Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

Da lassen wir nicht die Senatsverwaltung machen, was sie will, sondern wir formulieren fachliche Standards, wie wir uns das vorstellen. Das, Herr Hoffmann, ist der übliche Weg.

[Beifall von Stefan Liebich (Linksfraktion) – Zurufe von der CDU]

Beruhigen Sie sich mal wieder! Das ist sicherlich ein Thema, über das wir noch einmal im Ausschuss debattieren können!

Wir haben in Berlin gute Erfahrungen der letzten Jahre aufzuweisen, wo wir zwölf Koordinierungsstellen rund ums Alter schon zur Verfügung haben, die genau diese Erfahrungen einbringen. Da brauchen wir auch nicht das berühmte Fahrrad 2 zu erfinden, auch wenn der Gesetzgeber es im Nachhinein formuliert hat, sondern wir greifen auf Erfahrungen zurück, wie wir die Besonderheit der Koordinierungsstellen, die wir in Berlin einrichten wollen, entsprechend ausdifferenzieren wollen.

An dieser Stelle ist zu verhindern – da sind wir uns, glaube ich, einig –, dass die Pflegekassen die jetzigen Servicestellen, die wir zur Verfügung haben, nur umwidmen. Vielmehr müssen sich unsere Handschrift und die Handschrift der Parlamentarier, die fachlich etwas dazu beitragen wollen, bei der inhaltlichen Konzipierung wiederfinden.

Pflegestützpunkte sind sinnvolle Einrichtungen für Hilfesuchende, und ich gebe Ihnen recht, dass es dort noch einige Fragestellungen zu diskutieren gibt, zum Beispiel die Frage der Dokumentation in den Pflegestützpunkten von denen, die dort Hilfe suchen, die Frage der Entwicklung

eines zufriedenstellenden Qualitätsmanagementsystems, allerdings auch die Fragestellung, wie die Erfahrungen, die die Koordinierungsstellen ums Alter in den letzten Jahren mit Fallmanagement und psychosozialer Beratung gemacht haben, eingebracht werden können. Wenn der Prozess läuft und wir erste Ergebnisse haben, werden wir das im Fachausschuss diskutieren. – Danke schön!

[Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Prof. Dr. Schulze! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Abgeordnete Villbrandt das Wort.

Frau Präsidentin! Ein Satz vorweg an Sie: Die Crux von Pflegethemen ist, dass sich die Menschen erst dann dafür interessieren, wenn sie betroffen sind. Deshalb danke ich Ihnen, dass Sie zumindest Ihre Fraktion angesprochen haben, die das heute zur Priorität gemacht hat, aber nicht zuhört.

[Beifall bei den Grünen]

Meine Damen und Herren! Wir wissen alle, dass die Pflege behinderter und alter Menschen für deren Angehörige eine große und oft auch belastende Aufgabe ist. Dabei sind die Probleme rund um die Pflege, wie zum Beispiel Anträge zu stellen oder geeignete Dienste auszusuchen, für die Pflegenden oft anstrengender und schwieriger als die Pflege selbst.

Eine umfassende Beratung und geeignete Unterstützung können die beste Voraussetzung für die Realisierung von passgenauen Hilfen für den individuellen Pflegebedarf sein. Sie können darüber hinaus auch die Belastung pflegender Angehöriger mindern. Grundsätzlich ist daher die Entscheidung zu wohnortnahen Pflegestützpunkten eine richtige Entscheidung gewesen.

Das Pflegeweiterentwicklungsgesetz hat nur wenig Vorgaben über die konkrete Ausgestaltung der Stützpunkte gegeben und diese Arbeit an die Länder übertragen. Das Land Berlin muss jetzt die Chance nutzen, um die bereits bestehende Beratungs- und Unterstützungsstruktur im Interesse der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen zu verbessern. Es ist daher zu unterstützen, dass sich der Senat für die Einrichtung von Pflegestützpunkten einsetzt und dabei auch die vorhandenen zwölf Koordinierungsstellen rund ums Alter miteinbezieht.

Die Entscheidung, für 90 000 Bürgerinnen und Bürger einen Pflegestützpunkt zu errichten, scheint uns plausibel, wirft aber noch viele Fragen auf, von denen die meisten nur in enger Abstimmung mit den Bezirken und mit beteiligten Trägern der Pflege beantwortet werden können.

Es ist aber weniger erfreulich, dass sich die notwendigen Vereinbarungen des Senats mit der Pflegekasse so lange

hinziehen bzw. dass die ersten Gespräche überhaupt erst so spät zustande gekommen sind. Da hätte der Senat auf jeden Fall schneller agieren müssen.

