Frank Jahnke

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Stimmung in der Berliner Wirtschaft ist hervorragend.
Die Industrieumsätze in Berlin lagen im ersten Quartal mehr als 4 Prozent über den Vorjahreswerten. Das Auftragsvolumen stieg sogar um 28 Prozent. Im Baubereich stiegen die Umsätze um mehr als ein Drittel gegenüber dem Vorjahreszeitraum, und selbst im Tourismus, wo das Jahr 2010 mit mehr als 20 Millionen Übernachtungen bereits ein Rekordjahr war, können wir im ersten Quartal 2011 abermals eine deutliche Steigerung verzeichnen. Der Geschäftsklimaindex der Kammern, bei dem die Unternehmen ihren Erwartungen Ausdruck verleihen, zeigt so gute Werte wie seit Jahren nicht. Diese positive Entwicklung allein der Senatspolitik zuzuschreiben, wäre vermessen, aber zweifellos hat die Senatspolitik einen entscheidenden Anteil daran.
Die wirtschaftliche Basis Berlins verbreitert sich zusehendst. Der von Klaus Wowereit geführte Senat setzt eben nicht bloß – wie die Vorgängerregierungen es in den 90er-Jahren illusionär taten – auf Dienstleistungen und den Zuzug von Regierungsfunktionen, sondern wir setzen auf Kompetenzfelder, beispielsweise in der Medizintechnik, der Informations- und Kommunikationstechnik, der Mobilität oder der Energieerzeugung und -nutzung.
Neue Betriebe und Branchen sind entstanden, die auf Berlins exzellenter Wissenschaftslandschaft aufbauen, und das Gründungsgeschehen setzt sich auch 2011 auf hohem Niveau fort.
Der Technologiepark Adlershof zeigt, wie die praktische Verknüpfung von Forschungseinrichtungen mit produzierenden Unternehmen vor Ort zur Schaffung von Tausenden von Arbeitsplätzen führt. In Adlershof siedeln auf dem Campus bereits mehr als 400 Firmen der Hochtechnologie, die jährlich deutlich mehr als 1 Milliarde Euro zur Bruttowertschöpfung Berlins beitragen. Ähnlich sieht es im Bereich der Biotechnologie in Buch oder in den
Bereichen Handel, Kreativwirtschaft in der City West aus. Die großen Areale der Flughäfen Tempelhof und Tegel sowie das Gelände um den Hauptbahnhof werden zu neuen Wirtschaftsräumen inmitten der Stadt.
Der Willy-Brandt-Flughafen wird in einem Jahr bereits in Betrieb sein, wird Tausende von Arbeitsplätzen in seinem unmittelbaren Umfeld schaffen und vor allem die für den Wirtschaftstandort Berlin notwendigen internationalen Flugverbindungen ermöglichen. Der Opposition fällt hierzu nichts weiter ein, als einen Regionalflughafen zu fordern – wie die grüne Spitzenkandidatin – oder die Anbiederung gegenüber Flugroutengegnern aller Art zu betreiben.
Die Berliner Wirtschaft ist bei der von Klaus Wowereit geführten Regierung in den besten Händen. Das hört man bei Gesprächen mit Unternehmensvertretern durchaus immer wieder. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hängt mit diesem Thema aber auch untrennbar die Frage zusammen, zu welchen Bedingungen gearbeitet wird. Der Begriff „Gute Arbeit“ ist für uns ein zentraler Begriff. Wir wollen kein Lohndumping und keine sogenannten McJobs, bei denen die Beschäftigten durch Vollzeitarbeit ihren Lebensunterhalt nicht sichern können. Mit dem Ausschreibungs- und Vergabegesetz haben wir im vergangenen Jahr die Grundlage dafür geschaffen, dass zumindest bei Aufträgen des Landes und seiner Unternehmen kein Lohndumping mehr betrieben werden darf. Unser Ziel bleibt ein allgemein verbindlicher, über alle Branchen geltender gesetzlicher Mindestlohn.
Deutlich über 100 000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze sind in der zu Ende gehenden Legislaturperiode in Berlin geschaffen worden. Die Arbeitslosenquote ist aufgrund des industriellen Niedergangs der 90er-Jahre noch immer viel zu hoch, doch der Aufholprozess Berlins zeichnet sich auch in diesem Bereich ab. In keinem anderen Bundesland ist der Rückgang der Arbeitslosigkeit in den letzten fünf Jahren so deutlich ausgefallen wie in Berlin.
Lassen Sie uns in der heutigen Aktuellen Stunde über das zentrale Thema der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik reden, über die ökonomischen Perspektiven Berlins und seiner Menschen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!
Sie waren jetzt schon bei den Spielhallen, ich möchte aber gern noch mal kurz auf die Gewerbesteuer zurückkommen. Sie sprachen von der Orientierung am Durchschnitt der Gewerbesteuerhebesätze. Meinen Sie wirklich, dass man jetzt die Uckermark und ähnliche Gewerbesteuergebiete mit einbezieht und dass sich Berlin dann an diesem Durchschnitt orientieren soll?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Jahr ist es nun fast her, seit wir hier im Abgeordnetenhaus das neue Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz beschlossen haben. Es trat an die Stelle des Berliner Vergabegesetzes aus dem Jahr 1999 in der Fassung vom 19. März 2008. Eine lange Debatte war dem neuen Gesetz vorangegangen, ausgelöst durch das sogenannte Rüffert-Urteil des EuGH, das eine Regelung im niedersächsischen Vergabegesetz außer Kraft gesetzt hatte, die in ähnlicher Form auch ein Kernstück unserer Gesetzesnovelle von 2008 war. Die Gegner jeglicher Mindestlöhne sahen sich durch das Rüffert-Urteil bestärkt, und die FDP – wie immer etwas neben den Erfordernissen der Zeit stehend – forderte natürlich die völlige Abschaffung des Vergabegesetzes statt einer Novellierung.
Dabei hatte der EuGH überhaupt nicht zu unserem Gesetz geurteilt und auch keine Aussage zu der darin enthaltenen Mindestlohnregelung getroffen, sondern lediglich die Anwendbarkeit regional gültiger Tariflöhne als Kriterium bei öffentlicher Auftragsvergabe verneint. Doch selbst
verständlich war auch für uns in Berlin die Anwendung der Tarifverträge entscheidend. Der im Fokus der öffentlichen Debatte stehende Mindestlohn von 7,50 Euro war ja keineswegs das Lohnniveau, das wir uns generell für alle Landesaufträge wünschten, sondern der im Gesetz festgelegte Mindestlohn stellt eine absolute Lohnuntergrenze dar, die sicherstellt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die im Auftrag des Landes Berlin oder eines Landesunternehmens arbeiten, von dem Einkommen aus ihrer Arbeit auch leben können.
Für alle über dem Mindestlohn liegenden Tariflöhne bedurfte es einer mit dem Rüffert-Urteil konformen Regelung, wie sie nach ausführlicher Beratung und durch Gutachten renommierter Rechtsexperten gestützt in Paragraph 1 des Ausschreibungs- und Vergabegesetzes formuliert wurde.
An die Adresse der großen Deregulierer von der FDP gerichtet, möchte ich hervorheben, dass eine solche Mindestlohnregelung, die dem Lohndumping klare Grenzen setzt, auch im Interesse der vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen in Berlin liegt, als deren Sachwalter sich dieselbe FPD gern aufspielt.
Nicht umsonst stand die Handwerkskammer unserer Gesetzesnovelle von Beginn an positiv gegenüber, weil man sich dort durchaus bewusst ist, wie sehr ein völlig ungeregelter Wettbewerb durch ruinöses Lohndumping gerade kleinen und kleinsten Unternehmen schadet.
Ich verhehle nicht, dass unser eigentliches Ziel ein gesetzlicher, landesweiter Mindestlohn für alle Branchen bleibt. Über 20 Staaten der EU leben damit, ohne die in Deutschland an die Wand gemalten Gefahren zusätzlicher Arbeitslosigkeit zu erfahren – eher im Gegenteil. Die schwarz-gelbe Bundesregierung mauert derzeit noch, aber innerhalb der CDU ist Bewegung in die Diskussion gekommen. Der Vorsitzende der christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft, Karl-Josef Laumann, hat unlängst die Forderung nach einer allgemeinen Lohnuntergrenze erhoben, die für alle Branchen in Deutschland gelten soll, was ja wohl nichts anderes als ein landesweiter Mindestlohn wäre.
Ein Jahr ist das Ausschreibungs- und Vergabegesetz in diesem Sommer in Kraft. Es hat sich nicht als großes Bürokratiemonster erwiesen, wie seinerzeit in der Diskussion auch an die Wand gemalt wurde. Es hat Klarheit auch in andere wichtige Bereiche der Vergabe gebracht, die von CDU, FDP und IHK gerne als „vergabefremd“ bezeichnet werden, obwohl sie ursächlich damit zusammenhängen, unter welchen Bedingungen das Land Berlin seine Aufträge erfüllt sehen will – in ökologischer Hinsicht, bei der Frauenförderung oder bei den ILO-Kernarbeitsnormen.
Der Mindestlohn von 7,50 Euro ist nicht für alle Zeiten festgeschrieben, sondern kann gemäß § 2 des Ausschreibungs- und Vergabegesetzes durch Rechtsverordnung angepasst werden, wenn es wegen veränderter wirtschaftlicher und sozialer Verhältnisse notwendig ist. Eine solche Anpassung sollte überlegt werden.
Es gäbe also genug aktuellen Anlass, heute über das Ausschreibe- und Vergabegesetz zu debattieren. Allerdings haben wir uns entschlossen, dem CDU-Vorschlag über ein Thema zu folgen, das zweifelsohne ebenfalls von hoher Relevanz für unsere Stadt ist. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP stellt hier – auch noch mit Priorität – einen putzigen Schaufensterantrag zur Diskussion.
Ich mache mir aber mal den Spaß, so zu tun, als nähme ich den FDP-Antrag ernst. Berlin soll also den in Scharen aus Bundesländern mit grüner Regierungsbeteiligung fliehenden Industrieunternehmen Asyl gewähren. Zunächst verwundert der Optimismus der FDP, wenn man genau zuhört: Noch zu Beginn der heutigen Sitzung hat Herr Meyer versucht, den Eindruck zu erwecken, Berlin sei das unfreieste aller Bundesländer, das Bürger und Unternehmen in einem einzigartigen Maß gängeln und bevormunden würde. Wieso sollten, wenn das tatsächlich so wäre, die aus anderen Bundesländern fliehenden Unternehmen gerade nach Berlin flüchten?
