Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

Gestatten Sie mir an dieser Stelle noch einen kurzen Hinweis zum Verfahren bei Gesetzesvorhaben des Senats, vielleicht hilft es ja bei der Wahrheitsfindung. Die Erstellung von Referentenentwürfen, die schriftliche Anhörung dazu ist obligatorisch, ebenso wie deren Auswertung und die anschließende Überarbeitung des Entwurfs.

[Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

Gegenwärtig befindet sich der Entwurf des Klimaschutzgesetzes in meinem Haus in der Schlusszeichnung. Im Anschluss daran erfolgt die Mitzeichnung der anderen Senatsverwaltungen,

[Andreas Gram (CDU): Welcher Entwurf?]

die Senatsbefassung, die Beteiligung des Rats der Bürgermeister. Nach Beschlussfassung im Senat voraussichtlich Mitte des Jahres wird der Gesetzentwurf dem Abgeordnetenhaus zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt.

[Mario Czaja (CDU): Das wird die gleiche Zeit brauchen wie der Krankenhausplan!]

Alles, was aktuell diskutiert und kommentiert wird, ist also ein Arbeitsstand. Ich plädiere ausdrücklich dafür, unsere politische Energie auf die verfahrensgemäße Behandlung des Klimaschutzgesetzes zu konzentrieren, anstatt sie im Vorfeld zu verschwenden und die Öffentlichkeit noch zu verwirren.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Das sage ich bewusst vor dem Hintergrund einer langen und erfolgreichen Berliner Klimaschutztradition, die weit vor der rot-roten Koalition begonnen hat. Bereits seit 1990 arbeiten wir in Berlin daran, Ressourcen einzusparen und damit klimaschädliche Emissionen zu verringern. Die Einsparvorgabe von 25 Prozent CO2-Emission we

Senatorin Katrin Lompscher

niger bis 2010 gegenüber 1990 hat Berlin bereits 2006 erreicht. Berlin ist ein bundesweites Vorbild, was niedrigen Energieverbrauch und niedrige CO2-Emission angeht.

[Beifall von Jutta Matuschek (Linksfraktion)]

Mit der Erfüllung der Ziele des aktuellen Landesenergieprogramms stellt sich für den rot-roten Senat die Frage: Bleiben wir an dieser Stelle stehen, warten wir bis 2010, und machen erst einmal nichts, oder wollen wir den Weg einer weiteren Senkung des Ressourcenverbrauchs und damit der Emission weitergehen?

[Christoph Meyer (FDP): Dazu haben Sie noch gar nichts gesagt!]

Mit seinem klimaschutzpolitischen Arbeitsprogramm vom Sommer 2008 beantwortete der Senat diese rhetorische Frage. Die CO2-Minderungsziele wurden auf 40 Prozent bis 2020 angehoben, Klimaschutz als Zukunftsaufgabe des gesamten Senats definiert.

Das energiepolitische Leitbild vom Herbst 2009 formuliert unter anderem das Ziel, die CO2-Emission bis 2050 um 80 Prozent zu reduzieren. Außerdem soll die Nutzung erneuerbarer Energien erheblich erweitert werden. Der Senat setzt beim Klimaschutz auf eine Vielzahl von Instrumenten: auf die Klimaschutzvereinbarungen, auf Energiesparpartnerschaften, auf Verbrauchsreduzierung und Kostensenkungen in öffentlichen Gebäuden und Anlagen, auf gezielte Umweltförderung durch Umweltentlastungsprogramm und Konjunkturpaket. Diese Aktivitäten des Senats sind erfolgreich, auch wenn Sie das immer wieder bestreiten.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

So belegt Berlin in der Gesamtbewertung der Siemensstudie zum European Green City Index den achten Platz unter allen untersuchten europäischen Hauptstädten und lässt große Metropolen wie London, Paris, Madrid, Rom und Warschau hinter sich.

[Martina Michels (Linksfraktion): Aha!]

Warum ist angesichts dieser Erfolge dennoch ein Klimaschutzgesetz für das Land Berlin erforderlich? – Ich möchte Ihnen dafür vier Gründe nennen.

Erstens: Berlin kann und will nicht stehenbleiben. Berlin will weiterhin seiner globalen Verantwortung auf lokaler Ebene gerecht werden. Der sozialökologische Umbau ist für diese Stadt eine zentrale Aufgabe, das geplante Klimaschutzgesetz dafür ein wichtiger Baustein.

[Andreas Gram (CDU): Richtig kommunistische Phrasendrescherei! – Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Zweitens: Die bundesrechtliche Energieeinsparverordnung, zuletzt von der großen Koalition novelliert und in ihren Wirkungen verschärft, zielt vorrangig auf den Neubau von Gebäuden. Das ist hier schon erwähnt worden. Zum Erreichen der ambitionierten Klimaschutzziele des Landes ist es jedoch unerlässlich, den Gebäudebestand

einzubeziehen. Bisher geschah das auf freiwilliger Basis mit Klimaschutzvereinbarungen. Dieses positive Engagement soll in keinem Fall in Frage gestellt werden, im Gegenteil. Ziel des Klimaschutzgesetzes ist es, die energetische Sanierung von Gebäuden auch bei denjenigen Eigentümern voranzubringen, die sich bisher nicht freiwillig engagiert haben.

Drittens: Es ist erklärtes Ziel, nicht nur Energie einzusparen, sondern auch die Nutzung erneuerbarer Energien auszubauen. Hier hat Berlin eindeutig Nachholbedarf. Berlin verfügt nun einmal nicht über die Wasser- und Freiflächen, um große Windkraftanlagen zu bauen. Auch hier brauchen wir deshalb Maßnahmen im Gebäudebestand, um auf der einen Seite zu guten Ergebnissen zu kommen und auf der anderen Seite aber auch die Zukunftstechnologien, die wir für die Stadt der Zukunft brauchen, voranzutreiben.

Viertens: Das Land Berlin hat für sein klimaschutzpolitisches Engagement nur begrenzten rechtlichen Spielraum. Regelungen zum Verkehr sind unzulässig. Die Errichtung und der Betrieb von Kraftwerken sind bundesrechtlich geregelt. Das Energiewirtschaftsgesetz des Bundes regelt weitgehend abschließend den Bereich von Strom- und Gasversorgung. Landesrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen daher nur bei der Gebäudewärme, aufgrund der Ermächtigung im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz, bei der Versorgung mit Fernwärme und sogenannter Nahwärme sowie hinsichtlich der Wärmeschutzanforderungen an Gebäude und der Energieeffizienz von wärmetechnischen Anlagen. Es ist also neben dem sachlichen auch aus rechtlichen Gründen geboten, zum Erreichen der CO2-Minderungsziele den Gebäudebestand ordnungsrechtlich in den Fokus zu nehmen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Klimaschutzpolitische Ziele können nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn die Wirtschaft leistungsfähig ist und wenn die soziale Balance gewahrt wird.

Das geht natürlich nur mit den Menschen in unserer Stadt. Das gilt auch für das Klimaschutzgesetz. Damit wir das Vorhaben erfolgreich umsetzen können, müssen wir erkennbare, befürchtete, zum Teil behauptete, zum Teil aber auch unvermeidliche Zielkonflikte auflösen. Deshalb wird sich der Senatsentwurf eines Klimaschutzgesetzes in wesentlichen Punkten vom Referentenentwurf vom letzten Sommer unterscheiden, ohne dass dadurch die ehrgeizigen und notwendigen Klimaschutzziele verwässert werden. Wir werden zum einen langfristige Klimaschutzziele bis 2050 aufnehmen, und damit einer Anregung vieler Verbände folgen.

Und wir haben in dem am stärksten öffentlich diskutierten gebäudebezogenen Teil des Gesetzes eine Änderung vorgenommen, nämlich die Intention des sogenannten Stufenmodells aufgenommen.

