Protokoll der Sitzung vom 12.11.2009

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat Frau Demirbüken-Wegner. – Meine Damen und Herren! Ich

Präsident Walter Momper

bitte Sie, etwa erforderliche Gespräche draußen zu führen und nicht die Diskussion hier zu stören. Vielen Dank!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lange, viel zu lange hat es gedauert, bis sich der Senat um die berechtigten Forderungen der Kinder und Eltern nach mehr Bildungsqualität in den vorschulischen Einrichtungen kümmert.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Mirco Dragowski (FDP)]

Die Kindertageseinrichtungen als Sparschwein zu benutzen – dazu stehe ich –, war in der Vergangenheit bei Ihnen in der Koalition doch angesagt. Wir erinnern uns an die drastischen Beitragserhöhung für die Kitabetreuung, die Kappung des Kitaleiterschlüssels oder die Abkehr vom Teilzeitmodul ohne Bedarfsprüfung. Oder haben Sie das alles schon vergessen? Haben Sie nicht seit Jahren die Forderungen der Eltern ignoriert, die Anträge der Opposition niedergestimmt? Doch alle Versuche, die Betroffenen mit schönen Sonntagsreden und Zukunftsvisionen zu beschwichtigen, haben nichts genützt. Selbst ein Basta an die Initiatoren des Volksbegehrens Kita hat Ihnen nichts genützt. Demokratie ist eben mehr als nur parlamentarische Mehrheit zur Machtübung. Die Gewaltenteilung in der Demokratie konnten Sie eben nicht aushebeln. Das mussten wir auch heute vor Kurzem erleben.

[Beifall bei der CDU]

Ich hoffe, Sie sind auf dem besten Weg in der Koalition.

Allerdings sollte man nach den vielen schönen Worten meiner Vorrednerin fast geneigt sein, an eine echte Bekehrung zu glauben. Die berechtigten Forderungen der Eltern nach Qualität, guter Betreuung und Erziehung werden nunmehr alle erfüllt, wenn auch vorerst nur in Schritten, sehr kleinen Schritten und Stufen, so sollen sie doch umgesetzt werden. Die Gesetzesvorlage nimmt tatsächlich einen Großteil der Forderungen zur Verbesserung der pädagogischen Qualität in den Kindertageseinrichtungen auf. Doch bei genauer Durchsicht, Frau Kollegin Scheeres, gibt es da in den Paragrafen neben den Änderungsvorschlägen und im Sinn des Kita-Volksbegehrens die Übergangsregelung und die Inkrafttretungsparagrafen, die eine unmittelbare Umsetzung blockieren, ja, teilweise eine Verzögerung der gesetzlichen Ansprüche bis ins Jahr 2013 bewirken.

Hinzu kommt die Neubewertung des Leistungsumfangs in der Kindertagesförderungsverordnung. Es ist bereits aus der Stellungnahme des Senats zur Anerkennung des Volksbegehrens erkennbar, dass zwar die Forderungen der Eltern anerkannt werden, aber dennoch die alten Argumente zur Abschwächung dieser Ansprüche, die Umsetzungsvorschläge auf den niedrigsten Niveau gehalten werden. Die gerade mühsam erstrittenen Verbesserungen für die Personalausstattung, so wie sie im Gesetz beschrieben werden, werden durch die Formulierung in § 6 Nr. 6 zum § 12 Abs. 2 der Verordnung zum Kindertages

förderungsgesetz wieder einkassiert. Schauen Sie genau hin! Mehr Bildungszeit für die Kinder zur Umsetzung der Qualität, Elemente des Bildungsprogramms wie das KitaVolksbegehren fordert, werden durch die neue Formulierung in § 12 Kindertagesförderungsverordnung ins Gegenteil verkehrt. Was für zeitliche Vorteile erhalten denn die Erzieherinnen denn wirklich durch Ihre kunstchirurgischen Änderungen in der Anzahl der zu betreuenden Kinder pro Fachkraft, wenn Sie dann hier festschreiben, dass der pädagogische Mehrbedarf auf dem bisher vorgesehenen Fachkräfteschlüssel zu errechnen ist?

Übrigens, Herr Senator, haben Sie die unterbrochenen Verhandlungen zur Umsetzung der Qualitätsvereinbarung mit den Trägern schon wieder aufgenommen? Wir hoffen ja. Was haben Sie denn zu diesen Vorhaben und Vorgaben gesagt? Wenn wir heute auch nichts dazu hören sollten, haben wir ja am nächsten Donnerstag im Ausschuss eine Anhörung. Da werden wir sicherlich auch hierzu um Ihre Einschätzung bitten.

