Stefan Liebich

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden über das größte Infrastrukturprojekt in Ostdeutschland. Beim Start von Rot-Rot im Jahr 2001 hat sich auch unsere Partei – mein Vorredner hat darauf hingewiesen – nach heftigen Debatten in unseren Reihen dafür entschieden, dass wir dieses Projekt umsetzen wollen. Mit der Schließung des Flughafens Tempelhof haben wir den Weg dafür frei gemacht, und die Berlinerinnen und Berliner haben dies durch Nichtzustimmung zum gegenteiligen Volksbegehren auch unterstützt. Die Finanzierung ist gesichert, wir sind im Zeitplan, die Eröffnung im Oktober 2011 ist ambitioniert, aber aus heutiger Sicht zu schaffen, und ich freue mich besonders, dass nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen im Land Brandenburg auch die dortige Linksfraktion zum Gelingen des Projektes beitragen wird.
Gestatten Sie mir, die Redezeit für ein paar Worte in eigener Sache zu verwenden. Ich habe dem Parlamentspräsidenten, Walter Momper, mitgeteilt, dass ich mit Ablauf dieses Monats mein Mandat als Mitglied des Abgeordnetenhauses niederlegen werde, da ich – Walter Momper hat darauf hingewiesen – am 27. September von den Pankowerinnen und Pankowern in den Deutschen Bundestag gewählt wurde.
Nein, ich lasse keine Zwischenfragen zu. – Dieses Vertrauen hat mich sehr gefreut, und man darf in Deutschland zwar in mehreren Parlamenten sitzen, im Bundestag und im Landtag, und Politiker verschiedener Parteien probieren das auch aus, für mich ist das aber kein Weg.
Deshalb ist heute – und ich bin nicht der Melancholiker, aber ich will es trotzdem sagen – die Stunde des Abschieds nach 14 spannenden Jahren. Ich habe mich im Herbst 1995 hier auf einem dieser beiden Plätze neben dem Alterspräsidenten, Herrn Franke, befunden. Benjamin Hoff und ich saßen dort oben und durften die verantwortungsvolle Aufgabe wahrnehmen, die Namen der neu gewählten Abgeordneten vorzulesen. Ich kann Ihnen sagen, dass ich damals unheimlich aufgeregt war, diese schwierige Aufgabe hier zu bewältigen. Ich durfte dann berufsbildungspolitischer Sprecher unserer Fraktion werden. Das war auch ein ganz wichtiges Amt, wo ich um
jede Presseerklärung gekämpft habe, die dann trotzdem kein Medium abgedruckt hat.
Ich habe dann mit Michaele Schreyer, Harald Wolf und Klaus Wowereit im Hauptausschuss in endlosen Nachtsitzungen die Senatoren gequält und am Tag nach meiner Wahl zum Landesvorsitzenden der PDS im Dezember 2001 einen Anruf von Peter Strieder erhalten, dass Verhandlungen zu Rot-Gelb-Grün gescheitert seien und wir uns einmal treffen sollten, um Koalitionsverhandlungen für Rot-Rot zu beginnen. Diese Koalitionsverhandlungen gingen zügig – Sie erinnern sich –: Peter Strieder, Gregor Gysi, Harald Wolf, Michael Müller und Klaus Wowereit saßen in einer kleinen Runde Nacht für Nacht für Nacht zusammen. Wir haben das zügig abgeschlossen. Deshalb war ich dann noch sieben Jahre lang Mitglied einer Regierungsfraktion, davon fünf Jahre an vorderster Front.
Dass wir die Ergebnisse dieser Politik naturgemäß unterschiedlich bewerten, liegt auf der Hand, aber dass Berlin im Jahr 2009 eine ganz andere Stadt ist als 1995, wird niemand abstreiten. Ich bin vor allem meiner eigenen Fraktion und meiner Partei sehr dankbar, dass ich daran mitarbeiten durfte.
Ich möchte Ihnen allen, den Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen, recht herzlich für die gute Zusammenarbeit in den letzten 14 Jahren danken. Ich habe in allen Fraktionen Kollegen kennengelernt, die aus tiefer innerer Überzeugung und ihrer politischen Überzeugung für das Wohl ihrer Heimatstadt gearbeitet haben und dies auch weiter tun. Im Bundestag werde ich – das wird die Kollegen der CDU und der FDP nicht erfreuen – dafür arbeiten, dass Schwarz-Gelb eine kurze Episode wird und möglichst bald durch eine rot-rot-grüne Bundesregierung abgelöst wird.
Dafür haben SPD, Bündnis 90/Die Grünen und ja – auch meine eigene Partei – noch eine Menge zu tun,
aber ich bin mir sicher, bis zum Jahr 2013 kriegen wir das hin.
Ihnen allen möchte ich sagen, dass ich weiter für unsere Stadt Berlin kämpfen werde, künftig nicht mehr im Abgeordnetenhaus von Berlin, sondern ein paar Hundert Meter weiter im Deutschen Bundestag. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und für die letzten 14 Jahre!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielleicht interessiert den einen oder anderen das Thema Mindestlohn und Vergabegesetz, das wäre vielleicht nicht schlecht. – Ich beginne mit drei Statements aus der Mitte der Gesellschaft, die unser Kollege Martin Lindner immer gern zitiert:
Selbst mit zwei Nachtschichten im Monat haben meine Familie und ich Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Wir können uns kein Auto leisten oder andere größere Ausgaben, wie Familienurlaub. Mein Fazit: Wer eine 40-Stundenwoche im Dreischichtsystem arbeitet, sollte doch sich und seine Familie von diesem Job ernähren können und nicht mit weniger als 1 000 Euro nach Hause kommen.
Robert P., 31 Jahre alt, Leiharbeiter, derzeit Produktionshelfer, verheiratet, zwei Kinder, Bruttostundenlohn: 6,62 Euro, Aufstocker nach Hartz IV. – Zweitens:
Gerade heute ist wieder so ein Tag, an dem wieder nur wir zwei Aushilfen da sind. Wir hatten Ware da zum Einräumen, weil sie für den Folgetag beworben ist. Durch die minimale Besetzung ist es selbst schwierig, mal die Toilette aufzusuchen. Das alles für 6,82 Euro, und ich muss noch Fahrgeld zahlen.
Roswitha R., 43 Jahre alt, Aushilfsverkäuferin, Bruttostundenlohn: 6,82 Euro, Aufstockerin. – Drittens:
Unregelmäßige Schichtarbeit, kein Urlaub möglich. Trotz Vollzeitjob kein Anlegen von finanziellen Reserven möglich. Stetig steigende Kosten zur Gesundheits- und Altersvorsorge kaum finanzierbar.
Peter L., 48 Jahre alt, Sicherheitsdienst im Bewachungsgewerbe, verheiratet, drei Kinder, Bruttostundenlohn: 5,10 Euro.
Wissen Sie eigentlich, wie hoch der mit Verdi ausgehandelte Tariflohn im Wachgewerbe ist? – 5,50 Euro pro
Stunde, ohne Zuschläge. – Alles das, was ich hier nenne, sind keine Einzelbeispiele. Millionen von Menschen in unserem reichen Land bekommen einen Niedriglohn. Millionen von Menschen machen unfreiwillig Leiharbeit, gehen Minijobs oder Teilzeitarbeit nach. Und weil Herr Lindner immer die Menschen anspricht, die morgens aufstehen: Das alles sind Menschen, die jeden Morgen aufstehen, tagein, tagaus zur Arbeit gehen und nach ihrer anstrengenden Arbeitswoche zum Amt müssen, um Hartz IV zu beantragen, weil ihr Lohn zum Leben nicht ausreicht. Dass so etwas in Deutschland stattfindet, halten wir für einen gesellschaftlichen Skandal.
Dabei liegt die Antwort darauf auf der Hand. Der Kollege Stroedter hat vorhin bei der Begründung der Aktualität darauf hingewiesen: Wir müssten uns lediglich der europäischen Normalität anschließen. Gesetzliche Mindestlöhne existieren in 21 europäischen Ländern, und ähnliche Regeln existieren in weiteren vier Ländern. Nur zwei Länder in der europäischen Union haben solche Regelungen nicht, von denen eines Deutschland ist.
Dabei gäbe es gute Gründe, solche Regeln einzuführen. Selbst dann, wenn man einen niedrigen Mindestlohn von 7,50 Euro einführen würde, würden auf der Stelle 9 Millionen Menschen ein höheres Einkommen erhalten. Sie würden im Alter eine Rente bekommen, von der sie auch leben können, und insbesondere Frauen würden von Armut und Abhängigkeit befreit werden, weil sie sehr häufig in Niedriglohnbereichen tätig sind. Ich denke, dass das auch ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichberechtigung wäre.
Migrantinnen und Migranten würden eine soziale Perspektive erhalten.
Dass das ein richtiger Weg ist, hat sich in Deutschland nur sehr schwer durchgesetzt. Herr Stroedter hat vorhin darauf hingewiesen, dass das die SPD schon sehr lange findet, aber mit dem Wort „lange“ ist das immer so eine Sache. Die Ersten, die sich dafür entschieden haben, waren die Gewerkschafter von Verdi, aber die Gewerkschafter der IG-Metall und des DGB waren damals noch dagegen. Die PDS hat sich dem damals angeschlossen und dann der DGB und dann auch die Grünen. Danach hat auch die SPD ihre Position geändert – das stimmt! Bei der letzten Bundestagswahl war sie noch der Auffassung, dass es keines gesetzlichen Mindestlohns bedarf, weshalb auch in der rot-grünen Regierung, in der die Grünen dafür waren, kein gesetzlichen Mindestlohn beschlossen wurde.
Nachdem man dann mit der CDU/CSU in einer Regierung war, hat man es dann versucht, und genau das ist das Problem. Wir haben im Deutschen Bundestag eine Mehrheit bestehend aus Grünen, SPD und der Partei Die Linke, die einen gesetzlichen Mindestlohn wollen, aber die SPD koaliert dummerweise mit einem der Dinosaurier der
Dumpinglöhne, nämlich der CDU/CSU-Fraktion. Das Problem ist auch, dass die SPD plant, künftig eine Koalition entweder erneut mit der CDU/CSU einzugehen oder mit der FDP – beides Mindestlohngegner. Es sieht also in Deutschland für einen gesetzlichen Mindestlohn schlecht aus.
