Protokoll der Sitzung vom 25.06.2009

a) Dringliche Beschlussempfehlung

Frauen auch in Berlin in Führungspositionen

Beschlussempfehlung WiTechFrau Drs 16/2525 Antrag der Grünen Drs 16/2384

b) Dringliche Beschlussempfehlungen

Schluss mit der rechtswidrigen Stellenvergabe – unverzügliche Ausschreibung der Vorstandspositionen bei der Investitionsbank Berlin – IBB –

Beschlussempfehlungen WiTechFrau und Haupt Drs 16/2536 Antrag der Grünen Drs 16/2294

Den Dringlichkeiten wird offensichtlich nicht widersprochen.

Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der Grünen. Für die Fraktion der Grünen hat Frau Abgeordnete Kofbinger das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Endlich, auch Rot-Rot will mehr Frauen in Führungspositionen. Kaum zu glauben, aber SPD und Linke wollen sich künftig bei der Besetzung von Spitzenpositionen an Recht und Gesetz halten und bei deren Vergabe für Transparenz sorgen. Ein entsprechender Änderungsantrag zum Grünen-Antrag wird heute voraussichtlich im Plenum verabschiedet. Das ist eine gute Nachricht für die Frauen und die Frauenpolitik in Berlin. Ich möchte Sie deshalb zunächst einmal zu diesem Schritt beglückwünschen, auch im Namen meiner Fraktion. Herzlichen Glückwunsch!

Andreas Otto

[Beifall bei den Grünen]

Da darf man ruhig mal klatschen. – Aber trotzdem erlauben Sie mir bitte die Frage: Warum erst jetzt? Das hätte man alles viel schneller machen können und ohne diesen unglaublichen Zoff, den wir uns hier angetan haben. Eigentlich hätte der erste Satz meiner Rede nämlich lauten müssen: Endlich, rot-rote Trödelliesen schleppen sich ins Ziel. – So arbeiten Sie.

[Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

Monatelang hatte sich die rot-rote Koalition mit Tricks und formalen Winkelzügen um ein klares Bekenntnis zu mehr Frauen in Führungspositionen herumgedrückt. Mehrmals hatten Sie unsere Anträge vertagt, in denen wir die unverzügliche Ausschreibung der Vorstandspositionen bei der Investitionsbank Berlin gefordert und die bisher praktizierte Vergabe von Führungspositionen in Landesunternehmen nach Gutsherrenart missbilligt haben. In dem einstimmig im Wirtschaftsausschuss verabschiedeten Antrag wird der Senat aufgefordert, dem Abgeordnetenhaus die dafür notwendigen Gesetzesänderungen für das Landesgleichstellungsgesetz vorzulegen. Diese Arbeit kann sich der Senat sparen. Denn die bündnisgrüne Fraktion hat auch diese Aufgabe bereits erledigt.

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Ha, ha!]

Vor vier Wochen haben wir einen Antrag zur Änderung des LGG eingebracht, der die notwendigen Änderungen enthält. Zusätzlich wollen wir im LGG ein Verbandsklagerecht gesetzlich verankern, um künftig eine Handhabe gegen Verstöße zu haben. Sicher ist sicher, denn bisher waren offensichtliche Gesetzesverstöße mit dem Ziel, Frauen aus Führungspositionen fernzuhalten, für Rot-Rot an der Tagesordnung. Bei der Einhaltung bestehender Gesetze haben sich bisher weder SPD und schon gar nicht Die Linke mit Ruhm bekleckert. Wir werden nach der Sommerpause die Gelegenheit haben zu beobachten, wie ernst es Rot-Rot mit einer wirklichen und wirksamen Novellierung des LGG ist.

[Christian Gaebler (SPD): Na ja!]

In der Vergangenheit wurde die Entwicklung des Geschehens auch gern verpennt. Unser Antrag wird in zwei Ausschüssen besprochen werden. Es gibt also zwei Möglichkeiten für Sie zu gestalten. Ich hoffe, dass diese Chance auch genutzt wird.

[Beifall von Dr. Andreas Köhler (SPD)]

Herr Köhler und ich sind hier wieder einmal einer Meinung. Bitte schließen Sie sich an.

[Christian Gaebler (SPD): Na, dann hat die Debatte wenigstens einen Sinn gehabt!]

