Protokoll der Sitzung vom 13.03.2008

[Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): Wer regiert denn eigentlich die Stadt?]

von der Presse, die jedes Vorkommnis auf die Titelseiten bringt, und von der Politik ohnehin.

Liebe BVGer! Ihr seid nicht allein!

[Oh! bei den Grünen – Andreas Gram (CDU): Matuschek ist an Ihrer Seite!]

Ohne euch würde diese Stadt nicht so funktionieren, wie sie funktioniert, ohne euch würde sich die Lebensqualität dramatisch verschlechtern,

[Dr. Martin Lindner (FDP): Jetzt versucht sie es mit Volksverdummung!]

auch wenn es nicht jeden Tag in jeder Zeitung steht, auch wenn es nicht in jeder Rede des Regierenden Bürgermeisters gesagt wird:

[Joachim Esser (Grüne): Das ist heute ein harter Tag für die BVG!]

Berlin wäre ohne BVG noch ärmer und sehr viel weniger sexy.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Deshalb, liebe BVGer, seid versichert: Berlin, wir wissen, ich weiß eure Leistung zu schätzen.

[Dr. Frank Steffel (CDU): Nun hören Sie auf! Ich fange gleich an zu weinen!]

Wir danken euch dafür mit allem Respekt, mit aller Hochachtung für eure Arbeit, und wir weisen gemeinsam die Angriffe, auch die tätlichen Angriffe, zurück.

[Beifall bei der Linksfraktion – Mario Czaja (CDU): Gleich werfe ich rote Nelken!]

Ihr sagt: Für Dank und schöne Worte könnt ihr euch nichts kaufen. Ihr habt keinen anderen Ausweg gesehen als einen unbefristeten Streik. – Das ist euer Recht. Wir von der Linken werden das Streikrecht wie die Tarifautonomie immer verteidigen. Wir werden aber auch diejenigen, die der Streik trifft, nicht im Regen stehen lassen. Deshalb einige Worte dazu.

[Zurufe von der CDU]

Der Streik trifft zunächst einmal alle, egal ob Fahrgast oder nicht.

[Zuruf von Dr. Frank Steffel (CDU)]

Er trifft aber vor allem diejenigen, die auf den Nahverkehr angewiesen sind. Das sind nicht diejenigen, die ein Firmenauto vor der Tür haben oder jung und sportlich genug sind, um auch bei schlechtem Wetter Fahrrad zu fahren. Er trifft die Armen, die Alten, die Schülerinnen und Schüler,

[Dr. Frank Steffel (CDU): Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher!]

er trifft die Beschäftigten der Geschäfte in den U-Bahnhöfen, er trifft die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, für die Ihr doch Vorreiter sein wollt, er trifft die Fahrgäste, die letztlich diejenigen sind, die für die Sicherheit der Arbeitsplätze

[Michael Schäfer (Grüne): Was ist denn Ihre Aussage?]

und Einkommen bei der BVG unentbehrlich sind. Er trifft aber auch wie ein Bumerang die BVGer selbst.

[Andreas Gram (CDU): Aha!]

Das Land Berlin hat einen Verkehrsvertrag mit der BVG abgeschlossen. Das Land Berlin und diese rot-rote Koalition hat damit alle anderen durchaus machbaren Alternativen ausgeschlossen. Diese Alternativen darf ich noch einmal aufzählen. Sie heißen Privatisierung, wie sie hier von der FDP verlangt wird

[Martina Michels (Linksfraktion): Nicht nur! Grün!]

und zum Beispiel in Görlitz und Aachen vollzogen worden ist. Sie heißen Zerschlagung und Ausschreibung in Teilnetzen, wie es hier von den Grünen verlangt und in Frankfurt/Main praktiziert wird. Sie heißen Erhöhung der Fremdvergabequote, also Leistungsreduzierung im Stammunternehmen, wie es die CDU hier verlangt

[Joachim Esser (Grüne): Dann gibt es wenigstens Gasbusse!]

und anderswo praktiziert wird. Wir haben all diese Alternativen ausgeschlossen. Doch der Verkehrsvertrag ist keine Selbstverständlichkeit.