Senatorin Katrin Lompscher

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Michael Schäfer (Grüne): Wo denn?]

Hören Sie doch einfach zu! – BUND und Mieterverein hatten vorgeschlagen, anstelle der beabsichtigen Nutzungspflicht für erneuerbare Energien lediglich Energiestandards für Gebäude gesetzlich festzulegen, die schrittweise nach klimaschutzpolitischen Erfordernissen abgesenkt werden sollen. Mitinitiator IHK, die dem in der Sache den Dingen auch positiv gegenübersteht, hat übrigens von Beginn an auf große rechtliche Unsicherheiten und praktische Probleme hingewiesen. Das Stufenmodell ist ein theoretisches Modell und überhaupt nicht geeignet, als Rechtsinstrument eins zu eins umgesetzt zu werden. Wir wollen dennoch, indem wir diese Anregung aufgreifen, im Senatsentwurf vor die Nutzungspflicht erneuerbarer Energien, an der wir aus guten rechtlichen und inhaltlichen Gründen festhalten, einen Gebäudeenergiestandard setzen. Wenn dieser Wert nicht überschritten wird, entfallen die Pflichten aus diesem Gesetz. Damit sollen bereits erbrachte Sanierungsleistungen honoriert werden, auch um klarzumachen, dass die rechtlichen Vorgaben nicht die Vorreiter, sondern die Nachzügler in Sachen Klimaschutz in die Pflicht nehmen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir haben, anders als Herr Schäfer es annimmt, intensiv geprüft, ob das Stufenmodell, dessen Orientierung auf den Gebäudeenergieverbrauch ich für richtig halte und unterstütze, rechtlich umsetzbar und praktisch handhabbar ist. Im Ergebnis mussten wir das verneinen. Wir haben aber die Orientierung auf den Gebäudeenergieverbrauch in unser Vorhaben aufgenommen. Die von uns gewählten Schwellenwerte sind dabei nicht willkürlich gewählt – und damit gerichtlich angreifbar –, sondern sie beziehen sich einerseits auf den Mietspiegel 2009 und bei Nichtwohngebäuden auf Festlegungen des Bundesbauministeriums.

Wir werden auch einen Fördertatbestand in das Gesetz aufnehmen. Das spielte hier schon eine Rolle. Damit verdeutlichen wir, dass das Land Berlin mit eigenen Mitteln die Umsetzung der Ziele des Gesetzes unterstützt und soziale und wirtschaftliche Härten in der Konsequenz vermieden werden sollen. Wir wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir EU- und Landesmittel für eine sogenannte Abwrackprämie für alte Heizungsanlagen und zur weiteren Zinsverbilligung der Bundesprogramme zur energetischen Gebäudesanierung nutzen können.

Der hier zwischenzeitlich kritisierte Einführungszeitraum von fünf Jahren ist im Übrigen auch Gewähr dafür, dass diese Maßnahmen sorgfältig vorbereitet und rechtzeitig umgesetzt werden können und dass sich die Hauseigentümer auch planerisch auf das, was auf sie zukommt, einstellen können.

Wir führen gemeinsam mit der Berliner Energieagentur umfangreiche Berechnungen durch, um die finanziellen

Auswirkungen des Einsatzes erneuerbarer Energien besser abschätzen zu können. Das betrifft die kleine SingleWohnung genauso wie die größere Familienwohnung und das Einfamilienhaus.

Diese Kostenschätzung gehört genauso zu einer qualifizierten Debatte und zu einem Gesetzentwurf, wenn er denn das Abgeordnetenhaus erreichen wird, wie eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, in der auch regionale Arbeitsplatz- und Wertschöpfungseffekte sowie die Kosten unterlassener Klimaschutzmaßnahmen eine Rolle spielen müssen. Unsere Ergebnisse der Berechnungen widerlegen die überzogenen Kostenschätzungen vor allem für Mietwohnungen, die vereinzelt in der bisherigen Debatte geäußert wurden. So führt z. B. der zusätzliche Bau einer Solarthermieanlage in einer 65-m²-Mietwohnung im ersten Jahr nur zu einer Warmmietenerhöhung im einstelligen Eurobereich. Eine Holzpelletanlage z. B. führt bereits nach sieben Jahren zu Einsparungen bei der Warmmiete.