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Gregor Hoffmann (CDU)]

Aus unserer Sicht sind jetzt vorrangig strukturelle Fragen zu beantworten. Einige kann ich hier vorstellen: Wie werden die Koordinierungsstellen rechtlich eingebunden? Wie wird die Kostenbeteiligung der Bezirke geregelt? Welche Leistungen der Altenhilfe werden in den Pflegestützpunkten angeboten? Wenn Berlin ca. 36 Pflegestützpunkte bekommen soll, aber nur 12 Koordinierungsstellen hat, wie werden diese dann zugeordnet? Wie wird bei allen Pflegestützpunkten eine soziale Beratung sichergestellt? Wir wird mit nicht versicherten Beratung Suchenden umgegangen? Bisher gab es in den Bezirken nur wenig Planungsmöglichkeiten bezüglich der Errichtung von Pflegestützpunkten, weil man hierfür dringend Struktur- und Ausgestaltungsvorgaben seitens des Senats benötigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen! Der vorliegende Antrag ist – freundlich gesagt – überflüssig. Dieses unstrukturierte Sammelsurium in Ihrem Antrag hätten Sie sich sparen können. Sie hätten auch gleich schreiben können: Senat, mach, was du willst.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Rainer-Michael Lehmann (FDP) – Gregor Hoffmann (CDU): Richtig!]

Dieser Antrag enthält lauter Selbstverständlichkeiten, die der Senat bereits angekündigt hat oder die ohnehin schon Standard sind. Dass Sie sich nicht genieren, das dann auch noch zur Priorität zu machen, ist mir wirklich ein Rätsel.

Uns ist es wichtig, dass sich Pflegestützpunkte insbesondere auf zwei Herausforderungen vorbereiten. Das ist zum einen die Beratung von Menschen mit Behinderungen verschiedenen Alters und der Anstieg von Menschen mit Demenzerkrankungen. Davon ist in Ihrem Antrag wenig beziehungsweise nichts zu finden. Einige Bundesländer haben bereits Vereinbarungen zur Einrichtung von Pflegestützpunkten formuliert. Der Senat muss nun dringend selbst handeln. In den Verhandlungen mit den Pflegekassen müssen Qualitätsstandards für eine gute Beratung in den Pflegestützpunkten festgeschrieben werden. Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, kann dem Senat dabei kaum helfen.

[Beifall bei den Grünen]

Frau Schultze! Wenn Sie sagen, Sie ließen den Senat nicht machen, was er wolle, dann war das ein Witz!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Villbrandt! – Es liegt mir ansonsten fern, Sie zu korrigieren, aber es war der freund

liche Hinweis von uns dreien hier oben an alle Fraktionen gerichtet, die Reihen etwas zu füllen.

Jetzt hat der Herr Abgeordnete Lehmann das Wort für die FDP-Fraktion. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Wir beschäftigen uns heute mit einem Thema, das in der Öffentlichkeit auf eine breite Resonanz stößt. Die Themen Pflege und Wohnen im Alter beschäftigen die Menschen. Viele haben Angst: Angst vor Pflegebedürftigkeit, Angst vor Hilflosigkeit im Alter, aber auch vor einer Pflegebürokratie, die ungehindert wuchern kann. Diese Pflegebürokratie hält Menschen, Pflegebedürftige und auch ihre Angehörigen, davon ab, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wir alle sind hier gefordert, Strukturen zu schaffen, die den Bedürfnissen dieser Menschen entgegenkommen und ihnen die Angst vor umfangreichen Anträgen, Begutachtungen und Beratungen nehmen. Wer Hilfe braucht, soll diese möglichst schnell erhalten. Dabei soll er kompetent und unabhängig beraten werden.

[Beifall bei der FDP]

Das am 1. Juli in Kraft getretene Pflegeerweiterungsgesetz sieht die Einrichtung von Pflegestützpunkten vor, wenn das jeweilige Bundesland diese beschließt. Die FDP-Bundestagsfraktion hat mit guten Gründen gegen die sogenannte Pflegereform gestimmt, in der vieles falsch oder gar nicht geregelt worden ist. Hier verweise ich nur auf die fahrlässige Ignoranz gegenüber der Notwendigkeit, die Finanzierung der Pflegeversicherung auf eine neue Basis zu stellen.

[Beifall bei der FDP]

Lassen Sie mich auf die einzurichtenden Pflegestützpunkte kommen. Diese sind wahrlich keine Erfindung der großen Koalition. Es existieren bereits viele solcher Einrichtungen – auch in Berlin, wo es die zwölf Koordinierungsstellen Rund ums Alter gibt. An diesen Stellen werden Pflegebedürftige und ihre Angehörige unabhängig von Kosten- und Leistungsträgern beraten. Grundlage der dortigen Beratung ist stets der Primat der ambulanten Pflege, um die häusliche Pflege sicherzustellen. Das erste Angebot dieser Art im Sozialwerk feierte in diesem Jahr übrigens sein 20-jähriges Bestehen. Seit 1999 bestehen in allen Bezirken derart umfangreiche Angebote.

