Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 20. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter ganz herzlich.
Ich habe Ihnen folgendes Geschäftliches mitzuteilen: Die Tätigkeitsdauer des Sonderausschusses „Restitution“ ist bis zum 31. Dezember 2007 begrenzt. Der Ausschuss bittet um Zustimmung zu einer Verlängerung, um dem Abgeordnetenhaus den Schlussbericht so rechtzeitig vorzulegen, dass dieser in der Plenarsitzung am 24. Januar 2008 beraten werden kann. Dies schließt auch eventuell notwendige Sitzungen nach Neujahr ein, um den Schlussbericht im Ausschuss selbst abzustimmen. – Ich höre zu diesem Vorschlag keinen Widerspruch. Damit ist das so beschlossen.
Am Montag, dem 5. November 2007 sind folgende vier Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:
1. Antrag der Fraktion der SPD und der Linksfraktion zum Thema: „Gesundheitsgefährdende Schadstoffe vermindern – Umweltzone als wichtiger Schritt zur ökologischen und gesunden Metropole“,
2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Den Bürgerwillen endlich ernst nehmen – Schluss mit den rotroten Tricksereien beim Volksbegehren zur Offenhaltung von Tempelhof“,
3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Exzellente Hochschulen für Berlin statt Super-Uni für Zöllner“,
4. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Umwelt- und Tempo-30-Zonen, Parkraumabzocke und Dauerbaustellen – der rot-rote Senat drangsaliert Berlins Autofahrer!“.
Ich rufe zur Begründung der Aktualität auf. Es beginnt die SPD-Fraktion. – Herr Gaebler hat das Wort! – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir wollen heute in der Aktuellen Stunde mit Ihnen über den Gesundheitsschutz der Bevölkerung sprechen. Das ist Verfassungsauftrag. Es liegen dazu EU-Richtlinien vor. Wir haben Gerichtsurteile, und es geht bei dem Thema Umweltzone aus unserer Sicht nicht vorrangig um Verkehrspolitik, sondern der Gesundheitsschutz für die Bevölkerung muss im Vordergrund stehen.
Es gibt in den letzten Wochen ständig neue Behauptungen und neue Forderungen: Die FDP will gar nichts machen, die CDU will alles verschieben, die Grünen wollen ihren
Wie man sieht, gibt es aktuellen Klärungs- und Erklärungsbedarf, um die öffentliche Diskussion auf die Tatsachen zurückzuführen und nicht über Wunschträume oder Angstszenarien, sondern über die Realität zu reden.
Im Vergleich zu den anderen beantragten Aktuellen Stunden spricht die Aktualität unserer Aktuellen Stunde für sich. Die Tempelhof-Partei CDU
Wir wissen spätestens seit dem „Focus“-Bericht, dass Tempelhof die letzte Chance für Herrn Pflüger ist. Insofern ist es kein Wunder, dass auch der zweiwöchentliche Pflichtbeitrag dazu kommt. Das ist aber weder aktuell noch originell, das ist nur rituell, Herr Pflüger, und deshalb reden Sie wahrscheinlich gar nicht mehr selbst, sondern überlassen das Ihrem verkehrspolitischen Sprecher. Das zeigt auch, welchen Stellenwert Sie dem geben.
Der FDP-Antrag zur Aktualität, die Autopartei auf den Spuren von Haider und Blocher, lieber Herr Dr. Lindner: Genau das machen Sie. Sie wollen den Populismus à la Österreich und Schweiz auch hier nach Berlin bringen. Das können Sie gerne versuchen, aber ich denke, die Berliner Wähler sind da schlauer und werden das zu verhindern wissen. Wir wollen über die tatsächlich wichtigen Themen reden, nämlich über die Umweltzone und den Gesundheitsschutz.
Die Grünen haben sich das Thema Exzellenz vorgenommen. Das ist immer ein gutes Thema, vor allen Dingen, weil die Exzellenz bei den Grünen nicht immer so einfach zu finden ist.
Da brauchen Sie gar nicht so zu schreien. Das haben Sie bei Ihren letzten Vorstandswahlen bewiesen, dass das offensichtlich schwierig ist.
Insofern komme ich darauf zurück: Aktuell und existenziell ist der Gesundheitsschutz. Wir haben EU-Recht- und Bundesrechtvorgaben. Wir schlagen ein vernünftiges Zwei-Stufen-Konzept vor, das zum 1. Januar 2008 in
Kraft treten soll. Die Umsetzung muss jetzt beginnen, und deswegen ist es heute aktuell, über das Thema Umweltzone und den Gesundheitsschutz zu sprechen. Wir bitten dafür um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gaebler! – Für die CDU-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Ueckert das Wort. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Gaebler! Es ist natürlich schlecht, wenn Sie hier nur kommentieren und nicht Ihren eigenen Antrag begründen. Ich will mich deshalb auf unseren Antrag zur Aktuellen Stunde beschränken.
