Protokoll der Sitzung vom 10.07.2008

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)]

Letztlich muss man feststellen, dass Sie und auch Frau Lange sich über zehn Minuten jeweils durchgemogelt haben. Sie sprechen von Abwägungsprozessen. Die letzte Frage, warum Sie hier eine Aktuelle Stunde beantragt haben, während Sie die Punkte, die Sie jetzt hier vorgetragen hatten, ja auch gerne in einer Antragsberatung zu den drei vorliegenden Anträgen von CDU, Grünen und FDP hätten vorbringen können, diese Antwort sind Sie schuldig geblieben.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Und das entlarvt Ihr Vorgehen doch genau als den Taschenspielertrick, den Sie eben abgelehnt haben.

[Beifall bei der FDP – Martina Michels (Linksfraktion): Sie haben es immer noch nicht verstanden!]

Weitere Wortmeldungen aus dem Parlament liegen nicht vor. – Der Regierende Bürgermeister hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Juhnke hat eine Frage gestellt: Wo steht der Regierende Bürgermeister in der Frage? – Ich kann Ihnen die Antwort geben: Egal wie die Entscheidung ausfällt, mitten im Schussfeld!

[Heiterkeit bei der Linksfraktion – Dr. Frank Steffel (CDU): Das beruhigt mich!]

Das hat sich hier heute auch dokumentiert. Wir wollen eine Oper für alle haben.

[Beifall und Bravo! von Dr. Martin Lindner (FDP)]

Eine Oper für alle bedeutet auch, dass jeder Berliner, jede Berlinerin oder alle Interessierten, diejenigen, die in die Staatsoper gehen oder nicht dorthin gehen, auch nie dorthin gehen würden, berechtigt sind, ihre Meinung zu äußern und dies vehement zu tun, dies einseitig zu tun, dies polarisierend zu tun, ihren Interessen zum Ausdruck zu verhelfen. Und diese Diskussion hat in dieser Stadt auch stattgefunden.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Ja, bravo!]

Deshalb – egal wie man sich entscheidet – wird es immer eine kontroverse Entscheidung bleiben. Es gibt hier keinen Weg, wo man einen so breiten Konsens herbeiführen kann, dass man die unterschiedlichsten Interessen zusammenbringen kann. Jemand hat vorhin in der Debatte – ich glaube, es war Frau Ströver – formuliert, dass auch die Anforderungen an die Jury vielleicht Anforderungen waren, die dort nicht zu bewältigen waren. Wir müssen aufpassen, dass wir bei aller Emotionalität über die Frage, wie der Opernsaal nach der Sanierung aussehen soll, bestimmte Usancen der öffentlichen Auseinandersetzung nicht verlassen.

Erstens: Wir sind bislang immer im Konsens gewesen, dass wir für herausragende Bauten auch Wettbewerbe haben wollen, dass wir keine Direktvergabe haben wollen, das wir auch Jury-Entscheidungen haben wollen, dass wir die klugen Köpfe im Bereich der Architektur in die Entscheidungsfindung, wie die Gestaltung eines neuen Gebäudes, aber auch die Umgestaltung des alten Gebäudes sein soll, einbinden wollen. Dementsprechend stehen wir auch zu der Berufung von Jurys innerhalb dieser Wettbewerbsverfahren. Dann muss man aber auch den Mut und das Bekenntnis haben, dass Jury-Entscheidungen so ausfallen können, dass sie dem einen mehr gefallen als dem anderen. Das werden wir in Zukunft nicht verhindern können. Man sollte jetzt nicht eine Jury beschimpfen, die

aus ihrer Fachkompetenz heraus eine Entscheidung getroffen hat.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion, den Grünen und der FDP]

Auch ist es nichts Unübliches, dass in dieser Jury unterschiedliche Interessen zusammenkommen. Dort sitzen Vertreterinnen und Vertreter der Bauherren. In dieser Jury war beispielsweise der Bund vertreten, es war das Land Berlin vertreten, es war die Opernstiftung vertreten, und es waren Fachleute vertreten, die ihre Sichtweise haben. Die Jury-Entscheidungen werden notfalls in einer Mehrheitsentscheidung getroffen. Ich darf daran erinnern, dass sich auch die Fachkommission zur Gestaltung des Humboldt-Forums mit einer ganz knappen Mehrheit für die historische Schlossfassade an drei Seiten des neu zu errichtenden Gebäudes entschieden hat – auch eine höchst kontroverse Debatte, die heute im Plenum eine Rolle gespielt hat. Auch hier stellt sich die Frage, wie man einen Konsens erzielen kann. Es wird bei solchen Fragen nicht einfach der Fall sein können.

