Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ratzmann! – Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Fraktionsvorsitzende Meyer das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit Monaten wird in dieser Stadt über die Universitätsmedizin gesprochen, über die Zukunft der Charité. Am Montag, auf der Bilanzpressekonferenz von Vivantes, ein dringender Appell wegen des Investitionsbedarfs von Vivantes. Am Dienstag die Pressekonferenz von Unternehmensverbänden und AOK zum Thema Bettenplan des Senats: Alle Institutionen eint der dringende Appell an den Berliner Senat, längst überfällige politische Entscheidungen zu fällen, Investitionsprobleme der Berliner Kliniken zu lösen und vor allem eine Entwicklungsperspektive für den Gesundheitsstandort Berlin darzustellen.
Im rot-roten Senat aber arbeiten die zuständigen Senatoren gegeneinander. Herr Nußbaum hat zumindest erkannt, dass die Charité mit der jetzigen wirtschaftlichen Struktur nicht zu führen ist, zieht aber mit der versuchten Aufgabe des UKBF die falschen Schlüsse. Herr Zöllner möchte die Universitätsmedizin in der jetzigen Struktur und Größe erhalten, während Frau Lompscher offensichtlich Vivantes in der jetzigen Form und Größe erhalten möchte.
Die Frage, wie der Investitionsstau bei Vivantes und Charité in Höhe von mehr als anderthalb Milliarden Euro aufgelöst werden soll, beantwortet keiner. Und der Wirtschaftssenator, der beim Thema Gesundheitswirtschaft – immerhin dem zweitgrößten Wirtschaftszweig Berlins – auch eine Meinung haben müsste, schweigt. Die Frage, wie dieser Senat mit Charité und Vivantes umgeht, ist ein Musterbeispiel für fahrlässiges politisches Nichtstun zum Schaden des Wirtschafts- und Gesundheitsstandorts Berlin.
Dies reiht sich ein in eine Liste des Nichthandelns, z. B. A 100, ICC/Messe, Mediaspree, Ku’damm-Karree. Der Senat opfert sämtliche Schlüsselprojekte für die positive wirtschaftliche Entwicklung der Stadt, entweder aus ideologischen und wahltaktischen Gründen oder weil Sie keine Mehrheit mehr haben. Dies ist unverantwortlich!
Das Potenzial, das der Berliner Gesundheitsmarkt für die Berliner Wirtschaft und den Berliner Arbeitsmarkt darstellt, braucht endlich eine glaubwürdige Perspektive. Die Gesundheitswirtschaft bietet Potenzial für nachhaltige, zukunftsfähige Arbeitsplätze – weit über die bestehenden 200 000 Stellen hinaus. Es ist einer der wenigen natürlichen Wachstumsbereiche Berlins in den nächsten Jahrzehnten. Was die Perspektiven angeht, hat jüngst die McKinsey-Studie die entscheidende Bedingung genannt, wie dieses Potenzial entfaltet werden kann: Die Stadt, genauer gesagt der Senat, muss einen Paradigmenwechsel in der Gesundheitspolitik vollziehen – weg von kostenfokussiertem Versorgungsdenken, hin zu selbsttragender Wachstumsorientierung.
Genau das ist das Grundproblem dieses Senats. Hier wird nur über Versorgung und Erhalt des Bestehenden und nicht über zukünftige Wachstumsmöglichkeiten diskutiert. Politik muss Rahmenbedingungen setzen, um leistungsfähige Strukturen zu ermöglichen. Dies wird im Übrigen – das sage ich auch sehr deutlich – bei der Haushaltssituation des Landes Berlin nur mit privatem Kapital funktionieren. Deshalb ist es auch so wichtig, im Bezug auf künftige Trägerstrukturen von Vivantes und Charité immer die wirtschaftliche Entwicklungsfähigkeit dieser Häuser mit im Hinterkopf zu haben. Der aktuelle Vorschlag der Vivantes-Geschäftsführung, den Konzern in eine AG zu überführen, ist deshalb sicher prüfenswert, aber sicher auch die Frage, ob Teile von Vivantes gegebenenfalls privatisiert werden können.
