Protokoll der Sitzung vom 14.01.2010

[Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

ja, liebe Kollegin Senftleben, das müssen Sie sich noch mal anhören – eine grüne Unterschrift tragen. Ich kann das gerne wiederholen: die gleiche Besoldung der Europaschulen – dazu mussten wir Sie tragen –, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, auch für Lehrerinnen und Lehrer, die einen ausländischen Abschluss haben – –

[Mieke Senftleben (FDP): Das machen Sie etwa alleine?]

Mein Gott, Sie sind doch gleich dran! Seien Sie doch nicht so zickig, bleiben Sie doch einfach mal ruhig! Ich verstehe ja, dass Sie als kleinste Oppositionsfraktion Komplexe haben, aber seien Sie doch mal ein bisschen zurückhaltend! – Sie mussten immer wieder dazu getragen werden.

[Unruhe]

Hier müssen sich ja ganz schön viele auf den Schlips getreten fühlen.

[Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Wir wollen, dass diese Reform erfolgreich ist. Wir werden sie deshalb konstruktiv und kritisch begleiten. Wir werden auch immer wieder den Finger in die Wunde legen.

Ich habe heute nicht umsonst das Problem in Kreuzberg angesprochen. Diese Reform, wenn sie erfolgreich sein soll, muss von allen Beteiligten getragen werden, von den Schulen, von den Lehrkräften, von der Elternschaft vor Ort.

[Beifall von Steffen Zillich (Linksfraktion)]

Dazu zählen auch die Mitarbeiter der Dienststellen der Schulverwaltung. Diese Reform muss auf Vertrauen aufbauen, das ist ganz wichtig. Da hat Herr Steuer an einigen Stellen recht: Sie haben nicht genügend getan. Sie haben die Eltern vor Ort, die Fragen haben, damit allein gelassen. Und jetzt müssen Sie die nächste Zeit nutzen, um verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen. Das ist für den Erfolg dieser Reform ganz wichtig.

Genauso wichtig ist, dass diese Reform in der Weise, wie es geplant ist, personell und materiell unterfüttert wird. Wenn wir uns angucken, wie die jetzige Hauptschule beschaffen ist: 15er-, 16er-, 17er-Klassenfrequenzen – und diese Hauptschule wird abgeschafft! Zukünftig wird es 25er-Frequenzen in der integrierten Sekundarschule geben. Das heißt, die Schüler sind dieselben, aber es sind jetzt mehr in einer Klasse. Das heißt, wir brauchen eigentlich mehr Personal, wir brauchen aber auch nichtpädagogisches Personal wie Handwerker, Maler, Künstler, die in die Schulen gehen müssen und mit den Schulen zu

sammen neue Wege im Rahmen von Dualem Lernen und Ähnlichem gehen.

Herr Mutlu! Entschuldigung, dass ich Sie störe! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gaebler?

Vielen Dank! – Weil Sie gerade sagten, die Informationspolitik sei so schlecht: Haben Sie heute den Zeitungsartikel über eine Veranstaltung in Charlottenburg-Wilmersdorf gelesen, in dem berichtet wird, dass diese sehr gut besucht war und dass die Eltern dort sehr großes Interesse und ihre Zustimmung signalisiert haben? Liegt es vielleicht daran, dass Sie so was in Kreuzberg nicht hinbekommen?

[Zurufe von der Linksfraktion – Mieke Senftleben (FDP): Ein bisschen spät vielleicht!]

Die Kritik kommt deshalb, weil die Eltern in wenigen Wochen wissen müssen, auf welche Schule ihre Kinder gehen sollen. Es ist ja schön, dass Ihr Stadtrat in Charlottenburg-Wilmersdorf das hinbekommen hat, aber das ist reichlich spät, lieber Kollege!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

In Kreuzberg passiert eine Menge.

[Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Das Problem ist nur, dass Ihr Senator seinen Oberschulrat in Kreuzberg nicht im Griff hat. Er blockiert diese Reform. Kreuzberg macht seine Hausaufgaben, keine Sorge!

[Beifall bei den Grünen – Christian Gaebler (SPD): Wann war denn die Veranstaltung?]

Die Veranstaltung war schon vor mehreren Wochen im OSZ Wrangelkiez – nur zu Ihrer Information –, und sie war auch sehr gut besucht. Da war Monika Herrmann als Stadträtin anwesend und auch der Senator. Also, sie war schon!

[Christian Gaebler (SPD): Zu Weihnachten!]

