Protokoll der Sitzung vom 13.09.2007

Ich will nur Folgendes sagen: Wir haben der Versuchung der Opposition – der jede Opposition zu erliegen droht –, nur zu meckern und nur Forderungen zu stellen, widerstanden,

[Bürgermeister Harald Wolf: Das zeigt die Rede!]

sondern wir haben uns dazu bekannt, dass seriöse Haushaltspolitik auch gegenfinanzieren muss. Teil 1 der Gegenfinanzierung ist: Stoppen Sie das Gemeinschaftsschulprojekt – 22 Millionen €!

[Joachim Esser (Grüne): 5 Millionen € im Jahr!]

Wir müssen auch in dieser Stadt Vermögen veräußern. Im Gegensatz zu dem, was Herr Sarrazin eben gesagt hat, soll es nicht „verfrühstückt“, nicht nur einmal ausgegeben werden, sondern es soll in den Schuldendienst der Stadt gehen, damit wir die Chance haben, die gesparten Zinsen für Schwerpunktbildungen bei der Inneren Sicherheit, für die Zukunft von jungen Menschen, für bessere Schulen und Kindererziehungshilfen zu nutzen. Das ist unsere Haltung. Das muss sozialverträglich geschehen.

[Zuruf von Jutta Matuschek (Linksfraktion)]

Es ist ein richtiger Weg in Berlin, an dieses Thema zu gehen und es nicht mit einem Tabu zu belegen.

Wenn Sie so dagegen sind, meine Damen und Herren von der PDS,

[Uwe Doering (Linksfraktion): Ich hab’ ja gar nichts gesagt!]

dann lese ich Ihnen ausnahmsweise einmal vor, was Herr Lafontaine dazu gesagt hat. Schon 1997, ein bisschen, bevor er zu Ihnen gekommen ist, hat er gesagt:

Wenn gesellschaftliche Aufgaben durch private Anbieter besser und preiswerter erledigt werden können, haben die Bürger ein Recht darauf, dass die für sie beste Lösung gewählt wird. Und das heißt dann Privatisierung.

Oskar Lafontaine, 4. Februar 1997! – Wo er recht hat, hat er recht!

[Beifall bei der FDP]

Der große soziale Demagoge muss sich gefallen lassen, hier zitiert zu werden. Es ist falsch, ein solches Tabu aufzubauen. Wenn man Vermögensaktivierung sozialverträglich macht, dann nützt es der Stadt.

Schönreden der Lage, Verdrängen der Wirklichkeit, das wurde heute geboten, das kennzeichnet die Politik des Senats. Sie, Herr Wowereit, liefern uns Brot und Spiele, Stars und Sternchen, immer gute Laune. Jetzt gehen Sie auf Signierstunden für Ihre Memoiren, die ein bisschen zu früh gekommen sind, aber Sie lassen die Berliner allein mit den Problemen der Stadt. Dafür sind allenfalls die Senatoren zuständig. Sie verschanzen sich. Aber Sie haben die Richtlinienkompetenz. Wir werden Sie nicht daraus entlassen. Sie sind bis heute ein repräsentierender und kein regierender Bürgermeister. Sie führen die Stadt

nicht, und das ist das eigentliche Problem. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Pflüger! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Zackenfels das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Pflüger! Es ist ein starkes Stück, was Sie an den Tag legen, Thilo Sarrazin und Rot-Rot vorzuwerfen, wir schmückten uns mit fremden Federn. Ich frage Sie: Wo waren Sie denn, als wir den Tarifvertrag verhandeln mussten? Waren Sie in Hannover, Herr Pflüger? Hören Sie zu, Herr Pflüger?

[Zurufe von der CDU]

Sie wollten doch, dass man Ihnen zuhört. Es wäre schön, wenn auch Sie sich dieser Höflichkeit bedienten, Herr Pflüger!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Hören Sie zu! Wo waren Sie, als wir die Liga-Verträge kürzen mussten? Waren Sie in Hannover, waren Sie im Deutschen Bundestag, als wir uns über die Anschlussförderung gestritten haben? – Da waren Sie weit weg. Und wir haben gelacht,

[Zuruf von Gregor Hoffmann (CDU)]

als Sie von CDU/CSU gesprochen haben, nicht wegen des Inhalts Ihrer Ausführungen, aber weil dadurch deutlich wird, dass Sie in dieser Stadt eines nicht geschafft haben: Sie sind hier nicht angekommen, Sie sind noch bei der CDU/CSU.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Sie sind im Berliner Bundestag, aber nicht im Berliner Abgeordnetenhaus. Deswegen ist ein solcher freudscher Versprecher ein gutes Beispiel, den Bürgerinnen und Bürgern zu zeigen, dass Sie alles andere, nur nicht ihre Interessen vertreten sollten.

Ein Straßenausbaubeitragsgesetz gibt es, Herr Pflüger. Sie hätten sich kundig machen sollen. Sie haben es eingefordert und Ihren Widerstand angekündigt. Das ist alles passé. Das gibt es schon längst, Herr Pflüger! Machen Sie sich kundig!

[Zurufe von der CDU]

Sie sind noch nicht lange genug hier, um das zu wissen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Einen Rückzug aus der Wirtschaftsförderung können Sie anhand dieses Haushalts nicht nachweisen. Keine Aufstockung – d’accord, aber wo sehen Sie einen Rückzug aus der Wirtschaftsförderung? Diese steht solide und ist auch ausfinanziert.