Dies wäre ja – um in der Logik zu bleiben –, als würden die Verfolgten aus diktatorischen Ländern ausgerechnet bei Gaddafi um Asyl bitten. Aber vielleicht sieht die FDP den Berliner Wirtschaftsstandort in Wahrheit gar nicht so negativ, wie sie das in ihrer Oppositionsrolle meint, tun zu müssen. In diesem Fall kann ich der FDP nur zustimmen.
Der Wirtschaftsstandort Berlin bietet hervorragende Bedingungen für ansiedlungswillige Industrieunternehmen.
Hier gibt es exzellente Hochschulen und Forschungseinrichtungen, entsprechend gut ausgebildete Ingenieure und auch Facharbeiter. In der Tat – das erwähnt die FDP ja immerhin – gibt es im Stadtgebiet große verfügbare Flächen für Ansiedlungen – für Firmenzentralen ebenso wie für die Produktion. Unser Konzept sieht die Profilierung
bestimmter Zukunftsorte mit spezifischen Schwerpunkten vor – in Adlershof, in Buch, der City West, im CleanTech-Park in Marzahn-Hellersdorf und demnächst auf den ehemaligen Flughafenflächen in Tempelhof und Tegel. Die hiesige Wirtschaftsförderung mit dem neu eingerichteten Unternehmensservice bietet Unternehmen Unterstützung aus einer Hand bei allen Verwaltungsfragen. Berlin nimmt ansiedlungswillige Unternehmen mit offenen Armen auf. Die Berlin Partner GmbH hatte hierbei in den zurückliegenden Jahren schon einige spektakuläre Erfolge zu verzeichnen. Im Fall von Universal, Coca Cola oder Pfizer sind auch schon Zentralen nach Berlin verlegt worden.
Selbstverständlich würden wir auch gerne den Vorstand von Daimler in Berlin aufnehmen. Der Regierende Bürgermeister hat bei der Wirtschaftskonferenz zur Mobilität im Roten Rathaus vor einem halben Jahr Herrn Zetsche sogar bereits diesen Vorschlag gemacht, und das war nicht nur so dahergesagt. Wir in Berlin wären über eine solche Entscheidung des Daimler-Vorstands sicherlich glücklich. Ob allerdings das Schreckgespenst eines grünen Ministerpräsidenten so furchterregend ist, dass die Daimler AG oder andere Unternehmen aus BadenWürttemberg fluchtartig das Land verlassen, ist eher zu bezweifeln.
Die Grünen haben in ihrem Verhältnis zum Industriestandort Deutschland sicherlich noch einigen Nachholbedarf – in Berlin ebenso wie in Baden-Württemberg –, das sehe ich auch so. Wir werden verfolgen, ob sie dies in einem Bundesland mit starker Industriestruktur leisten können. Dass wir in Berlin aber hieraus ernsthaft Profit schlagen können, ist eher unwahrscheinlich. Wir besinnen uns auf unsere eigenen Stärken, wie sie auch im Masterplan Industrie gemeinsam mit Unternehmen und Gewerkschaften festgestellt wurden. Wir setzen auf Gründungen aus Berlin heraus, auf das enorme Reservoir der Hochschulen und der kreativen Menschen in unserer Stadt. Alle, die uns kommen, um die großen Chancen dieses Standorts zu nutzen und die hiesige Wirtschaft zu stärken, sind uns herzlich willkommen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun hat auch die FDP das Thema Wasser entdeckt.
Allerdings fällt ihr zu diesem Thema auch nichts anderes ein als zu jedem beliebigen anderen Thema, nämlich der Verzicht auf staatliche Einnahmen und das hohe Lob auf den ungezügelten Wettbewerb. So ist im FDP-Antrag gleich am Anfang die Rede vom Verzicht auf einen Teil der überhöhten Gewinne – in Klammern: Kapitalverzinsung –, die das Land derzeit aus den Wasserbetrieben ziehe.
Man muss nicht die etwas einfach gestrickte Sichtweise von Senator Wolf teilen, derzufolge die im Konsortialvertrag gesicherten Renditen der privaten Investoren RWE und Veolia der einzige Grund für die überhöhten Wasserpreise in Berlin seien. Aber es steht völlig außer Zweifel, dass die den Privaten 1999 zugesagte Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals mit 2 Prozentpunkten über dem langfristigen Marktzins das Preisniveau entscheidend beeinflusst, und zwar nach oben.
Es ist typische FDP-Denke, den Anteil, der den Privaten hieraus zufließt, für völlig legitim zu halten, während der Anteil des Staates – in diesem Fall des Landes Berlin – den „überhöhten Gewinn“ darstelle. Ich frage mich: Was für Abgeordnete des Landes Berlin sind das eigentlich, die Verantwortung für den Landeshaushalt tragen, aber so leichtfertige Forderungen stellen?
Das ist doch nicht der Haushalt von Herrn Nußbaum allein, dem man als Opposition vielleicht gern mal eins mitgeben will, sondern das ist der Haushalt des Landes Berlin, aber die FDP schert das nicht. Wenn sie die Abschaffung des Grundwasserentnahmeentgelts fordert wie zuvor auch schon die Senkung der Grundsteuer, des Gewerbesteuersatzes und aller Dinge, die dem Land eigene Einnahmen sichern, um dann hinterher lautstark zu beklagen, dass Berlin auf Transferzahlungen anderer Länder und des Bundes angewiesen ist, dann ist diese Haltung bigott und verantwortungslos.
Unsinnig ist auch die Forderung der FDP nach Wettbewerb in der Wasserversorgung und -entsorgung. Beim Wasser haben wir es mit einem natürlichen Monopol zu tun. Der Fehler von 1999 bestand gerade darin, die hieraus resultierende Monopolrendite zu privatisieren. Wir sind jetzt dabei, diesen Fehler zu korrigieren, indem wir mit RWE über den Rückkauf der Anteile verhandeln,
und in der Tat wird auch mit Veolia gesprochen, um die bestehenden Verträge im Interesse Berlins und seiner Bürgerinnen und Bürger nachzubessern.
Die privaten Eigner müssen einfach erkennen, dass ein Beharren auf ökonomisch unangemessene und deshalb auch moralisch angreifbare Renditen ihrem berechtigten
Anliegen, in dieser Stadt als sozial und ökologisch verantwortungsbewusstes Unternehmen zu gelten, schlicht entgegensteht.
Daran können auch alle noch so gut aufgemachten Broschüren und Imagekampagnen nichts ändern!
Manchmal tun wir ja genau das, was die FDP von uns erwartet: Der Senat verhandelt mit den Anteilseignern der Berliner Wasserbetriebe zum Wohle der Berlinerinnen und Berliner, um, ich zitiere, „die Kapitalverzinsung auf eine dem Risiko angemessene übliche Verzinsung zu reduzieren,“ wie es in Ihrem Absatz 4 wörtlich heißt, und auch, wie es in Ihrem Absatz 5 heißt, „zum frühestmöglichen Vertragsende das Eigentum und die Verantwortung für die Wasserinfrastruktur auf das Land Berlin zu übertragen.“
Allerdings geschieht dies nicht, um den Betrieb anschließend dem Wettbewerb zu überantworten, sondern, wie im Volksentscheid unlängst gefordert, den Berlinerinnen und Berlinern die Hoheit über ihr Wasser zurückzugeben.
Das ist der eindeutige Wille der Bevölkerung – mitnichten weitere Privatisierungs- und Wettbewerbsabenteuer. Daher lehnen wir die Anträge der FDP natürlich ab. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!
Das Internationale Congress Centrum ist eines der entscheidenden Pfunde, mit denen Berlin in der internationalen Kongressszene wuchern kann. Es wurde 1979 genau zu dem Zweck eröffnet, Berlin aus einer relativ mittelmäßigen Position bei internationalen Kongressen zu einem der führenden Kongressstandorte der Welt zu entwickeln. Mit ihrem wegweisenden Entwurf haben die Architekten Ursulina Schüler-Witte und ihr leider kürzlich verstorbener Mann Ralf Schüler für Berlin die Kongressfacilitäten geschaffen, durch die unsere Stadt überhaupt erst unter die drei führenden Kongressstädte weltweit aufrücken konnte. Und dies sind keine längst vergangenen Meriten, sondern das ICC ist in den letzten Jahren immer wieder mit dem World Travel Award für das weltbeste Kongresszentrum ausgezeichnet worden. Ich betone das deswegen so ausdrücklich, weil in der Stadt in letzter Zeit immer mehr der Eindruck erweckt wurde, das Internationale Congress Centrum sei völlig desolat und nicht mehr brauchbar. Das Gegenteil ist der Fall: Das ICC ist Jahr für Jahr ausgebucht und für den hiesigen Kongressstandort unverzichtbar.
Genau deshalb gestaltet sich die nach über 30 Betriebsjahren nun notwendig gewordene technische Generalüberholung des Congress Centrums auch so schwierig. Wir wollen doch nicht allen Ernstes riskieren, dass wichtige internationale Kongresse Berlin verlassen, weil die entsprechenden Facilitäten vorübergehend nicht zur Verfügung stehen. Das wäre wirtschaftspolitisch vollends irrational, denn ob einmal abgewanderte Großkongresse oder Hauptversammlungen je zurückkehren, ist sehr ungewiss.
Der Sanierungsplan des Senats, der in der Vorlage – zur Kenntnisnahme – vom 16. Dezember 2010 nachzulesen ist, zeigt auf, wie diese Quadratur des Kreises möglich werden kann. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat beispielhafte Arbeit geleistet: Ausgehend vom Bedarfsprogramm, auf der Basis technischer Gutachten und von Schadstoffgutachten hat sie gemeinsam mit der Wirtschaftsverwaltung einen Plan geliefert, wie das ICC saniert werden kann und für Berlin trotzdem keine Kongresse verloren gehen.
Der Antrag der Grünen ist demzufolge überflüssig. Ich nehme an, der Antrag ist vor allem der Sorge geschuldet, die Partei des Wirtschaftssenators bekämpfe das ICC nach wie vor, um sozusagen „Rache für den Abriss des Palastes der Republik“ zu nehmen. Ich habe es neulich schon im Bauausschuss gesagt, unsere Devise lautet: „Krieg den Palästen, Friede den Kongressen!“ – Das sieht auch unser Koalitionspartner sicherlich nicht anders. Der gewesene DDR-Palast hat einfach mit der ICC-Sanierung so wenig zu tun, wie der Müggelturm oder die Siegessäule damit zu tun haben – nämlich gar nichts. Die ICC-Sanierung ist eine wirtschaftspolitische Notwendigkeit, und ich bin überzeugt, dass der gesamte Senat dabei an einem Strang zieht.