Das hat damit zu tun, dass die Grünen rechtzeitig damit angefangen haben.

[Christian Gaebler (SPD): Dabei kann ja nicht so viel herausgekommen sein!]

Ich komme zum letzten Satz meiner Rede. Wir werden diese Reform kritisch-konstruktiv begleiten. Wir hoffen, dass der Senator für Finanzen die Mittel dafür auch in Zukunft bereitstellt, denn wir werden zusätzliche Mittel

brauchen. Wir haben in diesem Haushalt außer den – meiner Meinung nach wenigen – Lehrerstellen nicht mehr für diese Reform zur Verfügung gestellt. Da braucht es mehr. Tun Sie bitte nicht so! Wenn das Konjunkturpaket II der Bundesregierung nicht wäre, hätten Sie auch diese Reform ad acta gelegt und nie in Angriff genommen. Der Geldsegen des Konjunkturpakets hat Ihnen überhaupt erst die Möglichkeit gegeben, diesen Weg zu gehen. Das ist auch gut so, finde ich. Darüber beschweren wir uns nicht. Aber wichtig ist, dass Sie weiterhin dranbleiben und die Schulen nicht allein lassen und ihnen die Mittel, vor allem die Personalmittel, zur Verfügung stellen, damit die Reform weiterhin von Erfolg gekrönt ist.

Spätestens 2011 werden wir hoffentlich auch das Problem des Probejahrs und das Problem des Sitzenbleibens gemeinsam diskutieren und auch gemeinsam lösen. Das ist wichtig. Bis dahin werden wir zwei Jahre Erfahrung damit gesammelt haben. Ich bedaure, aber ich kann Ihnen jetzt schon prophezeien, dass ich mit meinen Ausführungen recht behalten werde. Deshalb ist es an uns, das Problem mit den Selektionsinstrumenten am Gymnasium, das dem Kern dieser Reform widerspricht, gemeinsam aus der Welt zu schaffen. Dabei wünsche ich uns allen eine glückliche Hand.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Mutlu – mit dem freundlichen Hinweis aus dem Präsidium, vielleicht etwas umgänglicher mit Ihren Kolleginnen und Kollegen umzugehen!

[Zuruf von der SPD: Schlechte Kinderschule!]

Jetzt hat für die FDP-Fraktion Frau Abgeordnete Senftleben das Wort. – Bitte sehr!

Vielen Dank, liebe Präsidentin! Auch vielen Dank für den Hinweis, der eben an den Kollegen Mutlu gegangen ist! – Meine Herren, meine Damen! Herr Senator Zöllner! Zunächst finde ich es sehr schön und freue mich auch darüber, dass Sie die Haltung der FDP-Fraktion zum Thema eigenverantwortliche Schule auch positiv bewerten und dass auch Sie der Auffassung sind, dass eine eigenverantwortliche Schule letztlich einen Qualitätssprung in der Schule selbst bewirkt.

Nun haben wir aber durchaus eine unterschiedliche Auffassung, wenn Sie sagen, in diesem Schulgesetz realisieren wir Eigenverantwortung. Ich gebe Ihnen insoweit recht, als die Schulen mehr Entscheidungskompetenzen haben. Diese geben Sie ihnen, das ist richtig. Und da freut mich, dass acht Jahre langes Dicke-Bretter-Bohren, was Eigenverantwortung angeht, offensichtlich auch aus der Opposition heraus etwas genützt hat. Das will ich ganz deutlich sagen.

Aber jetzt kommt das Thema Personalverantwortung. Und da wissen Sie genau, dass das so nicht stimmt. Ich nenne nur zwei Punkte. Erstens: Personalräte pfuschen dazwischen – Beispiel Teach First. Zweitens ist der bürokratische Aufwand zu groß.

[Beifall bei der FDP]

Wenn Sie an die Budgetierung gehen, wenn Sie die Personalressourcen wirklich budgetieren wollen, dann bin ich bei Ihnen, dann müssen Sie es richtig machen. Geben Sie den Lehrern oder den Schulen die Knete in die Hand. Und denken Sie bei der Budgetierung, die Sie jetzt vorhaben, was Fortbildung angeht, was Kooperationen mit freien Trägern und Sportvereinen angeht, daran, dass ein Budget nur dann sinnvoll ist, wenn es auch ein reelles Budget ist. Dann sind wir einen Schritt weiter, und dann bringt es etwas.

