

Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens zur Abdeckung der Garantieverpflichtungen aus dem Gesetz zur Ermächtigung für die Übernahme einer Garantie für Risiken aus dem Immobiliendienstleistungsgeschäft der Bankgesellschaft Berlin AG und deren Tochtergesellschaften (Sondervermögen-Risikoübernahme-Gesetz – SvRG –)

Antrag der CDU Drs 16/0734

Ein dringlicher Antrag von den Fraktionen sollte eingebracht werden, der liegt mir aber noch nicht vor.

[Christian Gaebler (SPD): Kommt gleich!]

Dann sind wir guter Hoffnung.

Bevor wir die Beratungen aufnehmen, möchte ich Sie auf Folgendes hinweisen. Einziger Tagesordnungspunkt ist heute der Antrag 16/0733, Veräußerung der Aktien des Landes Berlin an der Landesbank Berlin Holding AG. Über die Frage, ob dieser Antrag in nichtöffentlicher oder öffentlicher Sitzung zu behandeln ist, hat es am Nachmittag eine Diskussion im Ältestenrat gegeben, nachdem es

Pressemeldungen darüber gab. Wie im Ältestenrat will ich auch hier klarstellen, wie ich in Anbetracht der Verfassungslage verfahren werde.

Artikel 42 Absatz 3 unserer Verfassung besagt, dass die Verhandlungen des Abgeordnetenhauses öffentlich sind. Daran werde ich mich so lange halten, wie kein Antrag nach Artikel 42 Absatz 4 Satz 1 gestellt wird. Danach kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, wenn ein Fünftel der Abgeordneten oder der Senat dies beantragt. Sollte der Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit gestellt werden, wird nach Artikel 42 Absatz 4 Satz 2 der Verfassung darüber in geheimer Sitzung beraten und beschlossen werden.

Im Ältestenrat gab es noch den folgenden Punkt zu klären: § 38 Absatz 3 Satz 3 unserer Geschäftsordnung sieht vor, dass eine Beratung über die Zustimmung des Abgeordnetenhauses zu Vermögensgeschäften nur in nichtöffentlicher Sitzung erfolgen kann. Das müsste dazu führen, dass der heute zu behandelnde Tagesordnungspunkt sozusagen automatisch in nichtöffentlicher Sitzung zu behandeln ist. Dem kann ich mich angesichts der Verfassungslage nicht anschließen. Ich bin allerdings der Meinung, dass § 38 Absatz 3 Satz 3 die gemeinsame Auffassung dieses Hauses verkörpert, dass eine Debatte über Vermögensgeschäfte ohne eine Erörterung insbesondere privater Geheimnisse in der Regel nicht sinnvoll geführt werden kann. Aus der Vorschrift spricht auch der gemeinsame Wille des Hauses, für Vermögensgeschäfte die Nichtöffentlichkeit herzustellen; allerdings geht dies nun einmal nur im Rahmen der Verfassung, und das bedeutet, dass die Nichtöffentlichkeit nur auf Antrag durch einen ausdrücklichen Beschluss hergestellt werden kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren und insbesondere die, die nachher mit Redebeiträgen zur Verhandlung beitragen! Ich möchte, wie ich das auch im Ältestenrat angekündigt habe, Sie auf Folgendes hinweisen, das gilt für diese Sitzung und diesen Tagesordnungspunkt, für jede andere Sitzung und jeden anderen Tagesordnungspunkt allerdings auch: Sollte ich den Eindruck haben oder darauf hingewiesen werden, dass ein Redner vertrauliche oder geheimzuhaltende Tatsachen offenbart oder anspricht, so werde ich ihn darauf hinweisen und notfalls die Sitzung unterbrechen, um eine Klärung herbeizuführen. Denn das Abgeordnetenheus hat wie jedes andere Verfassungsorgan die Pflicht, die unberechtigte Offenlegung geheimhaltungsbedürftiger Tatsachen zu verhindern. Das schulden wir denen, die Verträge mit Berlin eingehen oder sonstwie betroffen sind.