Darf ich dies als Beifallsbekundung werten?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Grünen meinen es gut mit Harald Wolf. Sie wollen ihn aus einem Interessenkonflikt befreien,
den er nicht aufzulösen vermag, wie es in Ihrer Begründung heißt.
Gibt es diesen Interessenkonflikt denn tatsächlich? – Ich sage, es gibt ihn allenfalls partiell, aber nicht vom Grundsatz her.
Als Senator ist Harald Wolf auf die Landesverfassung von Berlin vereidigt worden und muss das Wohl des Landes mehren und bewahren.
Die Richtschnur für dieses Handeln ist dieselbe, ob er zum Beispiel für die Wirtschaftsförderung agiert oder ob er im Namen eines Unternehmens des Landes Berlin, das dem Land gehört, agiert. Wenn er in einer Unternehmensbeteiligung dem gesetzlich geregelten Auftrag nachkommt, dort die Interessen des Landes Berlin zu vertreten, so geht dies mit dem Eid, den er geleistet hat, einher. Es ist politisch gewollt – ich nehme an, die Grünen wollen es auch –, dass Senatsvertreter in Aufsichtsräten von landeseigenen Unternehmen sitzen und auch gelegentlich in wichtigen Unternehmen den Aufsichtsratvorsitz übernehmen. Das heißt, die Richtung dessen, was er hier tun soll, ist vollkommen kongruent. Ein vom Wohl des Landes abweichendes Interesse eines landeseigenen Unternehmens sollte es naturgemäß also nicht geben, wenn man die Landeshaushaltsordnung und die Beteiligungsrichtlinien betrachtet.
Bei den Wasserbetrieben liegt der Fall allerdings etwas anders. Durch die Beteiligung der privaten Anteilseigner liegt das Unternehmensinteresse der Wasserbetriebe nicht automatisch im Interesse des Landes und der Berlinerinnen und Berliner.
Das Renditeinteresse ist nicht immer im Einklang mit den Interessen des Landes.
Wie geht Senator Wolf – und zwar seit Jahren – mit diesem Konflikt um? – Er erklärt: Der Sündenfall war die Teilprivatisierung des Jahres 1999. Hieraus ergeben sich all die anderen Handlungen quasi automatisch.
Und allein diese Grundlage – ich zitiere es ja nur – habe dafür gesorgt, wie die Entscheidungen, die er oder auch Senatorin Lompscher zu treffen hatte, zustande kamen. Ich finde diese Argumentation nicht in jedem Punkt stringent, ich finde sie teilweise ärgerlich.
Auch der Regierende Bürgermeister hat hierzu deutliche Worte gefunden. Klaus Wowereit aber deswegen als Kronzeugen zu berufen, um diesen Antrag zu unterstützen, Senator Wolf zum Niederlegen des Aufsichtsratsvorsitz aufzufordern, ist verfehlt.
Dieser Antrag, ihn hierzu aufzufordern, scheint mir dem Wahlkampf geschuldet. Herr Ratzmann! Hier im Plenum sind wir fast unter uns. Da kann man im Vertrauen sagen: Der Auftritt, den Sie eben hatten, war Wahlkampfgetöse.
Darum werden wir Ihrem Antrag mit Sicherheit nicht Folge leisten.
Ja, danke, Herr Präsident! Ich habe nur eine kurze Frage an den Kollegen Lederer. – Sie hatten eben in Ihrer Rede den Vorwurf, ich würde mich winden, dass es schon peinlich sei.
Das würde ich gerne etwas näher erläutert kriegen.
Finden Sie es vielleicht peinlich und „sich winden“, dass man versucht, die Interessenlage des Senators zu erklären, wie sie ist, wo auch eventuell ein Interessenkonflikt liegen könnte? Oder finden Sie irgendeine andere Sache dabei „peinliches Winden“, und haben Sie deshalb etwas daran auszusetzen?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es mit einer neuen Antragsserie der FDP zu tun – zukunftsfähige Energieversorgung für Berlin Teile 1 und 2. Wir erinnern uns an die alte Serie „Weniger Bürokratie, mehr Berlin“, die etwa bis Teil 87 oder so ähnlich ging. Offenbar hat die FDP auch dieses Mal den Ehrgeiz, zu einer langen Serie zu kommen – man sieht es schon daran, dass eine Redundanz vorliegt: Es ist doch er
staunlich bei diesen beiden Anträgen, wie wenig Inhalt künstlich gestreckt wird, beispielsweise in einem nahezu wortgleichen ersten Absatz in beiden Anträgen.
Worum geht es aber eigentlich? – Es geht der FDP zuallererst darum, auf jede staatliche Beteiligung an den Energienetzen zu verzichten. Für Berlin heißt das, auf jede Form der Rekommunalisierung zu verzichten, da die Berliner Gas-, Strom- und Fernwärmenetze im Zuge der Privatisierung in den Neunzigerjahren mit den städtischen Unternehmen GASAG und Bewag veräußert wurden. Seither ist nicht nur eine Menge Wasser die Spree hinuntergeflossen, sondern die gesamte Landschaft der Energieversorgung wurde europaweit völlig neu geordnet, auf neue gesetzliche Grundlagen gestellt. War die gute alte Bewag noch ganz selbstverständlich alleiniger Strom- und Fernwärmeversorger in Berlin, Erzeugung, Netz und Vertrieb waren also in einer Hand, schreibt die EU inzwischen das sogenannte Unbundling vor, die strikte Trennung der drei Bereiche. Die heutigen Versorger Vattenfall und GASAG unterhalten daher Tochterunternehmen zum Betrieb der Netze. Doch gerade weil die Netze eine Infrastruktur darstellen, die allen Erzeugern und Versorgern diskriminierungsfrei zur Verfügung stehen müssen, und weil sie Wegerechte im städtischen Eigentum erfordern, stellt der Betrieb und der Unterhalt der Netze, die Investitionen in die Netze eine ganz typische Aufgabe der öffentlichen Hand dar.
Anders als von der FDP dargestellt, ist dies auch kein unkalkulierbares Risiko für die öffentlichen Haushalte, sondern durch die weitgehende Reglementierung, die sie durch die Bundesnetzagentur und durch festgelegte Netzentgelte darstellen, lässt sich der Rückkauf der Netze finanziell darstellen. Wenn etwa ein Kommunalkredit für 2 oder 3 Prozent zu erhalten ist, die Netzentgelte je nach erreichter Effizienz 7 oder 8 Prozent betragen, dann ist dort eine sichere Marge vorhanden, die die Rekommunalisierung der Netze zu keinem finanziellen Abenteuer macht.
Die Vorteile der Rückgewinnung der kommunalen Selbstbestimmung über die Energienetze liegen doch auf der Hand.
Die Kommune kann selbst entscheiden, wie sie das Netz gestaltet, um beispielsweise dezentrale Energien zu ermöglichen.
Sie selbst sagen ja, dass die Refinanzierung dieser Dinge durch Netzgebühren angeblich nicht gesichert ist. Wenn es so ist, würde es ein Privater erst recht nicht machen. Wo landen wir denn dann mit unseren Klimazielen? Das ist doch Unfug!
Sie kann auch entscheiden, wie weit und wo in das Netz investiert wird, und damit das öffentliche Gut Energie für alle Bürgerinnen und Bürger effizient verfügbar machen.
Um zu gewährleisten, dass Energie für die Verbraucher kostengünstig und klimaschonend produziert wird, sollte Berlin auch wieder in die Energieerzeugung einsteigen. Natürlich ist die FDP auch gegen Stadtwerke. Aber genau dieser Weg wird von immer mehr Kommunen landauf, landab gegangen, und vielerorts steht eine Rekommunalisierung am Beginn. Denn nicht alle Kommunen haben so vorausschauend wie beispielsweise Nürnberg oder München niemals ihr Netz verkauft, sondern waren den Privatisierungsideologien der Neunzigerjahre erlegen wie Berlin auch.
Aber nun ist die Zeit der Ideologien vorbei! Wir werden keine ideologisch motivierte Rekommunalisierung um jeden Preis durchführen, wie die FDP uns das unterstellt. Aber wir werden dafür Sorge tragen, dass Energie als Teil der Daseinsvorsorge nicht für Traumrenditen in fernen Konzernzentralen sorgt, sondern für die Bürgerinnen und Bürger wirtschaftlich und ökologisch nachhaltig zur Verfügung steht. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!
Man merkt, dass Sie gar nicht zugehört haben. Ich habe doch deutlich vor Augen geführt, wo die Vorteile für die Kommune und die Bürgerinnen und Bürger liegen, wenn man das Netz wieder selbst betreibt. Wenn wir eine Energieerzeugung in Berlin gewährleisten wollen, die dezentral ist und auch erneuerbare Energien beinhaltet und die – was Sie auch erwähnt haben – die E-Mobilität ausnutzt, dann ist dies mit einem bestimmten Netz verbunden. Ob dieses Netz tatsächlich aus den Renditen aufgebaut werden kann, bezweifeln Sie doch selber. Sie behaupten allen Ernstes, dass sei nicht durch die Renditen zu erwirtschaften.
So frage ich: Wie wird es denn dann aufgebaut? Bei einem privaten Betreiber wird dieses Netz nicht geschaffen werden, sondern der wird sagen: Die Rendite erziele ich damit nicht. Also verzichte ich auf die Klimaziele; also verzichte ich auf nachhaltige Energiepolitik. – Das ist doch völlig logisch! Insofern ist die Kommune die einzige Gewährleistung, die man haben kann, dass klima- und energiepolitisch und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger gearbeitet wird und nicht die Rendite in einer fernen Konzernzentrale – manche ahnen vielleicht, welche ich meine – das Hauptargument ist. Dann geht es in der Tat um ein Stadtwerk aus und für Berlin, und dies ist meines Erachtens im Interesse der Berlinerinnen und Berliner und nicht das, was Sie hier fordern.
Mich würde interessieren, ob Sie die ganzen Dinge, die Sie eben erwähnt haben, die Feuersozietät, Stadtgüter usw., alle gern in staatlicher Hand behalten hätten. Das war ja ein ziemlich buntes Sammelsurium.
Aber Sie waren bei meiner Rede im Raum, und Sie haben gehört, dass ich dargestellt habe, wie man über Kommunalkredite und den Rückfluss aus dem Betrieb der Netze diese Investition finanzieren kann? Natürlich muss die öffentliche Hand dabei auch rentabel investieren. Das ist aber auch im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher wie der Ökologie.