Deshalb sind wir auch jetzt schon gespannt, was der Bericht aussagt, der laut Antrag dem Abgeordnetenhaus direkt nach der Sommerpause vorzulegen ist.

Aber bei aller Freude über die Fortschritte von Rot-Rot, die wir sehr begrüßen, werden wir auch weiterhin immer wieder einmal einen Blick nach hinten werfen, was vor allen Dingen Herr Wolf sehr fürchtet. Schauen wir ein

mal, wie es sich mit der Rücknahme der Vorstandsbesetzung bei der BVG entwickelt. Wir sind wie die Sozialdemokratin Vera Junker, die Ihnen sicherlich bekannt ist,

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Die sitzt aber nicht hier im Parlament!]

und die Frauen des Arbeitskreises sozialdemokratischer Frauen der Meinung, dass diese Besetzung rechtswidrig war und rückgängig gemacht werden muss.

[Beifall bei den Grünen]

Wir werden Sie nicht aus der Verantwortung entlassen. Denn so richtig dieser Antrag jetzt ist – wir werden ihm auch zustimmen –, so richtig wäre er bereits im letzten Jahr gewesen als die unrechtmäßige Besetzung stattgefunden hat. Das LGG hat sich in dieser Zeit nicht geändert. Ich hoffe an dieser Stelle, dass dieser sehr vernünftige Antrag heute nur der Anfang einer neuen, innovativen und vor allem maßstäbesetzenden Gleichstellungspolitik ist. Alles andere wäre eine herbe Enttäuschung.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kofbinger! – Mir ist hier durch Zuruf durch die Fraktionsgeschäftsführer mitgeteilt worden, dass die anderen Reden zu Protokoll gegeben werden sollen. Bleibt es dabei? – Ich bitte darum, dass die Reden nach vorn gegeben werden.

Was noch vor einem guten Monat unüberbrückbar kontrovers erschien: Mit dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen haben wir die Grundlage geschaffen für einen einstimmigen Beschluss zum Thema „Mehr Frauen in Führungspositionen.“ Wir werden, die SPD-Fraktion wird diesem Antrag selbstverständlich auch im Plenum zustimmen. Und wir gehen davon aus, dass das auch alle anderen Fraktionen tun.

Damit ist auch – nach meiner Ansicht – dem Missbilligungsantrag der Grünen Drucksache 16/2384 vollends die Grundlage entzogen. Ich fordere die Grünen deshalb auf, diesen Antrag – nach der erfolgten Einigung auf ein gemeinsames politisches Vorgehen – zurückzuziehen. Sonst müssten wir ihn ablehnen.

Ich möchte heute daran erinnern, dass ich an dieser Stelle Folgendes zu etwaigen Differenzen bei der Auslegung des LGG ausgeführt habe:

Hier müssen wir Klarheit schaffen. Der richtige Ort dafür ist unser Fachausschuss. Sollte sich wider Erwarten herausstellen, dass die entsprechenden Vorschriften doch nicht so wasserdicht sind, dann müssen wir sie ändern, verbessern.

Das ist geschehen.

Anja Kofbinger

Entsprechend dieser Ankündigung haben wir Überzeugungsarbeit in unserer Partei und in unserer Fraktion geleistet. Und wir freuen uns, dass wir uns mit unserer Koalitionspartnerin auf den gemeinsamen Änderungsantrag geeinigt haben.

Mit unserem heutigen Parlamentsbeschluss steht dann – unzweideutig und einheitlich von allen Teilen des Parlaments gewollt – fest:

Erstens: Vorstandspositionen und Geschäftsführungen in allen Unternehmen mit mehrheitlicher Landesbeteiligung sind geschlechtergerecht zu besetzen.

Zweitens: Dieses hat in einem transparenten Verfahren öffentlich zu geschehen, vor allem in der Form einer Ausschreibung.

Drittens: In den Bereichen, in denen Zweifel geäußert wurden, ob die Grundsätze der Gleichstellungsverpflichtung gelten, wird der Senat klarstellende bzw. ergänzende gesetzliche Regelungen vorschlagen.

Viertens: Bis zum 31. August wird der Senat berichten, wie er den Auftrag des Abgeordnetenhauses konkret umgesetzt hat und weiter umsetzen wird.

