Protokoll der Sitzung vom 24.09.2009

[Gelächter bei der Linksfraktion – Uwe Doering (Linksfraktion): Darüber reden wir einmal beim nächsten Tagesordnungspunkt!]

Wie ist es denn in der Praxis, Herr Doering? – Das Parlament debattiert über einen Gesetzesentwurf, der dem Parlament noch nicht einmal vorliegt. Die Presseveröffentlichung der Eckpunkte ersetzt nicht eine seriöse Beratung des Gesetzesentwurfs vom Gesetzgeber im Land Berlin, und das ist das Berliner Abgeordnetenhaus.

[Beifall bei der CDU und den Grünen]

Wen wundert es denn, dass viele Leute hinterfragen, ob dieser Gesetzentwurf nun rechtssicher ist? Wir sind da mit unseren Zweifeln nicht alleine.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Ich denke, Sie kennen den Entwurf gar nicht! Woher wissen Sie denn das?]

Auch hier wieder ein Zitat aus dem „Tagesspiegel“:

Es ist... fraglich, ob das Gesetz, das noch beschlossen werden muss, juristisch Bestand hätte.

Eine transparente Rechtsprüfung ist hier absolut unerlässlich. SPD und Linke verhindern das. Hier geht es um Schlagworte, aber nicht um vernünftige Gesetzestexte. Herr Wolf! Ich möchte Sie deswegen noch einmal eindringlich bitten: Es geht nicht nur darum, mögliche Initiativen zu vermarkten, sondern es geht vor allen Dingen darum – wenn am Montag die Koalition diese Aktuelle Stunde beantragt, am Dienstag der Senat dieses Gesetz als Vorlage beschließt –, diesen Entwurf und die Rechtsgutachten, die Sie eingeholt haben, diesem Parlament vorzulegen. Wir wollen wissen, wie weit Anspruch und Wirklichkeit bei Ihnen ein weiteres Mal auseinanderklaffen. Deswegen: Geben Sie dem Gesetzgeber, geben Sie uns diesen Gesetzesentwurf!

[Zurufe von der Linksfraktion]

Dann schauen wir uns einmal den dringlichen Entschließungsantrag von SPD und Linken an: Das Abgeordnetenhaus soll darin das Vergaberecht „begrüßen“, das es gar nicht kennt. Der nicht vorliegende Gesetzesentwurf soll bewertet werden. Im Beschlusstext wird die Regelung als „EU-rechtskonform“ bezeichnet, obgleich die Prüfung verwehrt wird. Schließlich soll eine Bundesratsinitiative nach dem Vorbild des Berliner Vergabegesetzes gestartet werden. Wenn sich das Abgeordnetenhaus als Gesetzgeber halbwegs ernst nimmt, dann müssen wir gemeinschaftlich die Vorlage des Gesetzes einfordern und die Entschließung ablehnen. Ansonsten führen wir uns selbst ad absurdum. Das ist dann eine Missachtung des Parlaments.

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Aber große Ankündigungen bei der Vergabepolitik sind ja nicht neu. Im Jahr 2007 hat der Senat angekündigt, das bestehende Vergabegesetz für das Land Berlin zu novellieren. – Herr Wolf! Sie haben damals ein Positionspapier mit zehn konkreten Maßnahmen erarbeitet und veröffentlicht, die der mittelständischen Wirtschaft helfen sollten. In das Gesetz hat es damals nur die Einleitung Ihres Papiers geschafft. Wie heute drängte auch damals die Zeit.

Noch vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs wollten Sie den Mindestlohn ins Gesetz bringen, wohl wissend, dass das kurz danach erwartete Urteil es wieder aufheben könnte. Am 31. März 2008 hat die Koalition die Neufassung des Vergabegesetzes beschlossen. Schon am 3. April ist es durch Entscheid des Europäischen Gerichtshofs wieder hinfällig geworden. Drei Tage hat das Vergabegesetz gehalten – so gering war die Halbwertzeit der rot-roten Regierungspolitik noch nie.

[Beifall bei der CDU]

Die zeitliche Nähe von Gesetzesbeschluss und EuGHUrteil im letzten Jahr ist genauso wenig Zufall wie heute. Sie haben das Vergabegesetz anderthalb Jahre nicht eingebracht und heute den Gesetzestext geheimgehalten. Beides ist Teil Ihrer Kampagne, und das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Diesen Sand in die Augen der Wählerinnen und Wähler werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter Melzer! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Buchholz?

[Uwe Doering (Linksfraktion): Da müsste er sich ja bekennen!]

Ich bekenne mich, da haben Sie mal keine Sorge! – Aber dann frage ich Sie doch einmal, Herr Doering: Wer Vorreiter sein will, muss auch Vorbild sein. Sie kennen doch die Stundenlöhne, die die landeseigene BIM bei Wachschutzunternehmen gezahlt hat: 5,25 Euro.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Sie kennen die Aussagen der Charité Facility Management GmbH, dass senatsseitig Druck gemacht worden sei, niedrigere Stundenlöhne zu verhandeln. Und es war dieser Senat, der Feuerwehrleuten pro Überstunde nur 2,86 gezahlt hat.

