Die Liste Ihres Herumstümperns ist lang. Das gescheiterte Vergabeverfahren BBI, Humboldthafen, Staatsoper, die ganze Baustelle BVG. Sogar Herr Sarrazin hat bei seinem Weggang noch gesagt, dass hier einiges nicht gelöst ist und einiges im Argen liegt. Sie haben sich selbst, Herr Wowereit, offensichtlich bei der Frage Mietobergrenzen
Sie haben das Land Berlin bundespolitisch isoliert. Man mag es bedauern, dass das Land Berlin Konsolidierungshilfen nur im Umfang von 80 Millionen Euro bekommen hat und andere Bundesländer deutlich mehr bekommen haben. Aber das liegt primär daran, dass Sie für das Land Berlin schlecht verhandelt haben und Sie ein schlechter Vertreter für das Land Berlin sind.
Ausblicke haben wir von Herrn Müller und Frau Bluhm nicht gehört. Wie geht es weiter mit der Haushaltskonsolidierung? Frau Eichstädt-Bohlig hat bereits darauf hingewiesen. Wenn wir die aktuellen Steuerschätzungsdaten herunterrechnen, werden wir auf eine Lücke von 500 bis 800 Millionen Euro im Jahr 2010 zu schließen haben. Im Jahr 2011 werden es noch einmal wieder ungefähr 400 bis 500 Millionen Euro sein. Hier wäre interessant, wie Sie, Herr Müller, sie die SPD-Fraktion zu dem neuen Finanzsenator Nußbaum stehen. Sind Sie der Auffassung, dass die harten Einschnitte, die er angekündigt hat, nottun? Sind Sie bereit, das im Herbst mitzutragen?
Oder werden Sie einen einfachen Weg gehen wie in den letzten Jahren, dass Sie sagen: Der Konjunkturkrise kann man nicht hinterhersparen, die Steuerausfälle werden über die Neuverschuldung ausgeglichen. Dazu wird man noch ein paar Hundert Millionen Euro drauflegen, um rot-rote Klientelprojekte zu fördern.
Auch da ist die Frage: Sind Sie bereit, den öffentlichen Dienst in Berlin auch nur annähernd wieder so zu entlohnen, wie es im übrigen Bundesgebiet üblich ist?
Sie haben lauter große ungelöste Brocken in den nächsten zweieinhalb Jahren vor sich. Aber Sie geben keine Antworten. – Herr Müller! Wenn Sie fragen, was wir dazu sagen: Zuvorderst sind Sie in der Regierungskoalition, zwar noch mit einer sehr kleinen Mehrheit, wie Sie vorhin richtig ausgeführt haben, aber Sie haben hier die Mehrheit. Deswegen sind Sie zuvorderst verpflichtet, uns hier und der Stadt Antworten zu geben und nicht wir.
Sie verwalten diese Stadt nur noch. Es gibt keine Impulse mehr. Der kleinste gemeinsame Nenner ist Ihr programmatisches Ziel. Über all dem thront der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit. Vom einst beschworenen Mentalitätswechsel ist nichts mehr zu finden. Man hat den
Eindruck – das ähnelt wohl ein bisschen dem Herangehen von Herrn Sarrazin –, dass es für ihn nur noch eine Frage ist, wann er den Absprung Richtung Bundespolitik schafft. Genau deswegen, Herr Wowereit, sind Sie auch ein Gefangener von Rot-Rot, weil Rot-Rot Ihre Fahrkarte Richtung Bundespolitik ist.
Sie, Herr Wowereit, haben die Richtlinienkompetenz in diesem Senat. Sie sind es der Stadt, Sie sind es uns schuldig zu formulieren, wohin die Reise gehen soll. Umso bedauerlicher ist es, dass Sie noch nicht einmal in der Lage waren oder sich selbst in der Lage sahen, hier aus eigenen Stücken eine Regierungserklärung abzugeben, sondern Sie jetzt vermutlich als Senatsmitglied in der Aktuellen Stunde zum Ende der Debatte reden werden.
Dies zeigt sehr deutlich, woran es in dieser Koalition krankt. Auf der einen Seite haben gerade Sie, Herr Wowereit einen unbedingten Machtanspruch, welcher zumindest bei ein paar eigenständigen Köpfen in der SPD für wachsenden Unmut sorgt.