[Beifall bei der FDP]

Aber – das hat heute eigentlich jeder noch mal betont – Sie nennen immer wieder dieselben ehrenwerten Ziele für die Strukturreform: weniger Schulabbrecher, mehr Abiturienten, mehr Bildungsgerechtigkeit – Herr Senator Zöllner hat es gesagt. Da sind wir uns alle einig. Nicht einig sind wir uns bei der Frage, wie ich diese Ziele eigentlich am besten erreiche. Darum, wie wir diese Ziele realisieren – das müssen wir uns mal auf der Zunge zergehen lassen –, streiten wir eigentlich seit PISA Ende 2001. Jede Reform, die Sie seit dieser Zeit durchführten, stand genau unter der Zielsetzung weniger Schulabbrecher, mehr Abiturienten bei gleichem Niveau, mehr Bildungsgerechtigkeit.

Hier möchte ich – im Unterschied zu meinen Kollegen, die vor mir geredet haben – noch ein bisschen in dieser rot-roten Bildungsgeschichte des Landes Berlin herumkramen, denn aus der Vergangenheit sollten wir Lehren für die Zukunft ziehen. Rot-Rot hatte acht Jahre Zeit, um Verbesserungen vorzunehmen, acht Jahre Zeit, um mehr Durchlässigkeit zu schaffen, acht Jahre Zeit, um Kinder und Jugendliche besser individuell zu fördern, acht Jahre Zeit, um mehr Bildungsgerechtigkeit zu schaffen. In acht Jahren über 20 Reformen!

Ich will nur einige wenige nennen, denn Sie kennen sie alle, wir haben hier ausführlich über sie debattiert: Schulgesetz, Verkürzung der Schulzeit, flexible Schulanfangsphase, Abschaffung der Vorklassen, frühere Einschulung, Gemeinschaftsschule usw. Es waren über 20 Reformen in acht Jahren. Jetzt frage ich Sie: Was haben die Reformen gebracht? – Ich sage Ihnen die Antwort: den Wunsch nach der nächsten Reform! Eines haben Sie offensichtlich nämlich inzwischen selber festgestellt: Die Ergebnisse Ihres bildungspolitischen Reformeifers sind mager.

[Beifall bei der FDP – Christoph Meyer (FDP): Mager!]

Auf einen Nenner gebracht: hohe Bildungsausgaben bei vergleichbar schlechter Bildungsqualität. Und das ist dann der Super-GAU, insbesondere für Kinder, Jugendliche und deren Eltern, selbstverständlich auch für die Lehrer

und Lehrerinnen, denn die sind es ja, die diese unzähligen Reformen immer wieder schwuppdiwupp umzusetzen hatten.

In diesem Zusammenhang kann ich mir leider auch heute nicht verkneifen, auf Folgendes hinzuweisen: auf die letzte IGLU-Studie. Es gab ein desaströses Ergebnis für Berlin. Von allen 45 Teilnehmern war Berlin mit Rumänien auf dem letzten Platz in Sachen Bildungsgerechtigkeit. Mangelnde Bildungsgerechtigkeit, fehlende individuelle Förderung an den Berliner Schulen – das ist offensichtlich. Das zeigt nicht nur IGLU, sondern auch jahrein, jahraus der Bericht der Schulinspektion.

Das Traurige ist aber, dass den Senator und die Regierungskoalition dies alles offensichtlich nicht anficht, denn es wird die nächste Reformtüte aufgemacht, die Einführung der Sekundarschule. Der erste Akt dieser Strukturreform geschah heimlich, still und leise, sozusagen ohne Publikum, denn Sie, Herr Senator, haben dank des Konjunkturpaketes II der Bundesregierung der Strukturreform den Weg geebnet. Durch Bundesgelder wurde die Infrastruktur für die Reform erstellt. Grundschulen und Gymnasien – das ist der entscheidende Punkt für die FDPFraktion – sehen bei der Verteilung der Bundesgelder alt aus. Es reicht eben nicht mehr. Was haben Sie dafür übrig? – Ein Achselzucken, und mehr sagen Sie dazu nicht.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Martina Michels (Linksfraktion)]

Ich will beim lieben Geld bleiben. Wer bei Ihren ideologischen Projekten mitmacht, bekommt es. Wer murrt, guckt in die Röhre. Und Sie geben doch richtig viel Geld aus für die Sekundarschule: Klassenfrequenz 25, mehr Lehrer, mehr Erzieher, Ganztagsbetrieb obligatorisch und vieles andere mehr.