Was würden Sie antworten, wenn Sie gefragt würden: Wie geht es denn der Literatur in Berlin? – Würden Sie sagen: Ganz gut! – Oder würden Sie sagen: So lala – nicht ganz so gut! – Ich finde, auch wir Parlamentarier können mit gutem Gewissen verkünden: Der Literatur in Berlin geht es sehr gut. Die Literaturszene ist spitze.
Wir können stolz sein auf unsere Literaturhauptstadt mit z. B. fünf öffentlich geförderten Literaturhäusern. Die Anziehungskraft, die Berlin nicht nur auf deutsche Autorinnen und Autoren hat, ist sehr groß. Mit Fug und Recht kann behauptet werden, dass Berlin die Hauptstadt der Literatur ist. Die Künstler und Künstlerinnen prägen das
Bild der gegenwärtigen Literatur und gestalten die Debatten in der Gesellschaft mit. Sie genießen hohe literarische Anerkennung im In- und Ausland. Häufige Preisvergaben an in Berlin lebende Autoren belegen das.
Aber wir müssen noch mehr tun, um die Arbeitsbedingungen der Schriftsteller und Schriftstellerinnen zu verbessern. Wie aus der Beantwortung der Großen Anfrage hervorgeht, wurde die Einzelförderung in den letzten zehn Jahren von knapp 20 Prozent auf knapp 11 Prozent zurückgefahren. Das geht auf Kosten der Stipendien- und Projektförderung. Dagegen hat die institutionelle Förderung zugenommen. Über dieses Missverhältnis muss diskutiert werden.
Ich rege auch an, über einen Veranstaltungskalender beispielsweise als Internetangebot oder als Faltblatt nachzudenken. Das wäre auch eine Unterstützung für die vielen Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die von vielen kleinen Lesungen ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Eventuell können auch vorhandene Literaturportale genutzt werden. Literarische Institutionen und öffentliche Bibliotheken veranstalten Lesungen und Ausstellungen sowie Podiumsdiskussionen, Festivals. Ich betone es immer wieder: Auch der Regierende Bürgermeister hat darauf hingewiesen, dass Berlins Bibliotheken zu den meistbesuchtesten Kultureinrichtungen in Berlin gehören. Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Bibliotheken mit einem Bibliotheksgesetz sichern. Ich bin sicher, dass wir diesbezüglich in der nächsten Zeit auch einige Erfolge erzielen können.
Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Leseförderung von Kindern und Jugendlichen. Neben den Leuchttürmen sind besonders kieznahe Veranstaltungen wichtig. Kinder und Jugendliche haben kaum noch Zugang zur Dichtkunst. In Schulen wird kaum noch der Zugang zur Poesie vermittelt. Wir werden deshalb in diesen Haushaltsberatungen dafür sorgen, dass ein Lesetopf für Lesungen in Bibliotheken, Schulen und Kitas eingerichtet wird. Das hat nicht nur den Aspekt der kulturellen Bildung, sondern ist auch eine Förderung der Arbeitsmöglichkeiten für Schriftstellerinnen und Schriftsteller.
Unsere Aufgabe als Kulturpolitiker ist, das zu fördern, was es schwer hat. Dazu gehört die Lyrik. Lyrik muss als Kunstform ihren eigenen Stellenwert behalten können. Es würde uns als dem Land der Dichter und Denker gut anstehen, die Poesie als eigene Kunstform gezielt zu fördern und den Weg der deutschen Sprache in andere Länder und aus anderen Ländern zurück zu fördern. Das Berliner Projekt Lyrikline hat eine internationale Ausstrahlung und ist zu einem Welterfolg geworden. Organisationen aus über 40 Ländern arbeiten hierbei mit und tragen zu seiner Finanzierung bei. Wer Lust hat, sich das mal anzuschauen, sollte auf www.lyrikline.org gehen. Ich mache das manchmal, wenn ich eine Pause habe, und finde das ganz wichtig.
Die Texte sind in über 40 Sprachen übersetzt. Das bedeutet auch, dass deutschsprachige Dichtung dadurch auch im Ausland stärker wahrgenommen wird. Auch hier müssen wir in den kommenden Haushaltsberatungen Sorge tragen, dass dieses Vorhaben auskömmlich finanziert wird.
Es gibt viele Lyriker in Berlin. Wir haben vier Universitäten, viele ausländische Dichter, warum soll es dann nicht auch einen Lehrstuhl für Lyrik geben?
Ja, vielen Dank! – Ich fasse zusammen. Es gibt drei Schwerpunkte: individuelle Förderung, Lesetopf und die Lyrikline auskömmlich fördern. Ich finde es sensationell, dass in einem deutschen Parlament, dem Land der Dichter und Denker als Priorität der Regierungsfraktionen das Thema Literatur in allen Facetten diskutiert wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wowereit! Das ist alles nett dargestellt. Aber was haben Sie eigentlich damit zu tun? Was haben Sie eigentlich mit der Literatur in Berlin zu tun? Sie lassen hier von Ihren Regierungsfraktionen eine Gefälligkeitsanfrage stellen, setzen sie dann auch noch auf die Prioritätenliste, und das Ergebnis dieser Anfrage ist die Feststellung, dass die Szene lebt; der Senat hat wenig damit zu tun. Das ist das Ergebnis.
