Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Es ist von meinen Vorrednerinnen schon angesprochen worden, dass wir auch in diesem Haushalt deutliche Akzente haben setzen können: durch die Stabilisierung der Fraueninfrastruktur, durch die neue Ausrichtung der Fraueninfrastruktur auf die Schwerpunkte des Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms, durch die finanzielle Verbesserung.

Deshalb bin ich der Überzeugung, dass dieser Haushalt ein Haushalt ist, mit dem wir die notwendigen Maßnahmen zur Stabilisierung gegen die Krise ergreifen können, über Innovation, über Industriepolitik neue Akzente für künftiges Wachstum setzen zu können, und in dem wichtige Grundlagen für Gleichstellungspolitik und die Stärkung der Fraueninfrastruktur gesetzt worden sind. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Herr Senator! – Das Wort für die SPDFraktion hat der Kollege Jahnke.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu sehr später Stunde kommen wir nun also zu dem Teil des Haushalts, der sich am unmittelbarsten auf die Berliner Wirtschaft einschließlich der öffentlichen Unternehmen und damit auch auf die Arbeitsplatzsituation in Berlin auswirkt. Die gerade in der aktuellen „Wirtschaftswoche“ veröffentlichte Untersuchung der Wachstumspotenziale aller Bundesländer zeigt eines deutlich: Berlin schneidet stets dann schlecht ab, wenn es um Bestandsgrößen geht wie die Arbeitslosenquoten, um das absolute BIP pro Einwohner. Doch ist das Bild ein gänzlich anderes, wenn Veränderungsgrößen, wenn Entwicklungspotenziale, Dynamik, Innovationsfähigkeit verglichen werden. Das bedeutet: Berlin kann selbstverständlich nicht von heute auf morgen hinsichtlich der ökonomischen Rahmendaten mit Hamburg oder süddeutschen Flächenländern gleichziehen. Hierfür war die Ausgangssituation nach 40 Jahren Teilung einfach zu unterschiedlich, aber die Schere beginnt, sich zu schließen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Die Arbeitslosenquote in Berlin liegt heute um fast sechs Prozentpunkte niedriger als noch vor vier Jahren, und das Wirtschaftswachstum liegt jetzt oberhalb des Bundesdurchschnitts. Es muss uns allen hier im Haus doch gleichermaßen wichtig sein, dass Berlin ökonomisch vorankommt, egal ob man Mitglied einer Regierungs- oder einer Oppositionsfraktion ist.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es kann doch einfach nicht wahr sein, dass ein für Berlin verantwortlich zeichnender Politiker wie Herr Henkel vorhin in seiner Rede genussvoll den Begriff „Hauptstadt der Armut“ in den Saal wirft, nur weil er glaubt, hierfür den Senat verantwortlich machen zu können.

[Zuruf von Andreas Gram (CDU)]

Das ist wirklich billige Stimmungsmache auf Kosten der Berlinerinnen und Berliner und ihrer Stadt.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Mit dem heute zur Verabschiedung vorliegenden Doppelhaushalt 2010/2011 setzt die rot-rote Koalition auf die Förderung der Wirtschaft in der gesamten Breite des Förderspektrums, was sich im Einzelplan 13 auch deutlich niederschlägt. Bei einem Volumen von 597 Millionen Euro im Jahr 2010, 560 Millionen Euro im Jahr 2011 kommen jeweils mehr als 250 Millionen Euro direkt den Berliner Unternehmen zugute.

Eine Förderung nach dem Gießkannenprinzip können wir uns nicht leisten. Sie wäre auch ineffektiv. Wichtiger ist

Bürgermeister Harald Wolf

es daher, eine Konzentration der knappen Fördermittel auf Kompetenzfelder vorzunehmen, Stichwort: Stärken stärken. – Mehr als zwei Drittel der Fördersumme fallen auf diese sechs definierten Kompetenzfelder, in denen ein überdurchschnittliches Wachstum zu verzeichnen ist, zum Beispiel im Bereich der optischen Technologien, der Bio- und Pharmaunternehmen oder bei erneuerbaren Energien. Ökologische Industriepolitik ist keine Fiktion und schon gar nicht eine „grüne Planwirtschaft“, wie es der FDPFraktionsvorsitzende Meyer unlängst in einem besonders unqualifizierten Zeitungsbeitrag mutmaßte, sondern hier liegen die größten Chancen Berlins in einem wahrhaft zukunftsträchtigen Bereich.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von der FDP]

Durch unsere landeseigene Förderbank IBB werden insbesondere auch kleine, aber wachstumsträchtige Unternehmen gefördert, die Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen und den Humus einer neuen, modernen industriellen Basis Berlins bilden.