[Martina Michels (Linksfraktion): Den Unterschied zwischen Zulage und Stundenlohn kennen Sie wohl nicht!]

Das ändert auch kein Vergabegesetz. Sie haben 2,86 Euro Dumpinglohn gezahlt. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Wir bleiben bei unserer Position beim Vergabegesetz. Wir wollen ein rechtssicheres und mittelstandsfreundliches Vergabegesetz, das auch Lohndumping verhindert.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Wie hoch soll denn der Mindestlohn sein?]

Dafür müssen zwei Wirkungsfelder berücksichtigt werden: Beschäftigung und Wirtschaftswachstum. Solange diese beiden Wirkungsfelder nicht bei Ihnen im Antrag und im Gesetzestext stehen, ist das für uns nicht zustimmungsfähig.

Wir haben parlamentarische Initiativen eingebracht. Die Koalition hat die Behandlung dieser CDU-Anträge im Wirtschaftsausschuss, als es um die mittelstandsfreundliche Auftragsvergabe ging, schlichtweg abgelehnt. Sie hat nicht etwa den Antrag abgelehnt, sondern schon die Behandlung. Vergabe in Fach- und Teillose aufteilen, an den Kapazitäten von klein- und mittelständischen Unternehmen orientieren, Entbürokratisierung, einheitliche Eintragung in Bieterlisten, Heraufsetzung der Wertgrenzen, Änderung der LHO, Transparenz bei der Auftragsvergabe und so weiter und so fort. – Herr Wolf! Das haben Sie in Ihrem 10-Punkte-Papier auch einmal eingefordert. Wir haben es hier ins Parlament eingebracht, aber diese Koalition war noch nicht einmal dazu in der Lage, darüber zu reden. Vergabegesetz ist mehr als ein Lohngesetz – auch darüber muss gesprochen werden.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Lassen Sie mich noch etwas zur Kontrolle Ihres Gesetzes sagen – man weiß ja nicht genau, ob diese Kontrolle bei Ihnen auch im Gesetzestext steht. Zumindest die IHK sagt: Die geplanten gesetzlichen Vorgaben werden schon deshalb wirkungslos bleiben, weil die Vergabestellen der Überprüfung der Anforderungen personell und qualitativ nicht gewachsen sind.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Woher kennen die denn den Entwurf? Ich denke, er ist nicht bekannt!]

Und Verdi sagt: „Das Gesetz ist eine stumpfe Klinge, schwach und schwammig formuliert.“ Meine Damen und Herren von der Koalition! Sie sollten wirklich noch einmal überlegen, inwieweit Sie das hier wirklich als Ihre Position aufrechterhalten wollen.

[Beifall bei der CDU]

Lassen Sie mich, weil es so häufig hereingerufen wurde, noch etwas zu den Löhnen sagen. Da haben wir als Union eine ganz klare Haltung: Wer arbeitet, muss mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet – das ist der erste Grundsatz, das können sich die Koalitionäre einmal aufschreiben.

[Beifall bei der CDU – Zurufe von der Linksfraktion]

Zweitens. Wer Vollzeit arbeitet, soll und muss von seinem Einkommen leben können.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Deshalb bleibt es richtig: Sozial ist, was Arbeit schafft. Wir wollen die Tarifautonomie als Garanten für Standortstabilität. Die Lohnfindung darf nicht verstaatlicht werden, sondern muss Aufgabe der Tarifpartner bleiben. Frau Knake-Werner hat vorhin in der Fragestunde das Entsendegesetz als gute Möglichkeit bezeichnet. Wir werden die Lohnsicherheit über das Arbeitnehmerentsendegesetz weiter gewährleisten. Mit dem Mindestarbeitsbedin

gungsgesetz werden wir dort eingreifen, wo keine Tarifbindung vorhanden ist.

Und, meine Damen und Herren! Das war in dieser Koalition im Bund mit der SPD nicht möglich: Wo keine Tarifbindung vorhanden ist, wollen wir um Lohndumping zu verhindern, das Verbot sittenwidriger Löhne per Gesetz ganz konkret und klar.

[Gelächter bei der SPD – Daniel Buchholz (SPD): Aber keinen Mindestlohn! Lächerlich!]

Das alles muss allerdings auf Bundesebene geklärt werden.

[Martina Michels (Linksfraktion): Ja, ja! – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Eiertänzer! – Uwe Doering (Linksfraktion): Und das dann mit der FDP!]

Der eine oder andere Kollege wird im nächsten Deutschen Bundestag daran beteiligt sein.

[Zurufe]

Herr Stroedter! Ich freue mich darauf, gemeinsam mit Ihnen im Abgeordnetenhaus das Vergabegesetz neu zu regeln.

Herr Melzer! Ihre Redezeit ist beendet. Bitte kommen Sie zum Schluss!

Ich komme zum Schluss. – Denn ich glaube, hier gilt der gute alte Satz: Kein Gesetz kommt so raus, wie es hier reingekommen ist. Berlin braucht ein rechtssicheres mittelstandsfreudiges Vergabegesetz.

Herr Melzer! Sie müssen jetzt zum Schluss kommen!

Dazu ist es aber noch ein weiter Weg. – Herzlichen Dank!