Protokoll der Sitzung vom 25.02.2010

[Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Vielleicht bringt es auch etwas. Aber in diesem Winter hat es in Berlin nichts gebracht, dass Sie die Verantwortung irgendwo anders sehen, ob es berechtigt oder unberechtigt ist. Fakt ist eins: In einer Situation, wo Gefahr im Verzug ist – die Zahl der Verletzten, die in die Krankenhäuser eingeliefert worden sind, und die drei Toten, die wir durch dieses Glatteis hatten, zeugen davon –, muss es ein Eingriffsrecht des Senats geben. Ich unterstelle auch, dass es dieses gibt. Der Senat muss dieses Instrument machtvoll in die Hand nehmen, zum Wohle dieser Stadt und zum Wohle der Berlinerinnen und Berliner. – Danke!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wilke! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Platta das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir hatten endlich wieder einen Winter in der Stadt, mit allem drum und dran. Eine große Freude, nicht nur für Kinder, denn Schlitten fahren, Schneeballschlacht, Schneemann bauen, riesige Eiszapfen zählen – das macht Spaß.

[Ah! von der CDU]

Kälte, Schnee und Eis bringen aber auch negative Seiten mit sich, und über die wollen wir heute diskutieren.

[Zurufe von der CDU]

Wir haben schon darüber diskutiert, im Zusammenhang mit Kältehilfe, schon vor einigen Monaten. In diesem Jahr beraten wir zusätzlich zur Kältehilfe über ein Sofortprogramm gegen Schnee und Glätte, nicht nur in den Ausschüssen wie am Montag dieser Woche. Es wurde nicht nur gesprochen, sondern auch gehandelt. Gehandelt haben verantwortungsbewusste Verantwortliche. Diese charakteristische Feinheit müssen wir in diesen Wochen wohl mehrmals wiederholen. Gehandelt haben viele engagierte Bürgerinnen und Bürger und die BSR. Die Linksfraktion möchte sich an dieser Stelle ausdrücklich für die vielen freiwilligen Leistungen bedanken.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Ohne diesen freiwilligen Einsatz wäre die Situation in der Stadt noch verheerender gewesen. Drei Tote und mehrere Hundert Verletzte – viele sind zu beklagen. Das ist keine rühmliche Bilanz für Berlin, zumal in den Tagen der Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Berlinale, als wir viele Gäste hier hatten.

[Zurufe von den Grünen]

In der Anhörung am Montag im Ausschuss wurde deutlich, dass Änderungen am Straßenreinigungsgesetz erforderlich sind. Ein besonderes Augenmerk muss auf die zügige Umsetzung von notwendigen Ersatzmaßnahmen gelegt werden, wenn Firmen ihrer Pflicht nicht nachkommen. Schon bei Vertragsabschluss muss den beauftragten Firmen klar sein, dass Sanktionen sofort greifen. Ein Warten auf die nächste Tauperiode ist völlig unverantwortlich, auch wenn die Sonne unweigerlich und ohne Zusatzversicherung die Kosten dämpfen wird.

Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen enthält viele Punkte, die bereits geregelt und/oder schon umgesetzt sind. Daher sind wir auch davon ausgegangen, dass uns heute, wie im Ausschuss versprochen, ein Änderungsantrag vorliegen wird. Es gab Gespräche in den Behörden von Land und Bezirken zur eigenen Verantwortung. Es gibt in Zusammenarbeit mit Jobcenter und BSR zusätzliche Kräfte für den Winterdienst – im Übrigen schon seit dem 14. Dezember 2009. Die BSR hat kostenlos Streusplitt zur Verfügung gestellt. Die Behördenhotline exis

tiert bereits; die Nr. 115 haben wir auch im Plenum schon besprochen. Jedes Ordnungsamt hat die Hinweise zu Gefahrenstellen entgegengenommen. Und es sind in allen Bezirken unzählige Bußgeldverfahren eingeleitet worden. Hier ist der Antrag also schon abgearbeitet.

