Protokoll der Sitzung vom 25.03.2010

Das kann ich Ihnen sagen, wozu. Wer nur an den Staat glaubt und bei jedem Problem auf den Staat rekurriert, der kann als Wirtschaftssenator eben nicht Unternehmer begeistern, der kann keine Investitionen akquirieren und erfolgreich für den Standort Berlin und damit für die Arbeitsplätze werben. Das genau aber ist die Aufgabe des Wirtschaftssenators. Das müsste die Schwerpunktaufgabe von Senator Wolf auch sein.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Normalerweise hören Sie doch zu!]

Sie aber, Herr Wolf, überschlugen sich in der Vergangenheit mit Ankündigungen. Sie haben weder eine Idee, wie sie beispielsweise den Rückkauf der Wasserbetriebe oder der GASAG finanzieren wollen, noch, was Sie denn anders machen wollen als die bisherigen Inhaber.

Auch heute haben Sie wieder gar nichts dazu gesagt, wie Sie mit nicht vorhandenen Milliarden mögliche Rückkäufe finanzieren wollen. Ganz offensichtlich ist sich die Koalition hier auch alles andere als einig. Ende Dezember 2009 sagte Herr Nußbaum – nachzulesen in der „Berliner Morgenpost“ –, Sie hätten das falsche Konzept für die Rekommunalisierung der GASAG und der Wasserbetriebe. Kurz vor Weihnachten wirft Ihnen, Herr Wolf, SPDChef Müller ebenfalls via „Morgenpost“ vor:

Es sind einige in der Stadt unterwegs, die den Eindruck erwecken, als könne Berlin mit Milliarden auf Einkaufstour gehen. Man darf nicht zu viel versprechen.

Das ist Ihr Kernproblem. Sie reden von Rekommunalisierung, Sie treiben jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf. Wenn es aber um Fragen der Finanzierung, der Konzepte geht, dann wird es sehr schnell ruhig. Da ist heute auch nicht mehr gekommen als in der Vergangenheit.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Wir sehen doch an den aktuellen Sanierungsfällen, dass der Senat oftmals seine eigenen Unternehmen wie beispielsweise die BVG nicht ordentlich steuern kann. Sie waren auch nicht in der Lage als Monopolauftraggeber an die S-Bahn, vernünftige Verträge abzuschließen. Jetzt rufen Sie – als große Lösung – auf zu einer Fusion des Sanierungsfalls S-Bahn auf der einen Seite mit einer auf der anderen Seite ausgebluteten BVG auf. Das würde nicht das Problem lösen, sondern die Dauerkrise für beide Unternehmen erhöhen, und das mit unabsehbaren Finanzierungslasten für den Eigentümer, nämlich das Land Berlin. Das können wir nicht mitmachen.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Wo ist Ihre Fraktion, Herr Melzer? – Dr. Margrit Barth (Linksfraktion): Die CDU-Fraktion ist schon nach Hause gegangen!]

Auch bei der BSR muss festgestellt werden, dass das Winterchaos, das uns in den letzten Wochen immer wieder beschäftigt hat, kein Ruhmesblatt für einen erstarrten Senat, für die Organisation ist.

Um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, es wurde eben schon einmal gesagt: Die Probleme bei der BVG und bei der BSR sind nicht bei den Busfahrern oder den Müllwerkern zu suchen, sprich nicht bei den Angestellten und Arbeitnehmern, sondern liegen an der fehlenden Strategie des Eigentümers, und das ist der Senat.

[Beifall bei der CDU]

Bei der S-Bahn wissen Sie letztlich ganz genau, dass eine Fusion mit der BVG vertragsrechtlich gar nicht durchführbar ist. Unabhängig davon, dass die Deutsche Bahn ja gar nicht verkaufen will, diskutieren Sie hier fröhlich und fleißig weiter darüber, diese beiden Unternehmen möglicherweise zu fusionieren. Wir haben einen Vorschlag unterbreitet: Sanierungsvertrag für die S-Bahn, durchaus diskussionswürdig. Wir werden das auch weiter verfolgen. Hier im Haus sollten wir einen Schwerpunkt darauf setzen und nicht – ich sage mal –: auf ungelegte Eier. Die kann man noch jahrelang durchs Dorf treiben, davon werden sie aber auch nicht konkreter.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Ungelegte Eier durchs Dorf treiben?]

Thema Daseinsvorsorge: Zum einen müssen wir aus unserer Sicht noch einmal sehr genau definieren, was denn alles unter die Daseinsvorsorge fällt. Dann müssen wir uns gemeinschaftlich die Frage stellen – ich formuliere das absichtlich ergebnisoffen –, ob Fragen der Daseinsvorsorge hundertprozentig als Totschlagargument gegen mehr Wettbewerb missbraucht werden können oder ob vielleicht die IHK im Recht ist, wenn heute der Hauptgeschäftsführer Jan Eder sagt: Eine langfristige Strategie zum Umgang mit den Landebeteiligungen ist notwendig. Er warnt vor teueren Sackgassen.

Beim Thema Sackgassen bin ich bei den Wasserbetrieben.

[Zuruf von Volker Ratzmann (Grüne)]

Herr Wolf! Wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe, haben Sie gesagt, Sie wollten innerhalb der Teilprivatisierung zu einer neuen Kultur kommen. Was heißt das eigentlich konkret? Bedeutet neue Kultur Rekommunalisierung, Rückkauf der Anteile der privaten Eigentümer, also Rückkauf von 49,9 Prozent der Anteile?

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Kultur, das ist doch Quatsch!]

Oder bedeutet das, so wie Sie oder wie der Senat beispielsweise in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage sagt:

Dem Senat geht es darum, die Teilprivatisierungsverträge wirtschaftlich zum Vorteil des Landes und vor allem der Wasserkunden auszurichten.

Das können wir nachvollziehen, das ist richtig. Das ist die Antwort auf die Frage, wie man die Wasserbetriebe zu einem Musterbeispiel öffentlich-privater Partnerschaften weiterentwickeln kann, kein Wort mehr von Rückkauf der Anteile.

[Heidi Kosche (Grüne): Erst die Verträge aufdecken!]

Das ist übrigens ein guter Einwand, erst einmal die Verträge aufzudecken.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Sie hatten damals Geheimhaltung vereinbart!]

Wir haben dazu hier Verträge geführt. Herr Wolf! Noch nicht einmal das haben Sie vermocht, die Verträge vernünftig offenzulegen.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Vielleicht erinnern Sie sich noch, wer die Verträge gemacht hat!]

Das gleiche Problem besteht übrigens bei den Tarifen. Da haben Sie jahrelang gewartet, jetzt gibt es den Entscheid des Bundeskartellamts. Sie hätten vor dem Entscheid des Bundeskartellamts aktiv werden müssen. Sie sind der Mehrheitsgesellschafter. Mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr verdient das Land Berlin an den Wasserbetrieben: 14,8 Millionen Euro Konzessionsabgabe, 108 Millionen Euro Gewinnabführung, 7,1 Millionen Euro Abwasserabgabe, 51,6 Millionen Euro Grundwasserentnahmeentgelt. Strich drunter! Unterm Strich 181 Millionen! Das würde ausreichen, um den Tarif um ein Viertel zu senken. Stattdessen, Herr Wolf, zeigen Sie mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die privaten Investoren, anstatt mit Ihren Anteilen so umzugehen, dass es attraktive Tarife für die Berliner Verbraucher gibt. Das hätten Sie schon lange umsetzen können.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Um auch mit dieser Legende aufzuräumen: Es gab ja die unterschiedlichen Abreden beim Teilprivatisierungsvertrag Wasserbetriebe. Ich habe Sie in der Kleinen Anfrage „10 Jahre Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe“ mal gefragt, ob das denn eingehalten worden ist. Sie antworten, der Senat sieht

den technisch-operativen Teil der Partnerschaft innerhalb der Berlinwasser Holding durchaus als erfolgreich. … Die vertraglich vereinbarten Leistungen, wie Mindestinvestitionen …, Ansiedlung von Arbeitsplätzen … [usw. sind] über das geschuldete Maß hinaus erfüllt.