Deshalb haben wir als Land Berlin im Bundesrat gemeinsam mit anderen beantragt, auf diesem Weg einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Das ist auch dort an den Mehrheiten gescheitert. Und landesweit Mindestlöhne einzuführen, wie es eine Volksinitiative in Bayern versucht hat, ist durch das dortige Verfassungsgericht gestoppt worden. Deshalb reden wir jetzt über den drittbesten Weg – um es freundlich zu formulieren –, nämlich dass der Staat seine Vorbildfunktion bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nutzt.
Rot-Rot hat das bereits vor einem Jahr beschlossen. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Europäische Gerichtshof mit dem Rüffert-Urteil uns und anderen Ländern aufgegeben hat, diese Regelung aufzuheben. Die Grünen haben bedauerlicherweise sehr schnell in dieser Frage aufgegeben. Der Gesetzesantrag, den die Grünen eingereicht haben, beinhaltete nichts mehr von 7,50 Euro, sondern man ist davon ausgegangen, dass man da nichts mehr machen kann. Wir von SPD und Linkspartei wollen beides: Wir wollen ökologische und soziale Kriterien.
Deshalb sind wir sehr froh, dass Harald Wolf einen Gesetzentwurf vorgelegt hat,
Sie wissen ja, wo er ist – der auch vom Senat beschlossen wurde und jetzt beim Rat der Bürgermeister liegt. Erfreulicherweise hat Harald Wolf über die Eckpunkte im Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen informiert. – In diesem Ausschuss sind Sie nicht, aber Sie können mit Ihrer Kollegin, Frau Paus, sprechen. – Dort ist alles gesagt worden, was der Senat plant, nämlich dass man versucht, dass wenigstens die Regeln, die auf Bundesebene im Rahmen des Entsendegesetzes gefunden wurden, auf jeden Fall auch für die Vergabe öffentlicher Aufträge gelten. Dort ist auch angekündigt worden, dass wir einen Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde für die Vergabe öffentlicher Aufträge wollen, und – das ist ein entscheidender Unterschied zu dem Gesetzentwurf, den die Grünen erfreulicherweise in Bremen mit auf den Weg gebracht haben – das soll auch europaweit gelten. Da müssen Sie vielleicht noch einmal mit Ihren Kollegen in Bremen sprechen, damit Sie nicht hinter diesem Entwurf zurückbleiben. Auch für europaweite Ausschreibungen sollte man einen Mindestlohn von 7,50 Euro fordern.
Nun gab es beim letzten Gesetzentwurf die nachvollziehbare und berechtigte Kritik, dass wir einen großen Teil der Anforderungen im letzten Entwurf noch nicht dabei hatten. Wir sind nicht hinter dem letzten Mal zurückgeblieben, sondern diesmal weitergegangen und fordern mehr als beim letzten Gesetzentwurf. Deshalb wollen wir,
dass auch die ILO-Kernarbeitsnormen eingehalten werden, das heißt, dass keine Produkte mehr, die durch Kinder- oder Zwangsarbeit entstanden sind, bei öffentlichen Aufträgen von Belang sind. Wir wollen, dass es eine umweltfreundliche Vergabe gibt und dass die Umweltsenatorin ermächtigt wird, die entsprechenden Regelungen hierfür vorzulegen.
Ja, das alles ist ein schwieriger und umstrittener Weg, aber wir lassen uns nicht von der FDP, der CDU, der IHK, dem UVB oder dem Europäischen Gerichtshof einschüchtern, sondern gehen diesen Weg. Wir sind nicht hasenfüßig, sondern versuchen, im Interesse der Schlechtverdienenden in unserem Land das Maximale herauszuholen.
Ich freue mich, dass die SPD im Land Berlin diesen Weg mit uns geht. Das kann sie nur in Berlin, weil sie hier mit der Linkspartei regiert, und das ist eine gute Sache. Wir schaffen damit eine gesetzliche Grundlage, die eine Praxis beendet, die von den Grünen nachvollziehbar kritisiert wurde – nicht nur von den Grünen. Diese Praxis gibt es nicht nur in Berlin, in Bremen und Hamburg. Das festzustellen ist der eine Weg, und der andere Weg ist, Gesetze zu schaffen – wie Sie das in Bremen versuchen und wie wir das in Berlin tun. Das ist die Antwort und nicht, sich gegenseitig die miserable Gesetzeslage vorzuwerfen. Wir müssen damit Schluss machen, indem wir die Gesetze ändern.
Und trotzdem ende ich damit, womit ich begonnen habe: Wir haben am Sonntag Bundestagswahlen. Die ganz Schlauen haben schon erkannt, dass das eine oder andere, worüber wir hier diskutieren, auch etwas mit den Bundestagswahlen zu tun hat. Es ist schon so, dass das, was wir hier machen, wirklich nur ein kleiner Schritt ist. Die wirkliche Antwort, die man geben muss, ist ein bundesweiter gesetzlicher Mindestlohn. Und wer das auch plausibel findet, den kann ich nur aufrufen, am Sonntag die Parteien zu wählen, die für einen gesetzlichen Mindestlohn sind
ich gehe noch einen Schritt weiter – und die Parteien, die nicht mit anderen Parteien koalieren wollen, die gegen einen gesetzlichen Mindestlohn sind.
Ich weiß, dass da nicht so viele übrigbleiben, das finde ich bedauerlich. Vielleicht kommen irgendwann auch mal bessere Zeiten,
aber dieses Thema ist uns sehr wichtig, denn Würde hat ihren Wert, und Arbeit hat ihren Preis. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Weil Herr Lindner mit dem Wahlkreis angefangen hat, will ich das auch mal tun. Er hat vergessen, dass er auch einen Wahlkreis hat, in dem er kandidiert.
Da tritt die FDP als Splitterpartei auf und wird hinter RotRot-Grün und hinter der CDU einlaufen – nämlich mit
dem Direktkandidaten Martin Lindner, und das völlig zu Recht.
Hinzukommt, dass der gleiche Herr Lindner, der sich hier so aufbläst, eine Partei anführt, die in Berlin mit Blick auf die Bundestagswahlen wahrscheinlich eine Zwei-MannPartei sein wird. Also sollten wir ihn auch nicht ernster nehmen als nötig. Ich glaube, es tut nicht not, dass wir auf ihn weiter eingehen. Er wird als Person an der Regierungsbeteiligung – hoffe ich – nicht beteiligt sein, und ich hoffe, dass auch seine Partei nicht an der Regierungsbeteiligung beteiligt sein wird. Eines ist aber sicher, und das ist für das Abgeordnetenhaus von Berlin eine erfreuliche Nachricht: Hier ist er dann nicht mehr.
Herr Lindner! Sie wollten den Wahlkampf, und deshalb können Sie ihn auch haben. Ist ja okay, dass wir hier im Abgeordnetenhaus von Berlin noch einmal auf die Differenzen eingehen. Sie haben versucht, mit der Berliner Landespolitik den Menschen in Deutschland Angst zu machen vor Rot-Rot oder vor Rot-Rot-Grün. Erwartungsgemäß werde ich das Gegenteil tun und auf das verweisen, was wir hier in Berlin geschaffen haben und von dem wir glauben, dass es viele Wählerinnen und Wähler geben wird, die das gut finden und die davor keine Angst haben.
Ich werfe mal einen kleinen Blick zurück – und das ist dann doch ein Punkt, wo ich bei Ihnen anknüpfen muss und der jetzt unseren geschätzten Kollegen von der SPD wahrscheinlich nicht so gefallen wird.
Wir hatten in Berlin lange Zeit eine große Koalition. Die SPD hat hier in Berlin erlebt, wie es ist. Von großer Koalition zu großer Koalition wurde die SPD immer kleiner. Das ist der Weg, den die SPD immer noch auf Bundesebene geht. Ich hoffe, das wird sich irgendwann einmal ändern.
Als wir dann angefangen haben, zusammen zu regieren, haben wir eine Hinterlassenschaft der großen Koalition vorgefunden, die erst einmal zu beseitigen war. Ich will Sie daran erinnern: Die Bankgesellschaft Berlin stand kurz vor der Pleite. Die Strom- und Gasunternehmen Bewag und GASAG waren privatisiert. Die Wasserbetriebe waren teilprivatisiert, die Krankenhäuser und Wohnungsgesellschaften standen kurz davor. Die Kulturlandschaft war in Gefahr. Studiengebühren waren in der Diskussion. Die Stadt stand vor einem riesigen Schuldenberg.
Wir haben uns damals vorgenommen – das war nicht leicht –, die Ausgaben auf das Niveau der Einnahmen zu reduzieren. Das haben wir bis zum Beginn der Finanzkrise auch getan. Wir haben das nicht nur versprochen; wir haben das erfüllt. Wir haben seriöse Finanzpolitik gemacht.
Wir haben linke Entscheidungen getroffen, linke Entscheidungen, die mehrheitsfähig nicht nur im Land Berlin sind. Wir haben im Bundesrat für einen gesetzlichen Mindestlohn gekämpft. Wir haben im Bundesrat aber andererseits den Hartz-Gesetzen, der Rente mit 67, der Privatisierung von Bahn- und Flugsicherung, der Schuldenbremse und Internetsperren nicht zugestimmt. Wir haben uns dafür eingesetzt – das bezeichnen Sie hier als VEB Knake-Werner –, dass es öffentlich geförderte Beschäftigung für 6 500 Menschen gibt, die lange arbeitslos waren, und damit die Umwandlung von 1-Euro-Jobs in sinnvolle nach Tarif oder Mindestlohn bezahlte Stellen auf den Weg gebracht. Das ist ein gutes Beispiel. Das sollte man in ganz Deutschland einführen. Wir schlagen das vor.
Wir werden auf Bundesebene dafür kämpfen, dass das, was wir gerade diskutiert haben, öffentliche Aufträge zu vergeben, an Kriterien wie Mindestlohn und ökologische Kriterien gebunden wird. Wir sind dafür, Sie sind dagegen. Herr Ratzmann hat das für mich überraschend, aber gleichwohl erfreulich noch einmal sehr klar gemacht: Wir von Rot-Rot-Grün wollen das Gegenteil von der Steuerpolitik, die die FDP vorschlägt. Herr Ratzmann hat völlig recht. Wir unterstützen den Antrag, den die Grünen eingereicht haben. Genau das ist die richtige Politik. Steuern runter macht Deutschland munter. Das sagen die „BILD“Zeitung und die FDP. Beides ist gelogen. Das trifft nicht zu. Steuern sind zum Steuern da. Der Staat muss Steuern einnehmen, damit Schulen, Kitas, Straßen und Plätze funktionieren. Sie von der FDP lügen die Menschen an, wenn Sie sagen, Sie können die Steuern senken. Sie sagen ihnen nicht die Wahrheit, und wir wollen einen anderen Weg.
Auf ein klitzekleines Problem will ich die beiden mitklatschenden Fraktionen SPD und Grüne hinweisen. Sie haben das Problem, dass Sie in Ihren Koalitionsaussagen – Sie von der SPD – davon sprechen, gern mit der CDU/CSU oder der FDP im Wege der Ampel oder großen Koalition regieren zu wollen. Die Kollegen von den Grünen haben erfreulicherweise keine Koalition mit der Linksfraktion ausgeschlossen. Das finde ich gut. Sie sind aber auch bereit, mit der CDU – Schwarz-Grün – oder mit der FDP eine Ampelkoalition einzugehen. Dabei dürften Sie ein Problem haben, diese Steuerpolitik, die wir gemeinsam wollen, durchzusetzen.
Wir haben uns in Berlin dafür eingesetzt, dass Hartz-IVEmpfänger weitestgehend von Zwangsumzügen verschont werden. Wir haben eine so liberale Regelung gefunden, dass Bundessozialminister Olaf Scholz das Land Berlin verklagt hat. Wir haben dafür gesorgt, dass Asylbewerber im Land Berlin Bargeld und nicht Chipkarten erhalten, dass sie in Wohnungen und nicht in Wohnheimen leben können. Wir haben im Land Berlin dafür gesorgt, dass es einen Berlin-Pass für sozial Benachteiligte gibt.
Das finden Sie doch alles gut. Weinen Sie doch nicht! Dafür setzen wir uns auch auf Bundesebene ein. Dafür setzen auch Sie sich auf Bundesebene ein. Deshalb müssen wir uns auch dafür einsetzen, zusammen regieren zu können, und uns nicht gegenseitig ankoffern. Eine linke Regierung ist doch das Ziel.
Wir sind gegen die Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Deshalb hat Rot-Rot – hier haben wir wieder eine Differenz mit den Grünen – dafür gesorgt, dass die BVG, die Stadtreinigung, Vivantes, Charité und Wohnungsunternehmen mit 250 000 Wohnungen nicht privatisiert, sondern saniert werden. Wir haben gemeinsam dafür gekämpft, dass die Bankgesellschaft Berlin nicht pleite ging und nicht, wie von der FDP gefordert, für billiges Geld an einen Hedgefonds verkauft wird, sondern dass die Bankgesellschaft Berlin mit 8 000 Arbeitsplätzen durch Risikoabschirmung gesichert und saniert wird und dass sie an den Sparkassen- und Giroverband verkauft wurde. Das war eine sehr schwierige und gute Entscheidung.
Das Abgeordnetenhaus von Berlin hat mit rot-rot-grüner Mehrheit den erfolgreichen Kampf gegen das Bombodrom in der Kyritz-Ruppiner Heide unterstützt. Das Abgeordnetenhaus von Berlin hat mit rot-roter Mehrheit den Bau eines neuen und umweltschädlichen Kohlekraftwerks anders als in Hamburg verhindert.
Das muss hier auch einmal gesagt werden. Es ist in Berlin verhindert worden. In Hamburg ist es nicht verhindert worden.
Es gibt ein Integrationskonzept, das sich für mehr Einbürgerung einsetzt, das Menschen mit Migrationshintergrund, die im öffentlichen Dienst arbeiten wollen, besonders fördert. Wir setzen die Programme, die der Bund nicht fortsetzt, im Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus.
Das wollen Sie von den Grünen doch auch. Nein, ich beantworte keine Fragen vom Elefanten Schäfer.
Ich werde weiter dafür streiten, dass die Programme gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus auch weiter im Landeshaushalt finanziert werden. Wir haben gemeinsam mit rot-rot-grüner Mehrheit dafür gesorgt, dass das Verbot sexueller Diskriminierung ins Grundgesetz aufgenommen werden soll. Das ist eine gute Sache. Auch RotRot-Grün ist der Auffassung, dass Lebenspartnerschaften im Beamtenrecht mit der Ehe gleichgestellt werden. Das ist eine gute Sache. Wir haben auf Druck von Rot-Rot dafür gesorgt – davon war die SPD am Anfang nicht ganz so begeistert, inzwischen ist sie es schon, die CDU war
früher dagegen, jetzt ist sie dafür –, dass es in Berlin mehr Demokratie gibt. Bei Volksentscheiden auf Bezirksebene war die CDU immer dagegen und hat als erste einen Volksentscheid durchgeführt, um zu verhindern, dass die Rudi-Dutschke-Straße Rudi-Dutschke-Straße heißt. Sie hat verloren, aber das Volk hat entschieden. Danke dafür an die CDU, dass sie uns die Möglichkeit gegeben hat und auch die Möglichkeit gegeben hat, dass die Berlinerinnen und Berliner die Politik des Berliner Senats zur Schließung der innerstädtischen Flughäfen Tegel und Tempelhof unterstützen konnten. Wir haben uns sehr gefreut, dass diese Möglichkeit vorhanden ist. Die Berliner stehen dahinter. Ebenso wollen die Berlinerinnen und Berliner weiterhin nicht Ethik oder Religion, sondern Ethik und Religion.
Wer damit den Menschen in Deutschland Angst machen will, irrt sich. Das ist eine gute Bilanz. Das sind Exportschlager. Ein Bundesland wie Brandenburg und ein Bundesland wie Schleswig-Holstein würden sich freuen, wenn sie alle diese Dinge verabreden könnten. Ich sage – hier habe ich einen wenig überraschenden Widerspruch zum Kollegen Stroedter –, dass dies auch eine Perspektive für die Bundesebene ist. Ja, wir haben Differenzen in der Außenpolitik, weil wir gegen völkerrechtswidrige Bundeswehreinsätze sind. Ja, unsere Fraktion hat gegen den EU-Vertrag geklagt, hat aber am Ende – das müssen Sie zugeben – recht vor dem Bundesverfassungsgericht bekommen.
Wir haben jetzt einen verfassungsgemäßen EU-Vertrag. Das ist doch gut. Das muss doch auch jeden Pro-Europäer freuen.
Deshalb ist die Perspektive, auch wenn die Grünen schreien, sie werden sich daran gewöhnen, – Herr Lindner hat völlig recht – nicht der alberne Wahlkampf, den wir jetzt haben, bei dem man zwischen Schwarz-Rot, einer Ampel, die eigentlich keiner will, oder Schwarz-Gelb wählen kann. Die richtige Auseinandersetzung ist zwischen Rot-Rot-Grün und Schwarz-Gelb. Ich hoffe, dass wir diese Auseinandersetzung möglichst bald führen können.
Das ist sehr nett, Herr Ratzmann! Mich interessiert, ob Sie diesen Vorschlag auch Ihren Hamburger Kollegen unterbreitet haben, die es ja versäumt haben, das Parlament darüber zu informieren, dass Herr Nonnenmacher 2,9 Millionen Euro Sonderabfindung erhalten hat.
Ich habe eine Frage an den Bürgermeister und Senator für Wirtschaft, Technologie und Frauen, Harald Wolf. – Herr Wolf! Mich interessiert, wie Sie es aus wirtschaftspolitischer Sicht mit Blick auf das Land Berlin bewerten, wenn die Vorschläge, die gegenwärtig in der CDU/CSUBundestagsfraktion diskutiert werden, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, Realität werden würden.
Nun gehen die Überlegungen, die in der CDU/CSUBundestagsfraktion bezogen auf die Mehrwertsteuererhöhung diskutiert werden, nach den Bundestagswahlen in die Richtung, dass man die bereits jetzt teilweise abgesenkten Mehrwertsteuersätze erhöhen soll. Wäre das denn ein besserer Weg?
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe das Gefühl, dass wir jetzt schon das zwanzigste Mal über das Thema reden, jede Sitzung aufs Neue.
Ich glaube auch, dass alles, was zu diesem Thema gesagt werden muss, bereits gesagt wurde. Die Deutschlandhalle ist unökonomisch, unökologisch, und sie wird nicht mehr
für den Eissport genutzt werden. Ich glaube, es ist an der Zeit, dass diejenigen, die sich das nicht vorstellen können, sich langsam damit abfinden. Um ein bisschen Zeit für unseren heutigen Abend zu sparen, schließt sich unsere Fraktion all dem, was Herr Körting vorhin in der Beantwortung der Mündlichen Anfrage gesagt hat, an. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Ich habe eine Frage an den Wirtschaftssenator, der gegenüber der Öffentlichkeit den Vorschlag unterbreitet hat, dass Banken, die Steuergelder bekommen, dem Staat gehören sollten. Mich interessieren die Hintergründe dieses Vorschlags.
Herr Senator! Mich würde interessieren, wie die Resonanz auf diesen Vorschlag bei Ihren Ministerkollegen in den Ländern und auf Bundesebene ist.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Weil jetzt mehrfach gefragt wurde, was dieser Antrag eigentlich solle, wo sich der Senat doch schon entschieden habe: Es geht uns nicht um die Senatorinnen und Senatoren. Wir wissen, wie der Senat im Bundesrat entscheiden wird. Die Entscheidung ist klar. Es geht uns um Sie! Wir möchten gern wissen, wie Bündnis 90/Die Grünen, wie die FDP und wie die CDU hier im Berliner Abgeordnetenhaus das Ergebnis der Föderalismuskommission bewerten.
Ich finde, dass das legitim ist. Wir haben, als die Beratungen begannen, hier im Abgeordnetenhaus darüber geredet. Wir haben einen Beschluss gefasst, und zwar damals mit rot-rot-grüner Mehrheit, was wir erwarten, was bei dieser Föderalismuskommission herauskommen soll, und da wird man am Schluss das Ergebnis bewerten können. Unsere Einschätzung – Linksfraktion und SPD – ist völlig klar, sie liegt Ihnen vor. Wir meinen, dass man diesem Ergebnis nicht zustimmen kann. Wir wollen aber gern wissen, wie Sie das sehen, Bündnis 90/Die Grünen: Sie haben am Anfang Erwartungen formuliert. Mich würde interessieren, ob Bündnis 90/Die Grünen der Meinung ist, dass die Erwartungen, die sie formuliert haben, bestätigt wurden. Ich bin sehr gespannt!
Natürlich muss man sich das Ergebnis auf der Bundesebene anschauen. Der Kollege Thärichen hat hier schon deutlich gemacht, dass es innerhalb der Sozialdemokratie dazu unterschiedliche Auffassungen gibt. Angestiftet von der FDP, vorangetrieben durch die CDU/CSU, nur mäßig gebremst durch die Sozialdemokratie und weiter vorangetrieben durch Bündnis 90/Die Grünen ist jetzt ein Ergebnis herausgekommen, das aus meiner Sicht ein Kuriosum ist. Das gibt es weltweit so nirgends. Die Bundesrepublik Deutschland setzt sich in der Zeit größter Verschuldung selbst eine Schuldenbremse, versieht sie gleichzeitig mit vielen Hintertüren, und das wird dann ungefragt – wenn auch nicht unwidersprochen – den Ländern aufgedrückt. Dazu kann man nur Nein sagen!
Es wird uns immer unterstellt – weil wir dazu Nein sagen –, dass wir uns gern verschulden wollen. Diese Geschichte wird hier jedes Mal erzählt. Ich will dazu noch mal ganz klar sagen: Es ist nicht so, dass wir nicht auch sehen würden, dass eine wachsende Staatsverschuldung ein Riesenproblem wäre. Nur die Antwort, die Sie darauf geben, finden wir falsch.
Gegen Staatsverschuldung muss man Haushaltskonsolidierung setzten und nicht irgendwelche absurden Verfassungsregeln. Deshalb bleiben wir bei der Position, dass die allerbeste Schuldenbremse eine steuergerechte Politik wäre. Dazu gehört es, dass die Einnahmen erhöht werden.
Ja, bitte!
Ich bedanke mich recht herzlich für die Information! Wer in den letzten Jahren im Abgeordnetenhaus gewesen ist, dem dürfte nicht entgangen sein, dass es so eine Regel gibt, wie übrigens in vielen Bundesländern und auch auf Bundesebene. Wissen Sie, was in vielen Bundesländern und auf Bundesebene passiert ist? – Man hat festgestellt, dass sich diese Regel interpretieren lässt. Nun kommen die Schlaumeier von Bündnis 90/Die Grünen und denken sich: Oh! Da machen wir eine ganz neue Regel, die so strikt ist, dass sie sich keinesfalls interpretieren lässt. – Die gibt es aber nicht. Selbstverständlich ist auch in dieser neuen Schuldenbremse Interpretierbarkeit vorgesehen, sodass das politische Problem, Frau Eichstädt-Bohlig, ob man Schulden machen oder abbauen will, beantwortet werden muss. Da können Sie Regeln aufstellen, solange Sie wollen.
Mich wundert, dass ausgerechnet Bündnis 90/Die Grünen die Partei ist, die jetzt in allen Bundesländern dafür kämpft. Es ist ein Kuriosum, dass es Länder sind wie das
rot-rot regierte Berlin – okay, da können Sie sagen: Die Linke blockiert das alles – und nicht etwa Bremen oder Hamburg ist, die sagen: Wir hätten da vielleicht noch das eine oder andere Bedenken. – Nein! Sie finden das richtig.
Herr Goetze! Weil Sie hier über Solidarität klagen, was die anderen Länder so machen, will ich Ihnen sagen, dass Schleswig-Holstein mit Herrn Carstensen und Mecklenburg-Vorpommern, wo die CDU mit regiert, genauso wie das Land Berlin ihre Bedenken zum Vortrag bringen und genauso wie das Land Berlin im Bundesrat nicht zustimmen werden. Leider sind es zu wenig Bundesländer! Diese ganze Föderalismuskommission auf Bundesebene war ein einziges Trauerspiel.
Letztlich hat die große Koalition versucht, dort einmal Handlungsfähigkeit zu beweisen. Sie haben gesagt: Wir haben hier eine grandiose Mehrheit, die wir endlich einmal in einer ordentlichen Verfassungsänderung umsetzen wollen. – Die Verfassungsänderung selbst ist so absurd, dass Ihr Bundestagspräsident, Herr Lammert, völlig nachvollziehbar gesagt hat: Ich stimme dem nicht zu! – Das sollte Ihnen auch einmal zu denken geben: Der Bundestagspräsident, CDU-Mitglied, stimmt dem nicht zu. – Aber die CDU hier in Berlin sagt: Alles egal! Der rot-rote Senat muss zustimmen, koste es, was es wolle! – Ich finde, dass es richtig ist, dass dieses Trauerspiel jetzt beendet wurde, und dem Ergebnis sollte man auf keinen Fall zustimmen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Was kann der Senat angesichts der Arcandor-Krise für den Erhalt von betroffenen Karstadt-Arbeitsplätzen in Berlin tun?
2. Welche Schritte hat er bereits unternommen?
Herr Senator! Überrascht es Sie angesichts der zügigen Zusagen, die wahlkämpfende Politikerinnen und Politiker auf der Bundesebene bezogen auf Opel gegeben haben, dass nun auch weitere Unternehmen auf die Idee kommen, dass der Staat ihre gegebenenfalls selbst erzeugten Probleme lösen kann?
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hätte ich vorhin meine Frage stellen können, müsste ich nun keine Kurzintervention machen – das alte Lied. – Sie entgehen meinem Beitrag trotzdem nicht!
Man kann einiges an Pro und Kontra zum Weiterbau der A 100 sagen. Aber Sie haben auch wie immer die Abteilung Nasenring bemüht, nämlich welcher kleinere Koalitionspartner sich wie am Nasenring durch die Stadt führen lässt. Deshalb ahnen Sie schon, was jetzt passiert, jetzt kommt nämlich eine Geschichte aus Bremen.
Wie bewerten eigentlich die Grünen, dass gerade vor vier Wochen der Bremer Bürgermeister Herr Böhrnsen ein Machtwort sprechen musste, ein Machtwort sprechen musste zur Frage des Weiterbaus der A 281? Die kennen Sie nicht so gut, weil sie woanders liegt. Es geht darum, dass im rot-grünen Koalitionsvertrag der Weiterbau der A 281 verabredet wurde, aber – schau einer an! – es gibt
Zweifler, Zweifler in den Reihen der Grünen und Zweifler in den Reihen der SPD.
Es gibt die Idee, die A 281 nämlich anders zu bauen. Bürgerinitiativen stehen voll dahinter. Nun schauen wir uns einmal an, was die Grünen in der Bremer Bürgerschaft tun. Es gibt sogar einen Bürgerschaftsbeschluss, der diese Änderung von der Landesregierung fordert.
Was sagen also die Grünen? – Der grüne Bausenator Loske begrüßt die Klarstellung von Herrn Böhrnsen. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Herr Güldner, sieht keinen Dissens in der Landesregierung und in der Koalition. Wissen Sie, was sein Argument ist? – Er argumentiert, dass der Bund einer Änderung der Planungen nicht zustimmen würde. So standhaft sind Bündnis 90/Die Grünen da, wo sie zuständig sind. Deshalb ist Ihr Aufstand hier unglaubwürdig.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich recht herzlich beim Regierenden Bürgermeister für seine ehrliche, ja geradezu schonungslose Einschätzung des Beratungsstands in der Föderalismuskommission II, wie er uns heute vorliegt, bedanken. Die Worte sind diplomatisch gewählt, aber der Inhalt ist ganz klar. Die Ergebnisse der Föderalismuskommission sind schlecht für das Land Berlin. Dem konnte man einfach nicht zustimmen.
Wir haben im Plenum, im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und auch im Hauptausschuss die Arbeit der Föderalismuskommission intensiv begleitet. Wir werden dazu auch noch eine Anhörung im Hauptausschuss haben. Schon jetzt kann man sich die Ergebnisse anschauen und sie an unseren eigenen Anforderungen messen. Wir haben die Anforderungen des Abgeordnetenhauses mit rot-rot-grüner Mehrheit formuliert. Der Kernsatz unseres Beschlusses lautet: „Voraussetzung für eine verfassungsrechtliche Verschuldungsgrenze ist die nachhaltige Entschuldung der Länder.“ Der gefundene Kompromiss erfüllt diese Erwartung ganz und gar nicht. Die Länder werden nicht entschuldet, aber eine Verschuldungsgrenze wird eingeführt. Dazu sagen wir Nein.
Die in Aussicht gestellten Konsolidierungshilfen für Berlin sind nicht auskömmlich und können zudem nur erlangt werden, wenn Berlin zusätzliche Kürzungen vornimmt. Wie gerade die aktuelle Entwicklung zeigt, nutzt im Ernstfall keine Regel, sondern es muss gehandelt werden.
Und das hat Berlin in der Vergangenheit gezeigt: Da, wo der politische Wille vorhanden ist, den Haushalt zu konsolidieren, braucht man auch keine Vorschriften. Ganz ohne Schuldenbremse hat das Land Berlin in den Jahren 2001 bis 2009 die Nettoneuverschuldung abgebaut. Die
Stimmen für eine Schuldenbremse sind im Land Berlin auch leise geworden. Die schwarz-grün-gelbe Harmonie vom Beginn dieser Legislaturperiode ist ohnehin Vergangenheit.
Niemand in dieser Kommission wollte Berlin jemals etwas schenken. „Reich hilft Arm“ stand dort nicht auf der Tagesordnung. Und fast wäre diese Kommission wegen ihrer inneren Widersprüche gänzlich ergebnislos beendet worden.
Nein, das hat nicht Die Linke hinbekommen! Das zusammenzubringen, was CDU/CSU und SPD nicht zusammengebracht haben, obwohl sie so gern in dieser Kommission noch einmal Gemeinsamkeit simulieren wollten – das hat nicht Die Linke gemacht, sondern in diesem Fall die Weltwirtschaftskrise. Ich glaube, dass die Weltwirtschaftskrise letztlich gezeigt hat, dass es zu dramatischen Situationen in den Landes- und Bundeshaushalten führt, wenn der Staat handeln muss und er Schulden aufnimmt und seine Einnahmen gleichzeitig sinken. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten nun, dass Deutschland die Verschuldungsgrenze der EU von 3 Prozent nicht einhalten kann. Für 2009 rechnet Deutschland mit einem Haushaltsdefizit von 89 Milliarden Euro. Das sind 3,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Im Jahr darauf sind es schon 132 Milliarden Euro. Das sind dann schon 5,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Es möge hier keiner sagen, dass irgendeine Schuldenbremse etwas daran geändert hätte.