Die Einladung von Frau Senatorin Lompscher zur Gesprächsrunde am 3. März zum Thema „Konsequenzen zu Schnee und Eis in Berlin“ ist nicht erst gestern an Bezirke, BSR, Eigentümer, Wirtschaft, Winterdienstfirmen, BVG und andere gegangen. Über Tatenlosigkeit beim Senat kann in diesem Fall also nicht gesprochen werden.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Konsequenzen werden wir im Parlament auch bei der angekündigten Änderung des Straßenreinigungsgesetzes ziehen. Dazu haben wir schon einiges im Ausschuss gehört. In jedem Fall geht es auch um die Regelung zur Übernahmeerklärung, da sie sich offensichtlich in der Praxis nicht bewährt hat.

Und selbstverständlich geht es nach dem Schnee- und Eiseinsatz nun auch wieder darum, eine saubere Stadt zu erreichen. Daher begrüßen wir es, dass es in der nächsten Woche ein Treffen zwischen dem Senat und der Spitze der BSR gibt, um die Stadt möglichst schnell von den Hinterlassenschaften von zwei Wintermonaten mit Schnee und Eis zu befreien. – Wir werden in Auswertung der Anhörung den überholten Antrag ablehnen müssen und dennoch die notwendigen Konsequenzen ziehen. Dazu sind wir in der Koalition auch verpflichtet. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Platta! – Für die FDPFraktion hat jetzt der Abgeordnete Schmidt das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es taut.

[Mieke Senftleben (FDP): Gott sei Dank!]

Insofern kommt diese Debatte etwas zu spät. Aber so, wie sie gerade geführt worden ist, hätte sie zur Lösung der Schnee- und Eisprobleme auch herzlich wenig beitragen können. Hektischer Aktionismus und ein ständiges SichÜberbieten mit immer neuen Vorschlägen lösen keine Probleme. Pragmatisches Handeln wäre hier angesagt.

Die Situation ist: Wir haben den schneereichsten Winter seit über 20 Jahren. Wir haben Schneemassen ganz ungewohnten Ausmaßes. Es ist kein Wunder, dass nicht alles in der Stadt sofort geräumt werden kann. Auch andere Städte schaffen es nicht. So viel Realitätssinn muss schon sein.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Man kann nicht 19 Jahre lang die gesamte Infrastruktur für einen harten Winter vorhalten, der dann nur im 20. Jahr stattfindet. Das wäre für die Hausbesitzer und Mieter auch unbezahlbar.

Es muss aber auch gesagt werden: Selbst für einen so seltenen Sonderwinter sind die Zustände in Berlin untragbar. Die Berlin-Besucher aus anderen Städten waren erschüttert, wie schlimm es bei uns aussah. Es muss ja nicht alles geräumt werden, aber es muss zumindest möglich sein, sich zu Fuß durch die Stadt zu bewegen, ohne in Gefahr zu geraten.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Andere deutsche Städte schaffen einigermaßen erträgliche Zustände, Berlin schafft es nicht.

Typisch für die Verhältnisse in dieser Stadt war auch die Reaktion des Regierenden Bürgermeisters – Stichworte: Haiti, Holiday on Ice. Man muss sagen, angesichts der drei Todesfälle und der über 10 000 Knochenbrüche in dieser Stadt ist es zynisch und unverantwortlich, so zu reagieren.

Der erste Bürger dieser Stadt darf sich nicht über die Verhältnisse lustig machen, als ginge ihn das alles nichts an. Er muss dafür sorgen, dass jeder dazu beiträgt, die Lage zu verbessern.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Richtig ist aber auch, der Regierende ist nicht persönlich für die Schneeräumung zuständig, selbst wenn er sich mit seinen Sprüchen blamiert hat. Verantwortlich für die Schneeräumung sind in den meisten Fällen die von den privaten Hauseigentümern beauftragten Firmen. Die müssen ihre Verträge erfüllen und ihren Job machen. Der Senat oder die Ordnungsämter könnten, wenn sie ihren Job nicht machen, in Vorlage gehen und denen anschließend die Rechnung schicken. Das wäre eine echte Lösung.