Ich denke, das ist ein beachtlicher Erfolg für die Gleichstellungspolitik in Berlin. Ein Erfolg auch für die Frauen im Abgeordnetenhaus – über die Partei- und Fraktionsgrenzen hinaus. Ein Erfolg insgesamt für die Frauen in dieser Stadt.

Die Freude über diesen Erfolg sollte uns zugleich ermuntern, über seine Vorbedingungen noch einmal nachzudenken und ganz bewusst aus den gemachten Erfahrungen zu lernen. Dazu gehört, dass eine konstruktive parlamentarische Debatte zwischen den Fraktionen und im Fachausschuss Einigungen auch dort ermöglicht, wo Schaufensteranträge dieses nicht möglich erscheinen ließen. Dazu gehört aber auch die breite außerparlamentarische Anteilnahme an den Diskussionen im Parlament: mit den Gewerkschaften und mit den Frauenvertreterinnen, mit der interessierten Öffentlichkeit und auch in den jeweiligen Parteiorganisationen.

Das alles macht Mut und gibt Hoffnung. Im nächsten Jahr wird das Landesgleichstellungsgesetz, das zunächst Landesantidiskriminierungsgesetz hieß, zwanzig Jahre alt. Es sieht ganz so aus, als ob wir da einiges mehr als den bloßen Jahrestag zu feiern haben.

Endlich wieder ein Frauenthema! Trotz einstimmiger Zustimmung zum Änderungsantrag soll darüber diskutiert werden, um die Öffentlichkeit herzustellen. Leider ist es für dieses wichtige Thema wieder einmal etwas spät. „Frauen, auch in Berlin in Führungsposition – was heißt auch?“ „Mehr Frauen in Führungspositionen“ von SPD und Linke! Es sollte eine Selbstverständlichkeit in einem

rot-roten Senat sein. Es genügt nicht darüber zu reden, sondern hier muss gehandelt werden. Lippenbekenntnisse reichen nicht. Populistische Reden ebenfalls nicht. Zu oft bleibt das große Potenzial und das große Know-how der Frauen ungenutzt. Allgemeine Rahmenbedingungen haben wir zurzeit meines Erachtens theoretisch bereits ausreichend. Wenden Sie, Herr Senator Wolf, die Bedingungen einfach an! Seit Jahren reden wir darüber, erinnert sei nur an den Antrag vom 22. Februar 2007 von den Grünen „Frauen in die Aufsichtsräte“. Trotz alledem wird munter weiter mit Männern die Besetzung der Führungspositionen vorgenommen. Wenn ich mir die Wortprotokolle ansehe, sind wir Frauen fraktionsübergreifend einig. Was nutzt uns diese Einigkeit, Männer sind für Männer – Männerfreundschaften? Aber eines hat diese Einigkeit doch bewirkt. Wir haben einen Änderungsantrag in abgeschwächter Fassung von der Koalition vorliegen. Der Spatz auf der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach. Also haben alle Fraktionen diesem Änderungsantrag im Ausschuss zugestimmt. Aber eines können Sie, Herr Wowereit, Herr Wolf, gewiss sein – wir werden weiter für die Rechte der Frauen eintreten. Die ersten Initiativen sollen ja aus der SPD-Fraktion kommen, siehe Wortprotokoll vom 14. Mai 2009, das lässt uns hoffen; zumal Frau Bayram es aufgegeben hat, daran zu glauben. Also, viel Erfolg, Frau Neumann. Was können wir für Frauen tun?

1. Gleichstellung und Gleichberechtigung werden wir ständig einfordern.

2. Wir werden mit Überzeugungskraft und Beharrlichkeit die Durchsetzung der Gleichsetzung auch in den Köpfen der roten Männer verankern.

3. Bei den Frauen müssen wir ebenfalls noch viel Überzeugungsarbeit leisten; denn sie müssen wollen.

Den Frauen muss klargemacht werden, dass eine hohe Qualifikation die Frauen unter anderem vor der „Hausarbeitsfalle“ schützt. Ein hoher Bildungsabschluss verbessert nicht nur die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt, sondern schafft auch finanzielle Unabhängigkeit. Gleichzeitig ist die Politik gefragt, Frauen den Zugang zu besser bezahlten Tätigkeiten und Führungspositionen zu ermöglichen, um einer Diskriminierung entgegenzuwirken.