Auf Antrag der Grünen reden wir heute zum Thema „Berliner Modeförderung ohne magere Models". Zunächst einmal einige Worte zu der prinzipiell verständlichen Zielsetzung des Antrages: In der Tat gibt es in unserer Gesellschaft Formen von regelrechtem Schlankheitswahn, der für die Betroffenen nicht gesund ist und insbesondere bei jungen Frauen zu Magersucht und ernsthaften gesundheitlichen Folgen führt. Dies gilt natürlich für die Models selbst, aber auch weit darüber hinaus, denn die Modebranche mit ihren zugehörigen Modezeitschriften sowie Werbung in allen Medien zeitigen eine enorme Vorbildwirkung auf junge Menschen.
Die Annahme der Grünen allerdings, dieses Schönheitsideal sei quasi ausschließlich durch dunkle Mächte der Modewirtschaft verordnet und müsse daher bekämpft werden, geht völlig an der Realität vorbei. Geschmack und Schönheitsempfinden sind Kategorien, die starken gesellschaftlichen und zeitbedingten Einflüssen unterliegen. Mitunter ist ein Blick in populäre Kunstergüsse hilfreich. Beispielsweise enthält der „Babysitter-Boogie" von Ralf Bendix aus den 50er-Jahren eine sehr aufschlussreiche Zeile. Es heißt dort über die Babys und über „das Girl, das täglich sie spazieren führt" gleichermaßen: „Beide sind so mollig und so wohlgenährt". Das war durchaus als Lob gemeint in einer Zeit, als der Krieg noch nicht so lange zurücklag und magere Leute überall zu sehen waren. Das hat sich im Laufe der Jahrzehnte enorm gewandelt, und man würde einer Frau heutzutage wohl kein Kompliment machen, wenn man sie als „mollig und wohlgenährt" bezeichnete. Es entspricht der Denkweise der Grünen, den Leuten ständig Vorschriften machen zu wollen, was sie denken und tun sollen, was aus grüner Sicht politisch korrekt ist und was nicht. Selbstverständlich gibt es für all diese Bevormundungen immer hehre Ziele – sei es die Umwelt, sei es die Gesundheit, sei es das Klima oder sonst was.
Am liebsten bedienen sich die Grünen in diesen Fällen des Ordnungsrechts. Alles, was aus ihrer Sicht unerwünscht ist – seien es Heizpilze oder sonst was –, muss durch staatliche Stellen unterbunden werden. Dass dies beim Konfektionsmaß und Körpergewicht von Models wohl nicht ernsthaft gefordert werden kann, leuchtete offenbar selbst den Grünen ein. Also versuchen sie es nun über die Wirtschaftsförderung für Modemessen. Dass dies schon von den Zahlen her kein sehr geeignetes Mittel zur Zielerreichung wäre, zeigt ein simpler Blick in den Landeshaushalt – mit so großen Mitteln fördert das Land Berlin die Modebranche gar nicht. Aber den grünen Geschmacksdiktatoren kommt es ja auch nicht darauf an, ein schlüssiges Konzept vorzulegen, sondern auf die Botschaft kommt es ihnen an, nur darauf also, irgendeine Form der Sanktionierung unerwünschten Verhaltens zu demonstrieren. Wir werden diesen Antrag im Ausschuss beraten, aber es ist wohl kaum damit zu rechnen, dass sich
in diesem Haus eine Mehrheit für diese Form der Besserwisserei und Bevormundung findet.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf Wunsch der FDP diskutieren wir hier nun über das drollige Thema „Wettbewerb in der sogenannten Daseinsvorsorge“. Allein diese Formulierung offenbart schon die wirtschafts- und gesellschaftspolitische Inkompetenz der FDP.
In der Volkswirtschaftslehre gilt es als weithin unstrittig, dass es Fälle des Marktversagens gibt, wo nur der Staat dafür sorgen kann, überhaupt ein Angebot – oder ein für alle Bevölkerungsschichten bezahlbares Angebot – zu gewährleisten, auch, dass es Formen natürlicher Monopole gibt, die in privater Hand zu Monopolrenditen führen, die nicht im Gemeinwohlinteresse liegen. In der simplen Welt der FDP existiert dies alles natürlich nicht. Ihr Dogma lautet: Der Wettbewerb regelt alles, führt stets zu optimaler Versorgung bei günstigen Preisen für die Bürgerinnen und Bürger, ganz egal, ob bei der Gesundheitsversorgung, bei der Mobilität oder der Energie- und Wasserversorgung.
Ich nehme als Beispiel das Gesundheitssystem der USA. Dort heißt das Motto schön kapitalistisch: You get what you pay for – man bekommt, wofür man bezahlt, oder im Umkehrschluss: Man bekommt nichts, wenn man nicht bezahlen kann. Dies bedeutet in der letzten Konsequenz: Wer als mittelloser Kranker vor einer Apotheke steht und nicht zahlen kann, hat keine Chance, das lebensrettende Medikament zu erhalten. Immerhin gibt es in den USA in letzter Zeit Bestrebungen, dieses System in Richtung einer besseren Daseinsvorsorge zu verändern. In Deutschland steuert die FDP in die entgegengesetzte Richtung einer Gesundheitsversorgung ausschließlich nach dem Geldbeutel. Ihr Parteifreund Rösler schreitet auf Bundesebene voran, Ihr vorliegender Antrag geht in die gleiche Richtung.
Ich komme dazu. Sehr recht! – Hier in Berlin haben wir jedenfalls in der Gesundheitsversorgung einen wichtigen Teil der Daseinsvorsorge bewusst in öffentlicher Hand: Vivantes, Charité. Und daran halten wir fest. Es gibt durchaus private Mitbewerber, Helios ist Ihnen sicherlich ein Begriff. Auch in der Wohnungswirtschaft wird der Markt mit über 80 Prozent ganz überwiegend durch Private abgewickelt, aber wir haben städtische Wohnungsunternehmen, und Herr Thiel, die sind nicht pervers, die sind ein wichtiger Teil, um hier auch ein Regulativ zu schaffen, um als öffentliche Hand auf die Wohnungsversorgung und die Mieten Einfluss nehmen zu können.
Wir haben eine hervorragende und preislich günstige Abfallwirtschaft durch die BSR,
einen hervorragenden öffentlichen Personennahverkehr durch die BVG.
Und wie immer eine künftige Landesregierung zusammengesetzt sein mag, eine Veräußerung oder Zerschlagung dieser Unternehmen der Daseinsvorsorge ist mit der SPD nicht zu machen.
Aber die FDP sorgt sich um das Thema Rekommunalisierung; Sie haben es hier angesprochen. Die Wasserversorgung ist genau solch ein natürliches Monopol, mit garantierten Renditen versehen, es ist ein Preisniveau vorgegeben.
Dass das Land Berlin als Miteigentümer an den Wasserbetrieben dann auch davon partizipiert,
das thematisieren Sie hier so stark, lenkt aber vom eigentlichen Problem ab, dem Kardinalfehler, ein natürliches Monopol der öffentlichen Daseinsvorsorge der privaten Renditenerzielung unterworfen zu haben.
Aber schauen wir uns Ihren Antrag noch einmal näher an!
Zum Teil enthält er wirklich bloße Selbstverständlichkeiten, z. B.:
Das Abgeordnetenhaus stellt fest, dass bei Fragen um den langfristigen Umgang mit der Erbringung von Leistungen der sogenannten Daseinsvorsorge, an erster Stelle die Anliegen der Bürger berücksichtigt werden müssen.
Ach nee! Was denn sonst?
Oder ansonsten wird hier das Hohelied des Wettbewerbs gesungen, wenn Sie formulieren:
Der Senat hat einen fairen und transparenten Wettbewerb zwischen privaten und öffentlichen Anbietern zu ermöglichen.
Ach nee! Genau dies tun wir ja nun.
Hier ist ja der Wettbewerb fair. Und für Transparenz haben wir gesorgt. Wir haben auch für Informationsfreiheit gesorgt. Gerade dies hat diese Koalition ja gemacht im Unterschied zu früheren Zeiten.
Wenn Sie aber sonst einen Wettbewerb haben wollen, über welche Parameter soll er denn laufen? Nehmen wir beispielsweise die Kitas, da haben wir noch einen Teil in öffentlichen Kitabetrieben, einen Teil privat.
Läuft der Wettbewerb ausschließlich über den Lohn, oder läuft er auch über Effizienz, läuft er auch über besseres Wissen, über bessere Organisation? Sonst wäre es ein Wettbewerb über Lohndumping, das wollen wir nicht.
Das Beste am FDP-Antrag ist allerdings der letzte Absatz der Begründung. Da heißt es so schön, auch wenn Sie den Begriff Daseinsvorsorge nicht in den Mund nehmen, aber Sie umschreiben es genau genommen perfekt:
Gerade wenn um die Lebensgrundlagen der Menschen verhandelt wird, ist ein besonders hohes Maß an Verantwortung und Sensibilität seitens der politischen Vertreter geboten. Das kann der Bürger mit Recht von seinem Senat verlangen.
Dem ist nichts hinzuzufügen. Genau danach handeln wir. Deswegen brauchen wir Ihren Antrag auch nicht. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der gestrige Tag war ein guter Tag für die Belange der öffentlichen Daseinsvorsorge in Berlin. Auf der Basis des von uns novellierten Informationsfreiheitsgesetzes hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit einen Durchbruch bei der Transparenz von Verträgen im Bereich der Daseinsvorsorge erzielt,
und zwar rückwirkend bei einem der umstrittensten Privatisierungsverträge überhaupt, dem Konsortialvertrag zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe.
Es war ja bereits ein deutliches Zeichen des veränderten Umgangs mit Verträgen der öffentlichen Hand, dass wir im neuen Informationsfreiheitsgesetz die grundsätzliche Offenlegung derartiger Verträge von Beginn an festgeschrieben haben. Verträge wie jenen Konsortialvertrag, der explizit die Geheimhaltung vorsah, wird es also künftig nicht mehr geben. Aber dieses lediglich für die Zukunft auszuschließen, reichte uns natürlich nicht aus, sondern wir wollten auch die nachträgliche Offenlegung des Konsortialvertrags zu den Wasserbetrieben erreichen. Das Gesetz enthält deshalb eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Transparenz gegenüber dem Wunsch der privaten Vertragspartner an einer Geheimhaltung.
Unter dem Druck dieses Gesetzes und vielleicht auch unter dem Eindruck des Volksbegehrens zur Offenlegung der Verträge fanden sich Veolia und RWE nun endlich dazu bereit, in den Verhandlungen mit dem Senat nachzugeben und einer Offenlegung zuzustimmen. Das ist ein Erfolg! Es liegt im eigenen Interesse der Investoren; sie können damit zeigen, dass es sich bei ihnen um seriöse
Unternehmen handelt, nicht um Ganoven – das nehme ich doch jedenfalls an.