Absichtserklärungen oder einen einheitlichen Ansprechpartner für ein Wirtschaftscluster zu benennen, reichen nicht aus. Erfolgreiche Wirtschaftscluster brauchen Schlüsselprojekte mit Strahlkraft, um kleine und mittlere Unternehmen, zum Beispiel im Bereich Life Science, zur Ansiedlung in Berlin zu bewegen. Die Rolle könnte vor allem ein konzentrierter Standort Charité übernehmen. Der Senat verhindert dies.
Auch die aktuelle Krankenhausplanung verdeutlicht das Scheitern dieses Senats. Der Entwurf zum Krankenhausplan 2010 bis 2015 – immerhin nach Jahren des Nichtstuns vorgelegt – hätte die Möglichkeit geboten, eine sinnvolle Vorgabe für die künftige Krankenhausstruktur zu liefern. Aber statt den Prozess der kontinuierlichen Absenkung der Bettenzahl fortzusetzen, sieht der vorgelegte Entwurf Steigerungen vor. Statt einseitig auf den Ausbau der stationären Versorgung zu setzen, müsste der Senat Konzepte erarbeiten, wie die Krankenhausversorgung
durch eine bessere Bettenauslastung der bestehenden Bettenkapazitäten und eine Weiterentwicklung ambulanter Behandlungsstrukturen gesichert und verbessert werden kann.
Bei einer Auslastung von nur 82 Prozent der bestehenden Betten sieht die FDP jedenfalls Spielraum nach unten, ohne die Versorgung zu beeinträchtigen.
Zu all diesen Themen soll sich der Senat heute im Plenum verhalten, und deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Meyer! – Ich lasse abstimmen, und zwar zuerst über den Antrag der Koalitionsfraktionen. Wer diesem Thema der Aktuellen Stunde zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der SPD, die Linksfraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das ist die Mehrheit. Die Gegenprobe! – Das sind die Fraktionen der CDU und der FDP. Enthaltungen sehe ich nicht. Somit rufe ich dieses Thema für die Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 3 auf. Die anderen Themen haben damit ihre Erledigung gefunden.
Dann möchte ich auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung.
Dann habe ich folgende Entschuldigungen von Senatsmitgliedern für die heutige Plenarsitzung vorzutragen: Der Regierende Bürgermeister ist abwesend von 14.30 bis 15 Uhr und ab 17.35 Uhr. Die Gründe sind der Empfang des Präsidenten des Senats der Französischen Republik, Seine Exzellenz Gerard Larcher, im Abgeordnetenhaus und das Grußwort anlässlich der Eröffnung des neuen Dokumentationszentrums „Topografie des Terrors“ sowie anschließend die A-Länder-Vorbesprechung. Herr Senator Dr. Zöllner ist wegen der Sitzung des Wissenschaftsrates ganztägig abwesend. Frau Senatorin Bluhm ist abwesend von 14 bis 16 Uhr. Der Grund ist die Sitzung des Richterwahlausschusses zur Wahl einer Richterin oder eines Richters für das Bundesarbeitsgericht. Frau Senator von der Aue ist abwesend von 14 bis 16 Uhr. Der Grund ist die Teilnahme an den Bundesrichterwahlen des Deutschen Bundestages.
Sie haben es schon bemerkt – ich möchte auch Herrn Präsidenten Momper entschuldigen. Er ist heute krankheitsbedingt nicht anwesend. Ich denke, wir können ihm im Namen des ganzen Hauses beste Genesungswünsche ausrichten.
1. Wie will der Senat die Datensammelwut des Unternehmens Google hinsichtlich des Abfilmens von Straßen und Häusern eingrenzen?