Jetzt komme ich zu Ihrem Lieblingsthema, Herr Pflüger – den Flügen und den Flughäfen. BBI – da kann ich Sie nur warnen. Passen Sie auf! Treten Sie nicht in die Fußstapfen Ihres vom Landgericht verurteilten Vorgängers! Halten Sie sich aus der Bewirtschaftung von landeseigenen Unternehmen heraus!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Und wenn es eine öffentliche Vergabe gibt, dann sollten Sie zumindest den Anstand haben, so lange Ihren Mund zu halten, bis diese Vergabe beendet ist. Dann können Sie darüber urteilen, aber nicht vorher.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Im Mittelpunkt des Entwurfs zum Doppelhaushalt 2008/2009 stand die Herausforderung: Wie nutze ich ein konjunkturbedingtes freundliches Umfeld zur Schuldentilgung, ohne die notwendigen Schwerpunkte zu vernachlässigen? – Diese Aufgabe, das machen die uns heute vorliegenden Zahlen deutlich, wurde vom rot-roten Senat erfolgreich bewältigt. Der Kern dabei ist: Die Ausgaben bleiben – wie Thilo Sarrazin es ausgeführt hat – konstant bei rund 19 Milliarden € per annum, die Mehreinnahmen werden in vollem Umfang zur Rückführung von Schulden verwandt, 473 Millionen € im Jahr 2008, knapp 100 Millionen € im Jahr 2009. Das ist und bleibt für die kommenden Jahre der finanzpolitische Weg der Vernunft. Wir müssen das Zeitfenster konjunkturellen Aufwindes nutzen – da stimme ich Ihnen gerne zu –, bevor es wieder zugeht. Die Regierungsfraktionen sind daher mit der Arbeit des Finanzsenators mehr als zufrieden und wollen die kommenden Beratungen dazu nutzen, Ihnen dieses en detail deutlich zu machen.

Es ist der erste Haushaltsentwurf nach der Wahl vom September 2006. Mich freut in diesem Zusammenhang besonders, dass wir im Wahlkampf klare Versprechungen gemacht haben – im Gegensatz zu dem, was Sie gerade gesagt haben, Herr Pflüger – und diese auch gehalten haben:

Erstens: Das letzte Kitajahr wird kostenlos. – Von einer Lachnummer im Wahlkampf sprach die FDP-Jugendexpertin Mieke Senftleben, als Klaus Wowereit diese Maßnahme ankündigte.

[Zuruf von Christoph Meyer (FDP)]

Im August dieses Jahres erhielten Tausende ihren Freistellungsbescheid. Wir haben Wort gehalten.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Zweitens: Mit uns gibt es keine Studiengebühren. Das war meine und meiner Partei Aussage vor der Wahl. Sie werden daher vergebens einen entsprechenden Hinweis im Rahmen der hochschulpolitischen Eckwerte in diesem Haushalt finden. Wir haben Wort gehalten.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von Christoph Meyer (FDP)]

Drittens: Wir haben gesagt, wir fangen an mit der Gemeinschaftsschule, 22 Millionen € sind dafür vorgesehen, nicht mehr, aber die finden Sie auch im Haushalt. Ich stelle fest: Wir haben Wort gehalten.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir haben also das geschafft, womit keiner gerechnet hat und wahrscheinlich am wenigsten Sie von der CDU: den Bürgerinnen und Bürgern diese Stadt die Wahrheit zu sagen, sie fünf Jahren in praktisch allen Bereichen mit Konsolidierungsmaßnahmen zu konfrontieren und trotzdem in der Führung der Regierungsgeschäfte bestätigt zu werden, die richtigen politischen Schwerpunkte zu setzen, aber nicht um den Preis, Konsolidierungsbemühungen aufzugeben. Alle wissen, dass dieser Aspekt auch in den Koalitionsverhandlungen durchaus strittig war. Aus Sicht meiner Fraktion sind wir zu einem zufriedenstellenden Ergebnis gekommen und sehen uns in der Kontinuität der Finanzpolitik, die wir in den letzten fünf Jahren mit Thilo Sarrazin zu verantworten hatten. Konsolidierung ja, aber mit Maß und in sozialer Verantwortung.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Es ist nicht nur der erste Haushalt nach der Wahl, es ist auch der erste Haushalt nach dem verheerenden, in seinem finanztechnischen Verständnis eher leichtfüßigen Urteil aus Karlsruhe. Es bestünden 5 Milliarden € aktivierbares Landesvermögen in Form von landeseigenen Wohnungsbeständen, deren Einmaleinnahme eine dauerhafte Entlastung bedeuteten, so das Karlsruher Gericht in seiner Begründung. Diesem Ansatz des Di-Fabio-HassemerSenats hat Rot-Rot zu Recht eine Absage erteilt. Wir stehen zu 270 000 Wohnungen im öffentlichen Bestand.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir stehen aber auch für einen Effizienzgewinn in der Bewirtschaftung dieser Bestände. Sie werden also in diesem Haushalt vergeblich Gewinne aus dem Verkauf von Wohnungen suchen, dafür aber 1 Million € an Dividendenausschüttungen landeseigener Wohnungsunternehmen finden.