Protokoll der Sitzung vom 25.02.2010

Von der SPD-Fraktion fehlt dagegen bis heute jegliche öffentliche Kritik oder kritische Distanzierung, sowohl bezüglich der landeseigenen Wohnungsunternehmen als auch bezogen auf den Abgeordneten Hillenberg. Deswegen kann Herr Hillenberg sich am Montag im Interview mit der „Berliner Zeitung“ auch freuen:

Ich freue mich, dass die SPD-Fraktionsspitze mich gegen die Anschuldigungen in der Presse unterstützt.

Es wäre angemessen, wenn Sie, Herr Müller, uns heute die Auffassung der SPD-Fraktion mitteilen, ob Sie wirklich der Meinung sind, dass die Vergabepraxis von öffentlichen Unternehmen an einen Ihrer Fraktionskollegen so in Ordnung war und ob auch Sie der Auffassung sind, dass die Presse nur etwas aufbauscht.

[Beifall bei der FDP]

Grundsätzlich fühlen wir uns bei diesen Vorgängen in unserer Forderung, dass mittelfristig alle Beteiligungen des Landes Berlin in den Wettbewerb entlassen werden, natürlich bestätigt. Denn nur so wird die Einflussmöglichkeit von Regierungsparteien auf einzelne Unternehmen im Kern erstickt.

[Zuruf von Udo Wolf (Linksfraktion)]

Solange dies nicht der Fall ist, haben wir mit dem Ihnen vorliegenden Antrag zumindest den Rahmen gesetzt, in dem zukünftig die Landesbeteiligungen Vergabeverfahren durchführen müssen. Wir fordern, dass sämtliche Vergabeverfahren des Landes Berlin und seiner Unternehmen fair, per Wettbewerb, transparent und diskriminierungsfrei durchgeführt werden. Öffentliche Ausschreibungen bzw. das offene Verfahren müssen vorrangig bei allen Vergabeverfahren des Landes Berlin angewandt werden. Alle landeseigenen Unternehmen haben sich als öffentliche Auftraggeber zwingend an die Vorschriften des Senats zur Vergabe zu halten, der Senat muss dies aber auch kontrollieren. Alle landeseigenen Unternehmen haben sich bei der Beauftragung von Planungs- und Ingenieurleistungen zwingend an verbindliches Preisrecht zu halten. Wir fordern zudem die volle Transparenz und Aufklärung über alle Vergabeverfahren und Auftragsvergaben der landeseigenen Unternehmen an Mandatsträger, völlig unabhängig von Parteibuch, Ausschussvorsitz oder Parlamentsrang. Personelle Konsequenzen aus der fragwürdigen Vergabepraxis sind bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften nicht nur zu überprüfen, sondern auch durchzusetzen.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Wir fordern insbesondere die SPD auf, unserem Antrag zuzustimmen; damit könnte sie dokumentieren, dass nach vielen Reden eventuell auch einmal Taten folgen und sie

nicht weiter die Aufklärung der Opposition behindert. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Vielen Dank! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Kollege Jahnke.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema unserer heutigen Aktuellen Stunde lautet „Fragwürdige Vergabepraxis der landeseigenen Unternehmen frei nach dem Motto ‚Man kennt sich eben!’“.

Hier überrascht zunächst einmal der Plural – Vergabepraxis der landeseigenen Unternehmen. Das Land Berlin ist an rund 60 Unternehmen beteiligt, bei etlichen davon als Mehrheitsgesellschafter oder alleiniger Eigentümer. Ich nehme nicht an, dass die Vergabepraxis all dieser Unternehmen, der Anstalten des öffentlichen Rechts oder der Wohnungsbaugesellschaften insgesamt gemeint ist. Es geht doch speziell um die Auftragsvergabe der HOWOGE, wie von der CDU in ihrem Formulierungsvorschlag für die heutige Aktuelle Stunde ja auch explizit angesprochen.

[Christoph Meyer (FDP): Haben Sie letzte Woche geschlafen?]

Dann formulieren Sie doch präzise! – Nach allem, was es hierzu an Äußerungen in der Presse und andernorts gab, halte ich es auch für dringend geboten, diese Frage aufzuwerfen. Meine Fraktion hat jedenfalls ein massives Interesse daran, die im Raum stehenden Verdächtigungen lückenlos aufzuklären und gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen.

