wie sie reisen, was sie auf ihren Reisen machen. Die Reisen von ihnen sind voll mit Wirtschaftsterminen. Sie fahren in die großen industriellen Zentren dieser Welt. Es wäre klug gewesen, Herr Wowereit, statt eine Woche Safari in Namibia zu machen, drei Tage in Dubai und Abu Dhabi um Investoren zu werben. Das haben Sie nicht gemacht. Da muss eine Veränderung der Reise- und Auslandspolitik des Senats eintreten.
Oder schauen Sie sich Breslau an. Kollegin EichstädtBohling, Martin Lindner und ich, wir sind im letzten Jahr zusammen nach Breslau gefahren.
In Breslau sind 120 000 Arbeitsplätze in zwei Jahren geschaffen worden. Es gab 5 Milliarden € Auslandsinvestitionen im letzten Jahr. Man sieht boomende Regionen. Welche Beziehungen hat Berlin zu diesen Boomstädten? – Gleich null. Man beklagt sich dort darüber, dass hier nichts passiert. Das ist die Situation. Die enorme Chance Berlins, zu einem Drehtor zu der enorm dynamischen Wirtschaft in Mittel- und Osteiuropa zu werden, ist nicht aufgegriffen worden, und das bleibt ein Fehler dieses rotroten Senats.
Sehr froh bin ich, dass Sie jetzt endlich das Thema regenerative Energien entdecken. In der Regierungserklärung von Herrn Wowereit war davon nach der Wahl nichts zu hören, kein Wort zu regenerativen Energien. Dann haben wir in der Debatte zu der Regierungserklärung gesagt: Berlin soll Hauptstadt regenerativer Energien werden.
Ich erinnere mich noch an das Gelächter. Jetzt endlich fangen Sie an zu erkennen, dass Solarenergie, Brennstoffzelle und Windkraft zukünftige Märkte sind. Es ist gut, dass Sie das tun, und die gemeinsame Opposition wird Sie dabei weiter treiben. Es wäre gut gewesen, Q-Cell in Berlin zu erhalten und nicht nach Bitterfeld abziehen zu lassen. So hätten wir jetzt ein großes weiteres Unternehmen in dieser Stadt.
Sie können über Herrn Lauder und sein Konzept denken, wie Sie wollen, Sie können dagegen sein, aber Herrn Lauder, der hier 350 Millionen € investieren wollte,
als reichen Onkel aus Amerika zu bezeichnen und ihn dazu zu bringen, dass er öffentlich erklärt, er sei in Berlin beleidigt worden, er, der Präsident des World Jewish Council ist, das ist ein schwerer Fehler. Selbst wenn man eine Investition nicht will, geht man auf diese Weise nicht mit Investoren um. Das spricht sich herum, wenn eine
Stadt so wirtschaftsfeindlich mit Leuten umgeht, die hier investieren und Arbeitsplätze schaffen wollen.
[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Sie könnten 20 Minuten reden, und es kommt nichts dabei heraus!]
Thema Länderfusion: Hier ist nichts passiert. Mittelstandsförderung: nichts passiert. Die Investitionsquoten der öffentlichen Hand sind zurückgegangen. Bei PrivatePublic-Partnerships ist nichts passiert. Ausgebremst worden sind die Bezirke – eine Niederlage nach der anderen. Die Umweltzone ist wirtschaftsfeindlich. Damit können Sie doch keinen Blumentopf gewinnen, wenn Sie die Leute sauber in die Pleite treiben. Bei der Schwarzarbeit gibt es keinen weiteren Fortschritt. Das Chipkartenmodell ist von Ihnen abgelehnt worden. Kongressstandort Berlin, ICC: Immer noch keine Entscheidung, dadurch gehen uns große Kongresse verloren. Das ist eine katastrophale Bilanz dieses Senats in der Wirtschaftspolitik. Das ist die Situation, die Sie hier schönreden. Wir freuen uns über jeden zusätzlichen Arbeitnehmer in dieser Stadt, aber das ist nicht Ihr Verdienst, Herr Wolf, sondern das Verdienst der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der guten Unternehmer in dieser Stadt. – Herzlichen Dank!
Danke schön, Herr Dr. Pflüger! – Für die SPD-Fraktion hat nunmehr der Kollege Jahnke das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege Jahnke!
Nach dieser Schlechtrede ist es schwer. Es war ein Schlechtreden des Standorts Berlin. Man gewinnt den Eindruck, dass Sie immer noch der Berlinfeind sind, der Sie 1991 bei der Hauptstadtdiskussion waren.
Warum verkennen Sie sonst, dass Berlin aus bekannten historischen Grünen eine andere Ausgangslage hat als die in Bayern oder Baden-Württemberg und dass die Wachstumsraten selbstverständlich in diesen Zusammenhängen zu sehen sind.