Auf der anderen Seite aber fehlt Ihnen jeglicher Gestaltungsanspruch für diese Stadt. Sie haben es längst aufgegeben, hier zu regieren, Sie reagieren nur noch auf tagespolitische Notwendigkeiten. Und da, Herr Wowereit, da Sie sich schon offensichtlich Zettel hingelegt haben, fordere ich Sie auf, dass Sie uns heute zumindest einen Themenschwerpunkt, einen Punkt aus Ihrer persönlichen politischen Agenda auflisten, an dem Sie in den nächsten Jahren auch persönlich gemessen werden wollen. Das wäre mal ein Zeichen, dass wir Sie hier verankern und sehen können, dass Sie für die Belange in dieser Stadt stehen und bereit sind, sich auch an dem Erfolg oder Misserfolg Ihrer Politik messen zu lassen. – Ich danke Ihnen!
Vielen Dank! – Wird von der Senatsseite das Wort gewünscht? – Bitte schön, Herr Regierender Bürgermeister!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, die SPD hat sich bewusst in dieser Legislaturperiode für eine Koalition mit der Partei Die Linke entschieden, und wir werden diese Koalition erfolgreich weiterführen. Da können Sie hier rumnörgeln, so viel Sie wollen. Diese Koalition hat eine erfolgreiche Politik gemacht, weil sie in allen Themenfeldern eine Politik der sozialen Gerechtigkeit durchsetzt
und weil sie dafür steht, die Menschen in dieser Gesellschaft mitzunehmen und sie nicht beiseitezustellen, erst recht nicht die Schwachen in unserer Gesellschaft.
Liebe Frau Eichstädt-Bohlig! Spätestens nach Ihrer Rede ist mir wieder klar geworden, dass es die richtige Entscheidung war, mit Ihnen nicht die Koalition zu machen.
Das sage ich jetzt gar nicht hämisch, sondern das sage ich eher bedauernd, denn wir haben in vielen wichtigen Themenfeldern für diese Stadt nicht nur eine knappe Mehrheit der Koalition in diesem Haus, sondern eine viel breitere Mehrheit, weil auch Ihre Fraktion in den wichtigen Themenfeldern mit Linken und SPD zusammen eine gleiche Politik vertritt, wie wir das bei den Volksbegehren auch bewiesen haben.
Dazu sollte man dann aber auch mal stehen. Ihr Grundproblem, liebe Frau Eichstädt-Bohlig, ist, dass Sie an Glaubwürdigkeit total verlieren, wenn Sie in den wichtigen, zentralen Punkten mit uns gemeinsam kämpfen, aber jeden Tag erneut behaupten, Sie wollen der Politik à la Lindner und Meyer zum Durchbruch verhelfen.
Natürlich ist die parlamentarische Mehrheit nicht komfortabel. Sie ist in der Tat knapp, ob mit zwei Stimmen, mit einer Stimme oder mit drei Stimmen, wie das heute der Fall war, oder mit vier sogar, wenn man die Enthaltung mitrechnet, das ist in der Tat knapp. Das wäre im Übrigen, wenn wir Rot-Grün gemacht hätten, auch nicht anders gewesen. Und wenn es andere Konstellationen gegeben hätte, wäre es vielleicht auch nicht anders. Herr Müller und Frau Bluhm haben das ausgeführt: Es ist nicht entscheidend, ob Sie hier eine komfortable Mehrheit haben – die kann auch wackeln, wenn es Konflikte gibt –, sondern dass man intern über den besten Weg diskutiert, dass man zu Mehrheitsentscheidungen in der eigenen Fraktion, mit dem Koalitionspartner kommt und dass man dann steht. Und dass diese Koalition steht, sehr zu Ihrem Leidwesen, das haben wir in der Tat zweieinhalb Jahre lang erfolgreich bewiesen, und das wird auch so bleiben.