Was tut man, wenn die Lage ernst ist und Schuldenbremsen offenkundig nicht funktionieren? – Man beschließt in seiner Verzweiflung mit übergroßen Mehrheiten, dass irgendwann, wenn die Krise vorbei ist, gar keine Schulden mehr gemacht werden können. Zudem wird diese Entscheidung auch noch den Haushaltsgesetzgebern der Länder, also uns, dem Abgeordnetenhaus von Berlin, ungefragt – wenn auch nicht unwidersprochen – per Grundgesetzänderung aufgedrückt.
Sie finden, das passt alles nicht zusammen? Da sind Sie nicht allein. Hans-Peter Schneider nennt die vorgeschlagene Regelung eine Knebelungsvorschrift. Peter Bofinger sagt, dass sich Bund und Länder selbst an die kurze Kette legen und die Sparer ins Ausland treiben. Frank Bsirske bittet uns, eine Schuldenbremse nicht im Grundgesetz zu verankern; kommende Generationen würden es uns danken. Claus Matecki vom DGB-Bundesvorstand sagt, die Schuldenbremse bremse keine Schulden; sie nehme dem Staat eine wesentliche Möglichkeit, für die Zukunft vorzusorgen. Und Ulrich Thöne setzt noch eins oben drauf. Er sagt, im Interesse folgender Generationen solle besser ein Steuersenkungsverbot vereinbart werden, statt der weiteren Verarmung der Haushalte Tür und Tor zu öffnen.
Sollte Ihnen das alles zu links sein, habe ich noch ein paar: In Schleswig-Holstein wurde die Landesregierung aufgefordert, gegen die Grundgesetzänderung zu klagen. Der CDU-Ministerpräsident Carstensen erwägt dies ernsthaft. Bundestagspräsident Norbert Lammert von der CDU meint, dass die angedachten Detailregelungen nicht ins Grundgesetz gehören. Er verhält sich im Abstimmungsverhalten offen, wenn nicht noch Änderungen vorgenommen werden. Unsere Fraktion im Bundestag hat eine Verfassungsklage in Karlruhe erwogen. Ich hätte auch gern unseren Koalitionspartner im Abgeordnetenhaus dazu aufgefordert, aber leider sind die Möglichkeiten des Abgeordnetenhauses von Berlin – das hat der Wissenschaftliche Parlamentsdienst bestätigt – in dieser Frage beschränkt. Der Berliner Senat darf zwar, will aber nicht.
Die Föderalismuskommission ist an ihren Widersprüchen gescheitert. Arme und reiche Länder, Ost und West, SPD und CDU/CSU, Bund und Länder haben keinen tragfähigen Kompromiss ihrer unterschiedlichen Interessen gefunden. Sie präsentieren eine Scheinlösung für übermorgen. Dem hat Klaus Wowereit für das Land Berlin in der Kommission seine Zustimmung verweigert, und dabei sollte Berlin bleiben.
Ich komme zu meinem letzten Satz. – Wichtiger wäre eine Stabilisierung der Einnahmebasis von Bund und Ländern. Eine gerechtere Besteuerung – das wäre die richtige Schuldenbremse. – Vielen Dank!
Weil das mit dem Wahlkampf vorhin schon gesagt wurde – Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! –: Die Position, die ich hier vertrete – diejenigen, die sich mit diesem etwas sperrigen Thema befasst haben, wissen das –, vertrete ich schon die ganze Zeit. Da war gar kein Wahlkampf. Aber ich vertrete sie auch im Wahlkampf, das stimmt. Deswegen können Sie mir jetzt gern vorwerfen, dass das eine Wahlkampfposition ist.
Herr Ratzmann! Eines muss ich Ihnen zugute halten, da war ich mir nicht immer sicher, wie die Position der Grünen eigentlich ist und ob sie sich ändert oder nicht: Sie sind sich treu geblieben. Die falsche Fährte, auf die Sie Herr Oettinger gelenkt hat, auf der sind Sie weitermarschiert. Es gibt bei den Grünen dazu durchaus unterschiedliche Auffassungen. Zu Verantwortungslosigkeit und konsistentem Handeln will ich eines anmerken: Die grün regierten Länder Hamburg und Bremen haben dem Kompromiss zugestimmt. Die grüne Bundestagsfraktion hat gegen diesen Kompromiss gestimmt. Das sei hier wenigstens einmal aufgerufen. Ob die Grünen in der Bundestagsfraktion dies nun getan haben, weil er ihnen zu weit geht oder weil er ihnen nicht weit genug geht, ist weitgehend im Dunkeln geblieben. Die Positionen von den Grünen, die ich dazu gelesen habe, gehen in beide Richtungen.
Was mir große Sorge macht, Herr Ratzmann, ist, wenn ein Politiker hier vorne steht und den Politikern im Allgemeinen, nicht nur uns – gut, jetzt regiert hier Rot-Rot –, verantwortungsbewusstes Handeln abspricht. Das tun Sie hier. Sie sagen, wir Politiker sind unfähig, verantwortungsbewusst im Sinne künftiger Generationen zu handeln. Deswegen müssen wir eine Regel aufstellen. – Das finde ich einfach absurd. Dann werden Sie doch Rechnungshofpräsident!
Sie sind Politiker! Wenn man Politiker ist, dann muss man für politische Positionen streiten und auch dazu stehen. Ich halte es für total falsch, dies in eine Regel umzuwandeln. Klar, dass man auch kompromissbereit sein muss, Herr Ratzmann. Das sagen sie jetzt mir. Ich habe in meiner Partei viele Vorwürfe bekommen, aber sicherlich nicht den, dass ich nicht kompromissbereit sei. Selbstverständlich sind wir kompromissbereit. Aber die Kernfrage, die das Abgeordnetenhaus von Berlin, ich glaube auch mit Ihrer Stimme, beschlossen hat, Herr Ratzmann, war die: Voraussetzung für eine festgelegte Schuldenbremse
in der Verfassung ist die Entschuldung der Bundesländer. Das ist nicht irgendein Nebengleis; das ist nicht die Frage Hochschulfinanzausgleich oder wie man mit Länderneugliederungen umgeht, das ist die zentrale Frage unseres Beschlusses gewesen. Dem haben Sie zugestimmt. Das Gegenteil ist beschlossen worden. Und dann sagen wir nein. Ihnen ist es offenbar egal, was Sie hier beschlossen haben. Dann können Sie dazu auch ja sagen und großer Staatsmann spielen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst freue ich mich, dass unsere Kollegin Lisa Paus wieder da ist.
Ich kann Ihre Verärgerung ein bisschen verstehen. Es war in der Tat arg kurz, dass wir diese Anträge, die sehr lange gar nicht bearbeitet wurden, bearbeitet haben. Es wird Sie nicht überraschen, dass ich gleichwohl dem Vorschlag, den Fehler wieder gutzumachen und die Anträge wieder rückzuüberweisen, nicht zustimmen kann. In der tat
Elisabeth Paus
sächlich nicht zu verlängernden Zeit – das hat man gerade bei Lisa Paus gemerkt, es sind drei Anträge plus ein neuer – kann ich mich dem auch nur mit sehr kurzen Worten widmen.
Wie Frank Jahnke bin auch ich der Auffassung, dass die Investitionsbank Berlin gut aufgestellt ist. Die Umwandlung der ehemaligen Wohnungsbaukreditanstalt, der ausgegründeten IBB, aus der Bankgesellschaft Berlin zur Förder- und Strukturbank ist auf einem guten Weg. Der Dank gilt da Prof. Puchta, und der Dank gilt auch unserem Wirtschaftssenator Harald Wolf.
Der Antrag der Koalition unterstützt diese gute Neuaufstellung der Investitionsbank Berlin und nimmt Bezug auf die neue Situation, in der wir uns im Rahmen der Wirtschafts- und Finanzkrise befinden. Wir wollen gern, dass die Förderung Berliner Bestandsunternehmen weiter der Schwerpunkt bleibt. Wir finden es richtig, Mikrokredite sowie KMU-Kredite für kleine und Kleinstunternehmen zur Verfügung zu stellen. Selbstverständlich bleiben wir bei den Kompetenzfeldern als den Schwerpunkten. Wir wollen energetische Sanierung von Immobilien.
Es gibt eine klitzekleine Interpretationsspanne zwischen dem, was unsere Freunde von der SPD wollen, und dem, was wir wollen. Das merkt man auch an den geschliffenen Formulierungen im letzten Punkt. Wir sind der Auffassung, dass es gut und richtig ist, dass die Investitionsbank Berlin ihre Überschüsse vor allen Dingen dafür verwendet, erneut Förderprogramme aufzulegen. Man kann natürlich auch sagen: Wir nehmen das Geld und geben es in den Landeshaushalt. – Dann müssten wir allerdings diese Förderprogramme auflegen oder streichen. Das ist unserer Ansicht nach nicht sinnvoll.
Deswegen steht auch da, dass man die Thesaurierung der Überschüsse dafür nutzen soll, die IBB in ihrer Leistungskraft zu stärken, zumal es gerade in der jetzigen Zeit ein grundfalsches Signal wäre, bei einer gut aufgestellten und zudem öffentlichen Bank deren Eigenkapital zu schwächen. Ich glaube, da gibt es im Moment eher eine andere Tendenz in der Diskussion. Deshalb gibt es da eine klitzekleine Differenz.
Nun haben die Grünen gefordert, dass es mehr Kunden geben muss. Das ist immer gut, das ist auch unser Ziel.
Es gibt bei der Investitionsbank Berlin regelmäßige Mitarbeiterschulungen, es gibt Qualitätskontrollen. Es ist vorgeschlagen worden, dass es Fördercontrolling und Evaluation der Programme geben soll. Das gibt es bei der Investitionsbank Berlin bereits. Und eine Neuausrichtung der Investitionsbank wollen wir nicht. Deswegen werden wir die beiden Anträge der Grünen ablehnen und nicht rücküberweisen. Unserem Koalitionsantrag werden wir zustimmen. Der jetzt neu eingereichte Antrag zur Ausschreibung der Vorstandsposition sollte unserer Ansicht nach – gerade weil wir eine Anhörung hatten und es den
schönen parlamentarischen Brauch gibt, sich die Wortprotokolle anzuschauen und dann zu entscheiden – im Ausschuss beraten und entschieden werden. Deswegen wollen wir ihn auch in den Ausschuss überweisen. – Dabei möchte ich es belassen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich frage den Senat:
1. Wie bewertet der Senat die Maßnahmen der Bundesregierung zur Rettung schwer angeschlagener Banken?
2. Welchen Effekt könnte es haben, Banken, wie von Wirtschaftssenator Harald Wolf vorgeschlagen, nach dem Beispiel Schwedens in den 90er-Jahren generell in staatliche Obhut zu nehmen?