2. Hält der Senat das Angebot des Unternehmens Google, den neuen Dienst „Google-Street-View“ in Deutschland erst zu starten, wenn die Widersprüche von Bürgerinnen und Bürgern gegen die Aufnahmen vollständig umgesetzt sind, für ausreichend?
Vielen Dank! – Es antwortet der Senator für Inneres und Sport. – Herr Dr. Körting, Sie haben das Wort!
Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin! Herr Kollege Kohlmeier! Datenschutz bei der Datenverarbeitung durch nichtöffentliche Stellen ist im Bundesdatenschutzgesetz geregelt. Für das Unternehmen Google ist die hamburgische Beauftragte für Datenschutz die zuständige Aufsichtsbehörde, weil das Unternehmen seinen Sitz in Hamburg hat. Insofern ist die erste Zugriffsmöglichkeit für Hamburg gegeben. Hamburg hat auch entsprechende Gespräche mit Google geführt. Ein Verbot ist nach jetziger Gesetzeslage nicht möglich. Die Freie Hansestadt Hamburg hat für morgen im Bundesrat eine Gesetzesinitiative angekündigt, die Folgendes vorsieht:
Bei derartigen Aufnahmen sollen Gesichter und KfzKennzeichen unkenntlich gemacht werden. Ursprüngliche Aufnahmen ohne Verpixelung müssen nach einem Monat gelöscht werden, Filmaufnahmen sind vorher anzukündigen, und es gibt Widerspruchsrechte. Der Gesetzestext liegt mir im Einzelnen nicht vor. Die Gesetzesintention des Hamburger Antrages – da darf ich auch für die Verbraucherschutzsenatorin, Frau Lompscher, sprechen –
wird bei uns beiden vom Grundsatz her geteilt, ohne dass wir uns jetzt zu Einzelheiten der Frage äußern können.
Ich kann nicht im Detail zu einem Gesetz Stellung nehmen, das mir noch nicht im Text vorliegt. Dafür bitte ich um Verständnis.
Ja, aber es ist noch nicht einmal im Bundesrat eingebracht, sondern dies geschieht morgen, Herr Kollege Lux. Die Sitzung des Bundesrates ist am 7. Mai, und wir sind gut beraten, das Gesetzgebungsverfahren abzuwarten. Ich habe gesagt, wie wir zu den Intentionen stehen. Eigentlich müssten Sie das begrüßen.
Zu dem zweiten Punkt, ob wir das Angebot des Unternehmens Google für ausreichend halten: Wir begrüßen es, dass sie sich bereit erklärt haben, erst einmal die Widersprüche abzuarbeiten und die Personen, Kfz-Kennzeichen und Grundstücke unkenntlich zu machen. Ob dies ausreichend ist, wage ich zu bezweifeln. Ich gehe davon aus, dass wir eine gesetzliche Regelung brauchen, in der einerseits geklärt ist, dass die Interessen des Einzelnen nicht hintenanstehen und andererseits sicherlich auch ein öffentliches Interesse dargetan ist, dass man zum Beispiel künftig Aufnahmen von Baudenkmälern oder Ähnlichem machen kann, ohne dass einer kommt und sagt: Damit ist mein Datenschutz verletzt.
Ich erlaube mir eine Nachfrage, sehr geehrter Herr Senator. Sie haben die Bundesratsinitiative aus Hamburg angesprochen. Werten Sie die Bundesratsinitiative ebenso wie ich, dass das Bundesland Hamburg mit dem derzeitigen Engagement der Bundesregierung im Bereich Datenschutz, im Bereich des Umgangs mit personenbezogenen Daten unzufrieden ist?
Ich sehe in der Bundesratsinitiative der Freien Hansestadt Hamburg in der Tat eine Kritik an der Bundesregierung bzw. der Verbraucherschutzministerin. Sie ergreift offensichtlich nicht genügend Schritte zum Schutz privater Daten.