Jetzt habe ich das Gefühl – aber ich habe ihn noch nicht –, dass der Antrag eingegangen ist. Er kommt gleich. Sie bekommen ihn gleich, dann können Sie ihn lesen, ich muss ihn nicht verlesen.

Wir können also die Beratung aufnehmen. Hinsichtlich des Gesetzesantrags eröffne ich die I. Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis

Präsident Walter Momper

zu zehn Minuten zur Verfügung, die zeitlich in freier Zuordnung auf höchstens zwei Redebeiträge aufgeteilt werden können. Die Redefolge ergibt sich aus der Stärke der Fraktionen. Es beginnt für die SPD-Fraktion Frau Kolat. – Bitte schön, Frau Kolat, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Wir haben heute über ein Vermögensgeschäft zu befinden, das zweifelsohne das wichtigste Vermögensgeschäft in der Geschichte des Abgeordnetenhauses ist; wichtig deshalb, weil die Bedeutung für unsere Stadt, aber auch für die Banklandschaft in Deutschland insgesamt sehr groß ist.

Am 15. Juni wurde der Öffentlichkeit das Ergebnis der Verhandlungen zwischen dem Land Berlin und dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband mitgeteilt. Das uns vorliegende Geschäft ist gut. Es ist gut für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesbank Berlin, für die 60 000 kleinen und mittelständischen Geschäftskunden und auch für die mehr als 2 Millionen Privatkunden der Landesbank Berlin.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Aber auch für den Wirtschafts- und Finanzstandort unserer Stadt ist das ein gutes Geschäft.

Erfreulich war eine der ersten Meldungen des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes kurz nach der Einigung. Der Verband bekannte sich zum Standort Berlin und zu ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und kündigte zugleich weitere Investitionen an. Das rote S und die Rolle der Sparkasse als verantwortungsvoller Arbeitgeber konnten nicht besser gesichert werden. Das Weiterführungskonzept des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands sieht vor, dass die LBB in Zukunft für die dezentral organisierten Sparkassen in Deutschland weiter wichtige Aufgaben aus der Stadt Berlin heraus übernimmt.

Als Ergebnis eines offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Ausschreibungsverfahrens liegt uns nun ein Vertrag zum Verkauf der Aktienanteile an der LBB vor, den man nur als vorbildlich bezeichnen kann.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Der Verkaufserlös für die Aktienanteile ist mit 4,6 Milliarden € inklusive Avalprovision mehr als ordentlich. Der Ablösebetrag unserer stillen Einlage von 723 Millionen € kommt hinzu. Es handelt sich um das höchste Angebot aller Bieter. Es werden Garantien nur in minimalem Umfang gewährt, da, wo es notwendig ist.

Darüber hinaus werden in diesem Vertrag für den Verkäufer sogar Garantiefreistellungen vereinbart. Ein unabhängiger Treuhänder hat über den Fortgang des Verkaufsprozesses direkt an die EU-Kommission berichtet. Der Verkäufer wird die Geschäftspraxis der Berliner Sparkasse auch künftig beibehalten und sich dabei im Rahmen des Berliner Sparkassengesetzes bewegen. Ganz wichtig ist

an diesem Geschäft: Die LBB bleibt auch nach dem Verkauf in der Sparkassenfamilie.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es bleibt festzuhalten, dass die entscheidende Voraussetzung für den erfolgreichen Verkauf die Sanierung der Bank war. Die erfolgreiche Sanierung der Bank wiederum war durch die Risikoabschirmung des Parlaments möglich. Es war im Jahr 2002 eine schwierige und mutige Entscheidung des Abgeordnetenhauses, die Risiken aus dem Immobiliendienstleistungsgeschäft bis zu 21,6 Milliarden € zu übernehmen. Wir haben uns damals diese Entscheidung nicht leichtgemacht.