Herr Wolf! Mich würde interessieren, wenn die Bundeskanzlerin schon mit diesem Weg einverstanden ist, wie dann die anderen Mitglieder der Bundesregierung und die Wirtschaftsminister der anderen Bundesländer reagieren. Wann ist damit zu rechnen, dass dieser sinnvolle Weg gegangen wird?
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Als ich heute ins Abgeordnetenhaus gefahren bin, habe ich in den Autonachrichten gehört, dass wir heute über einen Nachtragshaushalt reden und entscheiden würden, der wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise zu neuen Schulden führt. – Das ist einerseits richtig, andererseits irgendwie aber auch missverständlich.
Ja, Berlin wird sich wieder verschulden, nachdem wir es durch die umstrittene, mühsame, aber letztlich erfolgreiche rot-rote Haushaltspolitik der letzten sieben Jahre geschafft haben, den Westberliner Schlendrian zu beenden. Wir tun dies aber nicht aus freien Stücken, sondern weil bundesstaatlich finanzierte Investitionen im ganzen Land, in der gesamten Bundesrepublik Deutschland das Gebot der Stunde sind, um eine Antwort auf den beginnenden Konjunktureinbruch zu geben. Dessen Folge – also sinkende Steuereinnahmen für die öffentlichen Haushalte – sind in diesem Nachtragshaushalt zwar schon zu erkennen, aber erst in geringem Maß. Aber sie werden kommen, Thilo Sarrazin hat bei der Einbringung des Haushalts daraufhingewiesen. Die Antworten des Bundesstaates, also der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland, kommen spät, fast zu spät.
Weil Herrn Zackenfels die Zeit gefehlt hat, die Zitate von Herrn Krugman fortzusetzen, will ich das machen. Also, ehe das Konjunkturpaket der Bundesregierung beschlos
beschlossen wurde, hat Herr Krugman gesagt, dass Herr Steinbrück mit dieser Verweigerung, so etwas einzuführen, Schaden anrichtet. Er hat gesagt, dass der Regierung Merkel und Steinbrück die entsprechende intellektuelle Beweglichkeit fehlen würde. Offenbar hat die Kritik ja dann gefruchtet, irgendwann hat sich die Bundesregierung darauf verständigt, ein Konjunkturprogramm II zu verabschieden. Unser Fazit bekanntermaßen: Dieses Konjunkturpaket ist zu klein, kommt zu spät und ist sozial ungerecht. Wir haben es deshalb hier auch ebenso wie im Bundestag abgelehnt. Dort haben das auch FDP und Grüne gemacht. Sie haben dem Paket dann allerdings im Bundesrat zu einer Mehrheit verholfen. Die Linke ist bei ihrer Kritik geblieben. Die Linke hat dem nicht zugestimmt, aber natürlich handeln wir trotzdem.
Der Senat hat zügig einen Entwurf für einen Nachtragshaushalt beschlossen und dem Parlament zur Debatte vorgelegt. Der Hauptausschuss hat für seine Verhältnisse sehr schnell beraten. Heute können wir beschließen. Unser Signal des heutigen Beschlusses ist an all jene, die auf eine Freigabe der Mittel warten, die Wirtschaft, die Gewerkschaften, die Bezirke, die Schulen, die freien Träger: Wir tun, was wir können. Berlin macht seine Hausaufgaben.
Aber die Kritik, die von der Opposition angesprochen wurde, ist nicht von der Hand zu weisen. Ungewöhnliche Zeiten erfordern zügiges Handeln. Wir begeben uns damit in ein Dilemma. Wir sind dem Wunsch der Opposition nicht nachgekommen, nach dem Motto „Das haben wir schon immer so gemacht“, diesen Nachtragshaushalt in aller Ruhe in allen Fachausschüssen zu beraten. Wir haben auch gestern den Vorschlag der CDU abgelehnt, noch zwei Wochen mit der Beschlussfassung zu warten. Trotzdem verstehe ich die Kritik derjenigen, die auf die Rolle des Parlaments als Haushaltsgesetzgeber pochen.
Von der SPD-Fraktion kam daher der Wunsch, den Ausgabetitel zum Konjunkturprogramm zwar zu beschließen, aber gleichzeitig zu sperren. Bei der nächsten Hauptausschusssitzung in 14 Tagen nach der Beschlussfassung des Senats, der diese sehr pauschale Ausgabe weiter konkretisiert – so die SPD –, könne man die Sperre aufheben. Das kann man sicher so machen, auch wenn es andere Möglichkeiten gegeben hätte. Dem ist der Hauptausschuss gestern gefolgt.
Innerhalb dieses Haushalts hat die Koalition gemäß der eigenen Prioritätensetzung, die sich von der der Opposition unterscheidet, und unter Beachtung der Vorgaben der Bundesregierung die Mittel so eingeplant, dass wir heute die Zustimmung empfehlen können.
Für uns als Linke war es besonders wichtig, dass die Mittel für die Arbeitsmarktpolitik um 18 Millionen Euro erhöht und die Voraussetzungen geschaffen wurden, den erfolgreichen – Jochen Esser! – öffentlich geförderten Beschäftigungssektor weiter auszubauen.
An dieser Stelle möchte ich auf eine regelmäßig wiederkehrende Debatte im Hauptausschuss, im Ausschuss für Integration, Arbeit und Soziales und hier im Plenum Bezug nehmen. Ich tue das auch, um den Unterschied zwischen rot-roter Politik und der ehemaligen gemeinsamen Jamaika-Opposition aus CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen herauszuarbeiten, denn so ein Haushalt bedeutet nicht nur Zahlen, sondern mehr.
Erstens: Ja, wir finden, dass öffentlich finanzierte, tariflich und nach Mindestlohn bezahlte, gesellschaftlich sinnvolle, mehrjährige Beschäftigung die bessere Alternative ist.
Zweitens: Wir finden, dass auch dann, wenn mit dem gleichen Geld mehr Menschen schlechter bezahlt zu schlechteren Bedingungen arbeiten könnten, kurzfristige Ein-Euro-Jobs, wie von Rot-Grün eingeführt und Schwarz-Gelb mitbeschlossen, die schlechtere Alternative darstellen.
Drittens: Wir bleiben auch dann dabei, wenn man mit den jetzigen Mitteln und unter den jetzigen Rahmenbedingungen nicht sofort allen Arbeitslosen Berlins oder gar bundesweit auf einmal eine Stelle im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor anbieten kann. Gestaltende linke Politik ist nun einmal kein Ponyhof, und weil man nicht gleich alles hinbekommt, lieber gar nichts zu machen, das war noch nie die Leitlinie des Handelns der Berliner PDS, und das hat sich auch für die Berliner Linkspartei nicht geändert.
Lassen Sie mich auf einen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt verweisen. Die Investitionen in die Bildung folgen den Prioritäten der Bezirke, aber eben auch der Politik, die SPD und Linke trotz weiter zu diskutierenden Differenzen im Detail gemeinsam verfolgen. Wir wollen, dass die Schülerinnen und Schüler länger gemeinsam lernen, weil es allen nützt, den stärkeren und den schwächeren Schülern. Das wird auch im Nachtragshaushalt deutlich.
Wir haben noch viele Einzelanträge zu besprechen, und da sind zehn Minuten viel zu kurz. Deshalb will ich mich wenigstens einem zuwenden, wie Herr Zackenfels auch, nämlich dem unserer Lieblings-Oppositionsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie erinnern sich, das ist die Fraktion, die seit vielen Jahren abstrakt vor dem Marsch in die weitere Verschuldung warnt und sogar sogenannte Schuldenbremsen ins Grundgesetz oder in die Berliner Verfassung schreiben will.
Jochen Esser! Du hast gerade von Leuten gesprochen, denen der Kompass fehle. Deshalb will noch einmal auf euren Antrag zu sprechen kommen. – Mit Ihrem Antrag „Sanierungsrücklage bilden – Investitionen verstetigen“
schlagen Sie uns heute vor, dass wir im Gegensatz zur Linie der Koalition unsere Verschuldung um 940 Millionen Euro erhöhen sollen. Höhere Zinszahlungen, darauf käme es nun auch nicht mehr an, haben uns die neuen Grünen gestern mitgeteilt.
Dahinter steckt die Idee, dass das Konjunkturprogramm der Bundesregierung, das die Bundesregierung zu 75 Prozent bezahlt, irgendwann zu Ende sei, und daher sollten wir mit 940 Millionen Euro Landesmitteln auf Pump die Berliner Investitionen „verstetigen“. Dieses Verb ist sicherlich ein Schreibfehler, da das Geld maximal zwei Jahre reichen würde. Von Verstetigen kann da wohl kaum die Rede sein.
Wir halten diesen Vorschlag aus vielen Gründen für Unsinn. Die Zeit reicht nicht für alle Gründe, deswegen nenne ich nur zwei. Erstens haben wir das Geld nicht übrig, sondern haben einen Schuldenberg von nun wieder knapp unter 60 Milliarden Euro. Natürlich kann man da, wie es die Grünen vorschlagen, noch eine Milliarde Euro Schulden draufpacken, es kommt ja laut Esser und Ratzmann nicht so darauf an, und die erst einmal … Ja, was eigentlich? Wir sollen sie ja noch gar nicht ausgeben, sondern sie erst nach den Bundesmitteln ausgeben. Also nehmen wir die eine Milliarde Euro und legen sie erst einmal irgendwo an. Das Dumme ist nur, dass die Zinsersparnis bei geringeren Schulden des Landes für uns finanziell mehr bringt, als geborgtes Geld wo auch immer anzulegen.
Zweitens bin ich mir sicher, dass das Problem, dass nach dem größtenteils bundesweit finanzierten Investitionsstrohfeuer 2011 Länder und Bund, wie Sie es nennen, in den Investitionsstreik treten könnten, nicht nur Berlin selbst auffallen könnte, weil es auch andere Bundesländer und die Bundesebene betrifft. Daher sollten wir unsere Kraft lieber dafür einsetzen, dass auf das Bundes-K-II – da habe ich eine andere Herangehensweise als Kollege Zackenfels – ein K III folgt, das diesen Namen verdient.
Doch halt, ja, Frau Eichstädt-Bohlig, auf der Bundesebene ist der Kollege Ratzmann ja gegen die Neuverschuldung und steht auf Oettingers und Seehofers Schuldenbremse.
Die rot-rote Koalition bleibt dabei: Konjunkturpolitik ist Aufgabe der Bundesregierung, und die nehmen wir nicht durch Landeskonjunkturprogramme, die auf Pump finanziert sind, ab.