[Christoph Meyer (FDP): Warum haben Sie ihn abgeschlossen?]

Er wird von seinen Gegnern nicht nur politisch, rechtlich und finanziell angegriffen, er hat auch eine ganz wichtige

und nicht in Frage zu stellende Grundlage, den Tarifvertrag Nahverkehr, den TVN. Ohne diesen Tarifvertrag hätte die EU-Richtlinie zur Vergabe gemeinwirtschaftlicher Verkehrsleistungen nicht umgesetzt werden können.

[Joachim Esser (Grüne): Aha, die sind die Bösen!]

Entschuldigen Sie, Frau Matuschek! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nach dieser EU-Richtlinie ist zwingend und nachweislich

[Mario Czaja (CDU): Das war wahrscheinlich aus der eigenen Fraktion, um die Rednerin aufzuheitern!]

das für die Allgemeinheit kostengünstigste Verkehrsunternehmen zu beauftragen. Das ist die BVG nur mit dem TVN und nicht ohne ihn. Andernfalls wäre der Verkehrsvertrag in kürzester Zeit vom Tisch. Der TVN wurde nicht eingegangen oder unterschrieben, weil irgendjemand der Meinung war, die BVGer seien zu hoch bezahlt oder sie würden zu viel Geld für zu schlechte Leistungen bekommen. Nein, der TVN und der Verkehrsvertrag sind zwei Seiten einer Medaille. Den TVN gibt es nicht, weil den BVGern kein Geld gegönnt wird, sondern als Grundlage des Verkehrsvertrags, der auch einer EU-rechtlichen Überprüfung standhalten muss.

Die Einnahmen der BVG speisen sich ausschließlich aus dem Steuersäckel des Landes oder kommen von den Fahrgästen selbst. Jeden Cent, den die BVG ausgibt, muss sie vorher entweder vom Steuerzahler oder von den Fahrgästen bekommen. Die Arbeitsplatzgarantie ist, wenn Sie so wollen, eine nichtgeldliche Gegenleistung des Landes Berlin für den TVN. Diese nichtgeldliche Gegenleistung wird aber zu realem Geld der BVG-Beschäftigten, weil sie überhaupt Arbeit haben.

Die wirtschaftliche Gemengelage in diesem Zusammenspiel von Finanzlage des Unternehmens, die eine andere ist als bei Vattenfall, von der Finanzlage des Landes, die eine andere ist als die Hamburgs, und von der Entwicklung der Fahrpreise, die die Fahrgäste bezahlen müssen, muss Gegenstand der Vertragsverhandlungen sein. Da bin ich froh, dass es endlich zu diesen Verhandlungen gekommen ist. Ich hoffe, da gibt es in den nächsten Tagen Bewegung.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wir sagen – und damit komme ich fast zum Schluss –: Der eigentliche Tarifkonflikt, der behoben werden muss, ist, dass für dieselbe Leistung unterschiedlich bezahlt wird und dass diejenigen, die weniger Geld bekommen, auch noch länger arbeiten müssen.

[Martina Michels (Linksfraktion): Genau!]

Das ist der eigentliche tarifvertragliche Konflikt, der in allererster Linie gelöst werden muss.

[Joachim Esser (Grüne): Habt ihr doch abgeschlossen!]

Über alles andere wird in weiteren Verhandlungen zu sprechen sein.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ich bin vor ein paar Wochen wie jeden Tag mit der BVG – mit der U-Bahn – gefahren, an einem traurigen Montagmorgen, einem regennassen Tag.

[Oh! von CDU]

In dem Zug waren viele Menschen mürrisch, Montagmorgen, nass, mit müden Gesichtern.