Nein! – Wir haben eine Leistungsbilanz der Arbeit der rot-roten Koalition in den letzten zweieinhalb Jahren vorgelegt – eine erfolgreiche Leistungsbilanz. Und wenn Sie sich mal ein bisschen Mühe machen würden, sie zu lesen, und nicht pauschale Negativurteile abgeben würden, dann würden Sie auch sehen, was hier alles bewegt worden ist. Es ist eine Bilanz, die sich sehen lassen kann, weil sich diese Stadt positiv entwickelt hat, auch in den letzten zweieinhalb Jahren und erst recht seit dem Regierungsantritt im Jahr 2001. International, national wird die Stadt als erfolgreiche Stadt betrachtet, es ist „the place to be“, wo die Menschen hinkommen. Sie kommen gerne als Touristen, sie kommen gerne als Tagungsbesucher, als Geschäftsreisende. Sie lassen sich hier nieder, sie nehmen ihren ersten Hauptwohnsitz, sie nehmen den Zweitwohnsitz hier. Und viele Menschen streben in diese Stadt, gerade junge Menschen, die diese Stadt attraktiv finden. Das ist ein Erfolg unserer Arbeit, weil wir diese Stadt in der Tat erfolgreich verändert haben.
Wenn das Ihr einziges Problem ist, A 100, dann merkt man eben, dass Sie nicht regierungsfähig sind. Das tut mir eben leid.
Hier ist eben bezweifelt worden, dass wir den Haushalt konsolidiert haben. Frau Eichstädt-Bohlig! Wir haben den Haushalt konsolidiert – und zwar erfolgreich, über viele Jahre hinweg, mühsam. Natürlich gehört dazu immer, dass sich nicht nur die Ausgabenseite verändert, sondern man auch Glück bei der Einnahmenseite haben muss. Komischerweise sind wir immer verantwortlich, wenn es schlechtgeht, da sind wir verantwortlich, das haben wir alles gemacht. Wenn es gutgeht, haben wir gar keine Verantwortung. Nein, wir stehen zu der Gesamtverantwortung. Die bedeutet, dass wir erstmalig im Jahr 2007 einen Überschuss im Haushalt hatten, ohne neue Kreditaufnahme, und dass wir im Jahr 2008 einen noch höheren Überschuss hatten, selbst wenn wir den Sondertatbestand Bankgesellschaft mal außen vor lassen.
Das ist der Erfolg. Wir haben diese Wende haushaltspolitisch geschafft. Das war nicht einfach. Das war konfliktbeladen. Und von der Opposition ist in jedem einzelnen Punkt, wo wir eingespart haben, immer nur „Nein!“ gekommen, ohne konstruktiv zu sagen, was Sie eigentlich machen werden.
[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Björn Jotzo (FDP): Unsinn! – Zuruf von Klaus-Peter von Lüdeke (FDP)]
Wir haben dadurch Luft für wichtige, notwendige Investitionen bekommen, und wir haben sie auch vorgenommen. Wir haben ins Schul- und Sportanlagensanierungsprogramm viel Geld zusätzlich hineingegeben. Wir haben für die Bäder Gelder zusammengelegt und haben sie verbessert. Wir haben andere wichtige Investitionen in dieser Stadt gemacht. Wir hätten auf dieser Basis – auch bei sinkenden Arbeitslosenzahlen, bei mehr sozialversicherungspflichtigen Jobs in dieser Stadt – eine gute Perspektive gehabt. Dies können wir heute so dann leider nicht mehr sagen, weil die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise auch an Berlin nicht vorbeigeht. In der Tat ist es so, dass wir durch die radikalen Veränderungen in der Deindustrialisierung dieser Stadt, die wir seit den Neunzigerjahren leidvoll durchmachen mussten, teilweise bessere Bedingungen haben als andere, die das noch nicht gemacht haben. Trotzdem ist richtig: Die Krise trifft uns. Es ist auch kein Trost, wenn andere sechs Prozent Minuswachstum haben und wir vier Prozent Minuswachstum haben. Wenn andere höhere Steuerausfälle haben als wir, dann ist das für uns kein Trost, aber es ist eine stabile Basis, aus dieser Krise wieder herauszukommen.
Kein Mensch weiß, wie lange diese Krise dauert. Wer das behauptet, der sagt nicht die Wahrheit, sondern wir haben die Hoffnung, dass es eine Krise sein wird, die eben nicht länger als zwei Jahre gehen wird, und dass man dann mühsam wieder versucht, zu dem alten Status zu kommen. Diese Zeit muss in der Tat überbrückt werden. Es wäre auch kontraproduktiv, wenn wir auf der einen Seite Konjunkturprogramme und Stützungsmaßnahmen machen, landauf und landab, und wir dann sagen, wir können alles, was wir an Steuermindereinnahmen haben, durch Einsparungen ausgleichen. Nein, das wird uns nicht gelingen, und es wäre auch ökonomisch unvernünftig, wenn wir es versuchen würden.