[Beifall von Florian Graf (CDU)]

Wir werden im Ausschuss noch viel über die anderen Unklarheiten der Gesetzesvorlage reden können, auch über das, was für eine pädagogische wichtige Zusammenarbeit zwischen Kita und Grundschule noch geregelt werden muss und ebenfalls in dieses Artikelgesetz aufgenommen werden sollte. Denn zur Verbesserung der Sprachförderung kann einfach nicht genügen, 24 pädagogische Fachkräfte in der Zusammenarbeit zwischen Kitas und Grundschulen einzusetzen, wie es in Ihrer letzten Mitteilung steht.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Frau Demirbüken-Wegner! – Das Wort für die Linksfraktion hat Frau Dr. Barth.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag für Berlin.

[Demonstrativer Beifall bei den Grünen und der FDP]

Der Senat hat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, in dem die rechtlichen Grundlagen für einen Stufenplan für pädagogische Verbesserungen in den Kindertagesstätten bis 2013 gelegt werden sollen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Genau!]

Dieser Stufenplan beinhaltet die Erweiterung des Rechtsanspruchs auf vorschulische Förderung, die Fortführung der Beitragsfreiheit, die Verbesserung des Personalschlüssels und eine verbesserte Leitungsfreistellung.

Ich möchte mich ebenfalls ganz herzlich bei allen Beteiligten bedanken, die es mit ihrer Beharrlichkeit, ihrer

Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns

Konsequenz und mit ihrer Kompromissfähigkeit möglich gemacht haben, dass das heute hier für uns als wertvolles Ergebnis auf dem Tisch liegt.

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den Grünen]

Ich will auch nicht verheimlichen, dass der Druck und die Konsequenz der Eltern uns dabei sehr geholfen haben. Auch ihnen sei an dieser Stelle gedankt. – Das Anliegen rechtfertigt die Dringlichkeit. Und ich kann im Namen der Linksfraktion zusichern, dass wir uns auch für eine zügige parlamentarische Beschlussfassung einsetzen werden.

Wir haben in den vergangenen Monaten mehrfach zu diesem Thema Argumente über unsere Positionen ausgetauscht. Daher ist es uns mit diesem Gesetzentwurf, der vorgesehenen schrittweisen Erweiterung des Rechtsanspruchs auf einen Teilzeitplatz, besonders wichtig. Es war in diesem Haus bisher gemeinsame Position, dass die vorschulische Förderung für alle Kinder gut und richtig ist, sowohl für ihre individuelle Persönlichkeitsentwicklung als auch in Vorbereitung auf ihren Schulbesuch. Umso erstaunter bin ich, dass der Besuch einer Kita für die neue Koalition auf Bundesebene offenbar nur die zweitbeste Lösung ist. Mit der Absicht, ab 2013 ein Betreuungsgeld – oder man könnte auch sagen: die Herdprämie – einzuführen, werden alle Bemühungen ad absurdum geführt, die vorschulische Förderung zum Regelangebot für Vorschulkinder zu entwickeln. Ich teile ausdrücklich nicht die pauschale Meinung, dass das Betreuungsgeld nur in Alkohol und Flachbildschirme investiert werden würde,

[Beifall bei der Linksfraktion]

doch in Familien, in denen das Geld knapp ist – und davon gibt es viele in Berlin –, könnte die Versuchung groß sein, das Geld für die Aufbesserung des Familienetats einzusetzen und dafür auf den Kitabesuch zu verzichten. Das wäre verheerend. Damit würden wir gerade jene Kinder verlieren, die wir ausdrücklich in die Kita einladen möchten, die aufgrund ihrer oft schwierigen Lebensumstände ein Umfeld benötigen, das Benachteiligungen abbaut, individuell die Kinder fördert und die ganze Familie damit erreichen und einbeziehen kann.

Meine Damen und Herren von der CDU und der FDP! Setzen Sie sich im Interesse der Kinder dafür ein, dass diese Entscheidung mit der Herdprämie zurückgenommen wird!

