Die Luftbrücke ist auch ein Teil der sozialdemokratischen Geschichte. Sie ist auf immer verbunden mit dem berühmten Sozialdemokraten – ich freue mich, dass auch
Herr Braun das so sieht –, dem damaligen Regierenden Bürgermeister von Berlin, Ernst Reuter, dessen legendäre Rede unvergessen ist. „Völker der Welt, schaut auf diese Stadt!“ Herr Braun hat es schon zitiert. Und nun kommen Sie daher und wollen uns etwas über die Bedeutung der Luftbrücke erzählen!
Was mich aber wirklich ärgert, ist, dass Sie sich nicht scheuen, dieses emotionale Thema für Ihr Anliegen „Tempelhof offenhalten!“ zu instrumentalisieren.
Sie spielen mit den Gefühlen der Berlinerinnen und Berliner. Das verstimmt mich ganz besonders, weil die Absicht gar zu plump ist. Selbstverständlich ist die Geschichte des Flughafens Tempelhof eng mit der Luftbrücke verbunden –
oder die Luftbrücke mit der Geschichte Tempelhofs. Deswegen ist es wichtig, dieser Historie einen prominenten Platz bei der Nachnutzung des Flughafens einzuräumen.
Das wird ein Teil der Erinnerungskultur, die der Geschichte dieses Flughafens gewidmet wird. Sie können sicher sein: Nach der Schließung des Flughafens räumen wir der Erinnerung an die Luftbrücke am authentischen Ort den gebührenden Platz ein. Die Einzelheiten können wir im Ausschuss besprechen. – Ich danke Ihnen!
Das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Fraktionsvorsitzende, Frau Eichstädt-Bohlig. – Bitte!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Braun! Es trifft zu, dass Sie wörtlich nichts zu Tempelhof und Ihrem Tempelhof-Anliegen gesagt haben, aber seien Sie doch bitte so ehrlich, einzuräumen, dass der Antrag letztlich gestellt wurde, um wieder einmal die Tempelhof-Debatte – in diesem Fall nostalgisch – zu besetzen.
Es ist schon eine etwas künstliche Aktion, wenn die jahre- und jahrzehntelange Tradition, das Ende der Luftbrücke zu feiern, jetzt auf den Beginn der Luftbrücke umgeschaltet werden soll. Das geschieht doch wohl nur, um in diesem Jahr 2008 mit der runden Zahl 60 die Luftbrücke feiern zu können – im Interesse der Tempelhof-Aktion, die die CDU und die ICAT jetzt vorantreiben. Das ist faden
Wir unterstützen es, dass es regelmäßig Gedenktage zur Blockade, zur Luftbrücke und zur solidarischen Unterstützung durch die Amerikaner gibt. Das geschah aber in all den Jahren anlässlich des Endes der Blockade und der Luftbrücke. Insofern werben wir dafür, es bei dieser Tradition zu belassen.
Ich muss schon sagen, Kollege Pflüger und Kollege Braun, wer den Flughafen offenhalten will, sollte das nicht mit so viel Nostalgie und Vergangenheitskult tun, sondern sollte es zukunftsbezogen tun und konkrete Konzepte vorlegen, was Sie bis heute nicht geschafft haben. [Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion]
Wir sind der Meinung, dass der Erinnerung und der Information über die Luftbrücke und über die Blockadezeit sehr gut gedient wird, wenn in dem Tempelhofgebäude künftig ein Luftfahrtmuseum und Luftfahrtzentrum aufgebaut und dort die Information über die Luftbrücke integriert wird. Das wird der Bedeutung auch gerecht. Wir unterstützen es auch, wenn es so bleibt, wie es bisher immer war. Am 12. Mai 2008 wird Berlin das Gedenken und den ehrlichen Luftbrückendank begehen.
