Protokoll der Sitzung vom 25.03.2010

[Zuruf von Klaus-Peter von Lüdeke (FDP)]

Das kann doch nicht der Sinn der Übung sein, private Monopolausbeutung durch öffentliche Monopolausbeutung zu ersetzen, sondern es muss darum gehen, private Monopolausbeutung durch gute Kontrolle öffentlicher Unternehmen in Monopolsektoren sicherzustellen. Das wollen wir hier in Berlin. Dafür stehen wir.

[Zuruf von Klaus-Peter von Lüdeke (FDP)]

Ich sehe die Teilausschreibung des S-Bahnverkehrs auf dem Ring und Richtung Schönefeld durchaus skeptisch, weil ich der Ansicht bin, dass, wenn wir ein anderes privates Unternehmen reinholen, das wie der Bahnkonzern seinen Kapitaleignern und den Renditeinteressen verpflichtet ist, sich daraus nichts anderes ergibt. Schuldrechtliche Verträge haben ihre Grenze. Das haben wir an verschiedenen Stellen erleben müssen, auch beim Verkehrsvertrag u. a. Ein erneut schuldrechtlicher Vertragsschluss sichert nicht die direkte Kontrolle über das, was

auf dem Ring dann tatsächlich passiert. Wir wollen da bis Ende 2010 eine klare Entscheidung des Senats. Wir, zumindest als Linke, stehen tendenziell eher für eine Direktbeauftragung des landeseigenen Unternehmens.

Zur Stärkung des öffentlichen Einflusses im Energiesektor hat Harald Wolf einiges gesagt. Ich denke, man muss die Chancen nutzen, den Einfluss auf die Netzgesellschaften zu erhöhen. Man muss den Versuch unternehmen, mittelbar oder unmittelbar Einfluss auf die Netze zu nehmen. Und wenn gefragt wird, wie man das bezahlen kann, dann ist es genau die hier an mehreren Stellen schon hervorgehobene Sicherung von Netzentgelten. Die sind ja gesichert, und mit denen kann man auch langfristig und vernünftig planen. Und wenn man das nutzt, um sozial und ökologisch integrative Standards sicherzustellen, Investitionen in die Netze durchzuführen und die Refinanzierung zu sichern, dann ist das Geld sicherlich besser eingesetzt, als wenn es an die Börsen abfließt und irgendwelchen Heuschrecken oder Kapitaleignern zur Aufbesserung ihrer Rücklagen dient. Da muss man ran.

Das Stichwort Stadtwerk ist auch eine Debatte wert. Ich finde, es muss eine öffentliche Diskussion zu dem ganzen Vorgang geben. Ich glaube schon, dass es sinnvoll ist, wenn ein Berliner Unternehmen den Oligopolen an dieser Stelle Konkurrenz macht und den Berlinerinnen und Berlinern ökologischen Strom, sauberen Strom zu vernünftigen Konditionen zur Verfügung stellt und hier in Berlin Arbeitsplätze schafft. Das muss man selbstverständlich in einer vernünftig durchdachten Art und Weise tun. Und man muss das wirtschaftliche Risiko dabei gering halten.

Deswegen werden wir auch nichts über das Knie brechen, sondern eine vernünftige öffentliche Debatte dazu führen. Wir werden die Beteiligten in der Stadt einbeziehen und versuchen, sie auf diesem Weg mitzunehmen, damit es ein Erfolg wird. Es hat doch keinen Sinn, Ideologie zu betreiben und jeden Tag keine Eier – Herr Melzer –, sondern eine neue Sau durchs Dorf zu treiben, anstatt ein vernünftiges, sukzessive durchdachtes Konzept praktisch umzusetzen. Das wird Rot-Rot tun. Darauf werden wir als Linke auch setzen.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Schließlich, letzter Punkt – dafür habe ich jetzt noch eine Minute: Wir müssen versuchen – dafür stehen wir auch –, das Beteiligungsmanagement zu evaluieren. Wir müssen die Einflussnahme verbessern. Das ist in der Tat ein Punkt, denn wir haben in der letzten Zeit erlebt, dass nicht alles im öffentlichen Unternehmenssektor so gut läuft, wie wir es uns wünschen. Wir haben gemerkt, dass in einzelnen Unternehmen tatsächlich noch Praktiken der Vergabe und des Gesetzesbruchs passieren, die wir für nicht hinnehmbar halten. Wir erleben, dass nach wie vor Klientel und einzelne Strukturen in der Stadt versuchen, auf solche Unternehmen Zugriff zu bekommen, um sich eine günstige Refinanzierung ihrer Investitionen zu sichern. Das kann nicht sein.