Deshalb lehnen wir diesen Antrag wie auch die anderen Anträge der Opposition ab und werden dem Nachtragshaushalt zustimmen, damit die Investitionen in Infrastruktur und Bildung zur Bekämpfung der Krise beginnen können. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Sie den Disput dort beendet haben, will ich von hier aus noch einmal zu reagieren versuchen. Frau Pop! Sie haben gesagt, dass Sie das nicht wollen. Aber ein Argument, warum es keine Alternative ist, haben Sie nicht gebracht.
Sie haben gesagt, Sie seien dagegen, aber warum es keine Alternative ist, haben Sie nicht gesagt. Deswegen nenne ich noch einmal – denn ich habe vorhin Argumente genannt – Argumente, weshalb wir sagen, dass es eine Alternative ist. Wir finden, öffentlich finanziert, tariflich bezahlt und nach Mindestlohn bezahlt, gesellschaftlich sinnvoll, mehrjährig eben einfach besser als kurzfristig für einen Euro bezahlt.
Das kann man anders sehen wie Sie, aber eine Alternative ist es offenkundig.
Zweitens zu sagen, wie Sie gestern im Hauptausschuss, man solle ein Thema gar nicht erst anpacken, wenn man es nicht sofort für die ganze Stadt anbieten kann – das sehen wir auch anders. Wir machen einen Einstieg, um zu zeigen, dass es anders und besser geht. Wir finden das gut. Wir haben dafür sehr viel Zuspruch. Diejenigen Menschen, die in diesen mehrjährigen Jobs arbeiten, besser bezahlt werden und sinnvolle gesellschaftliche Tätigkeit ausüben, merken sehr wohl, dass das eine Alternative ist, und sind uns auch sehr dankbar dafür, dass wir sie hier eingeführt haben.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an den Wirtschaftssenator. – Angesichts der gestern angekündigten Rückkehr der Modemesse Bread and Butter nach Berlin, die künftig im ehemaligen Flughafen Tempelhof stattfinden soll, frage ich Sie, wie sich der Senat dafür eingesetzt hat und was das für die Branche in Berlin bedeutet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gestatte mir, für die Linksfraktion und die SPD gemeinsam die Aktualität zu begründen. Ich möchte zunächst sagen, warum ich unser Thema aktuell finde, und dann, warum die Anträge der Opposition, die die gleichen Themen haben, aber mit anderen Worten beantragt wurden, damit jeder mal reden darf, nicht so aktuell sind.
Linke und SPD wollen, dass darüber gesprochen wird, wie im Angesicht der gegenwärtigen Finanzkrise und der drohenden Rezession dem Abschwung entgegengewirkt werden kann. Das wollte eine rot-rot-grüne Mehrheit des
Hauses schon im letzten Plenum, denn wir hatten vor 14 Tagen das gleiche Thema beantragt und die Grünen mit anderen Worten auch. Da wir hier im Abgeordnetenhaus nett sind und nicht immer Mehrheiten entscheiden, haben wir uns beim letzten Mal zur Freude von Herrn Mutlu und Herrn Steuer dafür entschieden, doch lieber über das hier allseits beliebte Thema Schule zu reden.
Was hat sich nun aktuell geändert? Ist die Finanzkrise vorbei? Sind alle Antworten Berlins gefunden, beschlossen und umgesetzt worden? – Wohl kaum! Der Blick in die Medien und das Gespräch mit den Berlinerinnen und Berlinern macht deutlich, dass kein Thema so viele Fragen, Sorgen und Ängste auslöst wie die Folgen der Krise, und das sollten wir nicht ignorieren. Das Thema ist aktuell.
Mal im Ernst, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Oppositionsfraktionen: Debatten über Bundesratsentscheidungen finden doch vor allen Dingen unter Parteimitgliedern und nicht im Rest der Bevölkerung statt. Dass der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit gestern die von Harald Wolf vor mehreren Wochen begonnene Senatsdiskussion über Investitionsmittel in eine Idee münden ließ, sei hier als letztes Argument für die Aktualität des heute vorgeschlagenen Themas vorgebracht.
Nun möchte ich ein paar Worte dazu sagen, warum ich die Themen der Opposition nicht aktuell finde. Der von der CDU konstatierte Dauerstreit ist nicht aktuell, weil er nicht existiert. In Berlin hat vor 2001 eine Koalition regiert, die uns vorgeführt hat, was Dauerstreit war. Rot-Rot regiert miteinander und nicht gegeneinander.
Genau das ist es doch, Herr Mutlu und liebe Freundinnen und Freunde von Bündnis 90/Die Grünen, was Sie sonst immer beklagen. Sie müssen sich entscheiden. Sie beklagen doch sonst immer, dass die Linke angeblich immer genau das macht, was die SPD sagt, und wir uns viel zu wenig dagegen zur Wehr setzen. Was denn nun?
Dass die FDP mit uns über die Erbschaftsteuer reden will, verstehe ich. Aber die Position der Partei der Besserverdienenden, dass diese Steuer überhaupt abgeschafft werden soll, ist überhaupt nicht mehr aktuell und wird auch von niemandem sonst in diesem Haus geteilt. Deshalb hat unsere Kritik an dem gefundenen Kompromiss zwischen CDU/CSU und SPD mit Ihrer Kritik überhaupt nichts zu tun, und deshalb können Sie Ihren Antrag, dass wir die Entscheidung des Senats bedauern sollen, gleich vergessen.
Schließlich ist auch die Frage der FDP – „Nach dem Bruch des Koalitionsvertrages: Hat Berlin noch eine handlungsfähige Regierung?“ – nicht aktuell, weil wir sie erstens locker mit Ja beantworten können und zweitens
weit und breit keine anderen handlungsfähigen Mehrheiten zu sehen sind. Deshalb werden SPD und Linke dafür stimmen, dass wir jetzt über die wirtschaftliche Zukunft Berlins reden. Ich schlage Ihnen vor, statt jetzt dreimal den letzten Freitag aufzuarbeiten, dass Sie sich uns einfach anschließen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die FDP scheint das Thema nicht brennend zu interessieren, weil sie weg ist, die FDP. Herr Lindner ist noch da und Herr Thiel. Schönen guten Tag!
Wirtschaftspolitik machen dann eben die anderen Fraktionen miteinander.
Ich beginne mit einem Zitat:
Die Ideologie des Spekulationskapitalismus, der unternehmerische Werte des kurzfristigen Gewinns wegen zerstört, ist gescheitert.
Dieses Zitat habe ich extra für Herrn Lindner und die FDP ausgesucht, deswegen bin ich etwas traurig, dass Sie nur zu zweit da sind. Das hat nämlich gestern nicht etwa Sahra Wagenknecht von der Kommunistischen Plattform unserer Partei gesagt, sondern der mit Ihnen, Herr Lindner von der FDP, regierende bayerische Ministerpräsident von der CSU, Horst Seehofer. Dass er das sagt, ist zwar überraschend, aber recht hat er trotzdem.
Aber Sie erwarten sicherlich von einem Sozialisten nicht, dass er Seehofer zitiert, sondern dass er Karl Marx zitiert. Das werde ich deshalb auch gleich tun:
Das ganze künstliche System gewaltsamer Ausdehnung des Reproduktionsprozesses kann natürlich nicht dadurch kuriert werden, dass nun etwa eine Bank, z. B. die Bank von England, in ihrem Papier allen Schwindlern das fehlende Kapital gibt und die sämtlichen entwerteten Waren zu ihren alten Nominalwerten kauft. Übrigens erscheint hier alles verdreht, da in dieser papiernen Welt nirgendwo der reale Preis und seine realen Momente erscheinen.
So weit Karl Marx in „Das Kapital“ im Jahr 1864. Leider hat auch er recht.
Wir erleben gegenwärtig eine der größten Finanzkrisen des Kapitalismus. Eine Pleitewelle mit gigantischen Verlusten überrollt die USA und Europa, und sie schlägt inzwischen auf die Realwirtschaft durch, weshalb z. B. der Hessische Landtag einstimmig, also sogar mit Stimmen der Linken, mit Steuermitteln für Opel bürgt. Es ist eine weltweite Finanz- und Wirtschaftkrise, nicht eine europäische, deutsche oder Berliner Angelegenheit. Auch wenn wir Landespolitikerinnen und -politiker sind und vor allem die eigenen Antworten diskutieren, sollten wir keine Illusionen verbreiten. Die Zeit des Wirtschaftswachstums in Deutschland ist vorbei, und keine Maßnahme des Landes Berlin kann dies hier ungeschehen machen. Trotzdem sollten wir etwas tun.
Mehr noch: Das Abgeordnetenhaus und der Senat, wir alle sind aufgefordert zu tun, was wir können, um gegenzusteuern.
Hier sind Ideen und Vorschläge aller innerhalb und außerhalb der Parlamente gefragt und willkommen. Dass wir nicht alles und schon gar nicht alles auf einmal umsetzen können, versteht sich von selbst. Die Verantwortung dafür, was wann getan werden kann, liegt zuerst beim Senat und den ihn tragenden Fraktionen, und wir stellen uns dieser Verantwortung auch. Unsere Koalition ist es gewohnt, nicht nur in Schönwetterzeiten zu handeln, sondern auch, wenn uns der Wind stärker ins Gesicht bläst. Ich möchte, ehe wir zu unseren Berliner Hausaufgaben kommen, den Blick auf die Ursachen der Finanzkrise und die auf der Bundes- und europäischen Ebene diskutierten Gegenstrategien lenken.
Am Anfang standen leichtfertig vergebene, schlecht gesicherte und dann in undurchschaubaren Paketen verkaufte US-Immobilienkredite. Der Wert dieser zwischen den Banken gehandelten Kreditpakete ist drastisch gefallen, denn Millionen Amerikaner können gestiegene Zinsen nicht verkraften und haben ihre Darlehenszahlungen eingestellt. Immer mehr Häuser stehen zum Verkauf, und entsprechend sinken die Immobilienpreise in den USA. Dadurch ist bei Banken und Versicherungen eine Kettenreaktion entstanden. Die riesigen Posten in ihrer Bilanz, die auf US-Immobilien beruhen, müssen nach unten korrigiert oder ganz abgeschrieben werden. Weil massenhaft Finanzunternehmen von solchen Abschreibungen betroffen und von Konkurs bedroht sind, bricht zusätzlich die wechselseitige Kreditgewährung zwischen den Banken zusammen. In dieser Situation ist überall der Staat der letzte Rettungsanker. Er verleiht Geld, gewährt Haftung oder übernimmt die zahlungsfähigen Geldhäuser gleich ganz. So werden private Verluste sozialisiert. Dass das nicht gerecht sein kann, spüren die Menschen und sagen dies auch. Weltweit steht der Finanzmarktkapitalismus am Pranger, und zwar zu Recht.
