Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Ich nehme Ihnen übrigens durchaus ab, dass Sie die Sache mittlerweile anders sehen, auch wenn Sie sich sinnvollen Vorschlägen von uns wie der Einrichtung eines Runden Tisches gegen Linksextremismus immer noch widersetzen. Aber wie wollen Sie es schaffen, diese Gewalt zu ächten und zu verfolgen, wenn nicht einmal die Regierungsparteien es schaffen, sich davon unmissverständlich abzugrenzen?

Herr Lederer! Ich nehme durchaus positiv zur Kenntnis, was Sie auf dem Landesparteitag Ihrer Partei dazu erklärt haben, aber ich nehme auch zur Kenntnis, dass es ein Politiker der Linkspartei war, der die diesjährige 1.-Mai-Demonstration angemeldet hat, an deren Ende 479 verletzte Polizisten standen. Ich nehme auch zur Kenntnis, dass Juso-Chefin Franziska Drohsel stolz in der „taz“ erzählt hat, dass sie auf einer Solidaritätsdemo für die „Militante Gruppe“ mitmarschiert ist. Und dass einige Vertreter der Regierungsparteien sich in so gefährliche Nähe zu Gewalttätern, Extremisten und Verfassungsfeinden begeben, ist eine Schande.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Herr Regierender Bürgermeister! Deshalb fordere ich Sie auf: Machen Sie nachher in Ihrer Rede unmissverständlich klar, dass solche Auswüchse in den Regierungsparteien nicht geduldet werden!

[Beifall bei der CDU]

Die Herausforderungen, denen Sie sich stellen müssen, sind klar umrissen. Wir müssen die großen Chancen unse

rer Stadt endlich nutzen und die Potenziale der Menschen endlich aktivieren. Politischen Stillstand kann sich die Stadt nicht länger erlauben. Davon gab es in den vergangenen Jahren genug.

Wenn der Wirtschaftssenator Wolf jetzt sagt, man müsse sich Anfang nächsten Jahres mal zusammensetzen und gucken, was man bis 2011 eigentlich noch machen möchte, dann zeigt das, was in den nächsten Jahren noch zu erwarten ist. Diese Koalition hat nicht mehr die Kraft, die Herausforderungen in unserer Stadt zu bewältigen. Sie haben acht Jahre Zeit gehabt, um zu beweisen, dass Sie unsere Stadt voranbringen können, und ich sage: Sie sind an dieser Aufgabe kläglich gescheitert.

[Beifall bei der CDU]

Deshalb sage ich auch: Berlin braucht einen Politikwechsel. Mit der Politik der Spaltung und mangelnden Perspektiven, wie wir sie unter Rot-Rot erleben, muss endlich Schluss sein.

[Zurufe von der SPD]

Herr Wowereit! Sie können versuchen, sich bis zum Ende der Legislaturperiode an die Macht zu klammern. Ich bin mir auch sicher, dass Sie das tun werden. Aber wir werden die ganze Zeit da sein.

[Gelächter bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von der SPD und der Linksfraktion]

Wir werden da sein, um Ihre Fehler und die vielen verpassten Chancen aufzuzeigen. Wir werden da sein, um unsere Alternativen anzubieten. Wir werden da sein, um Sie zu stellen,

[Zurufe von der SPD und der Linksfraktion]

und wir werden da sein, wenn Ihre verheerende Regierungsbilanz 2011 zur Abstimmung steht. Darauf können Sie sich verlassen. – Herzlichen Dank!

[Lang anhaltender Beifall bei der CDU]

Nunmehr hat Kollege Wolf für die Linksfraktion das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, Herr Henkel! Wir werden auch da sein, und wir werden zusammen mit der SPD auch noch in der Regierung sein.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wenn im Parlament ein Haushalt verabschiedet wird, ist das immer ein besonderer Moment. Die Berlinerinnen und Berliner erfahren heute, womit sie in den nächsten Jahren rechnen können,

[Christoph Meyer (FDP): Mit Stillstand!]

und sie erfahren auch, was ihnen in den Jahren 2010 und 2011 erspart bleibt, und zwar nicht, weil die Opposition substanziell viel dazu beigebracht hätte, sondern weil dies

Frank Henkel

der Haushalt einer rot-roten Koalition ist. Einer Koalition, die acht Jahre gut regiert hat und das auch weiterhin tun wird!

[Christoph Meyer (FDP): Da sind wir weiter! – Ramona Pop (Grüne): Das klingt verzweifelt!]

Einer Koalition, bei der Armutsbekämpfung, die Schaffung von Arbeitsplätzen zu guten Bedingungen und Bildungsgerechtigkeit ganz oben auf der Agenda stehen!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Einer Koalition – Herr Henkel, das müssen wir von Ihnen nicht lernen, das haben Sie von uns abgeschrieben –, die sozialer Gerechtigkeit verpflichtet ist und bei der sozialer Zusammenhalt das Wichtigste ist!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Das spiegelt dieser Haushalt wider, und deshalb ist er auch für uns eine gute Grundlage. Dabei haben sich die Bedingungen gravierend verändert. Gesamtwirtschaftlich und finanzpolitisch hat die Krise alles auf den Kopf gestellt, und leider ist noch kein Ende in Sicht. Wir wissen das, und wir haben das für diesen Haushalt auch bedacht.