Am 17. September 2006 haben die Berliner Wähler einer Verfassungsänderung, die noch in der vergangenen Legislaturperiode von allen Fraktionen in diesem Haus verabschiedet wurde, zugestimmt. Zielsetzung war es, den Bürgern den Zugang zu Volksbegehren und Volksentscheiden zu vereinfachen, indem insbesondere die erforderlichen Quoren abgesenkt wurden.
In Artikel 63 Abs. 4 der Verfassung von Berlin ist weiterhin vorgesehen, dass das Nähere über Volksbegehren und Volksentscheid durch das sogenannte Ausführungsgesetz geregelt wird. Auf dieses Gesetz warten wir, wartet der Bürger in dieser Stadt seit nunmehr mehr als einem Jahr. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, wenn nicht genau am 29. November 2006 – vor etwa einem Jahr – die Bürgerinitiative City-Airport Tempelhof – besser unter dem Kürzel ICAT bekannt – ein solches Volksbegehren nach neuem Recht gestartet hätte, um Bürgerrechte in Anspruch zu nehmen. Nun setzt Ihre unbeschreibliche Missachtung, ja Verachtung der gerade neu formulierten Verfassung und der Menschen in dieser Stadt ein, und zwar nur, weil Ihnen die Anwendung dieses Rechts in der Sache nicht passt.
Als besonders schändlich ist es zu bezeichnen, wenn die Grünen – sonst die Gralshüter der demokratischen Rechte und Freiheiten – in dieser Frage an Ihrer Seite stehen und Verfassungsbruch nicht nur dulden, sondern durch ihr aktives Handeln den Senat und das Abgeordnetenhaus dazu auch noch auffordern. Seit vorgestern ist nämlich gutachterlich bestätigt – ich zitiere aus dem Gutachten von Prof. Rossi, Seite 25 –:
organen grundsätzlich untersagt, die verfassungsrechtlich vorgesehene Möglichkeit der unmittelbaren Willensbildung des Volkes dadurch von vornherein zu vereiteln, dass dem Anliegen etwaiger Volksbegehren und Volksentscheide die sachliche Grundlage entzogen wird.
Soweit Prof. Rossi. – In diesem Sinn hat der Verfassungsgerichtshof von Berlin bereits im Jahr 2001 entschieden. Was aber machen Sie, Frau Junge-Reyer? – Sie erlassen am 7. Juni 2007 – sieben Monate nach Beginn des Volksbegehrens –, also mitten im Verfahren, einen Bescheid über die Entlassung der Anlagen und Flächen des Flughafens Berlin-Tempelhof aus der luftverkehrsrechtlichen Zweckbestimmung – im Umgangssprachgebrauch besser als Entwidmungsbescheid bekannt.
Wir haben Sie bereits damals mit unserem Antrag 16/0525 und ich in meiner Rede vom 21. Juni 2007 in diesem Haus aufgefordert, alle Aktivitäten, die dem Inhalt des laufenden Volksbegehrens zuwider laufen, zu unterlassen und den Ausgang des Verfahrens abzuwarten – nicht mehr und nicht weniger. Dieses insbesondere, weil Ihnen durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Planfeststellungsbeschluss für den Flughafen BBI bekannt war, dass eine Schließung von Tempelhof vor Ablauf von sechs Monaten nach Inbetriebnahme von BBI, also frühestens 2012, planungsrechtlich und juristisch nicht notwendig ist. Auch der ehemalige Landesverfassungsrichter Dr. Groth hat in der Anhörung vor dem Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr diese Rechtsauffassung bestätigt. Sie haben damit nach dem nun vorliegenden Gutachten von Prof. Rossi verfassungswidrig gehandelt.
Meine Damen und Herren von den Grünen! Sie fordern in Ihrem Antrag 16/0696 vom 27. Juli 2007 das Berliner Abgeordnetenhaus auf zu beschließen – ich zitiere:
... den Flugverkehr am Flughafen Tempelhof schnellstmöglich, spätestens aber bis zum 31. Oktober 2008, zu beenden.
Sie haben gemeinsam auf der letzten Sprecherrunde des Ausschusses für Stadtentwicklung und Verkehr diesen Antrag mit den rot-roten Kollegen – gegen den ausdrücklichen Widerspruch von CDU und FDP – auf die nächste Tagesordnung gesetzt und damit zur Abstimmung gestellt. Wir haben Sie davon mit der Bitte abhalten wollen, den Ausgang des laufenden Volksbegehrens abzuwarten, und diese Bitte haben Sie ausgeschlagen. Da es sich bei dem Berliner Abgeordnetenhaus ebenfalls um ein Verfassungsorgan handelt, ist eine solche, gegen ein laufendes Volksbegehren gerichtete Handlung, verfassungswidrig.