Man kann die Verträge jetzt ohne Weiteres lesen, sie enthalten natürlich Vereinbarungen, die sehr zugunsten der Investoren ausgelegt werden, aber sie sind seinerzeit freiwillig von Vertreterinnen und Vertretern des Landes Berlin unterschrieben worden und können RWE und Veolia insofern nicht vorgehalten werden, die im Übrigen ja auch einen Kaufpreis von umgerechnet 1,7 Milliarden Euro geleistet haben.
Welche Folgerungen sind aus den Verträgen, die nun öffentlich zugänglich sind, zu ziehen? – Im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion standen von Anfang an die Wasserpreise. In der alten Bundesrepublik bis 1990 galt die Faustregel: Berlin hat die höchsten Strompreise und die niedrigsten Wasserpreise – bundesweit. Hohe Strompreise, das ist relativ klar, denn wir hatten ein Inselnetz der Bewag mit nicht den modernsten Kraftwerken, niedrige Wasserpreise wegen der günstigen geografischen Lage Berlins im Urstromtal, gute Wassergewinnungsmöglichkeiten bei guter Qualität.
Richtig! – Und heute hat Berlin die höchsten Wasserpreise, jedenfalls unter den Millionenstädten in Deutschland. Dies hängt nicht nur mit der Teilprivatisierung aus dem Jahre 1999 zusammen, das muss auch gesagt werden. Schon in den 1990er-Jahren musste natürlich eine Menge in das Netz investiert, gerade im Ostteil der Stadt, zur Netzzusammenführung, der Wasserverbrauch in Berlin ist rückläufig bei hohen Fixkosten, aber dies erklärt nur einen kleineren Teil der Preissteigerungen. Der Hauptgrund sind Gewinngarantien für die privaten Investoren.
Das stellen die privaten Investoren natürlich anders dar, ja, man kann im Vertrag auch lesen, dass dort kein Gewinn garantiert wird, sondern eine garantierte Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals mit 2 Prozent über dem langfristigen Marktzins.
Dies ist eine entscheidende Größe der Tarifkalkulation – das betriebsnotwendige Kapital ist in den letzten Jahren ziemlich hochgeschrieben und dann noch mit 2 Prozent über den Marktzinsen verzinst worden, dies bringt natürlich eine enorme Wasserpreissteigerung mit sich.
Dort ist auch enthalten, dass das Land Berlin, sofern man nicht zu der Tarifkalkulation kommt, zum Ausgleich verpflichtet ist – die sogenannte disproportionale Gewinnverteilung. Die Argumentation, dass Berlin selbst der Hauptprofiteur des hohen Wasserpreises wäre – das Grundwasserentnahmeentgelt –, ist im Grunde eine Ablenkung vom Hauptproblem.
Bei der Konzessionsabgabe bleibt Berlin unter den Möglichkeiten, und auch das Grundwasserentnahmeentgelt ist nicht der entscheidende Faktor des heutigen Wasserpreises, sondern es lenkt ab vom eigentlichen Hauptgrund der Preissteigerung: die garantierte Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals.
Die Geschichte der Teilprivatisierung führt aber auch über das Thema Wasser hinaus.
Wieso haben die Vertreterinnen und Vertreter des Landes Berlin vor gut einem Jahrzehnt solche für das Land Berlin, für die Berlinerinnen und Berliner ungünstigen Verträge geschlossen?
Das Argument ist bereits aufgetaucht: Wir waren tatsächlich in einer schwierigen Haushaltslage, es wurde argumentiert, bis strukturelle Maßnahmen greifen, muss man sich Zeit kaufen, hierfür muss, wie es ausgedrückt wurde, das Tafelsilber veräußert werden. Die oft mit Pathos vorgetragene Argumentation, wir dürfen nicht auf Kosten der Kinder, der Enkel leben, wir dürfen ihnen keine Schulden hinterlassen, die Analogie zu einem schlechten Familienvater, der auf Pump lebt und seinen Nachfahren Schulden hinterlässt, die ist natürlich stark verkürzt. Die Analogie zwischen dem Staat und Privatpersonen zieht nicht; staatliches Handeln und Staatsverschuldung sind viel komplexere Themen. Die damaligen Akteure haben auf einen möglichst hohen Kaufpreis Wert gelegt und darum diese Zugeständnisse gemacht. Sie handelten aber auch durchaus vermessen, wenn man die lange Dauer des Vertrags betrachtet: 30 Jahre, Vertragsanpassung nicht vorgesehen. Hieraus kann man für künftige Fälle durchaus lernen, denn dies ist auch ein Arbeiten auf Kosten künftiger Generationen, wenn man für 30 Jahre jede Eingriffsmöglichkeit der Politik in diese wichtigen Belange der Daseinsvorsorge, beim wichtigen Gut Wasser, quasi ausschließt und dies für 30 Jahre festschreibt. Eines kann man sagen: Unternehmensziele ändern sich, das haben wir in der Privatisierungsgeschichte immer wieder gesehen, der Staat bleibt in der Verantwortung für die Daseinsvorsorge, für die Grundbelange der Bürgerinnen und Bürger, er bleibt dauerhaft für die Infrastruktur verantwortlich, die sich in seinem Boden und auf seinem Gebiet befindet. Er kann sich auch nicht in die Insolvenz verabschieden wie ein Unternehmen es kann.
Um ein ganz anderes Beispiel aus Berlin zu nennen, das nicht in den Bereich der Daseinsvorsorge fällt: Wir hatten doch eine tolle Konstruktion gefunden, wie wir das Olympiastadion finanzieren, wir hatten die große Walter Bau AG mit drin, ein großes Privatunternehmen, das uns garantierte: Wir betreiben es auch. Von einem Tag auf den anderen war die große Walter Bau AG verschwunden, sie war einfach weg. Wer war nur noch da? – Der Staat natürlich, und der stieg dann auch ein, weil das Olympiastadion nach wie vor auf seinem Gelände steht. Der Staat ist also in einer ganz anderen Verantwortung als es ein Unternehmen jemals sein kann.
Richtig, darum erwähne ich das! – Herr Meyer hat in seinem Beitrag vorhin einen weiten Bogen geschlagen vom Wasser zu weiteren Themen wie S-Bahn, Strom, Gas. Ja, wir werden auch sehr genau überlegen, wie wir mit der Infrastruktur in unserer Stadt in diesen Bereichen umgehen, Gasnetz, Stromnetz, Fernwärmenetz, auslaufende Konzessionsverträge. Es ist durchaus denkbar, dass wir – auf längere Sicht – in Berlin auch zu einem Stadtwerk kommen, wie es in anderen Städten erfolgreich praktiziert wird. Natürlich wird in anderen Städten auch oft das Wasser von einem solchen Stadtwerk mitgeliefert. Das wäre in der Tat ein weiter Weg, um es hier in Berlin auch mit dem Wasser hinzubekommen, aber wir werden auf jeden Fall Verhandlungen führen.
Der Volksentscheid kommt wohl, wenn auch der Hauptzweck – die Offenlegung – erfüllt ist. Der andere Zweck, die Nichtigkeit der Verträge kraft des Volksentscheids festzustellen, dürfte verfassungsrechtlich kaum möglich sein, aber Verhandlungen mit den beiden privaten Anteilseignern der Wasserbetriebe, die sich auch durchaus unterschiedlich in Berlin engagieren, das kann man beobachten, sind erfolgversprechend. Eine Vertragsanpassung könnte auch in ihrem Interesse liegen, wenn sie in Berlin weiter engagiert bleiben wollen. Wenn ein Anteil zu verkaufen ist, wird Berlin prüfen, den Anteil an den Wasserbetrieben wieder zu erhöhen. Dies wird vermutlich – Michael Müller hat vorhin schon darauf hingewiesen – nicht unbedingt zu Preissenkungen führen, man muss den Rückkauf ja auch finanzieren, aber wir können trotzdem andere Ziele dabei verfolgen – z. B. Preisstabilität oder Investitionen in das Netz, ökologische Wasserwirtschaft. Es zeigt sich, dass ein kommunales Unternehmen einen erheblich höheren Anteil der Wertschöpfung in der Region generiert – das 1,7fache – und damit auch Arbeitsplätze in der Region stärker sichert. Es gibt also allen Grund, mit den heutigen Anteilseignern RWE und Veolia in Verhandlungen zu treten und im Interesse der Berlinerinnen und Berliner neue Wege bei der Wasserversorgung und -entsorgung zu suchen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!
Danke, Herr Präsident! – Ich frage Senator Wolf: Wie bewertet der Senat die bekannt gewordenen Pläne von Vattenfall, seine energiepolitische Strategie grundlegend
neu auszurichten, und welche Auswirkungen erwartet der Senat mittelfristig auf den Wirtschaftsstandort Berlin?
Ja, danke für die deutlichen Worte! – Sieht denn der Senator im Zusammenhang mit der längerfristig denkbaren Neuorientierung bei Vattenfall zusätzliche Chancen für ein Berliner Stadtwerk, wie es der Senator schon wiederholt öffentlich gefordert hat?
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Großen Anfrage der Koalition beraten wir heute über ein Thema, das für den Industrie- und Wirtschaftsstandort Berlin von entscheidender Bedeutung ist. Es geht um zweierlei: zum einen um den effizienten Umgang mit Energie- und anderen natürlichen Ressourcen,
was zugleich auch ein ökonomisches Thema ist, denn diese kosten ja auch Geld. Zum zweiten geht es aber auch darum, wie Berlin über den Aspekt der eigenen Ressourcenersparnis hinaus von Produkten und Know-how profitieren kann. Das Problem, das hat der Senator ja ausführlich ausgeführt, besteht weltweit, und darum liegen hier auch Chancen für die Berliner Industrie.
Es hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden, wie man ihn vielleicht auch in der Gesundheitswirtschaft hat, dass vom Kostenfaktor Umwelt letztlich die Chance übrig geblieben ist. Wir sind nicht mehr bei einer nachgeschalteten Filtertechnik für Luft- und Wasserreinhaltung – die natürlich auch –, aber vor allem geht es darum, bereits im Produktionsprozess energiesparende, ressourcensparende Verfahren zu integrieren. Wenn z. B. moderne und effiziente Turbinen von Berlin in alle Welt geliefert werden, dann geschieht das aus klarem wirtschaftlichen Interesse – hiervon profitieren Unternehmen wie Siemens, MAN Turbo, Borsig und andere, hiervon profitiert aber auch Berlin als Industriestandort, hiervon profitieren bisher schon 42 000 Berlinerinnen und Berliner mit steigender Tendenz. Green Economy ist also alles andere als eine Domäne der grünen Partei, die in der Industriegesellschaft noch immer nicht richtig angelangt ist, noch immer postindustriellen Träumen nachhängt, sondern Industriepolitik ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, ökologische Industriepolitik insbesondere.
Diese Koalition und dieser Senat haben das Thema Reindustrialisierung in Berlin mit Entschlossenheit zum Thema gemacht, Erfolge bei Wachstumsraten und neuen Arbeitsplätzen sind deutlich sichtbar, die Green Economy spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Mit der dritten Wirtschaftskonferenz im November 2009 im Roten Rathaus hat der Regierende Bürgermeister das Thema zur Chefsache gemacht, hochrangige Industrievertreter bis hin zu Herrn Löscher, dem Vorstandschef von Siemens, waren dort. Mit unserer Großen Anfrage liegen eindrucksvolle Zahlen über den Bereich der Green Economy in Berlin vor. Die einzelnen Themen muss ich hier nicht vortragen – Ihnen liegt es ja schriftlich vor und der Senator hat einiges bereits angesprochen, E-Mobilität ist natürlich so ein Schlagwort. Wir sind nicht ganz zufrieden mit der Antwort auf Frage Nr. 15, Herr Senator, zur Green Tech-Messe; unser Wink mit dem Zaunpfahl wurde von Ihnen und der Messegesellschaft bislang noch nicht entsprechend aufgegriffen, aber das kann ja noch werden!
Die Zukunftsorte sind uns natürlich sehr wichtig: Adlershof und Buch sind schon klassische Orte, wo so etwas stattfindet, Campus Charlottenburg, aber auch der von Ihnen erwähnte Clean Tech Park in Marzahn-Hellersdorf und der Flughafen Tegel, wenn er denn kein Flughafen mehr ist, sondern ein zukunftsträchtiger Industriestandort werden soll.
Die IHK hat mit einer interessanten Studie „Auf dem Weg zur Hauptstadt der Green Economy“ hierzu schon einiges vorgelegt. Hauptstadt der Green Economy sind
wir so gesehen, der Senator hat es ausgeführt, dass Berlin, gemessen an den anderen deutschen Großstädten wie München, Hamburg, Köln, mit über 5 Prozent den höchsten Anteil an Bruttowertschöpfung in diesem Bereich hat. Die IHK hat es sogar geschafft, auch die CDU bei dem Thema Tegel mitzuziehen und dass der Westberliner Reflex, den die CDU bei diesem Thema zunächst zeigte, Tegel möglichst offen zu lassen, dann doch der besseren Einsicht gewichen ist, dass man dort einen zukunftsträchtigen Industriestandort schaffen kann. Die IHK-Studie enthält auch sonst viele interessante Aspekte – ein bisschen schmunzeln musste ich, dass sich dort unter der Kernaussage Nr. 3 zum ökologischen Standort Berlin auch das große Lob der Gelben Tonne plus findet. Welches Unternehmen stellt denn die Gelbe Tonne plus auf? – Aber gut, diese Kleinigkeit sei dem Herrn Präsidenten der IHK gegönnt.
Insgesamt ziehen alle an einem Strang – Verbände, Gewerkschaften, unser Senat, die Koalition –, dass wir mit der Industriepolitik vorankommen. Einige Querschüsse von der Bundesebene – sie wurden schon erwähnt – mögen uns ein kleines bisschen stören, aber ich glaube nicht, dass so etwas wie die Verlängerung der Restlaufzeiten der Atomkraftwerke letzten Endes dazu beitragen wird, dass unser Industriestandort in Berlin geschädigt wird. Wir werden vielmehr weiter auf der Basis dessen, was eine rot-grüne Bundesregierung für erneuerbare Energien, für Kraft-Wärme-Kopplung geschaffen hat, mit den besten Voraussetzungen in Berlin voranschreiten und unseren Industriestandort mit Hilfe ökologischer Industrien stärken. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!
Danke, Herr Präsident! – Ich frage Senator Wolf! – Wie bewertet der Senat die geplante Verlagerung der DaimlerFinanzsparte von Berlin nach Stuttgart? Welche Perspektiven für den Erhalt der Arbeitsplätze und wichtiger Konzernaktivitäten von Daimler in Berlin sieht der Senat?
Eine andere Verlagerung von Aktivitäten im automotiven Bereich, erfreulicherweise innerhalb Berlins, wurde gestern mit der Grundsteinlegung für das neue Werk der Freudenberg Zuliefererindustrie deutlich. Sieht der Senat hierin eine Aufwertung des Produktionsstandortes von Freudenberg, und welche Arbeitsplatzeffekte erwartet er?
Danke, Herr Präsident!
Ich frage den Senat:
1. Wie haben sich nach Einschätzung des Senats seit dem ersten Spatenstich am 5. September 2006 die Bautätigkeiten am Willy-Brandt-Flughafen (BBI) entwickelt, und welchen Stand haben die Bauarbeiten zurzeit?
2. Wie schätzt der Senat den Zeitplan und Fortschritt vor allem in Bezug auf die angekündigte Inbetriebnahme des Flughafens Ende 2011 ein, und wird die verkehrliche Anbindung und Erreichbarkeit des Flughafens für Fluggäste gewährleistet sein?
Danke! – Würde ein weiterer Winter die Bauarbeiten im selben Maße zurückwerfen können, wie es praktisch dieser lange Winter getan hat? Könnten Sie vielleicht noch etwas zur in Aussicht genommenen Anbindung über die Dresdener Bahn sagen, ob da zeitliche Perspektiven auch schon feststehen?
Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich bin froh, dass diese Diskussion in einer sehr sachlichen Atmosphäre stattfindet.
Ich musste ein wenig schmunzeln, als ich gelesen habe, wie die Große Anfrage der FDP-Fraktion formuliert ist und es heißt:
In welchen Bereichen, die derzeit von privaten Anbietern erbracht werden, prüft der Senat die Leistungen in Zukunft durch öffentliche Unternehmen anzubieten.
Oder:
Welche Vor- und Nachteile hätte nach Meinung des Senats die zusätzliche Erbringung von Dienstleistungen durch einen öffentlichen Anbieter?
Dies sind alles Dinge, die die FDP höchst ungern formuliert. Eigentlich ist das aus ihrer Sicht der Sündenfall. Da müssten sich Ihnen die Haare aufstellen, die Fußnägel aufrollen. Davon abgesehen sind es natürlich sehr berechtigte Fragen, die man zu diesen Sachverhalten stellen kann.
Es gibt landauf landab die Entwicklung, Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge, die in der großen Privatisierungseuphorie der vergangenen Jahre an Private vergeben worden sind, zurückzuholen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind keine Ideologen.
Die Frage, ob eine Aufgabe unbedingt vom Staat erledigt werden sollte oder Private es genauso gut oder besser können, muss am konkreten Fall entschieden werden. Dass der Staat – wie der Senator immer so schön sagt – nicht für die Produktion von Tellern und Tassen sorgen, Ackerbau und Viehzucht betreiben, keine Versicherungsleistungen anbieten muss, ist völlig unstrittig. Derartige Leistungen haben wir in den vergangenen Jahren deshalb auch an Privatunternehmen abgegeben. Es ist keine Rede davon, sie zu rekommunalisieren.
Worum es geht, ist der Kernbereich der Daseinsvorsorge: die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser und Energie, die Abfallentsorgung, der öffentliche Personennahverkehr und Leistungen der Gesundheitsversorgung. Auch in diesen Bereichen können Private durchaus beteiligt werden, aber der Staat ist in der Gewährleistungsverantwortung. Bei der Wasserversorgung ist Berlin vor gut zehn Jahren den Weg einer Teilprivatisierung gegangen. Dies wird in der Stadt bis hinein in Kreise der Unternehmerschaft und IHK als ein Fehler betrachtet. Bei einem natürlichen Monopol, wie es die Wasserver- und -entsorgung darstellt, verbietet sich die Beteiligung Privater – noch dazu mit garantierten Renditen. Es ist also richtig, wenn die SPD und die Linkspartei in ihrer Koalitionsvereinbarung die Prüfung der Rekommunalisierung fordern. Langfristiges Stabilhalten der Wasserpreise, Sicherung der Investitionen ins Wasser- und Abwassersystem, auch Arbeitsplätze und die Leitung des Unternehmens von Berlin aus sind entscheidende Punkte. Wir werden alles tun, um wieder mehr von den Wasserbetriebe in kommunale Hand zu bekommen.
Zweiter Punkt, die S-Bahn: Hier fordert die FDP noch mehr Wettbewerb.
Die Entwicklung der letzten Jahre, die Katastrophe – wenn man es so nennen will – des vergangenen Jahres bei der S-Bahn sind genau genommen das Entgegengesetzte gewesen. Sie sind die Folge der Vorwegnahme eines Börsenganges, des Sparens um jeden Preis, um – wie der Senator es genannt hat – die Braut schön zu machen. Wir haben hier gesehen, wohin allein der beabsichtigte Börsengang der DB AG dazu geführt hat,
nämlich dass die Leistung der S-Bahn nicht mehr vernünftig erbracht werden konnte – zum Nachteil der Berlinerinnen und Berliner.
Ich komme jetzt zum Energiebereich – Gas und Strom. Dieser Bereich ist historisch betrachtet keineswegs stringent in öffentlicher oder privater Hand gewesen. In Berlin zum Beispiel begann Mitte des 19. Jahrhunderts mit einer englischen Gasgesellschaft die Gasversorgung. Die Stromversorgung erfolgte zum Teil durch dezentrale kleine Blockkraftwerke, ein Ansatz, dem man sich heute
aufgrund ganz anderer Überlegungen wieder annähert. Es hat dann allerdings im Lauf der Jahre immer größere Netze gegeben, die sich zunehmend in staatlicher Hand befanden. Die GASAG war ein Eigenbetrieb des Landes Berlin, die Bewag gehörte überwiegend auch dem Land Berlin, wir haben sie in den 90er-Jahren verkauft. Wir haben damit nicht allein gestanden. Die Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte fand europaweit statt, Netz und Betrieb wurden voneinander getrennt – was in einer kommunalen Gesellschaft automatisch in einer Hand gewesen ist. Die diskriminierungsfreie Einspeisung ist heute eine Forderung der Europäischen Union. Die werden wir auch gewährleisten, aber es kann in der Tat wichtig sein, dass man Einfluss auf das eigene Gas- oder Stromnetz behält.
Es kann eben auch wichtig sein, mit einem Unternehmensanteil oder auch im Verbund mit anderen Unternehmen, anderen Stadtwerken, anderen öffentlichen Trägern hier Einfluss zu nehmen, um die Versorgung Berlins mit Gas, Strom und Wärme zu erreichen, auch um Ziele wie angemessene Preise, Versorgungssicherheit und stadtpolitische, umweltpolitische und Klimaschutzziele zu erreichen. Dies sind Dinge, die wir hierbei berücksichtigen.
