Protokoll der Sitzung vom 25.03.2010

Die Charité benötigt jährlich 100 Millionen Euro für Investitionen. Allein die Instandhaltungskosten summieren sich dabei auf 70 Millionen Euro. Der gesamte bauliche Investitionsbedarf der Charité beträgt 636 Millionen Euro. Herr Wowereit! Sind Sie bereit, die notwendigen Investitionen in die Charité zu finanzieren, und wenn dem nicht so ist, wie soll es dann Ihrer Meinung nach weitergehen mit der Charité? Sie müssen endlich den 10 000 Beschäftigten an der Charité und den Berlinerinnen und Berlinern reinen Wein einschenken, denn diese Debatte und vor allem ihr Abschluss dulden keinen weiteren Aufschub.

Deswegen haben wir heute unsere Aktuelle Stunde zur Charité beantragt und bitten Sie um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Zimmer! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr die Fraktionsvorsitzende, Frau Pop, das Wort. – Bitte schön, Frau Pop!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollen heute ebenfalls über die Konsequenzen aus dem Skandal um die Treberhilfe und über mehr Transparenz und Kontrolle bei der Vergabe von sozialen Dienstleistungen in dieser Stadt diskutieren.

Nachdem wir in den letzten Wochen über mangelnde Kontrolle beim DIW und über die Vergabepraxis bei der HOWOGE zugunsten eines SPD-Abgeordneten diskutiert haben, ist heute die Treberhilfe an der Reihe. Wenn es allerdings so weitergeht, reden wir in der nächsten Plenarsitzung, nach den Ferien, über mangelnde Kontrolle bei der landeseigenen Berliner Immobilien Holding, wo die Staatsanwaltschaft bereits gegen Untreue ermittelt. Und heute war zu lesen, dass gegen Herrn Sarrazin und Frau Knake-Werner ebenfalls ermittelt wird. Ich glaube, wir

haben Stoff genug, um in den nächsten Sitzungen zu diskutieren.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Die ganze Stadt schaut inzwischen fassungslos zu, wie jede Woche immer neue Skandale publik werden. Dieser Senat hat die Lage schon lange nicht mehr im Griff. Die ganze Stadt ist fassungslos darüber, wie landeseigene Unternehmen mit öffentlichen Mitteln umgehen und mit welcher Dreistigkeit sich so mancher aus den öffentlichen Töpfen bedient.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Ach ja! – Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Besonders krass sticht der Fall der Treberhilfe hervor. Das ist besonders schamlos, weil der Sozialbereich betroffen ist, also ein Bereich, von dem man gemeinhin annimmt, dort geschehe nur Sinnvolles, und das Geld sei grundsätzlich zu knapp bemessen. Und nun reden wir über astronomische Gewinne eines selbst ernannten Sozialunternehmers, gespeist aus den öffentlichen Mitteln eines Haushaltsnotlagelandes. – Da gibt es gar nichts zu lachen, Herr Gaebler, die Sozialpolitik ist Ihnen und der selbst ernannten Kümmerpartei Die Linke in Berlin offensichtlich aus den Händen geglitten.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Wir funktionierte das System Ehlert? – Herr Ehlert kannte sich aus. Als SPD-Abgeordneter war er bestens vernetzt. Er war Mitglied im Hauptausschuss, was man daran sieht, dass der Treberhilfe erst nach seinem Ausscheiden als Abgeordneter ein Durchmarsch durch die Sozialetats der Bezirke gelungen ist und üppige Überschüsse erst dann erwirtschaftet worden sind. Diese reichten für einen Maserati, sie reichten für ein ordentliches Gehalt von 35 000 Euro monatlich und sie reichten für eine Sauna am See in der Dienstvilla. Ich frage den Senat, wie es so weit kommen konnte.

[Michael Müller (SPD): Sprechen Sie mal mit Frau Klotz! – Zuruf von Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion)]

„Hol schon mal den Maserati!“, titelte der „Tagesspiegel“, und zwar am 22. Dezember 2008. Warum ist im Senat eigentlich niemand auf die Idee gekommen, sich die Vorgänge mal genau anzuschauen?

[Zurufe von der SPD]

Sie hätten einfach nur ins Handelsregister schauen sollen! Dort ist bis heute alles öffentlich einsehbar, aber Sie haben die Augen davor verschlossen!

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Regelmäßig wurden von Herrn Ehlert die Überschüsse in Stammkapital umgewandelt. Mit dem Jahresabschluss 2008, Frau Bluhm, sind weitere 500 000 Euro auf die Gesellschafter verteilt worden. Hätte man das nicht verhindern können? Warum haben Sie Ehlert weiter gewähren lassen, frage ich Sie.

Wir müssen die Finanzierung sozialer Leistungen in Berlin neu ordnen. Über 2,2 Milliarden Euro werden offensichtlich bar jeder Finanzkontrolle vergeben, und wenn die zuständige Senatorin von einer „Blackbox der Mittel“ spricht, ist das eine reine Bankrotterklärung von Ihnen, Frau Bluhm!

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Wir brauchen eine klare Steuerung, eine klare Kontrolle der Mittel. Auch wenn diese nicht gesetzlich vorgeschrieben sind – eine bessere Kontrolle wird an dieser Stelle ja wohl nicht verboten sein!