Der Einzelplan 13 ist des Weiteren durch Zuwendungen an Unternehmen mit öffentlicher Beteiligung geprägt. Ein hervorragender öffentlicher Personennahverkehr, um den uns andere Städte in der Welt beneiden, ist nicht zum Nulltarif zu haben. Gerade dieses Jahr hat uns anhand der S-Bahn deutlich vor Augen geführt, wie leicht ein Sparen an der falschen Stelle zu katastrophalen Folgen führen kann. Wir konnten uns glücklich schätzen, mit der BVG wenigstens ein leistungsfähiges Nahverkehrsunternehmen in Landeshand zu besitzen, wodurch zumindest ein Teil der Ausfälle bei der S-Bahn zu kompensieren war. Die Privatisierungsfantasien von FDP und Grünen im Bereich der Daseinsvorsorge konnten kaum eindrucksvoller ad absurdum geführt werden.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

In der Tat denken wir in bestimmten Bereichen über Rekommunalisierung nach. Unser Fraktionsvorsitzender hat hierzu vorhin das Nötige ausgeführt.

[Kai Gersch (FDP): Da müssen Sie ja nichts mehr sagen!]

Der Ersatz von Ausgaben der Messe GmbH ist ein häufiger Punkt der Kritik. Ich bin auch der Meinung, dass man hier genau hinschauen muss, aber wer immer nur nach der Höhe dieses Zuschusses für die Messe fragt, wie es zum Beispiel die grünen Haushälter gern tun, dem sei gesagt: Das Messe- und Kongressgeschäft ist ein bedeutender Faktor der Wirtschaftsförderung. Die Umwegrentabilität für Berlin beträgt ein Vielfaches dieses Zuschusses, schlägt sich direkt in Arbeitsplätzen im Hotel- und Gaststättengewerbe, in anderen mittelständischen Unternehmen und auch in den Steuereinnahmen des Landes Berlin nieder.

Es kommt nun vor allen Dingen darauf an, das Internationale Congress Centrum zu vertretbaren Kosten zu sanieren. Die Stadtentwicklungssenatorin hat der Messe GmbH

hierzu Vorschläge unterbreitet. Wir warten auf ein realistisches Bedarfsprogramm.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das ICC ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Berliner Kongresslandschaft und muss daher bei laufendem Betrieb saniert werden, was kein einfaches Unterfangen sein wird, aber ein notwendiges.

Abschließend möchte ich darauf aufmerksam machen, dass es mitunter auch kleine Haushaltspositionen sind, die eine nicht unerhebliche Rolle für Berlin als internationalen Wirtschaftsstandort spielen. Beispielhaft möchte ich hier den Titel Entwicklungszusammenarbeit nennen, wofür wir im Wirtschaftsausschuss eine Erhöhung des Ansatzes für die Projektarbeit um eine Viertelmillion Euro beschlossen und innerhalb des Einzelplans gegenfinanziert haben. Der Hauptausschuss ist diesem Votum gefolgt, und im hier zu beschließendem Haushalt ist diese für die internationale Kooperation Berlins wichtige Aufstockung enthalten.

Der Einzelplan 13 stellt insgesamt eine sehr gute Grundlage für die beiden kommenden Jahre im Bereich Wirtschaft, Technologie und Frauen dar. Ich bitte um Ihre Zustimmung!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Melzer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eher zufällig ist der Wirtschaftsbereich der letzte Einzelplan hier in den Haushaltsberatungen, aber das ist ein Stück weit symbolisch. Wirtschaft kommt bei Rot-Rot nun einmal an letzter Stelle.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von der FDP: Genau!]