Zur Wohnungswirtschaft könnte man abschließend etwas sagen, weil Sie es in Ihrer Großen Anfrage auch thematisieren. Das ist natürlich ein Bereich, der ganz überwiegend in privatwirtschaftlicher Regie stattfindet, wo aber ein Mindestanteil an städtischem Eigentum sinnvoll ist. Städte, die ihren Wohnungsbestand teilweise völlig verkauft haben, bereuen dies. Wir werden an diesen rund 15 Prozent des öffentlichen Wohnungsanteils festhalten, um auch dort einen Markteinfluss zu haben, um Bevölkerungskreise zu versorgen, für die es sonst wirklich schwierig wäre.
Es lässt sich also insgesamt sagen, dass sich nach zwei Jahrzehnten der Privatisierungsdiskussion und auch zahlreicher Erfahrungen mit Privatisierungen in Berlin und andernorts recht genau sagen lässt, wo Private Leistungen ebenso gut oder besser erbringen können wie die öffentliche Hand. Aber es sind auch Grenzen sichtbar geworden, wo privates Renditestreben und öffentlicher Auftrag eben nicht gut zueinander passen.
Die Rekommunalisierungsdiskussion ist daher notwendig. Wir führen sie mit Augenmaß, ohne ideologische Scheuklappen, um im Interesse unserer Stadt und der Berlinerinnen und Berliner die richtigen Entscheidungen für diese wichtigen Zukunftsfelder zu treffen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema unserer heutigen Aktuellen Stunde lautet „Fragwürdige Vergabepraxis der landeseigenen Unternehmen frei nach dem Motto ‚Man kennt sich eben!’“.
Hier überrascht zunächst einmal der Plural – Vergabepraxis der landeseigenen Unternehmen. Das Land Berlin ist an rund 60 Unternehmen beteiligt, bei etlichen davon als Mehrheitsgesellschafter oder alleiniger Eigentümer. Ich nehme nicht an, dass die Vergabepraxis all dieser Unternehmen, der Anstalten des öffentlichen Rechts oder der Wohnungsbaugesellschaften insgesamt gemeint ist. Es geht doch speziell um die Auftragsvergabe der HOWOGE, wie von der CDU in ihrem Formulierungsvorschlag für die heutige Aktuelle Stunde ja auch explizit angesprochen.
Dann formulieren Sie doch präzise! – Nach allem, was es hierzu an Äußerungen in der Presse und andernorts gab, halte ich es auch für dringend geboten, diese Frage aufzuwerfen. Meine Fraktion hat jedenfalls ein massives Interesse daran, die im Raum stehenden Verdächtigungen lückenlos aufzuklären und gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen.
Es kann absolut nicht angehen, wenn ein landeseigenes Unternehmen Vergaberecht einfach ignoriert haben sollte.
Die CDU versucht nun sogleich eine billige parteipolitische Instrumentalisierung,
spricht von einem SPD-Bausumpf, der trocken gelegt werden müsse, und verweist darauf, dass die HOWOGE keine Genossenschaft sei. Die HOWOGE ist tatsächlich keine Genossenschaft, weder mit noch ohne Anführungsstrichen, sie ist eine GmbH, und als Kontrollgremium hat sie einen Aufsichtsrat. Dieser Aufsichtsrat hat in einer Sondersitzung am 2. Februar 2010 unmissverständlich festgestellt, dass die Vorgaben des Landes Berlin zur Vergaberechtsanwendung für die HOWOGE bindend und sofort anzuwenden sind, und er hat eine Sonderprüfung für die zurückliegenden fünf Jahre veranlasst, um zu klären, ob diese zwingenden Vorgaben in der Vergangenheit verletzt wurden. Das Ergebnis dieser Prüfung liegt noch
nicht vor, insofern bewegen wir uns in der heutigen Debatte noch auf etwas dünnem Eis und sollten uns mit Vorverurteilungen zurückhalten.
Der Verdacht, dass bei Auftragsvergaben der HOWOGE möglicherweise gegen Vergaberecht verstoßen wurde, wurde unter anderem durch die Äußerungen des Kollegen Hillenberg geweckt, der in seinem Beruf als Bauunternehmer Aufträge von der HOWOGE erhalten hat. In dem vom Aufsichtsrat beauftragten Sonderprüfungsbericht wird zu klären sein, inwiefern hierbei Vergaberecht verletzt wurde. Vorab festzustellen bleibt jedenfalls, dass die Auftragsvergabe einer landeseigenen Gesellschaft an ein Bauunternehmen, an dem ein Abgeordneter beteiligt ist, noch nichts per se Unanständiges oder Ungesetzliches darstellt, solange jedenfalls die geltenden Vergabebestimmungen eingehalten werden.
In der politischen Debatte der letzten Woche wurde vielfach der Eindruck erweckt, es gäbe einen prinzipiellen Interessenkonflikt zwischen Herrn Hillenbergs Mandatsausübung als Abgeordneter und seiner beruflichen Tätigkeit.
Im Moment nicht! – Von der CDU wurde wiederholt der Vorwurf erhoben, die Mitgliedschaft im Bauausschuss kollidiere mit seiner Berufstätigkeit. Als der Kollege Hillenberg schließlich seine Mitgliedschaft im Bauausschuss und damit auch den stellvertretenden Ausschussvorsitz niederlegte, um jeden Anschein einer Verquickung zu beenden, erklärte der CDU-Abgeordnete Graf postwendend, na bitte, dann muss ja an den Vorwürfen etwas dran sein, sonst hätte der Kollege Hillenberg doch keinen Anlass, aus dem Bauausschuss auszuscheiden. Das ist ein absolut heuchlerisches Verhalten von Herrn Graf und der CDU!
Nein, jetzt nicht, danke! – Wir müssen uns auch fragen, ob wir künftig wirklich dafür Sorge tragen wollen, dass Abgeordnete, die etwas von einer Sache verstehen, weil sie beruflich damit zu tun haben, nicht mehr in dem betreffenden Fachausschüssen vertreten sein dürfen.
Lassen Sie mich dies an einem anderen Beispiel verdeutlichen. Der Vorsitzende des Bauausschuss, der von mir geschätzte Kollege Dr. Heide, hat im vergangenen Jahr durchaus des Öfteren in Gesprächen mit mir und anderen Funktionsträgern aus Land und Bezirk darauf hinzuwirken versucht, dass das Hotelprojekt am Hammarskjöldplatz nicht gestoppt wird. Nun ist es zwar denkbar, dass ihn hierbei vor allem die Sorge um den Messe- und Kongressstandort Berlin leitete oder die ästhetische Faszination eines Hotelklotzes vor dem historischen Messeeingang. Sein Insistieren könnte allerdings auch in engerem Zusammenhang mit einem Mandat stehen, das er in seinem Beruf als Anwalt von einem spanischen Investor hatte, der das Hotel errichten wollte. Mir läge es fern, Herrn Heide hieraus einen Vorwurf machen zu wollen,
ich will auf etwas ganz anderes hinaus. Solange wir uns als ein Teilzeitparlament verstehen und eine berufliche Tätigkeit neben der Mandatsausübung quasi vorausgesetzt wird, können wir die Berufsausübung der Kolleginnen und Kollegen nicht in zu hohem Maße einschränken. Worauf es ankommt, ist Transparenz – wie sie z. B. durch die Verhaltensregeln für Abgeordnete besteht. Niemand wird dem Kollegen Hillenberg mangelnde Transparenz vorwerfen können,
hat er doch in Interviews und auf seiner Homepage selbst darauf hingewiesen, wer seine wichtigsten Auftraggeber sind und an welchen Projekten er arbeitet.
Das politische Manöver, aus dem möglichen Fall eines einzelnen Bauunternehmers einen SPD-Bausumpf konstruieren zu wollen, ist ein sehr durchsichtiges. Bauunternehmer sind im Übrigen für das sozialdemokratische Umfeld auch keine sehr typische Klientel.
Ist daran was falsch?
Es ist schon einigermaßen absurd, wenn Herr Jotzo in seiner Begründung den Vorwurf erhebt, wer kein SPDParteibuch habe oder über SPD-Kontakte verfüge, könne in Berlin keine öffentlichen Aufträge bekommen.
Wer schon etwas länger in dieser Stadt politisch tätig ist, wird sich an einen tatsächlichen Bausumpf erinnern, an den Fall eines Baustadtrats Antes, der Bestechungsgelder für die Erteilung von Baugenehmigungen, Grundstücksvergaben und Ähnliches kassierte und in dessen Folge ein wahrhafter Bausumpf aus illustren Gestalten sichtbar wurde, die allerdings, wie auch jener Baustadtrat selbst, aus einem ganz anderen politischen Umfeld stammten, nämlich dem der CDU. Oder, wem das zu lange her ist,
Herr Jotzo: Vielleicht erinnern Sie sich an den Mierendorffplatz und das Moscheegrundstück. Dort sollen Sie als Anwalt auch auf einer Seite tätig gewesen sein. Da hat der CDU-Baustadtrat sehr bewusst auch jemanden gekannt, und dieser Jemand hat dann schließlich das Grundstück gekauft. Also, man sollte vielleicht das Ganze etwas tiefer hängen und mit Vorverurteilungen vorsichtig sein. Es könnte auf einen selbst zurückfallen.
Es darf im Fall der HOWOGE kein Vertun geben, die im Raum stehenden Vorwürfe einer rechtswidrigen Auftragsvergabe der HOWOGE müssen zügig und restlos aufgeklärt werden. Zweifelsohne ist das Thema der öffentlichen Auftragsvergabe ein vielschichtiges. Wir werden nachher noch im Zusammenhang mit dem neuen Ausschreibungs- und Vergabegesetz darüber diskutieren. Es geht natürlich darum, Aufträge für die öffentliche Hand und ihre Unternehmen kostengünstig zu erteilen, also wirtschaftlich mit Steuermitteln umzugehen. Es dürfen jedoch nur leistungsfähige, zuverlässige, fachkundige und gesetzestreue Unternehmen beauftragt werden. So steht es im Gesetz.
Selbstverständlich müssen Aufträge europaweit ausgeschrieben werden, wenn die EU-Schwellenwerte erreicht sind. Das Vergabeverfahren muss transparent sein, und es darf keine Stückelung von Aufträgen erfolgen, um die Schwellenwerte zu unterschreiten.
Bei darunter liegenden Auftragssummen ist beschränkte Ausschreibung oder auch freihändige Vergabe möglich. Aber auch diese Verfahren unterliegen klaren Regeln. Man kann ja vielleicht der Auffassung sein, dass eine Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, die das Honorar allein nach dem Auftragsvolumen bemisst und damit gerade keine Anreize zum Kostensparen schafft, kontraproduktiv und antiquiert sei.