Nach Prüfung der Detailvereinbarungen und Abwägung der Alternativen ist die Mehrheit des Abgeordnetenhauses zu dem Schluss gekommen, dass es keine vernünftige und verantwortungsvolle Alternative zur Risikoabschirmung geben kann. So wurde der Weg freigemacht, die Risiken aus dem Immobiliendienstleistungsgeschäft abzuwickeln, und eine Gesellschaft für das Controlling dieser Risiken wurde gegründet. Darüber wird dem Abgeordnetenhaus regelmäßig berichtet. Aus heutiger Sicht war es politisch und wirtschaftlich der einzig richtige Weg, diese Risikoabschirmung zu machen. Ohne die Kapitalzufuhr im Jahr 2001 und die Risikoabschirmung im Jahr 2002 wäre die Insolvenz der Bank eingetreten.

Ich möchte Sie, liebe Opposition, an dieser Stelle doch noch einmal an die möglichen Folgen einer Insolvenz für Kunden, für die damaligen 16 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für den Wirtschaftsstandort Berlin erinnern. Gut – kann man nur sagen –, dass Sie damals in dieser Stadt keine Verantwortung übernommen haben!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es war auch gut, dass wir im Jahr 2003 die Bankgesellschaft Berlin nicht für lächerliche 10 Millionen € an den Finanzinvestor Flowers verkauft haben. Quasi verschenkt! Unser Vorgehen hat gezeigt, dass die öffentliche Hand sehr wohl in der Lage ist, eine Bank zu sanieren und wirtschaftlich zu führen.

[Zurufe von den Grünen – Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

Gerade die Entwicklung der Bankgesellschaft aus einem krisengeschüttelten Unternehmen hin zu einem stabilen und ertragskräftigen Unternehmen in der öffentlichen Hand muss – denke ich – Beweis genug dafür sein, dass die öffentliche Hand das leisten kann.

[Christoph Meyer (FDP): Das glauben Sie doch wohl selbst nicht!]

Das ist eigentlich nicht nur ein Grundsatz der FDP, sondern auch in Richtung der Grünen ganz wichtig, dass die öffentliche Hand Verantwortung tragen kann und das auch gemacht hat.

Noch ein Wort zu den Grünen. – Als Sie den Verkauf an Flowers befürworteten – wenn man das alles nachliest, kann man das so entnehmen –, als Sie die Sparkasse an

einen Finanzinvestor quasi verschenken wollten, haben Sie keine Hunderte von Fragen und Bedingungen gestellt. Aber: Schwamm drüber!

[Zurufe von den Grünen]

Heute gibt es glücklicherweise eine breite Mehrheit für diesen Verkauf.

Meine Damen, meine Herren! Von einem solchen Ergebnis hat vor fünf Jahren kein Mensch in diesem Haus zu träumen gewagt!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Natürlich muss das Ergebnis auch parlamentarisch überprüft werden. Seit knapp vier Wochen liegt der Vertrag im Datenraum, es konnten Fragen gestellt werden und sie wurden auch schriftlich beantwortet. Die ausführliche Beratung im Vermögensausschuss wurde in mehreren Sitzungen abgehalten. Auch heute haben Sie die Möglichkeit gehabt, auf die schriftliche Beantwortung der Senatsverwaltung einzugehen. Noch einmal meinen herzlichen Dank, denn innerhalb von 24 Stunden über 60 Fragen zu beantworten, das war eine gute Leistung! – Danke an die Finanzverwaltung!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Dabei hat sich jedoch auch gezeigt, dass es keine schwerwiegenden Fragen zum eigentlichen Vertrag und zum Vermögensgeschäft an sich, sondern eher zu den Begleitumständen gegeben hat wie z. B. die Frage, wie die Kunstgegenstände in der Bank bewertet sind und Ähnliches.