Nun gut, Herr Wowereit. Sie haben schwere Zeiten hinter sich. Da will man auch mal über etwas Angenehmes reden. Die Europawahl am letzten Sonntag hat gerade einmal 18,9 Prozent ergeben. Die SPD ist dritte Partei in Berlin. Politische Weggefährten wie Arnulf Rating haben Sie neulich in der Ufa-Fabrik als Splitterpartei verspottet. Das ist schon hart.
Schulen hatten wir gerade. Es gibt jeden Tag eine neue Wirrnis für die Öffentlichkeit. Es gibt kein Konzept zur notwendigen Leistungssteigerung der Schule. Dann gibt es auch noch einen Bildungssenator, dem eigentlich alles egal ist und der zu jeder politischen Veränderung in der Koalition grinst und alles gut findet.
Ich verweise auf das Thema Linksautonome. Es gibt kein Rezept gegen die Gewalt, gegen brennende Autos, sonstige Randale, aber es gibt einen Senator, der bodyguardgeschützt im gepanzerten Dienstwagen vor einigen jungen Leuten davonflieht, weil er sie für Randalierer oder was auch immer hält.
Nein! – Oder nehmen wir die Hochschulsituation. Es gibt keine Hochschulleitung, mit der Sie sich nicht in einem Konflikt befinden. Da gibt es noch viel mehr. Man könnte über die Haushaltssituation sprechen. Das ist alles nicht sehr viel besser. Vieles fällt Ihnen nicht ein. Also, wie reagieren Sie? – Es gibt ein paar Luftballons. Das ist nicht sehr viel. Dann wird ein bisschen über Literatur gesprochen. Die Szene ist auch klasse, nur haben Sie damit nichts zu tun.
Dann fragt man sich, warum dieses neue Thema aufgerufen wird. Man muss sagen, kulturpolitisch schlugen Sie zunächst die neue Kunsthalle hinter dem Hamburger Bahnhof vor. Bevor Sie ein vernünftiges Konzept vorgelegt haben, war es schon mit der von Ihnen präferierten Finanzierung gescheitert. Dann haben Sie den Flughafen Tempelhof geschlossen, ohne dass Ihnen ein Alternativkonzept eingefallen ist. Anschließend haben Sie überlegt, wie Sie das füllen. Frau Junge-Reyer ist auch nichts eingefallen. Dann haben Sie gesagt, dort solle ein bisschen Mode hin. Da gehe ich auch gern hin, so ein bisschen „Bread and Butter“.
Das Ergebnis war, dass alles noch ein bisschen mehr angefüllt werden muss, weil es auch ein bisschen zu wenig ist. Dann wollen Sie jetzt die Zentral- und Landesbibliothek am Flughafen Tempelhof bauen. Frau JungeReyer, die für ihre Kreativität bekannt ist, sagt, dies passe doch besser zum Marx-Engels-Forum. Es solle lieber dort errichtet werden. Nun könnte man sich im Senat auch einmal verständigen, wohin es eigentlich soll.
Herr Nußbaum wiederum sagt, dass das Geld ohnehin nicht vorhanden sind. Es kommt nicht. Nun sagen Sie heute, es käme doch. Vielleicht kann der Senat das Thema einmal untereinander koordinieren, damit die interessierte
Schriftsteller schreiben, weil sie schreiben wollen oder müssen, aber nicht, weil sie anschließend in geförderten Literaturhäusern auftreten. Das ist wichtig, hat aber mit Literatur zunächst einmal relativ wenig zu tun. Das ist erst der zweite Schritt. Ich würde mich schon freuen, wenn Sie etwas dafür täten, dass insbesondere die Jüngeren in den Schulen nicht solche Mängel aufweisen, dass sie kaum in der Lage sind, ein Buch zu lesen. Sie sollten zumindest die Grundrechenarten, ein wenig Lesen und Schreiben können. Dann wären sie nämlich auch einmal in der Lage, ein Buch zu lesen. Wenn Sie die Voraussetzungen in den Schulen schaffen würden und diese verbesserten, wäre uns schon geholfen, damit wir nicht in großen Teilen der Berliner Schulen auf Zustände stoßen, die jeder Beschreibung spotten, weil Sie nicht in der Lage sind, das mit Ihrem Bildungssystem richtig hinzubekommen, und sich IHK und andere bemühen müssen, über Lesepaten diese Mängel auszugleichen.
Dann komme ich zum Thema kulturelle Jugendbildung. Bevor wir alles technokratisieren und bürokratisch abhandeln, gebe ich Ihnen einen guten Tipp: Stellen Sie den Schulen diese Gelder zur Verfügung! Dann können diese ein paar Schriftsteller einladen und auch etwas lesen. Das geht alles sehr viel schneller und unproblematischer als die von Ihnen eingeschalteten bürokratischen Regeln.
Kurzum: Wir bedanken uns für die Beantwortung. Es war wirklich einmal interessant zu hören. Richtig weitergeholfen hat es trotzdem nicht. Das ist auch besser so. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Den ersten Satz sage ich für die Herrschaften auf unserer Tribüne: Das war eben der kulturpolitische Sprecher der CDUFraktion.
Ich möchte mit Nicolas Born beginnen – es soll ja hier um Literatur gehen. Nicolas Born hat in seinem Gedicht „Drei Wünsche“ geschrieben: