Protokoll der Sitzung vom 27.11.2008

[Zuruf von der FDP: Die Mutter!]

wenn Sie einmal einen Blick ins blaue Büchlein werfen wollen, die Datenschützerin Hertel, die ganz zufällig auch noch stellvertretende Fraktionsvorsitzende ist,

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Özcan Mutlu (Grüne): Das ist ja noch schlimmer!]

weil, Herr Mutlu, uns dieses Thema so wichtig ist, dass es sogar im geschäftsführenden Fraktionsvorstand angesiedelt ist. So gehen wir mit diesem Thema um.

Nur noch zwei Sätze: Es reicht nicht, Herr Mutlu, hier einfach nur Schlagworte perlenkettenartig aneinanderzuhängen, die jeder Wahrheit entbehren. Die Polizei hat keine Datei. Sie kann vielleicht, wenn es uns gelingt, dieses Gesetz durchzubringen, irgendwo anrufen und den Schulnamen erfahren, mehr nicht, Herr Mutlu. Das wollen Sie unter anderem mit Ihrem Änderungsantrag im Datenschutzausschuss verhindern, wie noch einiges anderes dazu, aber das werden wir dann hoffentlich etwas emotionsloser im Innenausschuss und im Bildungsausschuss diskutieren. Ich bin sehr interessiert unter anderem an Ihrem Beitrag dort.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Jotzo.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Hertel! Ich glaube, hier hat sich die Datenschützerin Hertel auf Abwegen befunden, selbst wenn sie dem geschäftsführenden Fraktionsvorstand angehört.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Damit kann ich zwar nicht dienen, aber ich kann trotzdem Ihnen, Herr Senator Zöllner, eines versichern: Auf Ihrem Weg, die Lehrerzahlen besser zu steuern und Problemfälle bei der Schulpflicht zu identifizieren, haben Sie uns voll auf Ihrer Seite. Das ist überhaupt kein Problem. Sie brauchen unsere Unterstützung auch, denn Sie haben in den letzten Jahren hinreichend dokumentiert, dass Sie beides nicht können.

[Beifall bei der FDP]

Ich will auch gleich vorabschicken, dass wir im Grundsatz durchaus der Auffassung sind, dass man eine zentrale Datei benutzen kann, um solche Ziele zu erreichen. Es ist aber, Frau Hertel, nicht mit Medienschelte getan, sondern man muss sich dann auch Gedanken machen, wie man so etwas vernünftig umsetzt. Sie haben sich über drei Dinge bei diesem Gesetzentwurf nicht vernünftig Gedanken gemacht. Das Erste ist der Grundsatz der Datensparsamkeit, dem Sie nicht nachkommen.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Es ist doch ganz klar. Wenn ich eine Datenbank erheben möchte, um beim Schulwechsel, bei Schulanmeldungen Lehrerzahlen zu steuern, dann brauche ich diese Daten auch nur dann zu erheben und auch nur über die Personen, die in einem Jahrgang die Schule wechseln und sich bei Schulen anmelden. Dazu muss ich doch nicht von allen Schülerinnen und Schülern im Land Berlin ständig

über 13 Jahre Datensätze vorhalten! Das hat mit Datensparsamkeit nichts zu tun.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Das ist das Erste.