Aber es bleibt festzuhalten: Natürlich kostet Klimaschutz Geld. Wer wollte das bestreiten? Aber nur die Investitionen in die Gebäude und damit mittelfristig moderat und sozial tragbar höhere Kaltmieten bringen doppelten Nutzen, sowohl für die Gesellschaft als auch für die Einzelnen. Die Energieeinsparung reduziert die Nebenkosten der Miete und die CO2-Einsparung reduziert den Aufwand für Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel. Wenn wir diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe lösen wollen, dann ist eine gerechte Lastenverteilung zwischen Staat, Vermietern und Mietern – oder anders gesagt: öffentlicher Hand, Wirtschaft und privaten Haushalten – unverzichtbar. Und das meint eben nicht nur Ausgleichsmechanismen auf Landesebene. Hier ist der Spielraum, wie Sie alle wissen, nicht sehr groß, aber wir werden ihn nutzen. Wir brauchen auch auf Bundesebene endlich eine ehrliche Auseinandersetzung über die Zusammenhänge und neue Ansätze für die Verbindung von Klimaschutz, Förderpolitik, sozialem Zusammenhalt und Mieterschutz. Wenn es uns gelingt, diese komplexe Debatte konstruktiv zu führen, die klimaschutzpolitische Notwendigkeit einerseits und die Wahrung der sozialen Balance andererseits im Blick zu haben, dann bin ich zuversichtlich, dass das Land Berlin bald ein Klimaschutzgesetz haben wird, das der Vorreiterrolle dieser Stadt beim Klimaschutz gerecht wird. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Frau Senatorin Lompscher! – Wir treten in die zweite Rederunde ein. – Sie haben das Wort. Bitte! Sie haben noch 2 Minuten 20.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Vielen Dank, Frau Lompscher, für das, was Sie hier vorgetragen haben! Sie hatten heute in der Presse versprochen, Frau Senatorin,

Senatorin Katrin Lompscher

klare Zahlen und Rahmenbedingungen zu nennen. Das habe ich nicht gehört. Dieses Versprechen haben Sie nicht erfüllt.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Und Sie haben erzählt, dass Sie die Verbände alle angehört haben, aber Sie haben ihnen offensichtlich nicht zugehört, weil ich auch nichts dazu gehört habe, wie die wesentlichen Forderungen der Verbände, die alle gestellt haben und die ich dargestellt habe, von Ihnen jetzt aufgenommen werden sollen.

Zum Thema „Zusammenarbeit in der Koalition“: Sie haben gesagt, Sie hätten sich geeinigt, wie Sie die Debatte führen. Offensichtlich haben Sie sich dann geeinigt, die Debatte so zu führen, dass jeder dazu kontroverse Stellungnahmen in der Presse abgibt. Wenn das das Verfahren ist, dann nehmen wir das eben so hin.

[Beifall bei der FDP – Zurufe von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion) und Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

Zum weiteren Verfahren des Gesetzes: Wir hören jetzt nur noch, dass es dieses Jahr verabschiedet werden soll. Wir haben jetzt nur noch einen Anschlagpunkt, den 31. Dezember 2010. Bis dahin wollen Sie irgendwas tun. Ich hätte erwartet, dass es einen Fahrplan gibt. Ich habe positiv aufgenommen, dass Herr Buchholz sagt, es soll Anhörungen geben, es soll Debatten mit der Stadtöffentlichkeit geben. Das halte ich für wichtig. Aber ich sehe keine Zwischenschritte in dem Fahrplan. Deshalb ist es schwer, das auch nachzuhalten.