Die Spaltung unserer Gesellschaft in Arm und Reich, die im letzten Jahrzehnt zugenommen hat, ist ein Irrweg. Sie konzentriert das Geldvermögen bei wenigen und heizt Spekulationen an. Die völlig verfehlte Liberalisierung der Finanzmärkte hat hier noch zusätzlich als Katalysator gewirkt. Auch in Deutschland wurden windige Finanzprodukte, Kreditverbriefungen und Hedgefonds durch absurde Steuerbefreiungen und neue Gesetze, die den Spekulanten Vorfahrt gewähren, massiv gefördert. Die Bankenaufsicht wurde in den letzten Jahren nicht gestärkt, sondern geschwächt. Die Milliardenverluste deutscher Banken, von der IKB bis zur Hypo Real Estate, sind nicht zuletzt das Ergebnis dieser falschen Politik. Deshalb sind die Regierungsparteien des letzten Jahrzehnts – CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD – mitverantwortlich für die Milliardenzeche, die wir alle jetzt zahlen sollen.
Dass dieser Weg eingeschlagen wurde, war nicht alternativlos. Ein deutscher Finanzminister hat schon 1999, nach den ersten Operationen renditegieriger Hedgefonds, zu Papier gebracht:
Die unverantwortliche Spekulation und die fahrlässige Kreditvergabe der Banken wurde mit Steuergeldern risikofrei gestellt. Nicht Deregulierung, Regulierung ist das Gebot der Stunde.
Nein! Ich mache heute ausnahmsweise keine Unterbrechung, sondern werde das in einem Rutsch vorlesen.
[Zurufe von der CDU – Dr. Frank Steffel (CDU): Lesen Sie nur weiter! – Dr. Martin Lindner (FDP): Ist das der Finanzminister, der sich anschließend in die Büsche geschlagen hat?]
Herr Lindner fragt, welcher Finanzminister das war. Ich will ihn nicht weiter raten lassen.
Das ist der Finanzminister, der von der Boulevardzeitung „The Sun“ zum „gefährlichsten Mann Europas“ ernannt wurde: Oskar Lafontaine. Was immer Sie auch gegen ihn vorbringen mögen, in dieser Frage, Herr Lindner, hat er recht behalten!
Nun ist die Frage: Was sind die Antworten darauf? – Wir fordern eine Absicherung zentraler Aufgaben des Finanzsystems, die Beseitigung besonders destabilisierender Praktiken, z. B. die drastische Reduzierung und – wo nötig – ein Verbot von besonders riskanten Finanzinstrumenten, schließlich Schritte zur mittelfristigen globalen
Reform des Finanzsystems wie ein internationales Kreditregister und schlussendlich die Schließung von Steueroasen. Ehe dies alles erfolgreich umgesetzt ist – ob das so passiert, dazu können Sie, Herr Lindner, ja einen Beitrag leisten –, müssen wir uns mit den Folgen der aktuellen Krise herumschlagen. Dies weiß auch die Bundesregierung und hat allerlei Dinge beschlossen, aber kein Konjunkturprogramm, das diesen Namen verdienen würde. – So weit, so schlecht.
Nun werden Sie – völlig berechtigt – die Frage stellen: Was tut Berlin? – Eigentlich läuft es ja gut bei uns. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wächst beispielhaft, und auch die Wirtschaft insgesamt wächst schneller als im Bundesdurchschnitt. Damit allerdings dürfte 2009 Schluss sein, und darauf müssen wir uns jetzt schon einstellen. Hier sind kurzfristige Signale gefordert, aber auch mittelfristige Überlegungen, die ein beherztes Gegensteuern auf der einen Seite und ein Abfedern der Konsequenzen auf der anderen Seite beinhalten sollten. Dass sich der Senat dabei nicht an einem Wettstreit beteiligt, wer die größte Milliardensumme nennt, finden wir richtig. Es ist ein Balanceakt, einerseits die unter Rot-Rot mühsam erreichte seriöse Haushaltspolitik, bei der sich die Ausgaben an den Einnahmen orientieren, nicht aufs Spiel zu setzen, andererseits aber auch nicht blind konjunkturellen Einbrüchen hinterherzusparen. Unser Senator für Wirtschaft, Technologie und Frauen, Harald Wolf, hat bereits vor einigen Wochen ohne großes Medienbrimborium die Debatte im Senat eröffnet, wie mit den nicht ausgegebenen Investitionsmitteln des laufenden Jahres umgegangen wird. Das ist angesichts eines Jahresüberschusses von 600 Millionen Euro und einer spürbaren Erwartung, dass die Berliner Landesregierung ein Signal setzt, wie Wachstum und Beschäftigung unterstützt werden können, auch nachvollziehbar.
Die einzelnen Senatoren waren aufgefordert, bis zum kommenden Dienstag darzustellen, wie die geplanten Investitionsmittel in ihren Bereichen ausgegeben wurden. Dies hat Mitglieder des Senats nicht gehindert – das finde ich auch gut –, bereits jetzt öffentlich Vorschläge und Ideen zu präsentieren. Ich nehme an, dass unsere Aktuelle Stunde hierfür ein Ansporn war.
Was könnten also Ziele von Investitionen sein? – Ein Kreditprogramm mit dem Schwerpunkt energetische Gebäudesanierung, das bei der Wirtschaftsförderbank des Landes, der IBB, aufgelegt werden könnte. Dies spare Energie und fördere Beschäftigung in der Hauptstadt, meint die IHK, und damit hat sie recht. Oder wie wäre es mit einem Programm, das den kleinen und mittleren Unternehmen der Stadt hilft, ihre Lkws mit Dieselrußfiltern nachzurüsten, damit die nächste Stufe der Umweltzone erfolgreich umgesetzt werden kann? Natürlich kann man auch das Schulsanierungsprogramm ausbauen, wenn es gelingt, die jetzt schon vorhandenen Hemmnisse bei der Umsetzung zu reduzieren, für die sich Bezirke und Senat immer gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Herr Sarrazin hat das vorhin so schön „parallele Wahrheiten“
genannt. Baumaßnahmen sind bei vielen Schulen, Turnhallen, Kindertagesstätten und Bädern, bei Krankenhäusern, Universitäten und Fachhochschulen unserer Stadt nötig. Man kann doch niemandem erklären, dass eine Schule keine Turnhalle haben darf, Toiletten nicht saniert werden können und es durch die Decke tropft, und dann Investitionsmittel für die Vergrößerung des Jahresüberschusses verwenden.
Ich finde, wenn 90 Millionen Euro, die vom Haushaltsgesetzgeber für Investitionen vorgesehen waren, hierfür noch nicht ausgegeben werden konnten, dann ist heute der richtige Zeitpunkt, vonseiten des Haushaltsgesetzgebers zu signalisieren, dass in der gegenwärtigen Situation kein einziger Euro für die Vergrößerung des Jahresüberschusses, sondern jeder Euro für Investitionen ausgegeben werden sollte.
Ich sage Ihnen ganz deutlich für die Beratung im Senat am Dienstag: Die Linksfraktion als ein Teil des Haushaltsgesetzgebers will dies. Ehrlich gesagt, ist auch der Jahresüberschuss von 600 Millionen Euro kein Tabu,
denn wir sollten den Blick auch auf die Abfederung der Folgen der beginnenden Krise richten. Für die von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit Betroffenen sollten die Qualifizierungsprogramme ausgeweitet werden. Dies wäre auch ein wichtiger Beitrag gegen den Fachkräftemangel.
Im Sommer wurde von Ökonomen, Gewerkschaftern und Sozialdemokraten, aber auch von Harald Wolf die Idee von Konsumschecks diskutiert, die Franz Müntefering „nicht unklug“ nannte. Wie üblich hat die CDU/CSU geblockt, aber warum versuchen wir das nicht hier? Die SPD würde in uns für diese Überlegung eine Partnerin haben. Sie können sich sicher sein: Die Ärmsten unserer Gesellschaft würden jeden Euro, den sie zusätzlich bekämen, in den Konsum stecken, weil sie es müssen. Von der Rückzahlung der Pendlerpauschale haben sie übrigens nichts, weil diese nur den Arbeitnehmern zugute kommt.
Übrigens: Eine Erhöhung der Regelsätze beim Arbeitslosengeld II oder die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns hätten ähnliche Effekte. Vielleicht diskutiert der Senat ja am kommenden Dienstag auch, ob nach den bisherigen Zurückweisungen seiner diesbezüglichen Vorstöße im Bundesrat nun die Zeiten dafür besser geworden sind.
Das wäre nicht nur wichtig zur Ankurbelung der Wirtschaft, sondern auch deswegen, weil niemand in Armut leben sollte.
Auch wenn ich einige Vorschläge vorgelegt habe, was der Senat tun kann – und ich finde, er soll da nicht zögerlich sein, sondern mutig –, so lassen Sie mich zum Schluss
noch einmal auf das zu Beginn Gesagte zurückkommen: Das Land Berlin hat die gegenwärtige Krise der Finanzwirtschaft weder zu verantworten, noch hat es die Kraft, deren Folgen an Berlin vorbeizuführen. Aber das, was wir tun können, das sollten wir tun. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Kollege Czaja! Angekündigt war, dass es jetzt um das Universitätsmedizingesetz gehen soll. Darüber reden Sie überhaupt nicht.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:
1. Trifft es zu, dass der Senator für Wirtschaft, Technologie und Frauen, Harald Wolf, in den Gesprächen mit ProSiebenSAT1 wegen der Verlagerung von SAT1 aus Berlin nach Bayern eine Rückforderung von Fördermitteln erwogen hat?
2. Wenn ja, welche Reaktionen vonseiten des Unternehmens mit Blick auf die Sicherung von Arbeitsplätzen in Berlin zeichnen sich ab?
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann es kurz machen. Der Antrag ist bereits durch die Vorrednerin und den Vorredner hingerichtet worden.
Ich kann mich insbesondere meiner Vorrednerin Lisa Paus zu 100 Prozent anschließen. Das war ganz hervorragend, und es gibt kaum noch etwas hinzuzufügen. Wunderbar!