Wir werden dafür sorgen, dass Lücken der Beteiligungsverwaltung aufgedeckt und abgestellt werden, dass die operativen Verfahrensstandards verbessert werden. Wir werden die Weiterentwicklung der Leitbilder betreiben und die personelle Vertretung Berlins in den Unternehmensführungen qualifizieren. Nicht zuletzt werden wir uns darum kümmern, dass über Best-Practice-Beispiele, über die Initiative „mehrwert Berlin“ und andere Initiativen nicht die öffentlichen Unternehmen dem Land sagen, was sie von ihm wollen, sondern dass wir als Land Berlin sagen, was wir von den Unternehmen erwarten, damit sie ihre soziale Verantwortung, aber auch gut ausgeführte, ökonomisch abgesicherte Leistungen erbringen. Dafür steht Rot-Rot. Dafür haben wir die Konzepte. Dafür haben wir gute Ideen, und wer mit uns darüber diskutieren will, der kann das gerne tun. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lederer! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Herr Abgeordnete Ratzmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Lederer! Ich muss Ihnen sagen, es ist manchmal etwas schwierig, mit Ihnen über diese Fragen wirklich ideologiefrei und praxisorientiert zu diskutieren.

[Mieke Senftleben (FDP): Was heißt hier manchmal?]

Das haben wir leider in der Vergangenheit das eine oder andere Mal erfahren müssen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Herr Melzer! Ihnen muss ich sagen: Ich glaube, Sie nehmen das, was die Linke in ihre Parteiprogramme schreibt, einfach viel zu ernst.

[Beifall von Kai Gersch (FDP)]

Wir haben doch dem Papier, das heute schon zitiert worden ist, und auch den Ausführungen von Herrn Wolf und Herrn Lederer entnehmen können, – –

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Wenn hier jemand kein Programm liest, dann sind Sie das!]

Im Gegensatz zu Ihnen haben wir Programme! Sie sind ja gerade erst dabei, sich mühsam an einem Grundsatzprogramm abzuarbeiten, und wir werden sehen, was für ein Mäuslein Sie da gebären werden.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Sie treiben Ihre Truppe in die Beliebigkeit!]

Herr Melzer! Ich sage Ihnen: Wir dürfen das nicht so ernst nehmen. Das hat man eben aus den Ausführungen gehört. Ich glaube nicht, dass Herr Wolf demnächst loslaufen, die rote Fahne auf das Dach von Siemens pflanzen

und versuchen wird, das Unternehmen zu enteignen. Ich glaube eher, dass er auf dem Sessel des Senators sehr kleine Brötchen backen wird und – wie er es auch in der Vergangenheit schon getan hat – im Zweifel dann dafür sorgen wird, dass die privaten Anteilseigentümer das kriegen, was sie tatsächlich auch haben wollen. Das durften wir bei den Berliner Wasserbetrieben das eine oder andere Mal sehr leidvoll mit ihm erfahren.

[Beifall bei den Grünen]

Wissen Sie, das ist vielleicht ein bisschen wie bei der FDP, da dürfen wir das im Moment auch ganz spektakulär erwarten: Da war ein Herr Westerwelle, der hat erst groß getönt, dass er entbürokratisieren wolle, und hat den Schlendrian und die Geldverschwendung im Außenministerium gegeißelt, und kaum sitzt er auf dem Sessel des Außenministers, ist auch alles ganz anders. Die sind da auch nicht besser als die Linkspartei.

[Beifall bei den Grünen]

Ich glaube allerdings, dass die Linkspartei – –

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Herr Albers! Ich weiß, Sie versuchen immer mit dem Verweis auf andere von sich selbst abzulenken.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Sie machen das doch!]

Aber im Moment versuchen Sie, hier zu regieren – mehr schlecht als recht. Deswegen müssen Sie sich auch gefallen lassen, von der Opposition gefragt zu werden.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Jetzt kommen Sie mal zur Sache!]

