Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Linkspartei! Sie regieren und das nicht erst seit gestern.
Anstatt ununterbrochen das Theaterstück von der regierenden Opposition zu geben – insbesondere bei der Linkspartei –, sollten Sie endlich anfangen, eine vernünftige Arbeitsmarktpolitik zu machen.
Mehr Einfluss auf die Jobcenter bekommen wir erst dann, wenn die kommunale Mehrheit in den Trägerversammlungen der Jobcenter realisiert wird. Bislang herrscht dort nämlich eine Pattsituation zwischen der Kommune und der Bundesagentur. Der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sagte:
Offensichtlich will Rot-Rot genau das in Berlin nicht. Anders ist es nicht zu erklären, dass erst Herr Wolf und nun Frau Knake-Werner einen einstimmigen Parlamentsbeschluss aus dem Jahr 2005 ignorieren. Um Ihre Erinnerung aufzufrischen: Der Senat wurde damals beauftragt, eine Vereinbarung mit der Bundesagentur für Arbeit abzuschließen, um die Pattsituation aufzulösen. Doch Ihnen scheint die organisierte Verantwortungslosigkeit, die zurzeit im Bermudadreieck zwischen den Jobcentern, der Regionaldirektion und dem Senat herrscht, ganz gut in den Kram zu passen. So können Sie weiter die regierende Opposition geben und so tun, als hätten Sie mit den Ganzen nichts zu tun. Das ist erbärmlich!
Das Schlimmste daran ist, dass das zu Lasten der Erwerbslosen geht, zu deren Anwalt Sie sich doch sonst so gerne aufspielen. Wie schon erwähnt, schrieb der SPD- Justizstaatssekretär einen Brandbrief an die Arbeit- und Sozialverwaltung, die damals noch getrennt waren, beklagte darin die Arbeit der Jobcenter und drang auf Abhilfe. Wenigstens dämmert der Koalition inzwischen, in welch missliche Lage die Totalverweigerung der Linkspartei, Hartz IV in Berlin auch nur ansatzweise umzusetzen, die Betroffenen und mittlerweile auch die Gerichte gebracht hat.
Dass die Probleme dramatische Ausmaße angenommen haben, beschreibt Herr Flügge ausführlich. Eine kleine Auswahl: Die Jobcenter haben bis heute nicht genügend Personal. Die Folge ist eine dramatische Überlastung der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zu massiven Fehlern führt. Es gibt verzweifelte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern, die den Betroffenen empfehlen, vor Gericht zu ziehen, um die Bearbeitung ihres Falles zu beschleunigen. Experten schätzen, dass rund ein Drittel der Klagen Untätigkeitsklagen sind, d. h. es wird geklagt, weil die Jobcenter nichts tun. Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Jobcenter fehlen ausreichende Rechtskenntnisse zum Sozialgesetzbuch und zum normalen Rechtsverfahren. Es geht so weit, dass manche Jobcenter Gerichtsbeschlüsse ignorieren. Akten sind nicht vollständig. Im schlimmsten Fall – auch das kam schon vor – müssen Gerichtsverhandlungen ohne Akten geführt werden, weil es diese schlicht nicht gibt. Zudem sind die Bescheide unverständlich. Viele Menschen gehen vor Gericht, weil sie ihren Bescheid erklärt bekommen wollen. Das tun die Jobcenter nämlich nicht, sondern das müssen unsere hochbezahlten Richter machen. – So war das alles nicht gedacht.
Alles spricht für eine schlampige Umsetzung des Gesetzes in Berlin und nicht für Fehler im Gesetzestext, wie es die Linkspartei gebetsmühlenartig wiederholt, um sich aus der Verantwortung zu stehlen. Die Staatssekretärin für Arbeit, Frau Liebich, schreibt ernsthaft eine Presseerklärung mit dem Titel „Sozialgerichte baden Hartz IV aus“.
Nein, Frau Liebich, richtig müsste die Überschrift lauten: Arbeitslose und Gerichte baden die schlechte Politik der Linkspartei aus.
Keine Frage: Man kann rot-grüne Regierungsentscheidungen kritisieren. Ich selbst habe Teile von Hartz IV immer kritisiert und stehe dazu, aber ich glaube, im Jahr 2007 entlässt das keinen mehr – und erst recht nicht die Regierung – aus der Verantwortung, endlich zu akzeptieren, dass Hartz IV Realität ist. Im Sinne der Betroffenen muss endlich eine vernünftige Arbeit der Jobcenter garantiert werden. Doch dieser Senat handelt weiter nach dem Motto „Jede schlechte Hartz IV-Nachricht ist eine gute Nachricht für die Linkspartei“. Der Wahlkampf ist vorbei. Stecken Sie endlich die Wahlkampfparolen weg, und fangen Sie an zu regieren, Frau Knake-Werner!