Auch bei den Angestellten stellen Sie fest, ein vertraglicher Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen ist eingehalten. Alle Verpflichtungen, die hier aufgezählt worden sind, sind aus Ihrer Sicht entweder eingehalten oder übererfüllt. Im Ergebnis kommen Sie bzw. Ihr Staatssekretär, der unterzeichnet hat, zu dem Schluss, dass die Berliner Wasserbetriebe im Rahmen einer öffentlichprivaten Partnerschaft weiterzuentwickeln sind. Ich habe Sie ein Stück weit heute auch so verstanden, dass Sie dort eine neue Kultur haben wollen. Wenn ich dies falsch verstanden habe und Sie das Geld gefunden haben, um 49,9 Prozent der Anteile zurückzukaufen, dann bin ich gespannt, wie Sie uns erklären, wie Sie dafür das Geld zusammenbekommen, wie Sie es finanzieren, genauso wie für alle anderen Rückkäufe, die Sie so vorhaben, über die Sie sprechen, aber nicht konkret werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Melzer! – Herr Dr. Lederer hat jetzt für die Linksfraktion das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf alle Frage, die Herr Melzer aufgeworfen hat, kann ich nicht eingehen. Aber wir können gerne auch mal einen Kaffee trinken gehen, Herr Melzer, und dann versuche ich, Ihnen das eine oder andere noch mal zu erklären. Wir haben auch schon darüber geredet. Aber vielleicht kommt ja irgendwann das eine oder andere am Ende bei Ihnen an. Ich will einfach von der Seite der Linksfraktion noch mal die Position darlegen, die wir in Bezug auf Rekommunalisierung haben, ein bisschen Weltall-Erde-MenschThema. Hier sind auch zigtausend Sachen durcheinandergewürfelt und angesprochen worden. Ich werde ein paar allgemeine Bemerkungen machen und mich dann auf drei Schwerpunkte konzentrieren, weil es keinen Sinn hat, das als globales Thema aufzuwerfen. So viel Zeit ist dann gar nicht.

Was feststeht, ist, dass es in den Neunzigerjahren einen ziemlichen Glauben daran gab, dass der Markt als Lösungsinstanz alle Probleme in den öffentlichen Infrastrukturen der Daseinsvorsorge lösen könne. Da stimmt in der Tat, da gab es Parteibuchwirtschaft, Misswirtschaft und mangelnde öffentliche Kontrolle in öffentlichen Unternehmen.

[Zuruf von Florian Graf (CDU)]

All das ist richtig. Gerade in Berlin haben die Parteien der großen Koalition die öffentlichen Unternehmen zur Versorgung des eigenen Personals und zur Durchsetzung klientelistischer Interessen benutzt. Daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen. Das hat das Vertrauen darin, dass öffentliche Unternehmen öffentliche Aufgaben zuverlässig und vernünftig erfüllen können, in der Tat erschüttert. Die Konsequenz daraus war, dass man gesagt hat, wir müssen das alles verkloppen, wir brauchen private Partner, oder wir müssen das alles an Private verkaufen, damit die das dann regeln. Es gab andere, und zu denen gehörten wir damals schon, die gesagt haben: Die Alternative zu schlecht geführten öffentlichen Unternehmen sind keine privaten Unternehmen, sondern gut geführte öffentliche Unternehmen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Frank Jahnke (SPD) – Zuruf von der FDP: HOWOGE!]

Die allgemeine Markt- und Privatisierungseuphorie, die in den Neunzigerjahren Platz gegriffen hat, war auch keine Dauererscheinung, sondern sie begann, sich sukzessive zu verflüchtigen, weil die Konsequenz ganz übersichtlich war: steigende Preise bei keineswegs besseren Leistungen, geringerer Einfluss der Politik und satte Renditen für

die privaten Eigentümer. Dieser Kurs wurde immer fragwürdiger. Und so ist es eben nicht ausschließlich das rotrote Berlin, das über Rekommunalisierung diskutiert, sondern es sind Straubing, Böblingen, Lüneburg, der Landkreis Uckermark, Flensburg, Rhein-Hunsrück, Stuttgart, Hamburg. Herr Melzer! Sie können kaum unterstellen, dass da überall Agenten der Programmkommission der Linkspartei sitzen und die Rekommunalisierung in die Gehirne der Akteure von CSU bis Grüne implementieren. Das ist ja nun ziemlicher Schwachsinn.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Und damit wird auch deutlich, dass die Art und Weise, wie Sie sich dem Thema genähert haben, eine rein ideologische ist und mit den praktischen, sachlichen Herangehensweisen überhaupt nichts zu tun hat.

Wir haben hier in Berlin schon vor Jahren mit der Korrektur begonnen. Wir haben verhindert, dass bestimmte Infrastrukturen weiter verkauft worden sind, trotz Haushaltsnotlage im Land Berlin, Vivantes 2007, die Direktvergabe des Verkehrsvertrags an die BVG bis 2020, der Verkauf der Landesbank mit der Sparkasse an den Sparkassen- und Giroverband, aber auch 2006 in der Koalitionsvereinbarung die Verabredung, dass wir nicht weiter Wohnungsbestände veräußern wollen. Das ist vernünftig gewesen. Das ist richtig gewesen. Und jetzt geht es darum, den nächsten Schritt zu gehen, nämlich offensiv den öffentlichen Einfluss in der Berliner Daseinsvorsorge auszuweiten. Da geht es um öffentliche Unternehmen, die zu sozialen Konditionen zuverlässig beste Leistungen erbringen und die die knappen finanziellen Mittel des Landes Berlin in vernünftiger Weise und verantwortungsvoll im Interesse der Berlinerinnen und Berliner einsetzen – um nicht mehr und nicht weniger! Was folgt daraus? – Drei Aspekte – und jetzt, Herr Melzer, hören Sie einfach zu! –: Netzgebundene Infrastrukturen in Wirtschaftssektoren, Wasserver- und Abwasserentsorgung als Beispiel, aber auch Energie, Verkehrsdienstleistungen auf der Schiene, Stadtreinigung, Abfallentsorgung. Das sind in der Regel Dienste, die mit hohen Investitionserfordernissen verbunden sind oder natürliche Infrastrukturbindungen haben. Deswegen werde die in nahezu monopolistischen Infrastrukturen erbracht. Damit haben die auch eine Tendenz zu monopolistischen und oligopolistischen Marktverhältnissen. Die ökonomische Theorie spricht bei solchen Dingen von Marktversagen. Das muss doch ein Christdemokrat verstehen können. Und wenn das Marktversagen ist, dann ist doch die Frage, welche Form des Umgangs mit dem Marktversagen es gibt. Die FDP sagt: Mehr Markt, mehr Markt, mehr Markt! – Da gibt es rationale Ökonomen, die sagen, da muss eine vernünftige Form öffentlicher Kontrolle her. Genau das wollen wir. Wir wollen den öffentlichen Einfluss stärken, nicht im Sinne von Parteibuchwirtschaft u. Ä., sondern wir wollen den öffentlichen Einfluss im Interesse der Berlinerinnen und Berliner ausweiten.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Dass wir bei den Berliner Wasserbetrieben bisher eine Rekommunalisierung nicht hinbekommen haben, hat zwei

Gründe: erstens das fehlende Geld dafür und zweitens die fehlende Bereitschaft des Verkaufs. Ist ja auch schon zigmal diskutiert worden. Also was müssen wir probieren? – Harald Wolf hat es gesagt: Wir müssen versuchen, den Einfluss Berlins gemäß seiner Anteilsmehrheit wiederherzustellen. – Es ist doch kein Geheimnis, dass das, was am Ende als Rendite über die Wassertarifverordnung letztlich mittelbar festgelegt wird, auf den Teilprivatisierungsverträgen beruht, die Ihre, eine Koalition unter Führung der Christdemokraten im Jahr 1999 abgeschlossen hat. Das hätten Sie sich damals überlegen müssen, Herr Melzer! Nur dass Sie so jung im Parlament sind, hält Sie doch nicht davon ab, geschichtsbewusst mit den Leistungen Ihrer eigenen Vorgängerorganisationen umzugehen, nämlich der damaligen Fraktion hier im Abgeordnetenhaus.

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Guter Hinweis! – Christoph Meyer (FDP): Wie Sie mit der SED!]

Das heißt, wir müssen einfach vernünftig mit dem ganzen Vorgang umgehen, und wir müssen die Möglichkeiten nutzen, auf die Wasserbetriebe Einfluss zu nehmen, die uns kein Geld kosten, denn – das hat mir Herr Ratzmann vorhin mal so rübergeflüstert – es ist eigentlich auch bekannt: Sobald wir hier im Land an der Schraube drehen, müssen wir es aus dem Landeshaushalt gegenfinanzieren. Das ist doch bekannt. So geheim sind die Verträge doch nicht. Das wissen alle. Also müssen wir versuchen, die bundesrechtlichen Stellschrauben zu nutzen. Das tun wir jetzt. In welcher Art und Weise wir als Linke mit dem Vorgang umgehen wollen, steht in dem Papier, das Herr Thiel schon zitiert hat. Ich halte das auch für einen vernünftigen Weg. Darüber kann man hier ganz nüchtern und rational diskutieren.

Der nächste Punkt ist der Berliner S-Bahnverkehr. Na klar ist das sinnvoll zu überlegen, wie man den ÖPNV am öffentlichen Interesse ausrichtet statt am Gewinninteresse eines privaten Betreibers oder eines Unternehmens wie der Deutschen Bahn AG, die privatwirtschaftlich agiert, auch wenn sie ein öffentliches Unternehmen ist.