Selbstverständlich müssen wir die Antwort auf die Frage, wie wir die 265 Millionen €, was die Sanierung der Staatsoper insgesamt plus der Nebenkosten kostet, investieren, gründlich vorbereiten. Im Übrigen hat die Gestaltung des Saals davon einen Anteil von 5 Prozent. Wir reden hauptsächlich über 5 Prozent der Gesamtinvestitionssumme. Der Rest ist zumindest in der öffentlichen Debatte nicht strittig, nämlich beispielsweise: Wie werden die ganzen Nebenräume gestaltet – Apollo-Saal? Wie wird beispielsweise das Intendanzgebäude umgebaut? Wie wird die Kellersituation gestaltet? Wie wird die Bühnentechnik gemacht? All die großen Bausummen sind in der öffentlichen Debatte überhaupt nicht in der Diskussion, waren teilweise auch gar nicht Teil dieses Wettbewerbsverfahrens, obwohl es auch dort sicher unterschiedliche Sichtweisen der Fachleute gibt.

Ich wundere mich auch über Vertreterinnen und Vertreter im Abgeordnetenhaus, die bei anderen Themen wie beispielsweise bei der Komödie am Kurfürstendamm kritisieren, dass diese nicht unter Denkmalschutz gestellt wird und nicht erhalten bleibt, gleichzeitig aber sagen: Der Erhalt von Paulick hat gar keine Bedeutung. Da stimmt etwas nicht, Frau Ströver! Wenn man A sagt, muss man auch konsequent eine Linie verfolgen und B sagen. Das kann ich überhaupt nicht verstehen, dass Sie dann mit einem Federstrich sagen, dass sie Paulick überhaupt nicht interessiert,

[Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne): Hat sie überhaupt nicht gesagt!]

weil Paulick nicht Knobelsdorff ist. Das kann ich nicht verstehen. Da muss man ein wenig pfleglicher mit der Historie umgehen.

Selbstverständlich ist beispielsweise auch das Konzerthaus ein Gebäude, das mit der eigentlichen historischen Situation nur andeutungsweise etwas zu tun hat.

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Nichts!]

Trotzdem würde heute keiner auf die Idee kommen, eine ganz moderne Konzerthalle daraus zu machen. Wir müssen uns mit historischen Gebäuden auseinandersetzen, auch wenn sie in den Fünfzigerjahren neu gestaltet oder bei der 750-Jahrfeier umgestaltet worden sind. Auch das gehört zu der Historie dieser Stadt, und das gehört auch zum Denkmalschutz. Wir stellen viele Gebäude auch aus der jüngsten Zeit unter Denkmalschutz, und damit müssen wir uns auseinandersetzen.

[Beifall bei der SPD]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin EichstädtBohlig?

Gern!

Herr Regierender Kultursenator! Haben Sie vielleicht bei der Rede von der Kollegin Ströver nicht ganz genau zugehört? Sie hat als Einzige sehr deutlich darauf hingewiesen, dass, wer den Denkmalschutz erhalten will, sich für Paulick aussprechen muss und nicht für den zweiten oder dritten Preis – für HPP oder GMP – sprechen darf. Genau das ist allein aus dieser Rede als einziger Rede sehr eindeutig hervorgegangen.

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Die einzige Rede, wo die Kollegen zuhören!]

Wir haben uns nämlich mit diesem Thema sehr genau befasst und tun nicht so, als wären der zweite und dritte Entwurf ein Erhalt des Paulick-Entwurfs.

[Beifall bei den Grünen]

Wenn ich Ihren Antrag richtig verstehe, bedeutet er die Zerstörung von Paulick.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Insofern gebe ich Ihnen Recht, dass weder der zweite oder dritte noch die anderen fünf Entwürfe Paulick sind. Sie haben alle wenig mit Paulick zu tun. Das ist richtig, aber die Konsequenz, deshalb Paulick zu zerstören, hat Frau Ströver hier gezogen, nämlich mit ihren Antrag, den sie vertreten hat. Das passt nicht mit der anderen Debatte, die diese Kollegin bei Bühnen dieser Stadt führt, zusammen, wo Interessen vorhanden sind, die nicht mehr mit den Interessen der Grünen konform gehen. Dann muss man bei der ganzen Angelegenheit ehrlich sein.