[Zuruf von Christoph Meyer (FDP)]

Es kann absolut nicht angehen, wenn ein landeseigenes Unternehmen Vergaberecht einfach ignoriert haben sollte.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Die CDU versucht nun sogleich eine billige parteipolitische Instrumentalisierung,

[Zuruf von Mario Czaja (CDU)]

spricht von einem SPD-Bausumpf, der trocken gelegt werden müsse, und verweist darauf, dass die HOWOGE keine Genossenschaft sei. Die HOWOGE ist tatsächlich keine Genossenschaft, weder mit noch ohne Anführungsstrichen, sie ist eine GmbH, und als Kontrollgremium hat sie einen Aufsichtsrat. Dieser Aufsichtsrat hat in einer Sondersitzung am 2. Februar 2010 unmissverständlich festgestellt, dass die Vorgaben des Landes Berlin zur Vergaberechtsanwendung für die HOWOGE bindend und sofort anzuwenden sind, und er hat eine Sonderprüfung für die zurückliegenden fünf Jahre veranlasst, um zu klären, ob diese zwingenden Vorgaben in der Vergangenheit verletzt wurden. Das Ergebnis dieser Prüfung liegt noch

nicht vor, insofern bewegen wir uns in der heutigen Debatte noch auf etwas dünnem Eis und sollten uns mit Vorverurteilungen zurückhalten.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von Björn Jotzo (FDP)]

Der Verdacht, dass bei Auftragsvergaben der HOWOGE möglicherweise gegen Vergaberecht verstoßen wurde, wurde unter anderem durch die Äußerungen des Kollegen Hillenberg geweckt, der in seinem Beruf als Bauunternehmer Aufträge von der HOWOGE erhalten hat. In dem vom Aufsichtsrat beauftragten Sonderprüfungsbericht wird zu klären sein, inwiefern hierbei Vergaberecht verletzt wurde. Vorab festzustellen bleibt jedenfalls, dass die Auftragsvergabe einer landeseigenen Gesellschaft an ein Bauunternehmen, an dem ein Abgeordneter beteiligt ist, noch nichts per se Unanständiges oder Ungesetzliches darstellt, solange jedenfalls die geltenden Vergabebestimmungen eingehalten werden.

[Björn Jotzo (FDP): Dann ist ja alles gut!]

In der politischen Debatte der letzten Woche wurde vielfach der Eindruck erweckt, es gäbe einen prinzipiellen Interessenkonflikt zwischen Herrn Hillenbergs Mandatsausübung als Abgeordneter und seiner beruflichen Tätigkeit.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau EichstädtBohlig, Herr Kollege?

Im Moment nicht! – Von der CDU wurde wiederholt der Vorwurf erhoben, die Mitgliedschaft im Bauausschuss kollidiere mit seiner Berufstätigkeit. Als der Kollege Hillenberg schließlich seine Mitgliedschaft im Bauausschuss und damit auch den stellvertretenden Ausschussvorsitz niederlegte, um jeden Anschein einer Verquickung zu beenden, erklärte der CDU-Abgeordnete Graf postwendend, na bitte, dann muss ja an den Vorwürfen etwas dran sein, sonst hätte der Kollege Hillenberg doch keinen Anlass, aus dem Bauausschuss auszuscheiden. Das ist ein absolut heuchlerisches Verhalten von Herrn Graf und der CDU!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Kollege Lüdeke?

Nein, jetzt nicht, danke! – Wir müssen uns auch fragen, ob wir künftig wirklich dafür Sorge tragen wollen, dass Abgeordnete, die etwas von einer Sache verstehen, weil sie beruflich damit zu tun haben, nicht mehr in dem betreffenden Fachausschüssen vertreten sein dürfen.

[Zuruf von Mirco Dragowski (FDP) – Zuruf von den Grünen]

Lassen Sie mich dies an einem anderen Beispiel verdeutlichen. Der Vorsitzende des Bauausschuss, der von mir geschätzte Kollege Dr. Heide, hat im vergangenen Jahr durchaus des Öfteren in Gesprächen mit mir und anderen Funktionsträgern aus Land und Bezirk darauf hinzuwirken versucht, dass das Hotelprojekt am Hammarskjöldplatz nicht gestoppt wird. Nun ist es zwar denkbar, dass ihn hierbei vor allem die Sorge um den Messe- und Kongressstandort Berlin leitete oder die ästhetische Faszination eines Hotelklotzes vor dem historischen Messeeingang. Sein Insistieren könnte allerdings auch in engerem Zusammenhang mit einem Mandat stehen, das er in seinem Beruf als Anwalt von einem spanischen Investor hatte, der das Hotel errichten wollte. Mir läge es fern, Herrn Heide hieraus einen Vorwurf machen zu wollen,