Der vorliegende Antrag setzt bei diesen Koordinierungsstellen an. Deshalb werden wir den Antrag nicht ablehnen. Auch die FDP-Fraktion stimmt der zügigen und nachhaltigen Einrichtung der Pflegestützpunkte im Grundsatz zu. Es müssen allerdings bei der Umsetzung eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein. Die Unabhängigkeit der Beratung muss gewahrt sein. Es dürfen weder Beratung und Leistungserbringung noch Beratung und die Entscheidung über Pflegeleistungen in einer Hand liegen.

[Beifall bei der FDP]

Der Leistungsanbieter würde versuchen, in der Beratung vorrangig seine eigenen Leistungen zu empfehlen. Beim Kostenträger bestünde die Gefahr, dass er Leistungen empfiehlt, die unterhalb des tatsächlichen Pflegebedarfs liegen. Der vorliegende Antrag berücksichtigt diese Forderung. Die Frage ist jedoch, wie diese unabhängige Beratung gewährleistet werden kann. Laut dem Gesetz können sich die Träger der Pflegestützpunkte zur Erfüllung ihrer Aufgaben dritter Stellen bedienen. Dieses „kann“ des Pflegeerweiterungsgesetzes sollte aus unserer Sicht in Berlin zu einem „soll“ werden. Dieses „soll“ vermissen wir im vorliegenden Antrag. Wir werden dazu im Ausschuss einen Änderungsantrag einbringen. Es gibt in Berlin eine Reihe kompetenter Träger, die dafür in Frage kommen. Ich verweise nur auf die Träger der Koordinierungsstellen. Das Modell, bei dem Pflegeberater der Kassen in den Pflegestützpunkten eingesetzt werden sollen, lehnen wir ab. Das würde entschieden gegen das Gebot der unabhängigen Beratung verstoßen. Meine Fraktion fordert, dass die Koordinierungsstellen federführend bei der Einrichtung der zusätzlichen Pflegestützpunkte eingebunden werden. Auf die dort vorhandenen Erfahrungen und Kompetenzen zu verzichten oder diese an den Rand zu drängen, wäre töricht. Letztendlich wird darüber aber in den Verhandlungen der Senatsverwaltung für Soziales mit den Pflegekassen entschieden. An dem Ergebnis dieser Verhandlungen muss sich die Einrichtung der Pflegestützpunkte messen lassen.

[Beifall bei der FDP]

Deshalb bitte ich die Senatorin für Soziales, dieses Haus und den zuständigen Ausschuss regelmäßig und umfangreich über den Stand der Verhandlungen zu informieren.

Wir sind natürlich auch daran interessiert, wie die Finanzierung der neuen Pflegestützpunkte aussehen soll. Bleibt es bei der Finanzierung der bisherigen Koordinierungsstellen über den Ligavertrag? Sind die maximal 50 000 Euro, die jeder Pflegestützpunkt als Starthilfe aus dem Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung erhalten soll, ausreichend? Es ist auch von enormer Wichtigkeit, dass wir Angebote für mehr oder weniger kleine Zielgruppen schaffen. Selbstverständlich muss sich der Pflegebereich interkulturell öffnen und spezielle Angebote für Pflegebedürftige mit Migrationshintergrund oder solche, die in gleichgeschlechtlichen Lebensweisen leben, vorhalten. Diese Selbstverständlichkeit muss auch bei der Einrichtung der Pflegestützpunkte berücksichtigt w erden. Im vorliegenden Antrag fehlt mir ein Punkt, der uns Liberalen immer sehr wichtig ist: die Einbindung des ehrenamtlichen Engagements in die Arbeit der Pflegestützpunkte. Das Pflegeerweiterungsgesetz sieht dies ausdrücklich vor, die bisherigen Koordinierungsstellen berücksichtigen es bereits.

[Beifall bei der FDP]

Ein letzter Satz ist mir wichtig: Wenn Sie dieses Thema zu Ihrer Priorität machen, selbst jedoch sagen, das eine oder andere sei im Fluss und noch nicht entschieden, dann wirft das Fragen auf. Offenbar hat die beantragende Frak

tion keine aktuellen politischen Themen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lehmann! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung federführend an den Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales sowie mitberatend an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz und an den Hauptausschuss – wozu ich keinen Widerspruch höre.

Ich rufe die Priorität der Fraktion der CDU auf, in unserer Tagesordnung unter Tagesordnungspunkt 19,

lfd. Nr. 4 d:

Beschlussempfehlung

Mediaspree für die ganze Stadt

Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/1818 Antrag der CDU Drs 16/1704