Protokoll der Sitzung vom 12.07.2007

Am Ende wird der tiefe Fall der Berliner Bankgesellschaft das Land Berlin um ein bedeutendes Wirtschaftsunternehmen bringen, einen Vermögensschaden von mindestens 7 Milliarden € verursachen und viele Tausend Menschen den Arbeitsplatz gekostet haben. Dass Sie das nicht begriffen haben, Herr Kollege Goetze, worin dieser Schaden besteht, das finde ich einigermaßen erschütternd.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Und das, obwohl er die Berliner CDU wegen erwiesener Inkompetenz und offener Korruption für viele Jahre regierungsunfähig gemacht hat, sicher weit über den heutigen Tag hinaus!

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Michael Braun (CDU): Jetzt reicht es aber!]

Das wollen wir nicht vergessen, denn es ist eine ganz eigentümliche Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet der Niedergang der Westberliner CDU

[Michael Braun (CDU): Was bildet der Kerl sich ein! Wir lassen uns nicht als korrupt bezeichnen! Greifen Sie ein, Herr Momper!]

die erste Koalition von SPD und PDS in der Hauptstadt überhaupt erst ermöglichte.

[Michael Braun (CDU): Penner!]

Ein schöner Fall für angewandte Dialektik, Einheit und Widerspruch zweier Gegensätze!

[Zuruf von Michael Braun (CDU)]

Nun verweist die Berliner CDU bei alldem vor allem auf die Mitverantwortung der SPD. Politische Erneuerung sieht anders aus, meine Damen und Herren von der CDU! Aber in der Tat, da war etwas, und diese Verantwortung kann man auch aussprechen: Die umfassende Beteiligung der Berliner SPD an der Gründung der Bankgesellschaft, jener in der Bankengeschichte der Republik einmalig riskanten und zutiefst verblendeten Verbindung aus öffentlich-rechtlicher Haftung und privatem Risiko sowie das Versäumnis einzelner Vertreter der SPD in den Aufsichtsgremien der Bankgesellschaft, das sich anbahnende Desaster rechtzeitig zu erkennen und ihm wirksam zu begegnen. Das ist nicht wenig.

Was allerdings, meine Damen und Herren von der CDU, mindert sich durch diese Feststellung an Ihrer Hauptverantwortung? Nach drei Untersuchungsausschüssen und mithilfe der Berliner Staatsanwaltschaft wissen wir doch genau um die beispiellose Verflechtung der Berliner CDU mit der Bankgesellschaft.

Herr Kollege Wechselberg! Entschuldigen Sie! – Herr Kollege Braun! Möchten Sie eine Zwischenfrage stellen? – Herr Kollege Wechselberg! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Braun?

Ja, bitte!

Bitte schön, Herr Braun!

Herr Wechselberg! Halten Sie es nicht für eine Diffamierung, wenn Sie der gesamten Berliner CDU unterstellen, sie sei korrupt?

[Uwe Doering (Linksfraktion): Hat er doch gar nicht gesagt!]

Herr Kollege Wechselberg, bitte fahren Sie fort!

Ich glaube, dass Ihre Verflechtung als Partei mit dem politischen System der Bankgesellschaft so innig war und dass Sie die zugleich nie aufgearbeitet haben, dass in der Tat festzustellen ist, dass führende Vertreter der Berliner CDU und damit auch deren politischer Ausdruck mit dem Begriff „Korruption“ angemessen erfasst sind.

[Beifall bei der Linksfraktion – Zurufe von der CDU – Michael Braun (CDU): Sie haben nicht alle Tassen im Schrank!]

Insbesondere Ihr ehemaliger Fraktionsvorsitzender KlausRüdiger Landowsky, ein verurteilter Straftäter, steht dafür.

[Michael Braun (CDU): Herr Momper! Ich erwarte, dass Sie eingreifen! Das ist unverschämt!]