[Zurufe von den Grünen]

ich will auf etwas ganz anderes hinaus. Solange wir uns als ein Teilzeitparlament verstehen und eine berufliche Tätigkeit neben der Mandatsausübung quasi vorausgesetzt wird, können wir die Berufsausübung der Kolleginnen und Kollegen nicht in zu hohem Maße einschränken. Worauf es ankommt, ist Transparenz – wie sie z. B. durch die Verhaltensregeln für Abgeordnete besteht. Niemand wird dem Kollegen Hillenberg mangelnde Transparenz vorwerfen können,

[Gelächter bei den Grünen]

hat er doch in Interviews und auf seiner Homepage selbst darauf hingewiesen, wer seine wichtigsten Auftraggeber sind und an welchen Projekten er arbeitet.

[Zuruf von Christoph Meyer (FDP)]

Das politische Manöver, aus dem möglichen Fall eines einzelnen Bauunternehmers einen SPD-Bausumpf konstruieren zu wollen, ist ein sehr durchsichtiges. Bauunternehmer sind im Übrigen für das sozialdemokratische Umfeld auch keine sehr typische Klientel.

[Gelächter bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Ist daran was falsch?

[Frank Henkel (CDU): Sie haben sich von allen möglichen Menschen verabschiedet, aber nicht von Bauunternehmern, Herr Jahnke!]

Es ist schon einigermaßen absurd, wenn Herr Jotzo in seiner Begründung den Vorwurf erhebt, wer kein SPDParteibuch habe oder über SPD-Kontakte verfüge, könne in Berlin keine öffentlichen Aufträge bekommen.

Wer schon etwas länger in dieser Stadt politisch tätig ist, wird sich an einen tatsächlichen Bausumpf erinnern, an den Fall eines Baustadtrats Antes, der Bestechungsgelder für die Erteilung von Baugenehmigungen, Grundstücksvergaben und Ähnliches kassierte und in dessen Folge ein wahrhafter Bausumpf aus illustren Gestalten sichtbar wurde, die allerdings, wie auch jener Baustadtrat selbst, aus einem ganz anderen politischen Umfeld stammten, nämlich dem der CDU. Oder, wem das zu lange her ist,

Herr Jotzo: Vielleicht erinnern Sie sich an den Mierendorffplatz und das Moscheegrundstück. Dort sollen Sie als Anwalt auch auf einer Seite tätig gewesen sein. Da hat der CDU-Baustadtrat sehr bewusst auch jemanden gekannt, und dieser Jemand hat dann schließlich das Grundstück gekauft. Also, man sollte vielleicht das Ganze etwas tiefer hängen und mit Vorverurteilungen vorsichtig sein. Es könnte auf einen selbst zurückfallen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Es darf im Fall der HOWOGE kein Vertun geben, die im Raum stehenden Vorwürfe einer rechtswidrigen Auftragsvergabe der HOWOGE müssen zügig und restlos aufgeklärt werden. Zweifelsohne ist das Thema der öffentlichen Auftragsvergabe ein vielschichtiges. Wir werden nachher noch im Zusammenhang mit dem neuen Ausschreibungs- und Vergabegesetz darüber diskutieren. Es geht natürlich darum, Aufträge für die öffentliche Hand und ihre Unternehmen kostengünstig zu erteilen, also wirtschaftlich mit Steuermitteln umzugehen. Es dürfen jedoch nur leistungsfähige, zuverlässige, fachkundige und gesetzestreue Unternehmen beauftragt werden. So steht es im Gesetz.

Selbstverständlich müssen Aufträge europaweit ausgeschrieben werden, wenn die EU-Schwellenwerte erreicht sind. Das Vergabeverfahren muss transparent sein, und es darf keine Stückelung von Aufträgen erfolgen, um die Schwellenwerte zu unterschreiten.

[Claudia Hämmerling (Grüne): Genau!]

Bei darunter liegenden Auftragssummen ist beschränkte Ausschreibung oder auch freihändige Vergabe möglich. Aber auch diese Verfahren unterliegen klaren Regeln. Man kann ja vielleicht der Auffassung sein, dass eine Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, die das Honorar allein nach dem Auftragsvolumen bemisst und damit gerade keine Anreize zum Kostensparen schafft, kontraproduktiv und antiquiert sei.