Nur muss man dann die Regeln politisch ändern und kann nicht selbstherrlich entscheiden, die HOAI nicht anzuwenden, wenn sie doch gesetzlich vorgeschrieben ist.
Gewiss spielen bei einer staatlichen Auftragsvergabe auch immer regionalwirtschaftliche Aspekte eine Rolle. CDU und FDP mögen sich mal bei ihren Parteikollegen, die sich in Regierungsverantwortung in süd- oder westdeutschen Flächenländern befinden, schlaumachen, an welche Unternehmen dort Bauaufträge vergeben werden und wer dort wen kennt, um ein heute oft bemühtes Bonmot zu zitieren.
Auch Berliner und Brandenburger Unternehmensverbände haben durchaus ihre Erwartungen an die öffentliche Hand. Das ist auch alles kein Problem, solange die Auf
träge in einem rechtlich einwandfreien Verfahren vergeben werden. Das Projekt BBI zeigt im Übrigen, dass es möglich ist, einen wesentlichen Teil der Wertschöpfung aus der Region zu generieren, ohne dabei krumme Wege zu beschreiten.
Sie können sich darauf verlassen, dass genauestens untersucht wird, was bei der HOWOGE wirklich geschehen ist. Der Prüfbericht wird hoffentlich schon bald Aufschluss geben. Und dieser Senat wird nicht zögern, bei Fehlverhalten die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Ja, Herr Jotzo! Nun haben Sie offenbar doch nicht genau zugehört. Ich habe Ihnen gar nicht vorgeworfen, dass Sie in der Sache dieses Moscheebaus als Anwalt tätig waren. Ich sehe das bei Ihnen ganz genauso, wie ich es für Herrn Heide auch gerade ausführlich dargestellt habe, dass das Ihr Beruf ist und dass Ihnen daraus kein Vorwurf zu machen ist. Worauf ich hinauswollte, war, dass Sie in diesem Verfahren mitbekommen haben müssten, dass andere Mandatsträger, in dem Fall ein CDU-Baustadtrat, auch durchaus ein Verfahren verzögern können und dass sie auch Leute kennen. Und Sie kennen übrigens auch Leute. Ihre BVV-Fraktion hat dann natürlich das von Ihnen vertretene Projekt auch politisch umzusetzen versucht. Also man kennt sich eben, das gilt durchaus auch für verschiedene andere Parteien. Ein Vorwurf wegen Ihrer beruflichen Tätigkeit war damit überhaupt nicht verbunden.
Das ist leider nicht ganz richtig dargestellt worden eben von Herrn Goetze. Dieser Fast-Untersuchungsausschuss ist durchaus mit einer Missbilligung für Herrn Gröhler zu Ende gegangen. Sämtliche Fraktionen außer der eigenen haben ihn missbilligt, auch die FDP-Fraktion, auch die Grünen. Es war tatsächlich auffällig, weshalb dieses an sich politisch von der BVV gewollte Bauprojekt nicht zum Zuge kam. Aus dem Grunde ist die Missbilligung erfolgt.
Im Übrigen sehe ich nicht, was Sie mit den Entlastungsangriffen meinen. Ich habe hier gar keine Entlastungsangriffe geritten, sondern versucht, möglichst sachlich darzustellen, dass wir diesen Fall der HOWOGE sehr ernsthaft untersuchen müssen, dass es nicht angeht, wenn hier Vergaberecht nicht angewandt wurde, dass man diesen Fall aber nicht politisch aufbauschen und verallgemeinern sollte, ehe überhaupt richtig feststeht, was dort gelaufen ist und was nicht.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Aktuellen Stunde haben wir schon ausführlich über das Thema Vergabe geredet, und ich hatte die Hoffnung, dass vielleicht jetzt bei der Beratung dieses Gesetzes genauso viel Einigkeit über alle Fraktionen hinweg
herrschen würde, dass es wichtig ist, bestimmte Pflöcke zu setzen, die bei der Vergabe eine Rolle spielen sollen. Dies ist aber anscheinend nicht der Fall.
Ich habe vorhin aufgenommen, dass beispielsweise durchaus die Auffassung herrschte, dass die HOAI eine wichtige Grundlage ist, um ruinösen Wettbewerb im Bereich von Architekten und Ingenieuren zu vermeiden. Komischerweise scheint es aber manche nicht zu stören, wenn es einen ruinösen Wettbewerb auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gibt und wenn dabei Erwerbseinkommen entstehen, die nicht zum Existenzminimum führen.
Die Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg – das hat Herr Melzer auch schon erwähnt – hat heute pünktlich mit einer Presseerklärung zum neuen Vergabegesetz Stellung genommen. Sie sieht eine Beeinträchtigung des Prinzips der effizienten Verwendung von Steuermitteln zugunsten anderer politischer Ziele wie der Schaffung von Ausbildungsplätzen, der Frauenförderung und weitreichenden ökologischen Kriterien. Herr Melzer! Sie sehen also, nicht einmal der Unternehmerverband ist der Ansicht, wir führten hier eine reine Mindestlohndebatte, wie Sie es in Ihrer fulminanten Geburtstagsrede darstellten. Natürlich kritisiert der Unternehmerverband auch die Zahlung des Mindestlohnes. So würden vergabefremde Aspekte den Gesetzentwurf des Senats dominieren.
„Vergabefremde Kriterien“ – was soll das sein? Hierin steckt eine Verengung des Vergabebegriffs auf eine bloße Preisorientierung. Alles andere ist in dieser Sichtweise vergabefremd. Wie sieht aber die Rechtslage aus? – Vergabe ist in Deutschland primär im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung – GWB – geregelt. Demzufolge soll das wirtschaftlichste Angebot – was nicht das billigste sein muss – zum Zuge kommen. In § 97 Abs. 4 GWB ist ausdrücklich geregelt, dass über die Kriterien der Leistungsfähigkeit, Fachkunde, Zuverlässigkeit und Gesetzestreue hinaus weitere Anforderungen an den Bewerber gestellt werden können, sofern dies durch Bundes- oder Landesgesetz geregelt ist.
Das Land Berlin macht von dieser Möglichkeit Gebrauch, indem es – wie andere Bundesländer auch – ein eigenes Ausschreibungs- und Vergabegesetz verabschiedet. Der öffentliche Auftraggeber hat also durchaus das Recht, darüber zu befinden, zu welchen sozialen und ökologischen Bedingungen die Güter und Dienstleistungen erstellt werden, die für die öffentliche Hand eingekauft werden. Dies sind somit keineswegs vergabefremde Kriterien, sondern im deutschen Vergaberecht legitime Anforderungen an einen potenziellen Auftragnehmer.
Das ist ein kräftiger Applaus. – Es geht uns etwas an, ob die vom Land Berlin beschafften Güter und Dienstleistungen unter umweltverträglichen Bedingungen erzeugt werden, ob die ILO-Kernarbeitsnormen beachtet werden,
ob Frauenförderung stattfindet oder ob ausgebildet wird. Und es ist legitim, dafür Sorge zu tragen, dass durch Berliner Aufträge keine Arbeitsplätze entstehen, die mit Hungerlöhnen bezahlt werden.
Ja, es ist wahr! Die politischen Mehrheitsverhältnisse auf Bundesebene lassen es derzeit nicht zu, landesweite Mindestlöhne durchzusetzen, wie sie in mehr als 20 EUStaaten problemlos funktionieren, ohne Arbeitsplätze zu vernichten, ohne die Tarifautonomie auszuhebeln und was sonst alles unterstellt wird. Aber wir können bei den Aufträgen des Landes Berlin schon durchsetzen, dass zumindest ein Lohn von 7,50 Euro gezahlt wird und nicht menschenunwürdige Hungerlöhne. Wir werden hierzu im Wirtschaftsausschuss ein Anhörung durchführen. Wir wollen die Meinungen von Expertinnen und Experten in das Gesetzgebungsverfahren einbringen. Ich freue mich auf diese Diskussionen und danke Ihnen jetzt erst einmal für die zahlreiche Aufmerksamkeit. – Danke!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben die Große Anfrage der FDP-Fraktion zur Zukunft des Messe- und Kongressstandortes zu besprechen und den FDP-Antrag zum Erhalt der ICC-Fassade. Zu beidem werde ich etwas sagen.
Die Fragen der Großen Anfrage, die Herr Thiel hier eingereicht hat, sind ausgesprochen fundiert und weitreichend. Sie gehen über das Thema ICC-Sanierung weit hinaus und interessieren sich für das breite Messe- und Kongressgeschehens in und um Berlin, um den Funkturm, aber auch Standorte wie den Flughafen Tempelhof und das künftige ILA-Gelände in Selchow. Die Antworten des Senators haben uns einige interessante Aspekte geliefert. Der Erfolg der Messegesellschaft in den zurückliegenden Jahren ist beeindruckend. Die mittlerweile verlängerte Grundlagenvereinbarung zwischen Land und Messe GmbH aus dem Jahr 2004 ist bei den Umsätzen und Gewinnzahlen zum Teil deutlich übertroffen worden. Selbst im zu Ende gehenden Krisenjahr 2009 mit deutlichen Gewinneinbrüchen bei der Konkurrenz machte die Messegesellschaft eine Punktlandung. Berlin hat internationale Leitmessen, sie sind bereits erwähnt worden: die ITB, die InnoTrans, die IFA, Publikumsrenner wie die heute eröffnete Grüne Woche, aber auch hoch interessante Spezialmessen wie Fruit Logistica, Popkomm oder die YOU, immerhin Europas größte Jugendmesse.
Das Messegelände braucht für einige der eben genannten Messen mehr Platz, um für die ITB, die InnoTrans, die IFA weitere Aussteller gewinnen zu können. Wie die Kapazitäten zu erweitern sind, ist auch Gegenstand der Großen Anfrage. Hierzu hat Herr Senator Wolf schon einiges gesagt.
Nicht alles kann auf dem Messegelände am Funkturm stattfinden. Bei der ILA ist es evident. Wo sollten dort Start- und Landebahnen für Flugzeuge entstehen? Es gibt ein massives, auch industriepolitisches Interesse der Länder Berlin und Brandenburg, die ILA in der Region zu halten. In der Luft- und Raumfahrtindustrie spielt BerlinBrandenburg in Deutschland mittlerweile an dritter Stelle mit. Diese Position soll gehalten und möglichst ausgebaut werden. In diesem Zusammenhang ist die ILA für die Berliner Industrie das, was die Innotrans im Schienenverkehr ist.