Ich glaube, dass die FDP sehr wichtige Fragen in ihrer Großen Anfrage aufgeworfen hat. Es ist in der Tat eine Diskussion wert, darüber zu reden, wie diese Stadt, wie dieses Land organisiert sein soll. Und über nichts anderes reden wir, wenn wir darüber reden, welche Strukturen wir brauchen.

Ich finde es auch richtig – und das ist mir bei Ihnen, lieber Herr Schmidt, leider viel zu kurz gekommen –, darüber nachzudenken, wie wir die Strukturen so ausrichten können, dass tatsächlich die Menschen in dieser Stadt im Mittelpunkt stehen. Darum geht es. Wir brauchen Strukturen, die Dienstleistungen erbringen, die den Berlinerinnen und Berlinern dienen. Wir brauchen keine Strukturen und keine Unternehmen, die nur dem Profitinteresse dienen. Wir brauchen keine Strukturen, die nur dem Machterhaltungstrieb von Regierungsparteien dienen, und wir brauchen auch keine Strukturen, die nur den Funktionsträgern in den eigenen Unternehmen dienen. Auch da haben wir hier in Berlin leidvolle Erfahrungen gemacht.

Wenn man ehrlich ist, meine Damen und Herren von der Linkspartei, gehört es auch dazu, dann mal wirklich ideologiefrei darüber zu reden, wie wir solche Unternehmen am besten aufstellen, und zwar radikal darüber zu reden

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Tun wir die ganze Zeit!]

und nicht als Erstes zu schreien: Wir dürfen nichts verändern! Das ist unsozial! – Wenn es uns um die Berlinerinnen und Berliner geht, darf uns keine Diskussion zu schade sein.

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Alles Phrasen!]

Ich bin auch Herrn Wolf und Herrn Lederer dankbar, dass sie in ihrem Papier, das heute schon das eine oder andere mal zitiert worden ist, deutlich gemacht haben, in welche Richtung sie denken. Ich finde, da sind viele Ansätze enthalten, die man tatsächlich auch aufgreifen kann.

Es ist selbstverständlich unsere Aufgabe, im Land Berlin darüber nachzudenken, in welche Richtung und warum wir Unternehmen wieder in die öffentliche Hand zurückholen möchten. Es gibt Unternehmen, bei denen wir darüber nachdenken müssen, weil wir besser steuern können. Es wird aber auch Unternehmen geben, die wir eher in privater Hand lassen.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Worüber reden Sie?]

Wir müssen auch – und dafür haben wir die Verantwortung – dafür sorgen, dass dieses Land ein Land ist, in dem Private sehr wohl noch ihren Platz finden, mit ihrem Geld hierher zu kommen und zu investieren.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Was wollen Sie denn verkaufen?]

Ich nehme das Geld von Privaten, das hier in vernünftige Vorhaben investiert wird, sehr gern, und es hängt auch davon ab, wie offen wir in den Bereichen sind, in denen wir als Land im Moment die Hand auf den öffentlichen Unternehmen haben. Wir müssen darauf aufpassen, dass wir hier nicht den ganzen Markt zumachen. Wir brauchen auch das Geld von privaten Investoren – gerade in dem Bereich der erneuerbaren Energien, über den Herr Wolf gesprochen hat.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Herr Wolf! Ich muss aber Herrn Melzer auch recht darin geben, wenn er sagt, wir hätten gern ein bisschen mehr darüber gehört, wie Sie das Unterfangen, das Sie in dem Papier skizziert haben, tatsächlich umsetzen wollen. Sie sagen, Sie wollen Rekommunalisierung – das ist ein sehr mageres Verständnis, würde ich sagen. Sie verstehen Rekommunalisierung dahin gehend, dass Sie die vorhandenen Strukturen besser nutzen wollen, um das, was wir steuern können, was wir uns als öffentliche Hand als Zielsetzung vorgenommen haben, mit diesen Unternehmen auch tatsächlich umsetzen zu können. Da beklagen Sie das eine oder andere.

Sie sagen, Sie wollen beispielsweise von den Wasserbetrieben neue Verträge haben. Ich frage mich allerdings, wie Sie das anfangen wollen. Sie haben 2003 dafür gesorgt, dass die Privaten – nachdem das Verfassungsgericht die Verzinsungsformel kassiert hatte – mit dem Teilprivatisierungsgesetz ihre Renditevorstellungen weiter umsetzen konnten.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]