Es ist schäbig, immer nur Hartz IV zu skandalisieren und zu verschweigen, dass Berlin für die Qualifizierung von ALG II-Empfängerinnen und -Empfängern knapp 600 Millionen € vom Bund erhält. Sie haben es letztes Jahr wieder nicht geschafft, dieses Geld auszugeben. Letztes Jahr wurden 67 Millionen € von den Jobcentern nicht ausgegeben und weitere 51 Millionen € von den Arbeitsagenturen. Mit diesem Geld könnte man viel Qualifizierung und Beschäftigung organisieren, aber Sie schicken das Geld lieber an den Bund zurück, denn wir haben es ja offensichtlich im Überfluss.
Könnte es sein, dass sich die PDS einfach nicht am Hartz IV-Geld die Hände dreckig machen will, wie es uns der Kollege Wechselberg in der letzten Legislaturperiode erklärt hat?
Wenigstens die SPD ist jetzt aufgewacht und will endlich eine vernünftige Steuerung in der Arbeitsmarktpolitik. Frau Grosse, Herr Müller, ich freue mich auf Ihren Einsatz. Bringen Sie endlich die Eigenständigkeit der Jobcenter voran, indem die Bezirke die Mehrheit in der Trägerversammlung erhalten! Verbessern Sie endlich die Arbeit der Jobcenter! Das Chaos dort muss ein Ende haben.
Im Sinn der Betroffenen muss eine zügige und transparente Bearbeitung und Vermittlung stattfinden. Die Beschäftigten der Jobcenter müssen zunächst qualifiziert werden, damit sie in der Lage sind, ihre Arbeit vernünftig zu machen und Erwerbslosen Wege aus der Arbeitslosigkeit zu zeigen. Die Rechtsstellen der Jobcenter müssen ein Weisungsrecht bekommen, und um Klagen zu vermeiden, könnte man sich überlegen, dass die Jobcenter selbst Vergleiche aushandeln, um Gerichtsverfahren zu vermeiden. Zusätzlich könnte eine Schiedsstelle bereits im Vorfeld einer Klage eingeschaltet werden, wie es im Zivilrecht üblich ist.
Wir schlagen mit unserem Antrag erneut vor, eine Ombudsstelle einzurichten, die ähnliche Funktionen wie eine Schiedsstelle übernehmen könnte. Zu meiner großen Freude habe ich gehört, dass die PDS-Fraktion in Pankow einen ähnlichen Antrag gestellt hat. Vielleicht bewegen wir uns doch noch aufeinander zu, nachdem Sie, meine Damen und Herren von Rot-Rot, in der letzten Legislaturperiode eine Ombudsstelle für überflüssig hielten. Haben Sie endlich ein Einsehen! Lehnen Sie den Vorschlag nicht einfach schnöde ab! Diese Maßnahme wäre tatsächlich hilfreich.
Last, but not least: Die Menschen sollten in Jobcentern einen einzigen Ansprechpartner bekommen, der verlässlich für sie da ist. Die heutige Trennung in Leistungs- und Vermittlungsstellen führt dazu, dass die Menschen zwischen den beiden Stellen hin- und hergeschoben werden und niemand konkret für sie ansprechbar ist. Von der Koalition habe ich bisher nur viele Ausreden, aber wenige Vorschläge zur Verbesserung der Situation gehört. Das einzige, was Sie auf den Weg bringen wollen, ist ein Modellprojekt eines öffentlichen Beschäftigungssektors für 2 500 Teilnehmer. Angesichts der Tatsache, dass bereits heute in Berlin neben 8 000 ABM-Stellen weitere 4 500 sozialversicherungspflichtige Jobs öffentlich gefördert werden, ist Ihr Modellprojekt reine Symbolpolitik. Angesichts des Personalabbaus in Höhe von 15 000 Stellen in den letzten Jahren im öffentlichen Dienst sind Ihre 2 500 öffentlich geförderten Stellen erst recht weiße Salbe.