Nein! Seien Sie bitte nicht böse. Mehr ist das Thema nicht wert, es hier so groß zu inszenieren. Das können wir hinterher im kleinen Kreis machen. – Ich komme noch einmal auf den 12. Mai 2008, das ganz normale Gedenken und den Luftbrückendank, so, wie er üblich ist, zurück. Vielleicht wird es auch einen Flug der Veteranen von Frankfurt nach Berlin geben. Sie wissen, dass wir eigentlich gegen das Fliegen sind. An der Stelle wollen wir aber durchaus milde und konstruktiv sein und uns nicht dagegen aussprechen. Den 60-jährigen Gedenktag veranstalten wir ein Jahr später am 12. Mai 2009. Der kann ein Stück weit größer und intensiver gefeiert werden. Das ist dem Thema Luftbrücke und Blockade angemessen. Alles andere ist Tempelhof zum 27. Mal; wir haben es oft genug an dieser Stelle diskutiert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So knapp und lapidar der Antrag der CDU – er besteht eigentlich nur aus einem Satz – daherkommt, so viele Fragen provoziert er allerdings beim Nachdenken darüber, was eigentlich der Sinn Ihres gedruckten Wortes, Herr Braun, sein soll. Ich habe den Eindruck, Sie reden einem Paradigmenwechsel in der Erinnerungspolitik das Wort, dessen Sinnhaltigkeit Sie jedoch nicht erklären – ich bin sehr neugierig – und über dessen Folgen Sie nicht so recht nachdenken. Dazu komme ich aber später noch.
Zunächst möchte ich aber mit aller Deutlichkeit sagen, dass kein Senat, auch nicht der rot-rote Senat von Berlin, von Ihnen zu einem „angemessenen“ – das war jetzt ein Zitat, was auch immer angemessen heißt – Luftbrückengedenken aufgefordert werden muss. Er macht dies, und er tut dies seit Jahren. Weder die Linksparteisenatorinnen und -senatoren noch meine Fraktion verweigern sich diesem Gedenken, im Gegenteil.
Wir wissen um die Bedeutung der alliierten Luftbrücke für Berlin. Wir wissen um den Wert, den viele Menschen in dieser Stadt der Erinnerung an diese beimessen. Von der guten Tradition dieser Erinnerung am Tag der Luftbrücke werden wir nicht abgehen, auch wenn – das ist so – Berlin-Blockade und Luftbrücke in den beiden ehemaligen Stadthälften durchaus unterschiedlich wahrgenommen wurden und dementsprechend immer noch durchaus unterschiedlich erinnert werden. Das ist ein Problem, das weiß ich.
Zumindest die traumatische Kriegsfurcht war damals im Jahr 1948 wohl fast allen Menschen in dieser Stadt gemeinsam. Berlin war noch immer der Trümmerhaufen bei Potsdam, wie Brecht ihn nannte. Potsdam sah auch nicht viel besser aus. Der Luftbrücke wird zu Recht alljährlich gedacht. Zu Recht wird deren Ende gedacht. Falsch, es wird der Sieg über die Blockade gefeiert. Das ist auch berechtigt.
Jetzt kommen Sie und drehen das Ganze um. Warum wollen Sie den Beginn eines schlimmen Ereignisses feiern und dessen Überwindung in den Hintergrund schieben? – Das verstehe ich nicht.
Soll dieser Paradigmenwechsel, den Sie hiermit einleiten, Herr Kollege Braun – ich verstehe Sie dabei überhaupt nicht –, auch für andere Ereignisse gelten? Jetzt spitze ich einmal zu, auch wenn es weh tut: Am 9. November nächsten Jahres feiern wir den 20. Jahrestag des Falls der Mauer. Wollen Sie eine Akzentverschiebung zugunsten des 13. August?
Lassen Sie dieses Herumblödeln in den hinteren Reihen! – Das ist nicht nur nicht vermittelbar, das kann man auch nicht darstellen. Ich glaube Ihnen auch nicht, dass
Warum, Herr Pflüger, wird nur Hessen genannt, warum nur Tempelhof und die Rhein-Main-Airbase? Warum vergessen Sie Hannover, wenn Sie schon Hamburg nicht mitdenken können? Ist diese Fixierung auf das schöne Bundesland Hessen eine moralische Schützenhilfe für einen Wahlverlierer? – Ich habe keine Ahnung. Warum ignorieren Sie Gatow und Tegel? Oder liegt darin etwa des Pudels Kern? – Das wäre allerdings unanständig; darauf nahmen meine Vorredner bereits Bezug.
Wenn Sie schon Ihren Tempelhof-Krieg führen müssen, lassen Sie bitte die Geschichte aus, noch dazu ein so schmerzliches Kapitel. Tempelhof wird immer, Frau Senftleben, Ort des Luftbrückengedenkens bleiben, egal, ob dort künftig noch Maschinen starten. Ich könnte mir übrigens vorstellen, dass es auch ein sehr guter Standort für das unter erheblicher Platzenge leidende Alliiertenmuseum wäre. Dann sprächen Sie vermutlich wieder vom Untergang des Zehlendorfareals.