Wir und auch Sie sollten uns darüber freuen, wenn z. B. die IHK in ihrem jüngsten Konjunkturreport feststellt, dass sich die Stimmung in der Berliner Industrie auf einem hohen Niveau befindet.
Nicht trotz des Senats! Das haben sie nicht gesagt. Man kann immer viele Väter des Erfolgs finden, aber dieser Senat betreibt eine Industriepolitik, die diesen Namen wirklich verdient, und damit bin ich beim eigentlichen Thema, Herr Pflüger!
Man könnte auf die Idee kommen, Industriepolitik so zu verstehen, wie sie klassisch verstanden wird und wie es manchmal in den Zeitungen – wenn man einmal über den Tellerrand Berlins und Deutschlands hinausblickt – kritisch angemerkt wird. Freunde des Freihandels sagen: Aha! Die alte Industriepolitik feiert wieder fröhliche Urständ. – Gemeint ist damit eine Industriepolitik à la France oder wie es der gewesene Ministerpräsident FranzJosef Strauß betrieb, der die bayerische Luft- und Raumfahrtindustrie abschottete, subventionierte – eine Industriepolitik, wie man sie teilweise gesetzlich nicht mehr machen darf, wie wir sie uns finanziell auch nicht erlauben könnten.
Die Industriepolitik, die dieser Senat betreibt, ist also eine Industriepolitik des freundlichen Klimas, des Dialogs und der günstigen Rahmenbedingungen. Dazu hat Herr Wolf hier einiges gesagt.
Natürlich muss in dem Zusammenhang das Industrieforum im Roten Rathaus erwähnt werden. Das war eine gute Veranstaltung, und es waren die Leute der Industrie da. – Ich weiß nicht, ob Sie da waren, Herr Pflüger! Daran kann ich mich nicht erinnern. –
Und wenn Sie jetzt Herrn Mehdorn als den „größten Arbeitgeber Berlins“ bezeichnen, auch noch so personifiziert: Herr Mehdorn ist nicht der größte Arbeitgeber Berlins. Als Gegenbeispiel nannten Sie immerhin Daimler – bezogen auf Baden-Württemberg – oder andere Unternehmen. Herr Mehdorn ist der Chef der Deutschen Bahn. Wahrscheinlich sind Sie nur so persönlich an ihm interessiert, weil er eine CDU-Spendensammlung veranstaltet hat, und deshalb müssen Sie ihm dermaßen zum Munde reden.
Wir wollen die Lage nicht schönreden, und die Gewerkschaften sagen auch nicht, dass wir die Lage schönreden, aber sie wissen anzuerkennen, was wir hier tun. Der Dialog, der gerade auf Initiative des DGB, auf Initiative der IG Metall in Gang gekommen ist, wird von diesem Senat unterstützt, und das wird auch gesehen.
Ich komme zum Fachkräftepotenzial: Es ist im Grunde genommen zwiespältig, wenn der IHK-Konjunkturreport 2008, den ich schon zitierte, zu dem Schluss kommt, dass
jede zweite offene Ingenieurstelle in Berlin nicht besetzt werden konnte. Das ist zum einen ein positives Zeichen, dass in Berlin Ingenieurstellen frei werden, dass ein Bedarf an Fachkräften da ist. Es zeigt aber auch, wo zu arbeiten ist, wo in dieser Hochschullandschaft zu arbeiten ist, aber auch, wo die Unternehmen zu arbeiten haben, denn für den Fachkräftenachwuchs sind in erster Linie die Unternehmen selbst zuständig. Die Politik muss flankierend tätig sein, und dies werden wir tun.
Es geht auch – das ist mein dritter Punkt – um die Wirtschaftsförderung. Das ist ein ganz klarer Fall: Die Förderung der Cluster ist dabei ausgesprochen erfolgversprechend. Das tun wir auch, aber die Bestandspflege kann sich selbstverständlich nicht nur auf die Cluster konzentrieren, sondern Bestandspflege heißt, Arbeitsplätze vor Ort zu erhalten, und auch dies gelingt trotz einiger bedauerlicher Wegzüge, die Herr Wolf erwähnt hat, recht gut. Der Personalbestand in der Berliner Industrie ist wieder – wenn auch nicht in dem erhofften Maße – am Steigen, und man muss – ich kann das nicht oft genug sagen – den Ausgangszustand dabei beachten und kann es nicht einfach mit irgendwelchen Ländern in Süd- oder Südwestdeutschland vergleichen, die seit Jahrzehnten optimale Bedingungen vorfanden!