Ich fordere Sie zum Wohl der erwerbslosen Menschen in dieser Stadt dazu auf, endlich Ihre Boykottpolitik aufzugeben und die Probleme der Jobcenter anzugehen, um eine Arbeitsmarktpolitik auf den Weg zu bringen, die diesen Namen verdient!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Pop! – Für die Linksfraktion hat jetzt die Abgeordnete Breitenbach das Wort. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einig sind wir uns, glaube ich, dass es ein Skandal ist, dass so viele Fördermittel für die Arbeitslosen im letzten Jahr verfallen sind. Es wirft aber auch die Frage auf, ob die Qualifizierung und die Wiedereingliederungsmaßnahmen für die Berliner Arbeitslosen nicht wirkungsvoller gestaltet werden können.
Nach den Redebeiträgen der Opposition wirft es allerdings auch die Frage auf, wer eigentlich wofür zuständig ist und wer welche Zugriffsrechte hat. Bevor ich darauf eingehe, erlaube ich mir aber noch eine andere Bemerkung: Ärgerlich finde ich auch, dass sich Kolleginnen und Kollegen aus diesem Haus zwei Jahre nach Inkrafttreten der Hartz-Gesetze immer noch nicht die Mühe gemacht haben, sich wenigstens mit den grundsätzlichen Regelungen dieser Gesetze auseinanderzusetzen.
Herr Meyer! Ihre Pressemitteilung beispielsweise zeugt davon. – Herr Lehmann, Ihre Rede auch! Sie werfen alles in einen Topf und haben damit auch alles völlig durcheinandergeworfen.
Frau Pop! Allerdings bin ich mir jetzt auch bei Ihnen ein bisschen unsicher, ob Sie das Hartz-Gesetz richtig gelesen haben. Deshalb möchte ich zu Beginn einige Dinge klarstellen. Ich hoffe, dass wir dann zu einer sachlicheren Debatte kommen können.
Wir haben in diesem Land ein SGB II. Das regelt alles, was die erwerbsfähigen Langzeitarbeitslosen und ihre Familien betrifft. Das sind die Personen, die Arbeitslosengeld II bekommen, also die sogenannten Hartz-IVLeistungen. Darüber hinaus haben wir ein SGB III. Das wiederum enthält Regelungen für den Kreis der Arbeitslosengeld-I-Empfangenden – auch für andere, aber die lasse ich jetzt erst einmal außen vor. – Für alle Arbeitslosen, Herr Meyer, stehen Gelder zur Förderung und Wiedereingliederung zur Verfügung.
Diese Mittel kommen aus verschiedenen Töpfen, und diese Töpfe – Frau Grosse hat schon darauf hingewiesen – haben rein rechtlich gesehen nichts miteinander zu tun.
Dahin komme ich noch! Ich habe ja Zeit. – Die Gelder für die Förderung der Arbeitslosengeld-I-Beziehenden kommen aus dem Eingliederungstitel I, sind also ein Teil des Haushalts der Bundesagentur für Arbeit. Woher die Gelder genau kommen, hat Frau Grosse schon gesagt. Bei den Fördermitteln für den Kreis der Arbeitslosengeld-IIBeziehenden handelt es sich um Steuergelder. Das ist der Eingliederungstitel II. Eselsbrücke: Arbeitslosengeld I – Eingliederungstitel I, Arbeitslosengeld II – Eingliederungstitel II.
Diese Gelder – also die aus dem Eingliederungstitel II – werden nicht, wie immer wieder zu hören ist, an die Länder verteilt, sondern sie werden an die Regionaldirektionen der einzelnen Bundesländer verteilt. – So weit zur gesetzlichen Regelung.
der Arbeitslosen dienen sollen – Frau Pop, ich habe Ihnen auch ganz ruhig zugehört, und, ehrlich gesagt, mir war auch zum Schreien –, von der Bundesagentur, der Regionalagentur und den Jobcentern nicht ausgeschöpft werden, dann ist das ein Skandal, Herr Meyer! Das haben Sie vorhin auch gesagt. In Ihrer Pressemitteilung haben Sie gesagt, das sei schizophren. Überlegen Sie einmal, ob Ihr Verhalten vielleicht schizophren ist, denn Ihre Partei hat diesem Hartz-Gesetz zugestimmt. Jetzt wollen Sie nicht dabei gewesen sein und wundern sich, wenn dieses Gesetz, das beschlossen wurde, umgesetzt wird.
Der Senat hat über keinen dieser Töpfe – Frau Pop, das wissen Sie auch – Verfügungsgewalt oder eine direkte Einwirkungsmöglichkeit.