2007 haben wir uns gefreut, endlich Überschüsse zu erwirtschaften.

[Zurufe von der CDU: Ha, ha!]

Wir konnten sogar Schulden tilgen. Kollege Müller hat das bereits erwähnt. Jetzt müssen wir konstatieren, dass der Haushalt 2010/2011 kein Sparhaushalt ist. Er ist kein Haushalt, der ohne Neuverschuldung auskommt. Aber er ist ein vernünftiger Haushalt. Er ist vernünftig, weil er die Balance hält zwischen Haushaltsdisziplin und dem, was die Stadt in diesen Zeiten braucht.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Von den rund 22,5 Milliarden Euro, die das Land Berlin in den kommenden Jahren jeweils ausgibt, werden zusammen rund 5,5 Milliarden Euro über Schulden finanziert. Die Empörung darüber vonseiten der CDU ist bigott. Sie wollen öffentliche Ausgaben in dreistelliger Millionenhöhe kürzen. Da lohnt es, genauer hinzuschauen, denn das Land Berlin hat im Jahr 2009 kein Ausgabenproblem mehr, sondern eine Einnahmenproblem. Ein Grund dafür ist die Krise, und ein anderer der Bund.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Gelächter bei der CDU – Björn Jotzo (FDP): Und die Regierung!]

Herr Henkel! Genau deshalb komme ich hier auch nicht drum herum, mich als Erstes mit Schwarz-Gelb im Bund zu befassen. Angesichts des peinlichen Gezänks zwischen CDU/CSU und FDP fällt es zwar schwer, irgendeine Linie zu erkennen, aber wenn es darum geht, Ländern und Kommunen noch mehr Lasten aufzubürden, ist man sich ein paar hundert Meter von hier ganz schnell einig. Es werden Steuererleichterungen versprochen, die dann von Einkommensschwachen bezahlt werden müssen, und es wird eine Politik gemacht, die die Ursachen der Krise nicht angeht und die gleichzeitig dazu führt, dass die

sozialen Gegensätze wachsen. Damit hat die rot-rote Koalition ein echtes Problem. Und ich sage Ihnen ganz deutlich: Rot-Rot wird das nicht so einfach hinnehmen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Es ist grotesk: Eine der ersten Entscheidungen der neuen Regierung sind Steuererleichterungen für die Hotelbranche.

[Zurufe von Ramona Pop (Grüne) und Michael Schäfer (Grüne)]

Da läuft doch etwas gewaltig schief. Aber es ist zumindest bundespolitisch konsequent. Beim Schulessen wurde der Mehrwertsteuersatz von 7 auf 19 Prozent hochgesetzt. Okay, das war noch die große Koalition. Und nun erleben wir, wie Schwarz-Gelb im Bund den Steuersatz für die Hotellerie von 19 auf 7 Prozent senkt. Das sind bundespolitische Prioritätensetzungen. Das sind Prioritäten, die unter dem Strich immer eins zur Folge haben: Sie gehen auf Kosten der sozial Schwachen, sie führen zu Mindereinnahmen für das Land, und sie schränken unsere politischen Handlungsspielräume hier in der Stadt weiter ein.

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

In diesem Jahr werden uns bei den Steuereinnahmen gegenüber 2008 rund 1,1 Milliarden Euro fehlen. Im nächsten Jahr rechnet der Senat mit einem Rückgang um 2,1 Milliarden Euro gegenüber dem letzten Jahr. Wenn sich die FDP im Bund durchsetzt, wird das Minus noch viel größer. Da kann ich dem Kollegen Müller nur zustimmen: So eine unsoziale Katastrophenpolitik darf im Bundesrat keine Zustimmung kriegen. Da braucht Frau Merkel eine deutliche Absage.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

An noch etwas will ich erinnern: Berlin hatte seine Bankenkrise vor dem Rest der Republik. Sie war gleichermaßen Grund und erste Bewährungsprobe für die rot-rote Koalition. Sie wurde von uns erfolgreich bewältigt. Mit einer Bürgschaft von über 21 Milliarden Euro haben wir 2002 in Berlin die damals größte Pleite eines Finanzinstituts in der Nachkriegsgeschichte abgewendet. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Das gehört dazu, wenn wir heute über den Doppelhaushalt sprechen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zuruf von Uwe Goetze (CDU)]

Und wenn Berlin von Bayern aus oder sonst woher gern mangelnder Konsolidierungswille unterstellt wird, dann ist das nicht nur selbstherrlich, sondern vor allem auch geschichtsvergessen und falsch.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]