Selten in dieser Republik – vergleichbar wohl nur mit dem Flick-Skandal – wurde diese Ökonomie der Korruption so öffentlich zur Schau gestellt wie beim ehemaligen Berliner Fraktionsvorsitzenden der CDU und dessen Verhaftung mit dem Bankenskandal. Das war nicht die SPD. Das waren Sie. Stellen Sie sich also endlich Ihrer Verantwortung, wenigstens an diesem Tag! Das kann dieses Haus mindestens von Ihnen erwarten.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von Kurt Wansner (CDU)]

Wenn wir heute bilanzieren, können wir selbstbewusst feststellen: Rot-Rot hat in den zurückliegenden Jahren bei der Sanierung der Bankgesellschaft keinen ernst zu nehmenden Fehler gemacht. Alle wesentlichen Entscheidungen erweisen sich aus heutiger Sicht als richtig, beginnend mit der grundlegenden Entscheidung, die privatrechtlichen Teile der Bankgesellschaft durch die Übernahme der bilanziellen Risiken aus den bankrotten Immobiliengeschäften in den Berliner Landeshaushalt vor der Insolvenz zu bewahren, über die Entscheidung, die Bankgesellschaft nicht an Lone Star zu verkaufen, sondern deren Sanierung in öffentlicher Regie durchzuführen, schließlich die Stabilisierung der Bankgesellschaft durch den Verzicht auf die vielfach empfohlene Kapitalentnahme und am Ende der kunstvoll inszenierte Showdown im Bietergefecht mit einem Kaufpreis, mit dem wir die verbliebene Belastung für das Land Berlin wohl werden abbezahlen können.

In diesem Zusammenhang ist in den vergangenen Tagen eine Diskussion über die Frage begonnen worden, in welcher Form im Landeshaushalt Rücklagen zu bilden sind,

um die in der Zukunft liegende Belastung aus der Risikoabschirmung mit den Erlösen aus dem Verkauf angemessen abzusichern. Für eine derart überzogene Debatte, wie manche sie hier zu führen wünschen, gibt es unseres Erachtens überhaupt keinen Grund. Lassen Sie uns im Gegensatz hierzu – wie ursprünglich verabredet – im Rahmen der Haushaltsberatungen auf seriöser Grundlage über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Varianten diskutieren: Rücklage nach LHO, Sondervermögen, Zwischenformen, vor allem die Frage, wie viel Geld wir benötigen werden. Wir jedenfalls wollen einen Weg, der die uneingeschränkte Finanzierung der künftigen Lasten aus dem Verkaufserlös abschließend sicherstellt. Ich bin mir sicher, wir finden hierfür eine angemessene, generationengerechte Lösung.

Rot-Rot hat sich über dem Bankenskandal konstituiert und hält mit dem Abschluss der Sanierung der Bankgesellschaft und deren Verkauf am heutigen Tage das Berlin gegebene Versprechen uneingeschränkt und mit Bravour ein, alles Denkbare zur Schadensminderung zu tun. Der vorliegende Vertrag mit dem DSGV findet deshalb unsere uneingeschränkte Billigung. Alle zumutbaren Risiken beim Käufer, ein Preis mit sattem strategischen Aufschlag, Verbleib des Unternehmenssitzes in Berlin und die Garantie der Arbeitsplätze, dazu der Schutz des öffentlich-rechtlichen Bankensektors! Kein Wunder, dass der Vertrag nur 53 Seiten hat! Wozu vor diesem Hintergrund mehr Wörter als notwendig? Selten waren Verträge klarer als hier. Diesen Vertrag kann man getrost öffentlich verkünden und ihm uneingeschränkt zustimmen. Meine Fraktion wird dies jedenfalls mit großer Überzeugung tun.

