Protokoll der Sitzung vom 26.06.2008

Was sind die Beispiele dieser Gebührenorgie? – Grunderwerbsteuer, Herr Lindner hat es vorhin schon erwähnt. Das Land Berlin ist das einzige Land, das von der Option

Gebrauch gemacht hat, den Satz von 3,5 auf 4,5 Prozent zu erhöhen.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Zu Recht!]

Bei der Grundsteuer, die im Übrigen die Mieter in der Mieterstadt Berlin bezahlen, sind wir bei 810 Punkten Hebesatz angelangt. Das ist mit Abstand der höchste Hebesatz. Hamburg hat 540, Leipzig 500, Mainz 400 Punkte. Wir haben den höchsten Satz.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Das sind gute Beispiele, die zeigen, dass Berlin übersteuert.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Sie werden – das sage ich Ihnen deutlich! – allein bei der Grunderwerbsteuer, wenn Sie in die aktuelle Steuerprognose sehen, das Niveau nicht halten können. Sie mussten schon jetzt Ihre Prognose zurücknehmen, weil die Steuerschraube anscheinend überdreht worden war.

Das nächste Beispiel: Die Wasserpreise.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Da melden sich die Richtigen zu Wort!]

Ich weiß, Sie werden wieder sagen: Sie haben das doch mitprivatisiert! – Aber Sie regieren seit sieben Jahren in Berlin, und seit sieben Jahren sind Sie nicht am Haupteinflussfaktor aktiv geworden! 44 Prozent der Wasserpreise basieren auf kalkulatorischen Kosten. Das sind der Verordnungszinssatz und die Abschreibungsmethode.

[Zuruf von Stefan Liebich (Linksfraktion)]

Sie tun, genau genommen, nichts, außer mehr Geld für den Berliner Steuersäckel einzunehmen und die Berliner mit den höchsten Kosten in deutschen Metropolen zu belasten.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Sie sind angetreten mit der Parole, die Mieter zu entlasten. Tatsächlich bürden Sie ihnen jedoch höhere Belastungen auf. Sie bemänteln das alles ein Stück weit mit dem Begriff Gerechtigkeit. Sie stellen Schaufensteranträge, die nach wenigen Tagen durch europäische Gerichtsentscheidungen kassiert werden,

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Wie hoch ist denn die Pro-Kopf-Belastung?]

ohne klare Ziele für die Nachhaltigkeit in dieser Stadt. Das ist das Problem!

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Das soziale Fundament basiert auf einer starken Mittelschicht, auf Facharbeitern, kaufmännischen Angestellten, auf kleinen und mittleren Unternehmen. Das sind die tragenden Säulen unserer Stadt. Doch für Sie sind das bereits die Besserverdiener. Es gibt immer neue Gebühren und Abgaben, die genau diese Schicht schröpfen. Obwohl Sie die Kita kostenlos machen, haben Sie erst einmal einen extrem progressiven Tarif eingeführt, der diese Menschen

stark belastet. Sie betreiben Gleichmacherei und schaffen keine Gerechtigkeit.

[Beifall bei der CDU]

Wir sagen dazu, Gerechtigkeitsthemen sind Leistungsgerechtigkeit. Jemand, der arbeitet, muss mehr haben als jemand, der nicht arbeitet, und darf nicht von Steuern und Abgaben erdrückt werden. Chancengerechtigkeit – alle Menschen sollen die Möglichkeit haben, Aufstiegschancen nutzen und wahren zu können. Dazu gehört aber auch, dass sie von den Früchten ihrer Arbeit etwas abbekommen. Der Handwerker, der Facharbeiter, die hart arbeiten und Steuern zahlen und nachher keine Zuschüsse für das Schulessen ihrer Kinder oder deren Lehrmittel erhalten, für die ist es wichtig,

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

dass sie mehr netto vom Brutto bekommen. Das wird durch eine kalte Progression und durch höhere Gebühren verhindert.

Es gibt vielfältige Gerechtigkeitsdefizite. Eines ist wichtig: Sie propagieren stets Umverteilung, Gleichmacherei. Doch den Schwachen ist dadurch nicht geholfen, dass man den Reichen etwas wegnimmt. Überhaupt nicht!

[Beifall von Dr. Friedbert Pflüger (CDU)]

Armut führt in einer gewissen Weise auch dazu, dass Sie wenig wirtschaftliches Wachstum haben, und insbesondere, wenn Sie diejenigen, die investieren können, aus der Stadt vertreiben.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Ist ja richtig rührend!]

Sie haben die Chancen aus dem Blick verloren! Es geht um die Entlastung der Berliner Wirtschaft, darum, neue Investitionen in die Stadt zu holen, denn nur mit Wachstum werden wir in der Lage sein, Berlin langfristig sanieren zu können und für die Bürger lebenswert zu gestalten.