Entwerten Sie aber bitte nicht die Erinnerung an dieses wichtige Kapitel Berliner Nachkriegsgeschichte durch tagespolitischen Missbrauch. Das ist hier nicht angemessen. Gehen meine Fragen tatsächlich fehl, so suchen Sie doch bitte in der Ausschussdebatte zu überzeugen. Vernünftiger Überlegung, Herr Kollege Braun, werde ich mich nicht und wird sich auch meine Fraktion nicht verschließen können. Wir werden es auch nicht wollen. – Vielen herzlichen Dank für die Geduld!
Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Herr Brauer! Ich werde versuchen, Ihnen jetzt schon ein paar Argumente mitzugeben, weswegen eigentlich nichts dagegen spricht, diesen Antrag gemeinsam zu verabschieden. Es wurde von Ihnen, von Frau Lange und auch von Frau Eichstädt-Bohlig die ganze Zeit von einer Akzentverschiebung des Gedenkens hin zum Ende der Luftbrücke gesprochen. Ich sehe keinen Widerspruch zwischen einer 60-Jahre-Gedenkfeier im Jahr 2009 und einer Gedenkfeier zum Beginn der Luftbrücke im Jahr 1948.
Ich verstehe nicht, weswegen die von Ihnen hier hineingebrachte Aufregung dazu führt, dass der antragstellenden Fraktion und auch uns als Tempelhof-Befürworter, das Offenhalten des Flughafens Tempelhof, diese Debatte mit der Frage des Gedenkens zum Beginn der Luftbrücke verknüpft wird. Die BVV-Fraktion, alle in TempelhofSchöneberg, hat sich darauf verständigt, einvernehmlich
zu Beginn der Luftbrücke eine Gedenkveranstaltung durchzuführen. Warum kann das Abgeordnetenhaus vor allem vor dem Hintergrund, dass offensichtlich das Land Hessen einen Vorschlag unterbreitet hat, das nicht aufnehmen und sich ebenfalls zu einem würdigen Gedenken zum Beginn durchringen? Wo ist das Problem, Herr Brauer? Ich verstehe es nicht.
Warum beziehen Sie dann in Ihre Überlegungen nicht den Flughafen Hannover, warum nicht den Luftverkehrsstandort Hamburg mit ein, die dazugehörenden Bundesländer? Warum beziehen Sie Gatow und mindestens nicht Tegel mit ein? Es waren drei Einflugschneisen.
Wo ist das Problem, dass Sie diese Anregung in der Ausschussberatung – deswegen sind wir durchaus bei Ihnen, um darüber im Ausschuss zu beraten – einfließen lassen? – Das wäre doch ein Kompromissvorschlag. Warum man auf Hessen gekommen ist, ist ganz einfach. Das Land Hessen hat offensichtlich ein Angebot gemacht. So einfach ist es. Wenn man das Ganze aufweiten möchte, kann man es auch tun. Es geht um die Frage des Beginns der Luftbrücke, das möchte ich hier noch einmal sagen. Ich habe neulich einen Artikel gelesen, der mich sehr nachdenklich gemacht hat, weswegen ich noch einmal betonen möchte, dass nichts dagegen spricht, sowohl den Beginn als auch die Beendigung der Luftbrücke mit einem Gedenktag zu würdigen.
Der 60. Jahrestag wird wahrscheinlich der letzte große Jahrestag sein, an dem Veteranen, die die Luftbrücke aktiv mitgestaltet haben, amerikanische Piloten und andere, teilnehmen können. Wir sollten uns schon sehr gut überlegen, wie wir mit diesen Menschen, die für diese Stadt so unendlich viel getan haben, umgehen. Ich würde es für sehr würdig und sehr angemessen halten, zum einen den Beginn der Luftbrücke wegen der schnellen Entscheidung der Alliierten, hier zu helfen, und das glückliche Ende – hier haben Frau Lange und Frau Eichstädt-Bohlig sicherlich recht –, die Freude darüber, dass diese Blockade beendet wird, zu feiern. Es schließt sich nicht aus.