In diesem Zusammenhang sind die Erwartungen an den DSGV sicher außerordentlich hoch. Erstmals führt ein Verbund aus 400 einzelnen Sparkassen eine Landesbank. Berlin wird vor diesem Hintergrund sicherlich eine Schlüsselrolle bei der absehbaren Neuordnung des öffentlich-rechtlichen Bankensektors in Deutschland spielen. Mit dem DSGV verbindet sich für meine Fraktion aber vor allem auch die Erwartung, dass eine klare Gemeinwohlorientierung und das Ziel der Stärkung des Wirtschaftsstandorts Berlin die Ausrichtung von Landesbank und Sparkasse bestimmen. Wir erwarten die Förderung sozialer und kultureller Belange und die Sicherung eines leistungsfähigen Bankangebots für alle Berlinerinnen und Berliner, insbesondere auch das Girokonto für alle, das in Berlin bereits gerichtliche Auflage ist. Es sollte zugleich soziale Selbstverpflichtung von Landesbank und Sparkasse sein.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Ich bin überzeugt, heute ist am Ende ein guter Tag für Berlin. Eine Zäsur für die Stadtpolitik, ganz zweifellos, mit der wir eine beispiellose Krise und ein schweres Kapitel abschließen. Dabei hat der Aufbruch des neuen Berlin ja bereits begonnen, mit einem ausgeglichenen Landeshaushalt, neuen hohen Investitionen in Bildung, Kultur und Wissenschaft, großartigen Erfolgen bei der wirtschaftlichen Erneuerung dieses Landes und jetzt mit der abschließenden Bewältigung der verbliebenen Lasten des

Bankenskandals. Von heute an blicken wir vor allem nach vorn, aufgestanden aus Ruinen! – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege Wechselberg! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat Herr Dr. Pflüger. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte für die CDU-Fraktion den Vorwurf zurückweisen, dass sozusagen eine ganze Partei korrupt sei.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Ich finde, das ist eine Ungeheuerlichkeit und eine ungeheure Frechheit, die Sie hier begangen haben. Und ich möchte dazu bemerken – wir wissen alle, Kurt Beck hat es vor Kurzem gesagt –:

In der PDS/Die Linke gibt es Leute, die tief im System verstrickt sind, und es gibt auch Mauermörder. Ich würde deshalb nie auf die Idee kommen, Sie einen Mauermörder zu nennen. Die Fehler, die bei uns von Einzelnen gemacht wurden, haben wir aufgearbeitet. Wir haben uns dafür entschuldigt. Von anderen steht diese Entschuldigung noch aus.

Ich finde, es ist eine Frechheit und unglaublich, in dieser Stunde, in der wir hier zusammensitzen und gemeinsam über einen Verkauf entscheiden, eine solche Schärfe, Ungerechtigkeit und Unfairness in die Debatte zu bringen und viele Hunderte und Tausende CDU-Mitglieder zu diffamieren, die sich mit aller Kraft für die Stadt einsetzen. Das darf in diesem Haus nicht unwidersprochen bleiben. – Herr Momper, dazu sollten auch Sie ein Wort sagen!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Volker Ratzmann (Grüne)]

Danke schön, Herr Kollege Pflüger! – Möchten Sie replizieren, Herr Wechselberg? – Bitte!

Herr Kollege Pflüger! Es geht hier nicht um das einfache CDU-Mitglied, sondern um das politische System.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Es geht um das politische System, das Ihr Fraktionsvorsitzender, Klaus-Rüdiger Landowsky, ein verurteilter Straftäter, in Berlin betrieben hat. Das ist das Problem.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Dass bei Ihnen nicht angekommen ist, was das für die Politik in der Stadt bedeutet hat, dass Klaus-Rüdiger Landowsky Bakschisch-Banking betrieben, seinen Parteifreunden Kredite geschenkt und das Vermögen der Bank veruntreut hat, finde ich erschütternd. Dazu fällt mit nichts anderes ein als zu sagen, dass Klaus-Rüdiger Landowsky einem zutiefst korrupten System vorgestanden hat. Es ist gut, dass dieses System untergegangen ist.

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Es war ein großer Tag für Berlin, als dieses System unterging und die Herrschaften in die Wüste geschickt wurden. Das versichere ich Ihnen als jüngerer Mensch mit allem Bewusstsein, das ich an dieser Stelle habe. Es war ein großer und guter Tag für Berlin, als diese Form der Verflechtung von Politik und Ökonomie, von GefälligkeitsBanking beendet wurde.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön, Herr Kollege Wechselberg!

Herr Kollege Braun! Vogel-Zeigen ist nicht parlamentarisch und der Begriff Penner auch nicht.