Wir können als Land Berlin durchaus auch durch unsere eigene Nachfrage tätig werden. Ich habe das vorhin im Zusammenhang mit dem Vergabegesetz erwähnt. Es gibt Instrumente wie den wettbewerblichen Dialog, den wir durchaus in unserer Koalitionsvereinbarung erwähnen. Es ist interessant, was die Studie der FHTW dazu zum Ausdruck gebracht hat, nämlich, was man bei einem Bestellvolumen von 5 Milliarden € jährlich – wenn man nur 1 Prozent davon, also 50 Millionen € einsetzt, um eine innovative Nachfrage im wettbewerblichen Dialog mit den Unternehmen zu gestalten – bewegen kann. Auch dies werden wir tun.
Ich möchte auf einen besonderen Aspekt eingehen, der hier bislang noch nicht vorkam. Das ist die Industrie in der Stadt. Die Industrie ist ein ganz wichtiges Element der Stadtentwicklung. Die klassische Industriestadt Berlin ist im Stadtbild überall sichtbar. Die Gebäude erfahren teilweise eine neue Nutzung, auch Dienstleistungen gehen dort hinein, das ist auch gut so, aber eben nicht nur Dienstleistungen, sondern auch junge Unternehmen finden dort neue Produktionsstätten. Man denke z. B. an das den TIB – Technologie- und Innovationspark Berlin – auf dem ehemaligen AEG-Gelände im Wedding, wo Prototypenfertigung stattfindet, wo kleine Unternehmen in Gang kommen können und Unterstützung finden.
Aber es entstehen auch völlig neue Standorte. Adlershof ist eine Erfolgsgeschichte. Dort ist nichts mehr von dem ehemaligen Wachregiment Feliks Dzierzynski, vom Fernsehen der DDR zu sehen. Selbst die Baracke, in der die heutige Bundeskanzlerin damals forschte, steht nicht mehr. Viele neue Gebäude sind dort entstanden, und Adlershof beschäftigt heute dort mehr Leute als vor der so
genannten Wende. Heute sind dort fast 13 000 Leute beschäftigt, wie gerade erst eine Studie des DIW gezeigt hat, und sie induziert weitere 8 000 Arbeitsplätze im Umfeld. Dort sind die Branchen vertreten, die Zukunft haben: in der optischen Industrie, in spezieller Elektronik, in der energetischen Technik. Allerdings, Herr Pflüger, das haben wir niemals bestritten, ist Solarenergie die Zukunft für Berlin. Das hat nicht erst „Öko-Pflüger“ erfunden, das sagen wir schon lange. Auch so etwas findet man in Adlershof. Dort sind die Unternehmen, in denen Herr Liebich gern vom Fußboden isst, wo es sehr sauber zugeht und wo es keine alte Industrie ist. Dort spürt man förmlich das Werden und Wachsen, und Adlershof ist da nicht der einzige Standort.
Ich möchte zwei Erkenntnisse hervorheben, die am Beginn unserer Industriepolitik standen und die jeder hier verinnerlichen sollte. Und zwar: Weder ist Industrie und Dienstleistung noch Industrie und Stadt ein Widerspruch! Natürlich muss man Berlin auch mit dem Umland betrachten. Auch Arbeitsplätze, die im produzierenden Gewerbe in Brandenburg, um Berlin herum, entstehen, sind für die hiesige Dienstleistung, für die hiesige Forschung für die Wertschöpfungsketten befruchtend. Das sieht man auch an den Beispielen von München, Frankfurt, von Industriestandorten, die uns unbestritten ein ganzes Ende voraus sind, wo der Industriebesatz – gemessen an der Bevölkerung – ein Vielfaches dessen ist, was wir in Berlin haben – auch in so einer Stadt wie Frankfurt, die man eher mit Dienstleistung in Zusammenhang bringen würde. Aber auch auf dem Stadtgebiet findet dort Produktion statt und in Berlin auch.
Wir werden auf jeden Fall dafür Sorge tragen, dass sich der Abstand durch die Schaffung neuer Industrien, durch die Schaffung neuer Keime verringert. Die Wachstumsraten nähern sich an. Das ist alles nicht von heute auf morgen zu erreichen. Wir haben Jahrzehnte der Deindustrialisierung hinter uns, aber zumindest ist der Karren aus dem Dreck gezogen, der Weg in die richtige Richtung ist eingeschlagen, und das ist das Verdienst dieser Koalition und nicht von der CDU angeregt. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Jahnke! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr Frau Paus das Wort. – Bitte schön, Frau Paus!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ach, Herr Liebich! Ach, Herr Jahnke! Herr Otto hat mir gerade noch mit auf den Weg gegeben, dass er damals auch einen Bebo-SherRasierapparat, und ich freue mich auch immer wieder, wenn ich auf einem Paus-Radlader sitzen darf. Keine Frage! Aber nach dem, was Sie heute geboten haben, frage ich mich: Wo leben Sie eigentlich?