Sie wollen Vorurteile und antieuropäische Stimmung populistisch ausnutzen und auf sich ziehen. Das ist Ihr und Lafontaines Ziel und nichts anderes. Alles andere sind vorgeschobene Argumente.
Wenn ich richtig informiert bin, dann hat die Linkspartei bisher noch keinem der zentralen Vertragswerke zur Gestaltung und Fortentwicklung der EU zugestimmt. Ich muss leider Ihrer Kollegin Sylvia-Yvonne Kaufmann aus dem Europaparlament zustimmen und sie zitieren. Sie sagt im „Neuen Deutschland“ in einem Leserbrief:
Man kann nicht im selben Atemzug Ja zu Europa sagen und gleichzeitig Nein zu allen vertraglichen Grundlagen, auf denen es beruht. Das ist ein un
Lassen Sie sich das von Ihrer eigenen Kollegin gesagt sein, und denken Sie über dieses Wort einmal ernsthaft nach!
Es ist ja durchaus richtig, dass wir auch eine Reihe von Punkten sehen, wo uns der EU-Reformvertrag nicht genügt und nicht gefällt.
Aber dieser Vertrag ist kein grünes Wahlprogramm, und wenn Sie meinen, dass er der Programmersatz für Ihre fehlende Programmdebatte als Linkspartei ist, dann sitzen Sie irgendwie auf dem falschen Dampfer.
Deshalb: Richtig ist, wir hätten uns als Wichtigstes gewünscht, dass ein EU-weites Bürgerreferendum zu dem Vertrag gemacht worden wäre.
Das ist richtig, das hätten wir uns gewünscht. Wir wünschten uns, dass eben auch nicht die Verteidigungsagentur so in dem Vertrag festgeschrieben wäre.
Auch wir könnten uns vorstellen, dass weitere soziale Ziele drinstehen. Aber – und jetzt kommt das Aber – dieser Vertrag ist nicht ein einzelnes Gesetz, sondern er ist die Aufforderung an alle Europäer, an alle Menschen in diesen 27 Europastaaten, dass sie daran arbeiten, dass Europa sozialer, ökologischer, demokratischer, ziviler wird und sich für Frieden in der Welt engagiert.
Es ist die Aufgabe, jetzt Mehrheiten dafür zu organisieren, dass die Menschen sie positiv füllen und nicht schlechte Politik damit machen.
Letzter Satz: Warum ist es so besonders wichtig, dass Berlin dem zustimmt? Das war ziemlich makaber, wie der Kollege Liebich einfach gesagt hat: Ach, in Deutschland wird es kein Problem sein. Der Reformvertrag wird schon positiv durchgestimmt werden. Da können wir in Berlin doch lässig dagegen sein. Ist doch ganz einfach! – Nein! Berlin, diese Stadt des eisernen Vorhangs, den wir überwunden haben – wir sind ein gemeinsames Berlin geworden, ein gemeinsames Deutschland und ein gemeinsames Europa –, dieses Berlin hat die Verantwortung, ein deutli
ches Ja in der Welt und in Europa auszusprechen. Das muss sein. Und wenn Sie nicht mitmachen, dann sollten Sie sich überlegen, ob Sie Teil dieses Europas sein wollen oder ob sie in der Ecke stehen bleiben wollen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt weiß man wenigstens, was einen erwartet, wenn man der Einladung der Grünen folgt.
Ich habe die Argumente vorgetragen, die unsere Partei vertritt. Das wussten Sie vorher. Und hinterher sagen Sie: Ich soll mich schämen, und das ist alles unerhört. – Dann brauchen Sie mich gar nicht einzuladen, wenn Sie das nicht hören wollen. Das ist rätselhaft.
Zum Zweiten: Wenn Sie Kritik unserer Partei – und ich habe klar und deutlich auf dem Podium gesagt, dass es sich um eine proeuropäische Kritik handelt, weil wir für Europa und die Europäische Union sind –
im Nachhinein wider besseres Wissen als eine fremdenfeindliche Kritik denunzieren, dann finde ich das einfach unerhört. Ich habe dafür überhaupt kein einziges Beispiel geliefert.
Debatten über Europa gibt es in allen politischen Lagern. Nur weil wir zu einem anderen Schluss in der Abstimmung kommen, müssen wir uns von Ihnen nicht Fremdenfeindlichkeit vorwerfen lassen. Ich sage noch einmal, was ich auf dem Podium gesagt habe: Anton Hofreiter, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen, hat sich als einziger Abgeordneter im gesamten Deutschen Bundestag der Stimme enthalten. Christian Ströbele hat zugestimmt, aber wenn Sie sich seine Erklärung anschauen, dann steht die hinter keinem Flugblatt der Linkspartei zurück. Ich kann noch die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen der SPD und den Bundestagsabgeordneten der CDU/CSU – das habe ich schon einmal gemacht – Herrn Gauweiler nennen. In allen politischen Lagern gibt es Debatten mit unterschiedlichen Hintergründen, mit unterschiedlichem Herangehen. Sie negieren das alles. Sie sagen: Wenn die Linkspartei in Berlin nicht dafür sorgt, dass es eine hundertprozentige Zustimmung im Bundesrat gibt, die überhaupt nicht der Stimmungslage
wenn wir das nicht machen, dann seien wir fremdenfeindlich. – Ich finde diese Argumentation infam und weise sie zurück.
[Dr. Martin Lindner (FDP): Sie hat es auf den Punkt gebracht: Ihr seid zwielichtig in allen entscheidenden Fragen!]
Herr Kollege Liebich! Herr Lafontaine hat mehrfach deutlich – es wurde vorhin schon in anderem Zusammenhang zitiert – an die Fremdenfeindlichkeit appelliert. Deshalb sollten Sie lieber Ihre parteiinterne Diskussion darüber führen, als zu meinen, dass Sie das mir vorhalten müssen. Das ist Ihr Problem!
Als Zweites: Auch das haben wir am Dienstag sehr konstruktiv mit den verschiedenen Vertretern auch des Europäischen Parlaments, des Bundestags und Ihrer Kollegin Sylvia-Yvonne Kaufmann diskutiert.
Diesen Lissabon-Vertrag dürfen Sie nicht an Ihren kleinen Wahlprogrammwünschen messen, die Sie nicht einmal zu Papier bringen können, sondern Sie müssen ihn daran messen, ob er ein Fortschritt für Europa ist –
in Sachen mehr Demokratie, mehr Möglichkeiten, ein soziales Europa zu gestalten, durchaus auch in Gestaltung von wirtschaftlicher Stabilität und in Gestaltung von ökologischen Zielen für ein ökologisches Europa. Alle diese Dinge sind mit diesem Vertrag möglich. Deshalb ist es doch ganz einfach: Wir müssen den Vertrag daran messen, ob er Fortschritte in Europa bringt oder ob er ein Rückschritt ist. Wir sagen klar: Wir haben Kritik an einer Reihe einzelner Punkte,
aber insgesamt ist er ein Fortschritt. Deswegen ist es wichtig, dass dieser Vertrag unterschrieben wird.