Wir haben bei der Frage, wie umgestaltet werden soll, selbstverständlich artikuliert, was erwünscht ist. Selbstverständlich haben wir uns darüber Gedanken gemacht,

wie wir die Akustik und die Sicht verbessern können. Auch das ist ein legitimer Anspruch. Das haben wir auch diskutiert. Wir haben gesagt, dass wir nach Überprüfung bereit sind, 4,6 Millionen € mehr dafür auszugeben, weil wir sagen, wenn man das macht, dann sollte man im Bereich der Decken versuchen, durch eine Anhebung eine bessere Akustik zu erreichen oder auch eine bessere Sicht durch die Beseitigung oder das Verrücken der Proszeniumslogen. Dieser Auftrag wurde mit gestellt. Diese Entscheidung ist auch bewusst getroffen worden, auch gegen die Interessen des Denkmalschutzes, weil auch die Decke Original-Paulick ist und dementsprechend vom Denkmalschutz nicht gern in Frage gestellt worden ist.

Diese Entscheidungen sind getroffen worden, aber es ist keine Entscheidung getroffen worden, dass man Paulick konsequent vernichtet. Diese Entscheidung hat es bei der Ausschreibung nicht gegeben. Trotzdem lässt die Ausschreibung Verschiedenes zu, und die Kreativität von Entwürfen sollte man nicht von vornherein beschränken. Es haben sich alle Wettbewerbsteilnehmer sehr viele Gedanken darüber gemacht, wie man beide Ziele, nämlich eine verbesserte Akustik und eine verbesserte Sicht, erreichen kann. Da ist man in den Entwürfen zu unterschiedlichen Auffassungen gekommen. Dann ist es eine Frage der eigenen ästhetischen Empfindungen, ob man Roth, den zweiten oder dritten Entwurf oder aber vierten und fünften gut findet. Das hat die Jury für sich entschieden, in der Weise, dass sie ein Ranking eingeführt hat. So weit zu der Situation, in der wir uns befinden. Und dann begannen die Auseinandersetzungen darüber.

Ich glaube, dass es richtig ist, dass man eine Sicherheit hat, wie die Entwürfe überhaupt sind. Aus den ersten Darstellungen, die mir zugänglich waren, war sehr viel im Unklaren. Auch die Animation, wie bei dem ersten Entwurf der Saal aussehen soll, war wahrscheinlich bewusst – was sehr ästhetisch aussieht – sehr detailfern. Es stellt sich die Frage, wie dies anschließend genau aussieht. Hoffentlich sieht es dann in der Verwirklichung auch so gut aus wie in der Animation.

Auch akustische Fragen werden angegeben, werden berechnet. Wir wissen, dass es hier einen heftigen Streit darum gibt, wer die bessere Akustik sichert. Es ist ganz schwer in der Phase zu beurteilen, in der sich die Entwürfe befinden. Das hatten wir auch schon bei Neubauten, dass wir mit vielen Gutachten einen Bau errichtet haben und anschließend feststellten, dass die Akustik eben nicht so ist wie gedacht. Beispielsweise musste man bei der Philharmonie auch nachbessern. Anderswo hat es dies auch schon gegeben. Das ist eine ganz schwierige Entscheidung. Mit noch so vielen Gutachten werden wir nicht detailgerecht herausbekommen, wie die Akustik zum Schluss sein wird. Da gibt es Annäherungswerte, da gibt es Schätzungen. Wir versuchen selbstverständlich auch mit den Fachleuten, und zwar mit unabhängigen, zu überprüfen, was die Gutachter im Namen von Auftragnehmern aufgeschrieben haben. Das muss auch passieren.

Wir haben zusätzliche Aufträge erteilt, um das deutlich zu machen.

Das heißt, wir versuchen, bei den Entwürfen durch eine stärkere Visualisierung der einzelnen Entwürfe und eine Überprüfung der akustischen Angaben mehr Sicherheit zu bekommen, ob das alles so stimmt, wie das im Rahmen des Wettbewerbs angegeben worden ist. Dazu werden noch in dieser Woche Ergebnisse vorliegen, um ein wenig mehr Sicherheit zu bekommen. Für mich ist ganz wichtig, dass wir auch eine Abstimmung mit denjenigen haben, die das Geld geben. Es ist für mich selbstverständlich, dass der Bund, der 200 Millionen € dazusteuert, ebenfalls an dem Prozess beteiligt wird. Er war in der Jury mit zwei Vertretern präsent. Die haben sich, wie wir das alle wissen, gegen den ersten Entwurf ausgesprochen.