Das Zweite: Wenn man Probleme bei der Durchsetzung der Schulpflicht identifizieren will, Stichwort Schuldistanz, sind wir voll bei Ihnen. Das Problem ist nur: Warum schaffen Sie dafür eine neue Stelle? Warum schaffen Sie dafür eine neue Datei? Im Grunde genommen wäre zum Beispiel das Jugendamt eine Stelle, wo man wunderbar solche Probleme erfassen kann. Die können sich nämlich auch um die Ursachen kümmern. Sie können nicht nur das erfassen und an irgendwelche Behörden und Polizeien weitergeben, sondern sie können dafür sorgen, dass die Ursachen und die Probleme bei dieser Ursache beseitigt werden.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Deswegen ist es auch völlig falsch, diese Problemfälle mit der allgemeinen Schuldatei zu verknüpfen. Es wäre richtig, eine Problemfallerfassung zu schaffen, die dann aber wirklich nur Problemfälle bei der Schuldistanz erfasst. Es ist doch absoluter Unsinn, dass wir alle Schülerinnen und Schüler im Land Berlin quasi kriminalisieren, in eine allgemeine Schülerdatei hineinbringen, weil es sein kann, dass sie irgendwann einmal ein Problem mit der Schuldistanz haben. Es sind doch immer die Fälle, die mehrfach die Schule schwänzen. Die können meinetwegen in eine Problemdatei. Damit kann man dann umgehen, das ist auch eingrenzbar. Dann muss man entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen schaffen, wie man aus dieser Datei wieder herauskommt. Dann kann man über eine solche Problemfalldatei reden, aber sicherlich nicht mit so vielen Merkmalen, wie Sie sie in Ihrer Datei vorgesehen haben.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Das bringt mich gleich zum dritten Problem Ihrer Datei: Was ist drin? Das sind die Probleme, die Sie offensichtlich auch gesehen, aber übergangen haben. Das eine ist der Sozialhilfemarker für die Eltern. Er ist für die Lehrersteuerung nicht notwendig. Es wurde bereits angesprochen. Die Schulen wissen, wie viele Personen bei ihnen betroffen sind. Das ist auch das Einzige, Herr Zöllner, was Sie auf Ihrer Ebene interessieren muss, eine Zahl. Da muss man nichts personenbezogen speichern.

Dazu gehört auch die Herkunftssprache. Die Herkunftssprache mag vielleicht bei der Anmeldung zur ersten, zur vierten oder gegebenenfalls noch zur sechsten Klasse notwendig sein. Sie aber noch länger vorzuhalten, ist Quark. Halten Sie doch die Daten zum Sprachstand vor! Das wäre eine spannende Angelegenheit. Damit könnte man auch tatsächlich eine Planung machen und nicht diese Herkunftssprachengeschichte. Was nützt es mir, dass die Eltern vor 18 Jahren aus Skandinavien nach Deutschland gekommen sind? Das sagt zur Schulsteuerung überhaupt nichts aus. Das ist einfach Unsinn.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Im Ergebnis, Herr Zöllner, muss Ihr Ziel anders erreicht werden. Wir sind bei Ihnen, wenn Sie eine vernünftige Lehrersteuerung erreichen wollen, auch im Wege einer zentralen Datei, dann aber mit vernünftigen Merkmalen, dem Grundsatz der Datensparsamkeit genügend. Schmeißen Sie die unsinnigen Merkmale raus, dann sind wir bei Ihnen, und löschen Sie vor allem diese Zentraldatei nach jedem Anmeldevorgang, denn dann brauchen Sie sie nicht mehr. Dann können Sie im nächsten Jahr sehen, wer sich bei anderen Schulen anmeldet. Das sind andere Personen, und die muss man nicht 18 Jahre lang erfassen.

[Beifall bei der FDP]

Die Problemfallidentifikation können Sie beispielsweise über eine sehr begrenzte Indexdatei für Problemfälle erledigen. Da werden wir Ihnen im nächsten Plenum einen liberalen Vorschlag unterbreiten, ebenso wie wir Ihnen zur Lehrersteuerung auch einen liberalen Änderungsantrag zu dem Thema unterbreiten werden. Ich bin sehr sicher, dass wir da eine vernünftige Alternative finden, die man auch vor den Betroffenen und dem Recht der informationellen Selbstbestimmung der betroffenen Schülerinnen und Schüler verantworten kann, anders als Ihr Entwurf: Der wird nicht einmal Mindestanforderungen gerecht!

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags auf Drucksache 16/1931 federführend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie sowie mitberatend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung, zu welchem die Vorabüberweisung bereits eingangs bestätigt wurde. Ich höre und sehe hierzu keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4 c:

Antrag

Qualität der Ausbildungs- und Berufsfähigkeit der Berliner Schulabgängerinnen und Schulabgänger