[Zuruf von Thomas Birk (Grüne)]

Genauso blamabel wie die Sprüche des Regierenden sind teilweise auch die Vorschläge der Kollegen aus den anderen Oppositionsfraktionen. Da war der Vorschlag der CDU mit dem Eisgipfel, bei dem die höchsten politischen Kreise über die Straßenräumung reden sollen. Ein solcher Eisgipfel hätte nur einen Effekt, wenn man jedem Teilnehmer auch noch eine Schaufel in die Hand drückte. Dann würde vielleicht wirklich etwas dabei herauskommen.

[Beifall bei der FDP]

Es geht doch nicht darum, dass die Politiker kurz einmal den Supermann spielen, es geht darum, dass die Infrastruktur dieser Stadt dauerhaft funktioniert und nicht jedes ungewöhnliche Ereignis gleich zum Ausnahmezustand führt.

Die Grünen haben das Patentrezept in ihrem Antrag. Sie fordern einfach die Beseitigung der Glätte qua Antrag, also nach dem Motto: heute Antrag stellen, morgen Glätte weg.

[Heidi Kosche (Grüne): Herr Schmidt!]

Liebe grüne Kollegen! Sie haben in Ihren Antrag vergessen reinzuschreiben, dass die Sonne scheinen soll, um das Eis zu tauen. Das wäre dann auf der selben konzeptionellen Ebene wie Ihre anderen Vorschläge.

[Beifall bei der FDP]

Sie schlagen vor, dass in einer gigantischen Hauruckaktion das Land Berlin auf Kosten des Steuerzahlers für unfähige Schneeräumfirmen einspringt. Was ist das für eine Mentalität? Das Land kann doch nicht die Jobs übernehmen, die private Unternehmen nicht tun, indem sie ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen. Man darf die schwarzen Schafe bei den Schneeräumfirmen nicht einfach so davonkommen lassen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Denn das wäre auch zutiefst unfair gegenüber den Schneeräumfirmen, die ihren Job gut gemacht haben. Auch davon gab es viele. Deren Mitarbeitern danke ich genauso wie ich den Mitarbeitern der BSR danke, die wirklich flexibel reagiert und ihr Bestes getan haben, um die großen Herausforderungen zu bewältigen.

Ich möchte aber auch klarmachen, dass vieles, was hier vorgeschlagen wird, auf Dauer den Winterdienst teuerer machen wird, in allen Jahren, auch in denen, in denen der Winter dann nicht kommt. Bei den sich immer weiter steigernden Vorschlägen ist zu bedenken, dass es Grenzen der Belastung für Hausbesitzer und Mieter gibt. Man kann nicht alles umsetzen, nur um einen Ausnahmewinter vorzubereiten.

[Beifall bei der FDP]

Besonders teuer würde die Idee der SPD-Fraktion, die hier schon kursiert, dass man alles der BSR überträgt. Ohne Wettbewerb steigen die Kosten und sinkt die Qualität. Eine Monopolsplitstreuung BSR kostet alle Berlinerinnen und Berliner mehr Geld, ganz abgesehen davon, dass die BSR die Aufgaben sowieso nur an Subunternehmer weiterreichen würde.

[Beifall bei der FDP]

Die Idee der CDU, die Räumung blockweise zusammenzufassen, ist eine Idee, die nähere Betrachtung verdient. Wenn der Wettbewerb und die Kostenkontrolle gesichert sind, kann das vernünftig sein.

Als Letztes: Wir sind hier auch als Umweltpolitiker zuständig. Ich mache mir auch um die Umwelt Sorgen, denn was passiert jetzt bei der Reinigung und Wiederverwendung des stark kontaminierten Streuguts? Welche Umweltwirkungen hat das? Wie ist denn die Belastung unseres Wassers durch den auftauenden Müll und den Dreck und die Tonnen von Hundekot in dieser Stadt? – Wir