Vielen Dank, Herr Abgeordneter Melzer! – Für die SPDFraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Jahnke das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir reden heute über das Vergaberecht in Berlin. Wie Herr Melzer richtig sagte, ist ein Vergabegesetz mehr
Erstens: Das Land Berlin und seine Beteiligungsunternehmen vergeben Aufträge nicht als Selbstzweck, sondern um Güter und Dienstleistungen zu erlangen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben im öffentlichen Interesse benötigen.
Zweitens: Hierbei generiert die öffentliche Hand ein Beschaffungsvolumen von etwa 5 Milliarden Euro jährlich, das einen bedeutsamen Wirtschaftsfaktor für die Region darstellt.
Drittens: Es liegt im Interesse unserer Wirtschaftspolitik, dass insbesondere mittelständische Unternehmen in Berlin, die für die Zahl der Arbeits- und Ausbildungsplätze entscheidend sind, auch von diesem Beschaffungsvolumen profitieren.
Viertens: Die öffentliche Hand hat bei der Auftragsvergabe eine Vorbildfunktion und kann ihr Gewicht in die Waagschale werfen, um sozialen und ökologischen Kriterien bei der Auftragsvergabe einen Stellenwert zuzuweisen,
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Uwe Doering (Linksfraktion): Ich hoffe, Herr Melzer hat zugehört!]
Es liegt beispielsweise im öffentlichen Interesse, wenn Betriebe, die Ausbildungsplätze schaffen, bei der Auftragsvergabe bevorzugt werden, oder wenn Produkte, die unter menschenunwürdigen oder umweltzerstörenden Bedingungen produziert wurden, nicht durch die öffentliche Hand beschafft werden.
Liegt hier ein Zielkonflikt zu der mittelstandsfreundlichen Vergabe, die ich gerade nannte? – Dies ist nicht zwangsläufig so. Es ist keineswegs per se mittelstandsfeindlich, es kommt bei der Ausführung des Vergabegesetzes auf Richtlinien an, die praktikabel sind und für kleine und mittlere Unternehmen keine riesigen bürokratischen Hürden errichten.
Wenn dies aber so ist, dann können mittelständische Unternehmen davon profitieren. Sie stellen überdurchschnittlich viele Ausbildungsplätze zur Verfügung. Sie kaufen in aller Regel nicht Produkte ein, die beispielsweise in ausbeuterischer Kinderarbeit produziert wurden. Und sie profitieren auch von einer tarifgerechten Bezahlung und einem Mindestlohn. Das hat sich übrigens auch in unserer Anhörung im Wirtschaftsausschuss vor einigen Jahren ergeben, als die Handwerkskammer nämlich durchaus für die Tariftreueregelung und für den Mindestlohn war.
Denn mittelständische Unternehmen müssen auch vor ruinösem Wettbewerb durch Dumpinglöhne geschützt werden.
Damit sind wir beim Kernthema dieser Gesetzesnovelle: beim Mindestlohn. Wer Vollzeit arbeitet, muss von dem dafür gezahlten Lohn auch leben können und nicht auf zusätzliche Hartz-IV-Leistungen angewiesen sein wie Millionen Menschen in unserem Land leider heutzutage. Dies ist eine zentrale SPD-Forderung. Herrn Liebichs Erwägungen, wie die SPD nun dahin gekommen sei oder mit welchen Mehrheiten dies dann durchgesetzt werde,
lasse ich dahingestellt. Sie haben teilweise auch Forderungen wie 10 Euro Mindestlohn und Ähnliches,
Die SPD-Forderung nach flächendeckendem Mindestlohn von 7,50 Euro über alle Branchen steht jedenfalls nicht im Widerspruch zur EU-Entsenderichtlinie, sondern wird in mehr als 20 EU-Staaten praktiziert.
Aber mit der Union im Bund war das nicht zu machen. Die Union malt Gefahren an die Wand, die in anderen Ländern längst entkräftet wurden. Es werden keine Arbeitsplätze durch den Mindestlohn vernichtet. In Großbritannien sind im Gegenteil sogar neue Arbeitsplätze entstanden. Aber Union und FDP zeigen sich als Interessenwahrer einer bestimmten Klientel. Wir werden heute noch über die schwarz-gelben Steuerpläne reden, an denen man vieles deutlich sehen kann.
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Gelächter von Dr. Martin Lindner (FDP) – Uwe Doering (Linksfraktion): Genau, den Finger in die Wunde legen!]