Statt Wachstum belasten Sie die Unternehmen. Wir haben wieder ein neues Beispiel, Reemtsma ist genannt worden. Kühne, Neoplan, Emerson und viele andere sind Mittelständler, die hier Standorte geschlossen haben und an andere Standorte in der Republik gegangen sind. Sie sind nicht ins Ausland gegangen, sie sind woanders hingegangen, weil es woanders wirtschaftsfreundlicher ist,

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Manche kommen auch wie die „Bild“-Zeitung aus Hamburg!]

und die Wirtschaftskraft und die Arbeitskräfte gehen in Berlin verloren. Wir müssen mehr Bestandspflege und eine aktivere Ansiedlungspolitik machen und nicht Unternehmen mit Folterinstrumenten wie Anschluss- und Benutzungszwang aus der Stadt treiben.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Selbst an so kleinen Beispielen wird das sichtbar: Man kann ja die Umweltzone begrüßen. Aber wenn Sie dann das von Herrn Müller geforderte Kreditprogramm nicht auf die Beine bringen, es sozusagen wegen Bodennebels

ausfällt und die Unternehmen darunter leiden, dann tun Sie niemandem einen Gefallen damit. Der Wirtschaftsstandort Berlin liegt hinten. Ich will nur einige wenige Zahlen nennen: Berlin liegt auf dem 15. Platz. In den Jahren 2004 bis 2007 haben wir ein Wachstum von 3,6 Prozent erzielt, der Bundesdurchschnitt lag bei 6,4 Prozent. Wir schneiden in vielen Studien schlecht ab, zum Beispiel sind wir in der kommunalen Vergleichsstudie der Initiative neue soziale Marktwirtschaft auf Platz 46 von 49 gelandet. In keiner Kategorie sind wir Spitze. Wir haben die zweitschlechteste Sozialstruktur.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Unter welcher Regierung ist die Sozialstruktur denn gewachsen?]

All die von Ihnen produzierten sozialen Wohltaten scheinen nicht den Effekt zu erreichen, den Sie sich wünschen. Mit Umverteilung schaffe ich keinen Wohlstand. Wohlstand schaffe ich nur mittels Wirtschaftswachstum.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Berlin hat Potenziale, Berlin ist nicht schlecht, Berlin wird nur schlecht regiert.

[Ha, ha! von der Linksfraktion]

Wir fordern deshalb ein umfassendes Bestandspflegekonzept, um einen selbsttragenden Bestand an Unternehmen in der Region zu sichern. Bestandspflege darf kein Reparaturbetrieb sein, sie muss so angelegt sein, dass alle Akteure im öffentlichen und privaten Umfeld eingebunden sind. Die Bezirke müssen ihre wertvollen Anregungen und Erfahrungen an den Senat weitergeben, wie man ein vernünftiges Bestandsmanagement aufbaut und die Unternehmen hält. Weiter fordern wir eine klare Ausrichtung auf Ansiedlungspolitik. Dies muss mit einer herausragenden Person, einem Ansiedlungsstaatssekretär,

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Ein Ansiedlungsstaatssekretär!]

ressortierend beim Regierenden Bürgermeister, und Investorenlotsen in den Bezirken untermauert werden. Zusammenführung von Bestandspflege, Innovations- und Technologieförderung, Exportunterstützung und Existenzgründungen, das sind Themen, mit denen wir kleine und mittlere Unternehmen in der Stadt halten, neue gewinnen, Wachstum und damit neue Arbeitsplätze schaffen können.

[Beifall bei der CDU]

Fasst man das zusammen,

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Kann man kaum!]

muss man sagen: Rot-Rot belastet jeden, belastet insbesondere die Verbraucher. Nicht nur die Wirtschaft leidet unter den hohen Abgaben und Gebühren, nein, die Berliner merken es überall, nicht nur an den Steuern.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Alles wird immer schlimmer!]

Es gibt fast keinen Lebensbereich, den Rot-Rot ausgelassen hat. Zoo, Tierpark, Schwimmbäder, BVG-Tarife, die indirekte Erhöhung der Miete über die zweite Miete aufgrund der steigenden Verbrauchskosten, alles ist kontinuierlich teurer geworden. Kein Lebensbereich wird ausgelassen: Gerichtsgebühren, und last but not least kommen auch noch die Friedhofsgebühren dazu. Sie lassen nichts aus, von der Wiege bis zur Bahre wird abkassiert. Als letztes Beispiel nenne ich das Straßenausbaubeitragsgesetz.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Durfte nicht fehlen!]

Herr Zackenfels! Wenn Sie immer meinen, dass diejenigen, die sich ein Eigenheim leisten, diejenigen sind, die Sie schröpfen müssen, dann sollten Sie einmal überlegen, ob Sie nicht in Berlin mit der niedrigsten Eigenheimquote etwas tun sollten, damit die Menschen eine langfristige Altersvorsorge in Form der eigenen vier Wände schaffen können. Stattdessen belasten Sie die Menschen und vergraulen ihnen das Eigenheim, indem Sie nicht nur einmal eine Anliegerstraße herrichten, sondern alle 15 Jahre zur Kasse bitten. Das ist keine langfristige Politik, sondern kurzfristige Sanierung und die Klärung der Kassenlage.