Protokoll der Sitzung vom 25.02.2010

in Verbindung mit

Dringlicher Antrag

Mieterprobleme im Fanny-Hensel-Kiez lösen

Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/2995

Der Dringlichkeit der beiden zuletzt genannten Anträge wird offensichtlich nicht widersprochen.

Ich mache darauf aufmerksam, dass es im Anschluss an diese Debatte vier Abstimmungen gibt.

Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der SDP. Der Herr Abgeordnete Dr. Arndt hat das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Leitbild einer ganzheitlichen Stadtpolitik ist die solidarische Stadt, eine Stadt mit einer Vielzahl lebenswerter Stadtquartiere, die trotz ihrer Unterschiedlichkeit Chancengleichheit und hohe Lebensqualität bieten, eine Stadt ohne Armengettos und ohne Wohlstandsinseln. Das ist unsere politische Vision. Hieran orientiert sich unser politisches Handeln. Das ist unser Berlin.

[Beifall bei der SPD]

Ein sozialverträgliches Gleichgewicht auf dem Wohnungsmarkt ist dabei dauerhaftes Ziel. Auf diesem Weg begleitet uns eine enge Kooperation von Vermietern und Mieterverbänden. Die SPD-Fraktion wird daher einseitige Veränderungen auf dem Berliner Wohnungsmarkt zulasten der Mieterinnen und Mieter nicht tatenlos zur Kenntnis nehmen. Wir lehnen daher die gegenwärtigen Pläne der schwarz-gelben Bundesregierung zur Einschränkung des Mieterschutzes entschieden ab.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

Ich frage Sie, meine Herren von Schwarz-Gelb: Was sind denn nun Ihre Pläne?

[Zuruf von Björn Jotzo (FDP)]

Rücken Sie damit mal raus, damit der Bevölkerung Wahrheit, Klarheit und Transparenz gegeben wird!

Wir wollen das Mietrecht in Kooperation mit den Mieterinnen und Mietern und den Vermietern weiterentwickeln. Wir wollen prüfen, inwieweit die bundesweit geltenden Regelungen des Mietrechts

[Oliver Schruoffeneger (Grüne): Ihre Fraktion ist schon geflüchtet!]

bei dem notwendigen Investitionsbedarf noch geeignet sind, die energetischen und nachhaltigen Modernisierungsmaßnahmen sicherzustellen, ohne dass die Mieterinnen und Mieter überfordert sind. Hierzu haben wir mehrere Bundesratsinitiativen gestartet: Begrenzung von allgemeinen Mieterhöhungen – die SPD will die Kappungsgrenzen für allgemeine Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete gemäß § 558 Abs. 3 BGB ändern. Wir wollen, dass das Mietrecht an räumlichen Kriterien orientiert wird. Das ist ein wesentlicher Aspekt.

[Unruhe bei den Grünen]

Das gegenwärtige Mietrecht ist auf das Territorialprinzip einer Gebietskörperschaft ausgelegt.

Entschuldigen Sie, dass ich Sie kurz unterbreche! – Ich würde die Kollegen von den Grünen bitten, ihre angestammten Plätze wieder einzunehmen, weil es sonst Turbulenzen bei den Abstimmungen gibt.

[Oliver Schruoffeneger (Grüne): Wir leisten doch Amtshilfe! – Zurufe von den Grünen]

Ich kann Sie natürlich nicht dazu zwingen. – Bitte, Herr Dr. Arndt, fahren Sie fort!

Danke, Herr Präsident! Ich gebe mir alle Mühe. – Das gegenwärtige Mietrecht ist auf das Territorialprinzip einer Gebietskörperschaft ausgerichtet.

[Andreas Otto (Grüne) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Herr Dr. Arndt, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Warten Sie doch den Gedanken ab, dann kann die Zwischenfrage kommen! – Dies führt in Monopolräumen, insbesondere in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen aufgrund des demografischen Wandels und neuer Wanderungsbewegungen innerhalb einer Stadt und in das Umland zu nicht mehr nachvollziehbaren administrativen wohnungs- und mietenpolitischen Verzerrungen. Hier ist die staatliche Rahmensetzung im Mietrecht nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Hier ist umzudenken, – –

Herr Kollege! Bitte noch einmal eine kurze Unterbrechung! – Ich habe eine Frage an den Kollegen Lux. – Ist das eine ernste Absicht von Ihnen, die Fraktion zu wechseln, oder ist das nur eine vorübergehende Platzierung?

[Allgemeine Heiterkeit – Dr. Michael Arndt (SPD): Er sitzt auf meinem Platz! – Benedikt Lux (Grüne): Das ist ein vorübergehender Perspektivwechsel! – Daniel Buchholz (SPD): Er lernt von uns!]

Vielen Dank! – Dann rufe ich Herrn Otto zur Zwischenfrage. – Bitte!

Herr Kollege Dr. Arndt! Würden Sie das Flüchten der SPD-Fraktion so deuten, dass in Ihrer Partei das Interesse am Mieten- und Sozialthema stark gesunken ist?

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Nein! Geschätzter Kollege Otto! Sie kennen die Ausführungen zur Genüge. Ich bedauere das auch, aber ich freue mich umso mehr, dass Sie geschlossen hier im Raum sitzen, weil Sie so die Position der SPD-Fraktion wesentlich besser aufnehmen und unseren Anträgen zustimmen können.

