Danke schön, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Herr Mutlu gibt hier immer vor, er bzw. die Grünen hätten diese Schulstrukturreform erfunden. Das wüsste ich aber.
Ich bin froh, dass wir Sie im Boot haben. Oder muss ich jetzt sagen: hatten? Denn was Sie hier abgeliefert haben, ist ja eigentlich völlig das Gegenteil. Aber es war nicht Ihre erste Idee. Das muss hier mal festgehalten werden.
Natürlich! – Die Formulierung Ihrer Aktuellen Stunde hat ja drei Teile, erstens „Gerechten Schulzugang sichern“, zweitens „Gymnasien reformieren“ und drittens „Sekundarschulen stark machen“. Zu erstens: Lassen Sie mich vorab mal eines ganz klar feststellen: Einen gerechten Schulzugang gibt es nicht! Man kann nur versuchen, das Auswahlverfahren transparenter zu gestalten und soziale Ungerechtigkeiten weitgehend zu vermeiden.
Worüber ich mich besonders ärgere: Warum bewegt innerhalb dieses riesigen Reformvorhabens, das wir mit der Schulstrukturveränderung anstreben, letztlich ausschließlich eine klitzekleine Stellschraube, nämlich der Zugang zu den Oberschulen, die gesamte Stadt und die Presse? Das verstehe ich überhaupt nicht.
Und diese Vergleiche, die hier wieder angestellt werden, Lotto – Lotto brauchen wir, wir brauchen dringend Lottomittel, das wissen wir, es wird viel zu wenig Lotto gespielt.
Zweitens: Vergleich mit Basar. Diskriminieren Sie jetzt plötzlich, Herr Mutlu, die orientalischen Basare, habe mich bei Ihrer Rede hier gefragt.
Drittens: Kasino. Kasino brauchen wir auch. Wenn ich nicht ab und zu einen Kaffee trinken würde, dann würde ich diese Sitzung hier nicht durchstehen. Also alles völlig hinkende Vergleiche an dieser Stelle!
Frau Kollegin! Meine Frage: Haben Sie Kenntnis darüber, wie viele Schulen in Berlin bereits heute schon so nachgefragt sind, dass im Grunde beinahe zu 50 Prozent dieses Losverfahren greifen müsste?
Ja, als ob Sie meine Rede gelesen hätten, es geht hier so weiter! – Ich betone nochmals, diese Zulassungskriterien treffen ja nur auf die Schulen zu, das wiederhole ich hier auch zum x-ten Male, wo es mehr Anmeldungen als Plätze gibt. Für alle anderen Schulen ist das ja auch nicht der Fall.
Ja, aber 50 Prozent, Frau Senftleben, und nicht alle! Sie verbreiten hier eine wahnsinnige Hysterie. Und das sind nicht ausschließlich Gymnasien, Frau Senftleben, auf die Sie hier ständig abheben.
Wir wissen, dass es auch sehr gute Gesamtschulen in der Stadt gibt, die viel mehr Anmeldungen als Plätze haben,
die teilweise zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler an andere Schulen verweisen müssen. Das erzeugt da auch eine große Frustration. Für alle anderen – –
Verehrte Kollegin Tesch! Ist Ihnen eigentlich klar, dass ungefähr 40 Prozent aller Gymnasien sozusagen einen Überbedarf haben, und ist Ihnen auch klar, dass über die Hälfte der Gesamtschulen sogar auch einen Überbedarf haben? Es sind genau die Zahlen, um die es hier geht, und nicht, wie Sie meinen, 40 Prozent. Davon sind alle Schulen betroffen.
Es sind eben auch 40 Prozent der Gesamtschulen, und die müssen jetzt auch schon bereits Auswahlverfahren treffen, und teilweise losen die auch jetzt schon. Das ist ja gar nicht so viel anders.
Alle anderen aber müssen in dem Rahmen der zur Verfügung stehenden Plätze die Schülerinnen und Schüler aufnehmen.
Die Frage, wie die Zulassungskriterien aussehen sollten – da wurde nun lange gerungen, wie Sie wissen.
Der Senator hat bereits am 13. Mai – da waren Sie nicht zugegen, Herr Mutlu – ein Expertenforum veranstaltet, auf dem die verschiedenen Möglichkeiten präsentiert und diskutiert wurden. Mir sind dabei folgende Punkte zentral:
Erstens: Das Wohnortprinzip als Auswahlkriterium wird vollkommen abgeschafft. Das entspricht der Intention aller Beteiligten und ist ein großer Fortschritt.
Zweitens: Seitens der Schulleitungen wurde noch immer die Forderung aufgestellt, dass sie sich ihre Schülerinnen und Schüler selbst aussuchen dürfen. Dem haben wir jetzt mit der Quote von 60 Prozent Rechnung getragen. Hinzu kommen noch mal 10 Prozent, die aufgrund von Härtefallkriterien vergeben werden können. Bei dieser Auswahl spielen natürlich, Herr Mutlu, die Schulprofile und die Sprachenfolge eine Rolle, die so aufrechterhalten werden können. Die verbleibenden 30 Prozent werden dann durch ein Losverfahren entschieden. Das ist auch nicht völlig gerecht, aber immerhin besser als der BVG-Plan. Das sind doch entscheidende Verbesserungen, die wir hier durchführen.
[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von Mieke Senftleben (FDP) und Özcan Mutlu (Grüne)]
Drittens: Die Bildungsgangempfehlung in ihrer bisherigen Form entfällt. An ihre Stelle tritt ein verbindliches Beratungsgespräch mit der Grundschule. Es hat sich nämlich gezeigt, dass die Bildungsgangempfehlungen im oberen und im unteren Bereich sehr zutreffend sind. Es gibt aber eine Grauzone, die man auch nicht den Grundschullehrerinnen oder Grundschullehrern anlasten kann, weil sie gute Arbeit leisten. Aber das ist eben so, dass sich Kinder und Jugendliche weiterentwickeln und dass diese Prognosen, die nach der sechsten Klasse gefällt werden, nicht immer so zutreffen müssen.
Und im Übrigen, um mal wieder mit Statistik zu kommen, Frau Senftleben, verstehe ich diese Hysterie hier überhaupt nicht.
Wenn man sich die Statistik der Berliner Schulen über die Jahre anguckt, dann waren es gerade mal 0,1 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit Hauptschulempfehlung, die trotzdem auf ein Gymnasium gegangen sind. Und da verstehe ich wirklich nicht, dass man da von einer Katastrophe sprechen kann, wenn wir ein Losverfahren für 30 Prozent einführen.