[Beifall bei den Grünen]

Wir brauchen Gehaltsobergrenzen für gemeinnützige Unternehmen, und wir brauchen einen Transparenzkodex, der die Gehälter der Geschäftsführungen und Vorstände offen legt. Es ist ja richtig, dass veröffentlicht wird, was der BVG-Chef oder der Chef der Investitionsbank Berlin verdienen. Jetzt müssen wir bei den Sozialunternehmen nachziehen. Das sollten wir auch bald tun –

[Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)]

und nicht nur bei der Treberhilfe – ja, Einflussnahme von Abgeordneten, Herr Brauer, dazu komme ich jetzt! –, auch in den anderen Fällen; bei der HOWOGE oder beim DIW fehlten klare gesetzliche Regelungen. Das müssen wir nachholen. Doch meistens wurden die bestehenden Reglungen kreativ ausgelegt nach dem Motto „Man kennt sich und bedient sich gegenseitig auf Kosten des Landeshaushalts“. – Es sind nicht die fehlenden Regelungen, sondern die handelnden Personen, die diese Mentalität verkörpern. Sie bilden seit Jahrzehnten eine gewachsene Struktur der Selbstbedienung auf Kosten der Allgemeinheit. Im Allgemeinen nennt man das Filz.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

In diesen Strukturen scheint sich die Linkspartei ganz gemütlich eingerichtet zu haben, zumindest hört man von Ihnen wenig Kritik. Ich sage Ihnen, die Menschen in dieser Stadt wollen sich nicht länger von denjenigen, die seit Jahrzehnten nach dem Motto „Man kennt sich …“ regieren, an der Nase herumführen lassen. Sie stellen zu Recht die Frage: Wem gehört die Stadt eigentlich?

[Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)]

Meinen Damen und Herren von der SPD! Diese Stadt gehört Ihnen nicht, sie gehört keiner Partei und auch keinem Senat. Spätestens bei der nächsten Wahl werden Sie deutlich zu spüren bekommen, dass diese Stadt niemand anderem gehört als den Bürgerinnen und Bürgern!

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Danke schön, Frau Pop! – Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Vorsitzende, Herr Meyer, das Wort. – Bitte schön, Herr Meyer!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir erleben dieser Tage einen urplötzlich volksnah auftretenden Regierenden Bürgermeister. Wie man staunend der Presse entnimmt, ist der Regierende Bürgermeister tatsächlich U-Bahn gefahren. Er besucht Frauenläden, Volkshochschulen und sogar einen Backshop.

[Heiterkeit bei der FDP und der CDU]

Das ist vielleicht ganz nett. Bestimmt ist es auch volksnah. Aber vor allem bedeutet es etwas anderes: Es ist Arbeitsverweigerung.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Der Job eines Regierenden Bürgermeisters ist, Politik zu machen, erkannte Probleme zu lösen und mit seiner Richtlinienkompetenz den Rahmen des Senatshandelns zu setzen, und nicht, in der Stadt herumzureisen.

[Zurufe von der SPD]

Wir erleben in Wahrheit derzeit eben leider nicht den Regierenden Bürgermeister, sondern einen SPDSpitzenkandidatenanwärter auf Roadshow.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wir alle wissen, was Herrn Wowereit antreibt: Es sind die eigenen Umfragewerte, das eigene Karriereziel im Jahr 2013,

[Zurufe von der SPD und der Linksfraktion]

nicht die Probleme der Berlinerinnen und Berliner. Er hat kein Anliegen für diese Stadt, er ist inhaltlich und konzeptionell ausgelaugt, und dieses Problem zieht sich quer durch alle landespolitischen Themen.

Streit um den Weiterbau der A 100 – im Koalitionsvertrag haben SPD und Linke eindeutig geregelt: Der Stadtring A 100 wird verlängert, finanziert durch den Bund. Die zuständige Senatorin will den Weiterbau ebenfalls. Die Linken und ein SPD-Parteitag lehnen das Projekt ab. Wir erleben hier den Versuch der aktiven Schwächung des Wirtschaftsstandortes aus ideologischen und parteipolitischen Gründen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wo ist hier die deutliche Positionierung von Herrn Wowereit? Warum setzt er sich nicht für die Entsperrung der Planungs- und Baudurchführungsmittel ein? Oder hängt die Entscheidung für ein 400-Millionen-Euro-Projekt an einem SPD-Parteitag?

Streit um die Sanierung des ICC – seit dem Jahr 2005 plant dieser Senat die Sanierung. Es gibt einen Senatsbeschluss zur Sanierung im laufenden Betrieb aus dem Jahr 2008. Bis heute fehlt aber jegliches belastbare Konzept, jegliche belastbare Kostenschätzung und Zeitplanung. Der SPD-Wirtschaftsexperte Stroedter spricht von Skandal und Krieg. Senator Wolf, ursprünglich für die Linksfraktion für den Abriss, sagt im Moment gar nichts mehr und

geht ansonsten vom Weiterbestehen des Senatsbeschlusses aus. Finanzsenator Nußbaum spricht seit Oktober 2009 vom der gnadenlosen Möglichkeit des Abrisses. Was macht der Senat? Er muss endlich ein tragfähiges Sanierungs- und Nutzungskonzept vorlegen. Das wäre die Aufgabe von Herrn Wowereit und nicht der Besuch eines Backshops am Leopoldplatz.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD]

Streitpunkt Klimaschutzgesetz – die Frage ist doch mittlerweile: Wann schützt dieser Senat endlich das Stadtklima, die Bürger, die Wirtschaft und die Verbraucher vor der beratungsresistenten Senatorin Lompscher und ihren Gesetzentwürfen?

[Beifall bei der FDP und der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]