Der einzige Grund, für eine Verlängerung der Restlaufzeiten zu plädieren, ist doch, noch einmal ordentlich mit abgeschriebenen Kernkraftwerken Geld zu verdienen, also fordern es Union und FDP.
Oder nehmen wir die schwarz-gelbe Gesundheitspolitik. Sie steht nicht im Dienste der Patienten und eines flächendeckend guten Gesundheitswesen, sondern ist Klientelpolitik.
Nicht umsonst ging vor wenigen Wochen die Meldung durch die Zeitungen, dass fast zwei Drittel der niedergelassenen Ärzte und Apotheker FDP wählen würden. Das ist weit über dem Durchschnitt der Bevölkerung. Ich gehe aber davon aus, dass auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land ihre Interessen gut genug kennen, um den schwarz-gelben Vertreten eines Klassenkampfes von oben am Sonntag eine Absage zu erteilen.
Unter einer SPD-geführten Regierung würde der Mindestlohn branchenübergreifend. Für die Aufträge des Landes Berlin und seiner Beteiligungsunternehmen wird er schon demnächst gesetzliche Realität.
Entschuldigen, Herr Abgeordneter Jahnke! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Stadtkewitz?
Herr Kollege! Steht das wirklich alles im Vergabegesetz? Wir kennen es ja nun nicht, aber steht da wirklich etwas über die Gesundheitsreform, Wahlprognose oder etwas von Atomlobby?
Ich will auf eine Pressemeldung, die uns gestern erreicht hat, zurückkommen. Und Herr Melzer, der sie losließ, hat heute einiges davon zum besten gegeben. Es ist eine erstaunlich niveaulose Pressemeldung gewesen, wo er den langen Werdegang dieses neuen Vergabegesetzes kritisiert. Er meinte, wir wollten es liegenlassen, uns an das Thema nicht heranwagen, nun wollten wir einen „Marketing-Gag“ damit starten. – Das ist doch hanebüchner Unsinn! Es ist ja nicht unser Gesetz vor dem Europäischen Gerichtshof gescheitert, sondern dort ist erst einmal das niedersächsische Vergabegesetz gescheitert. Niedersachsen ist meines Wissens nicht rot-rot regiert.
Die Folgerungen, die der europäische Gerichtshof daraus zog, war keineswegs, dass er irgendein Wort über die Zulässigkeit von Mindestlöhnen gesagt hat. Er hat lediglich darüber gesprochen, dass man nur regional geltende Tarifregelungen dort nicht hineinschreiben darf. Das war
die Interpretation. Das Bundesverfassungsgerichts hat übrigens zwei Jahre zuvor, im Jahr 2006, unser altes Vergaberecht, das auch die Tarifverträge erwähnte, durchaus mit der Verfassung vereinbar erklärt, aber gut.
Wir waren jetzt genötigt, ein Vergabegesetz zu machen, in dem auch die europäischen Richtlinien berücksichtigt werden. Dieses Gesetz kommt jetzt in die parlamentarische Beratung. Wir werden es auch ausgiebig beraten. Sicher mag auch der Hinweis richtig sein, dass kein Gesetz so rauskommt, wie es reingeht. Aber wir als Koalition legen hier in dem heute vorliegenden Entschließungsantrag schon einmal Kernpunkte vor, die unseres Erachtens in der parlamentarischen Beratung – und für uns – eine entscheidende Rolle spielen werden: sozial- und umweltbezogene Mindeststandards, Berücksichtigung von Ausbildungsquote und Aspekte der Frauenförderung und eben auch der Mindestlohn von 7,50 Euro für alle Branchen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit und empfehle den Antrag zur Annahme.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jahnke! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Abgeordnete Paus das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt eine klare und unumstößliche Gemeinsamkeit zwischen dieser linken Seite des Hauses, und etwas, das sie fundamental unterscheidet von der anderen Seite des Hauses, von Schwarz-Gelb: das ist der Einsatz für soziale Rechte, für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland.
So weit so klar, die Begründung für die Aktuelle Stunde zu diesem Thema, zu diesem Termin drei Tage vor der Bundestagswahl. Schade nur, meine Damen und Herren von der SPD und der Linkspartei, dass Sie dieser unserer gemeinsamen Sache einen Bärendienst erweisen. Glaubwürdige Politik sieht wirklich anders aus.