Genossen!

[Allgemeine Heiterkeit – Zurufe von den Grünen]

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nunmehr zu einer aktuellen Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt und zum Antrag der SPD und der Linksfraktion zum Mietenproblem im Fanny-Hensel-Kiez sprechen. Nach

dem Ausstieg aus der Anschlussförderung hat der Eigentümer im sozialen Wohnungsbau das Recht, die Miete bis zur Kostenmiete anzuheben. Wir haben in der Sitzung des Ausschusses für Bauen und Wohnen am 17. Februar von den Mieterinnen und Mietern der Siedlung erfahren, dass eine Erhöhung der Grundmiete von ca. 33 Prozent zu unzumutbaren Verhältnissen führt. Es führt dazu, dass ein Großteil der Mieterinnen und Mieter gezwungen sein wird, innerhalb einer unzumutbar kurzen Frist die Wohnung zu verlassen. Die SPD-Fraktion und die Linksfraktion fordern daher, umgehend und mit Nachdruck zu prüfen, inwieweit die Härtefallregelungen im Fall des Wegfalls der Anschlussförderung hinsichtlich der Möglichkeit befristeter Mietzuschüsse und Umzugshilfen verlängert werden können und auf welchem Weg mit dem Eigentümer eine gütliche Einigung zu erreichen ist. Für die Betroffenen sollen weiterhin landeseigene Wohnungen zur Verfügung gestellt werden.

Unabhängig von diesem Antrag ist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung tätig geworden. So besteht in der Zwischenzeit ein enger Kontakt zwischen Vermieter, dem Vertreter der Mieterinnen und Mieter und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Das ist gut und wird ein sozialverträgliches Endergebnis befördern. Zweitens: 31 Wohnungen sind betroffen, 24 Wohnungen stehen zwischenzeitlich den Mieterinnen und Mietern im FannyHensel-Kiez zur Verfügung.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Die SPD-Fraktion hält an der erfolgreichen Politik eines Ausstiegs aus der Anschlussförderung fest. Das war gut für die Stadt und wird auch in der Zukunft gut sein.

[Beifall bei der SPD]

Dieser Antrag, den wir gemeinsam mit der Linksfraktion hier einbringen, ist ein Signal für den Erhalt von preisgünstigen Wohnungen für sozial schwächere Menschen und mittlere Einkommensbezieher. Es ist auch ein Signal gegen die drohende Entmischung in der Innenstadt.

Würden Sie bitte zum Schluss kommen, Herr Kollege!

Herr Präsident! Ein Schlusssatz! – Das Wohnen in der Innenstadt darf kein Privileg für Besserverdienende sein. Das ist unsere Politik.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort für die Fraktion der CDU hat nun Herr Kollege Stadtkewitz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regierungskoalition erklärt heute das Thema soziale und gerechte Mietenpolitik zur Priorität. Das ist grundsätzlich lobenswert, aber Ihre Motivation ist so billig und durchschaubar wie Ihre sinnlosen Versprechen. Sie wollen sich mal wieder feiern lassen, Sie wollen sich feiern lassen für eine Mietenpolitik, die Ihr soziales Gewissen deutlich machen soll. Sie wissen aber nicht mehr, wie Ihr Gewissen beschrieben werden soll. Denn wenn Sie ein solches Gewissen hätten, wenn Sie verstanden hätten, was das Ziel einer sozial gerechten Wohnungspolitik ist, wenn Sie begreifen würden, welche Verantwortung der Staat für seine Bürger hat, gerade wenn es um Wohnungen als Daseinsvorsorge und insbesondere für sozial schwache Mieterinnen und Mieter in dieser Stadt geht, dann hätte niemand etwas dagegen, dass Sie sich feiern ließen. Sie aber haben anscheinend jedes Gewissen verloren. Sie faseln von sozialer Gerechtigkeit und sehen nicht einmal, dass die Stadt in jeder Hinsicht unter Ihrer Regierungszeit sozial ungerechter geworden ist, dass die Stadt ärmer geworden ist.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Könnten Sie das mal näher ausführen?]

Trotz aller Warnungen und Mahnungen – hören Sie zu, dann geht es weiter! – haben Sie es geschafft, den sozialen Wohnungsbau vollständig auf den Kopf zu stellen. So sind Sozialwohnungen heute teurer als Wohnungen am freien Wohnungsmarkt. Das ist ein Fakt! Die Sozialmieterinnen und -mieter leben in der ständigen Angst, dass ihnen jeden Tag eine Mieterhöhung ins Haus flattern kann, die eine Erhöhung um mehrere Hundert Prozent bedeuten kann.

[Dr. Michael Arndt (SPD): Das ist Quatsch!]

Das ist nicht Quatsch, Herr Arndt! Das erleben wir gerade im Fanny-Hensel-Kiez. Das ist eine Folge Ihrer Politik. Hierfür haben Sie es weiß Gott nicht verdient, sich feiern zu lassen!

Der heute von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der CDU eingebrachte Dringlichkeitsantrag hätte Ihnen die Gelegenheit gegeben zu zeigen, dass Ihnen wenigstens ein Restfunke des sozialen Gewissens geblieben ist, denn hier geht es um einen ganz konkreten Fall.

[Daniel Buchholz (SPD): Eine Frechheit sondergleichen! – Martina Michels (Linksfraktion): Wir haben einen eigenen Antrag!]