Antrag der CDU Drs 16/1916

Beratung auch hierzu jeweils wieder fünf Minuten. – Das Wort für CDU hat der Kollege Luchterhand.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Jahren beklagen wir die mangelnde Qualität der Ausbildungs- und Berufsfähigkeit unserer Schulabgängerinnen und Schulabgänger. Die Unternehmen bestätigen die fehlende Ausbildungsreife in Mehrheit und lehnen die Schaffung von Ausbildungsplätzen für die Jugendlichen in Teilen ab. Zuzeiten des Vorwurfs an die Wirtschaft, sie würde nicht

genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, wurde diese Aussage auf die Ausrede reduziert, keine Azubis einstellen zu wollen. Erstaunlich ist, dass diese Feststellung der fehlenden Ausbildungsreife selbst jetzt hält, obwohl die Zahl der Bewerber eventuell nicht mehr ausreicht, um alle Plätze in der beruflichen Bildung besetzen zu können. Wenn man die letzten Jahre betrachtet, sind die festgestellten Defizite größer geworden. Die Ergebnisse der Eignungstests gehen weiter nach unten. Das Schulgesetz sagt an dieser Stelle, dass die allgemeinbildende Schule in die Arbeits- und Berufswelt einführt und zur Vorbereitung auf Berufswahl und Beruf beiträgt.

Die Anforderungen der Berufe werden weiter steigen. Wir haben aber jetzt schon die Realität, dass in Berlin die höchste Prozentzahl von Ausbildungsabbrechern existiert. Fast jeder Dritte steigt aus. Die Begründung dafür liegt in einer Mischung aus falscher Berufswahl und eklatanten Kenntnisschwächen. Es kann doch nicht permanent hingenommen werden, dass Schülerinnen und Schüler unsere Schulen mit Kenntnisrückständen in der Größenordnung von mehr als einem Schuljahr verlassen!

[Beifall bei der CDU]

Vielleicht ist es menschlich verständlich, die PISA-Ergebnisse platzgewinnend positiv zu werten. Sportlich gesehen bleiben wir weiterhin wenige Millimeter vom Abstieg entfernt. Es ist nicht festgeschrieben, dass Berlin ständig auf unteren Tabellenplätzen rangiert, immer nach dem Motto: Willst du Berlin oben sehen, musst du die Tabelle drehen!

[Beifall bei der CDU]

Wo bleibt die Umsetzung in den Schulen zur praxisbezogenen Projektschule, und wo bleiben Praktiker mit belastbaren Inhalten gemäß einer Aufwand-Nutzen-Analyse? Das ehrenwerte Üben von Bewerbungsschreiben und ein Tag bei der Berufsberatung sind nur nützliche Details in der Findung eines richtigen Weges in ein Berufsleben. Die Eigenverantwortlichkeit der Schule bei der Konzeptumsetzung muss deutlich ausgebaut werden.

Schule findet nicht nur in der Schule statt. Lernortkooperation mit Praxisbezug und Praxispartnern ist notwendig. Die Entscheidung, ob Konzepte mit eigenen Mitarbeitern unter Einbeziehung externer Kräfte umgesetzt werden, fällt die Schule. Schule ist auf dem Weg zum Bildungsunternehmen unter der Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten und Möglichkeiten und der Zusammensetzung ihrer Schülerinnen und Schüler. In den aufsteigenden Klassen unserer Schulformen muss deutlich intensiver und konkreter mit Auswirkung auf Stunden- und Wochenpläne für die Zeit nach der Schule noch in der Schule per Gesamtkonzept gesorgt werden. Das Konzept mahnen wir an.

[Beifall bei der CDU]

Die Konzeptforderung zielt natürlich auch in die Richtung, dass Europa auf das deutsche Berufsbildungssystem Einfluss nehmen wird. Der europäische Qualifizierungsrahmen wird Ausbildungsbausteine und Module zerti

fizieren und damit automatisch Änderungen bewirken. Bei dem obersten Ziel der Durchlässigkeit aufsteigender Bildungsgänge ist die Anrechenbarkeit erworbener Qualifikationen in einem Credit-Point-System Bestandteil des Systems. Die allgemeinbildende Schule ist das erste Glied in der Bildungskette. Sie muss vor allem die Bildungselemente realisieren, die zertifiziert in den nächsten Bildungsgang mitgenommen und angerechnet erden.

uns ekannt ist?

w Gute Ausbildungsergebnisse hängen explizit mit der schulischen Qualität zusammen. Deshalb muss es im Interesse aller sein, dass die abgegangenen Schülerinnen und Schüler den Übergang in Ausbildung und Beruf bewältigen.

Herr Kollege, das müsste eigentlich der Schlusssatz gewesen sein.

Ich komme zum Schluss. Es geht um die nächste Generation. Es geht um junge Menschen, die mehr über ein Arbeitsleben in innovativen Berufen erreichen. Es geht damit auch um die Stabilisierung unserer Gesellschaft.

[Beifall bei der CDU]