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Dieses Geld sollte lieber in den Ausbau der vorschulischen Bildungsangebote investiert werden. Damit möchte ich zu einer Anmerkung im Hinblick auf das Geld kommen. Ich bin froh und dankbar, dass es ressortübergreifend gelungen ist, eine Finanzierung für das Gesetzesvorhaben zu finden. Ich will ausdrücklich auch noch einmal mit großer Genugtuung feststellen, dass alle Vorschläge der Opposition, die Beitragsfreiheit gegen die pädagogische Qualität aufzurechnen, abgewiesen wurden. Und das

ist gut und richtig so. Das Land erhöht damit noch einmal die Ausgaben für diesen wichtigen Bereich. Ich betone an dieser Stelle, dass es sich hier um eine Gewährleistungsverpflichtung des Landes handelt.

Vielleicht noch ein Wort an Sie, Frau DemirbükenWegner: Ich habe es nicht anders erwartet, Sie haben das bewusste Haar in der Suppe gesucht und gefunden.

[Emine Demirbüken-Wegner (CDU): Ja!]

Ich hätte erwartet, Sie hätten auch mal ein gutes Wort dafür übrig gehabt. Das hätte sicherlich allen geholfen.

Seitens der Linksfraktion ist es politisch gewollt, dass wir uns weiter für Verbesserungen einsetzen werden. Ich kann auch noch ein Wort zum Finanzsenator sagen, bevor ich ganz und gar aufhöre. Wenn wir die Bedingungen in der vorschulischen Bildung im Kindergarten so gut verbessern, dann würde ich mir wünschen, dass das auch nahtlos für die Schule übernommen wird. Die Kinder, die dann in der ersten Klasse oder in der flexiblen Schulanfangsphase sind, sollen die gleiche Unterstützung erhalten, wie die Kinder es im Kitabereich bekommen. Wenn wir uns dafür einsetzen, dann tun wir für die Kinder in der Stadt Berlin sehr viel. Ich bin jedenfalls sehr froh darüber, dass wir so viel erreicht haben.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Demirbüken-Wegner.

Frau Dr. Barth! Ich finde es schon sehr bemerkenswert, wie Sie sich die Entwicklung zurechtrücken und sich bei allen bedanken, insbesondere bei den Eltern, die Druck ausgeübt haben. Haben Sie vergessen, dass Sie die Stimmen der Eltern, Erzieherinnen und Erzieher und der Lehrvertreter monatelang nicht gehört, die drei Affen gespielt und alles ignoriert haben und der Senat sogar eine Summe von 212 Millionen Euro in die Welt gesetzt hat, dass das nicht zu finanzieren wäre und letztendlich mit 84 Millionen auf einmal sagt, das ist doch alles möglich? Erst der Rechtsstaat hat Sie am 6. Oktober, dem berühmten roten Tag für Sie, rechtlich in die Knie gezwungen, jetzt das zu machen, was Sie machen mussten. Insofern tun Sie bitte nicht so, als ob Sie den Druck der Eltern freigegeben hätten. Wir haben das alles dem 6. Oktober und dem Berliner Verfassungsgericht zu danken und nicht Ihnen.

[Beifall bei der CDU und den Grünen – Beifall von Sebastian Czaja (FDP)]

Zur Erwiderung Frau Dr. Barth!

Dr. Margrit Barth

Frau Demirbüken-Wegner! Es wundert mich auch nicht, dass Sie so erregt darüber sprechen. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die Eltern schon ein Recht haben, dass wir uns auch bei ihnen bedanken. Ich verstehe Ihre Aufregung gar nicht. Bis jetzt habe ich von Ihnen kein einziges gutes Wort zu diesem Stufenprogramm gehört.

[Beifall von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion) – Emine Demirbüken-Wegner (CDU): Weil Sie nicht zuhören!]

Ich glaube, das hätte Ihnen genauso gut gestanden, denn Sie haben den Eltern in der Vergangenheit genügend versprochen. Sie wussten genau, dass Sie es auch nicht finanzieren können.

[Sebastian Czaja (FDP): Ihr Stufenprogramm ist auch nicht zu finanzieren!]

Dieses Stufenprogramm, das jetzt bis 2013 in Angriff genommen worden ist, ist ein gutes Programm. Dieses Programm ist auch finanzierbar. Was kann es Besseres geben, wenn der Senat gemeinsam mit Eltern und mit der Politik darüber nachdenkt, wie wir dieses Ziel umsetzen können?

[Emine Demirbüken-Wegner (CDU): Mit dem 6. Oktober! Sonst wäre nichts passiert!]

Wir werden mal sehen, was im Jahr 2012 passieren wird. Setzen Sie sich auf Bundesebene dafür ein, dass wir noch das andere Geld dazubekommen! Dann können wir die Kinder in Berlin in unseren Kindertagesstätten noch besser fördern.