[Michael Schäfer (Grüne): Nur die Politikvertreter haben das gemacht!]

Das sind Politikvertreter des Bundes! Auch unsere sind Politikvertreter oder Vertreter der Opernstiftung. Auch sie haben dort ihre Meinung kundgetan. Selbstverständlich gehe ich davon aus, dass in dieser Frage ein abgestimmtes Verfahren und Vorgehen zwischen dem Land Berlin und dem Bund dringend notwendig ist. Ich glaube, das wird auch aus der Relation der Zahlung deutlich. Ich möchte keine Situation haben, in der wir etwas verwirklichen und der Bund dann sagt, dass er dafür am liebsten keinen Cent gegeben hätte. Es muss eine Akzeptanz vorhanden sein. Die Abstimmungen mit dem Bund laufen. Sie sind noch nicht vollständig abgeschlossen, aber sie werden in Kürze beendet sein.

Selbstverständlich muss auch versucht werden, den Freundeskreis der Staatsoper mit ins Boot zu bekommen, denn sie haben gesagt, dass sie bereit wären, 30 Millionen € aus ihren Privatmitteln in das Portefeuille zu geben, damit diese Idee verwirklicht werden kann. Ich bin Herrn Dussmann und dem Freundeskreis außerordentlich dankbar, dass sie das sagen. Sie haben wesentlich dazu beigetragen, dass diese Idee überhaupt realisiert werden konnte. Auch sie haben zu Recht einen Anspruch auf Beteiligung in diesem gesamten Prozess.

[Beifall von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

Das sind die Voraussetzungen für eine Entscheidungsfindung. Sie muss getroffen werden. Wir werden in dieser Stadt weiterhin eine breite Diskussion über die Richtigkeit der einzelnen Maßnahmen haben. Es wird kein Ergebnis mehr geben können, bei dem irgendjemand jubelnd dastehen und sagen kann: Wir haben uns durchgesetzt! und der andere sagt: Um Gottes willen, jetzt ist eine Katastrophe passiert!

Ich weiß nicht, woher der Optimismus kommt, Herr Meyer, dass Sie hier eine Abstimmung fordern, bei der Sie annehmen, dass Sie mit Ihrer Meinung in der Mehrheit sein würden! Wenn ich mir die Gemengelage hier im Parlament heute ansehe, dann würde ich eine Prognose wagen, wie eine Abstimmung abläuft, aber ob sie in Ihrem oder in dem Interesse der Grünen verlaufen würde, das weiß

ich noch nicht. Es wäre eine Empfehlung an den Senat, aber es ist hier eindeutig exekutives Handeln, und dementsprechend wird der Senat die Verantwortung mit oder ohne Empfehlung tragen müssen.

[Beifall von Dr. Martin Lindner (FDP) und Christoph Meyer (FDP)]

Da bleibt ihm nichts anderes übrig, obwohl man in einer solchen Frage auch gern Verantwortung abtreten würde. Ich bin ja bekannt dafür, dass ich gern Abstimmungen umsetze, wenn sie getroffen worden sind. Aber auch hier in dieser Frage wird mir keiner helfen.

Einen Punkt möchte ich noch deutlich machen. Frau Ströver hat darauf hingewiesen: Die gesamte Entscheidung bewegt sich nicht in einem freien Raum, sondern wir haben ein Vergabeverfahren. Dieses Vergabeverfahren ist für die Gesamtplanungsleistung mit der Frage, wie der Innenraum aussehen soll, kombiniert worden. Dies ist nach der Vergabeverordnung für freiberufliche Leistungen erfolgt. Deshalb bitte ich ein wenig um Verständnis, dass ich mich bislang in der öffentlichen Darstellung zurückgehalten habe. Tatsächlich ist alles justiziabel. Selbstverständlich muss man dann in diesem Vergabeverfahren Entscheidungen treffen. Dafür ist die Vergabestelle zuständig, dafür ist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zuständig. Aber auch bei allen Risiken, die ein Eingriff in das Vergabeverfahren darstellt: Die Gesamtverantwortung kann nicht allein die Vergabestelle tragen, sondern die muss bei so einem Investitionsvolumen auch eine politische sein.