In der Wowereit-Rede vorhin: kein Wort zur Schwerpunktsetzung für mehr Arbeitsplätze, keine Fokussierung auf die Berliner mittelständische Wirtschaft und keine Idee, wie das Leitmotiv für Berlin aussehen könnte. Herr Wolf! Von Ihnen haben wir dazu auch nichts Neues gehört. Gähnende Leere, Vakuum im Weltall ist inhaltsreicher als die rot-rote Wirtschaftspolitik.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Dabei hätte Berlin mehr als jedes andere Bundesland mehr Wachstum und Beschäftigung nötig. Die OECD beschäftigt sich damit und beschert uns katastrophale Werte: schlechteste Region von 284 Regionen in 27 Ländern. Im Dezember-Niveau-Ranking der Initiative „Neue soziale Marktwirtschaft“ kommen wir zu folgendem Ergebnis: Bei Investitionen, Schulden, Arbeitsplatzversorgung, Kriminalität, Insolvenzen, Ausbildungsstellen –

Frank Jahnke

überall hat Berlin die rote Laterne. Das ist doch kein Erfolgsmodell, Herr Jahnke, das Sie hier versuchen zu verkaufen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Wir haben eine hohe Arbeitslosigkeit. Wir haben weiterhin die wenigsten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Stadt, und die Tatsache, dass sie jetzt um 20 000 gestiegen sind, freut uns natürlich auch, aber das liegt nicht am rot-roten Senat, das liegt nicht daran, dass – als alle Bundesländer Wachstum und Konjunktur hatten – Berlin mitgemacht hat, es liegt ausschließlich daran, dass unsere strukturelle Schwäche – zu wenig Industrie –, die Krise jetzt nicht so stark durchschlagen lässt. Unsere Schwäche als Erfolg zu feiern, Herr Wolf, ist wahrlich ein Armutszeugnis.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Wir brauchen hier in Berlin eine aktive und belebende Wirtschaftspolitik dringender als irgendwo anders. Die Wahrheit ist aber: Berlin ist die Hauptstadt der verspielten Chancen, wie es „Die Welt“ schreibt. Die Chancen der Stadt zu ergreifen, sie zu entwickeln, genau das ist aber die Aufgabe, Herr Wowereit, Herr Wolf, die Aufgabe, der Sie sich annehmen müssen. Mit diesem Haushalt droht Berlin aber die Fortschreibung Ihrer ideen- und inspirationslosen Wirtschaftspolitik. Rot-Rot bleibt stoisch tatenlos.

Einige Beispiele dazu: Sie sind seit anderthalb Jahren nicht in der Lage, ein rechtssicheres neues Vergabegesetz zu beschließen, das das staatliche Vergabevolumen von immerhin 5 Milliarden Euro jährlich regelt. Bei den großen Entwicklungsflächen der Stadt – Tegel, Tempelhof, Mediaspree – bleiben Sie stumm und positionieren sich nicht im Sinne der Investoren. Hier verspielen Sie Entwicklungs- und Ansiedlungschancen.

Bei der Zukunft der Messe, der ILA, bei Zukunftsprojekten wie dem WLAN-Projekt für die Berliner Innenstadt kabbeln sich SPD und Linke, schieben sich die Senatsverwaltungen die Bälle zu.

Die Wirtschaftsförderung in Berlin muss insgesamt effektiver werden. Aus dem Akquisitionsteam, das Unternehmen am Airport BBI ansiedeln soll, haben Sie sich zurückgezogen. Das hätten Sie ausbauen müssen, das hätten Sie aktivieren müssen. Was ist jetzt mit dem ICC? Herr Jahnke bekennt sich, die Linke eiert herum. Wo ist Ihr Bekenntnis? Wir bekennen uns als Unionsfraktion klar zur Zukunft des ICC als Kongressstandort.

[Beifall bei der CDU]

Sie sind sich schlichtweg nicht einig. Diese Uneinigkeit führt dazu, dass in Berlin nichts vorangeht, dass Chancen nicht genutzt werden, dass die wirtschaftliche Entwicklung weiter stockt. Das ist ein Problem.

Als der Regierender Bürgermeister Wowereit vor einigen Jahren das postindustrielle Zeitalter ausrief und die Dein

dustrialisierung Berlins beschwor, hat Rot-Rot schon einmal fatal auf das falsche Leitbild gesetzt.

[Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)]

Reden Sie doch die Berliner Industrie nicht kaputt!