Protokoll der Sitzung vom 06.05.2010

Herr Senator Körting! Haben Sie denn selbst eine Meinung dazu, ob so eine Strafverzichtsregelung erforderlich und gut wäre, oder wollen Sie das tatsächlich den anderen, vielleicht auch in dieser Frage sachkundigen Senatsmitgliedern überlassen, wie die Haltung des Landes Berlin sein wird?

Herr Senator Dr. Körting!

Herr Kollege Lux! Wir sind neun. Bei Strafverzichtserklärungen geht es in erster Linie um eine Frage des Straf

rechts, auch wenn das Waffenrecht zu meinem Ressort gehört. Das heißt, es geht auch um die Meinung der Kollegin von der Aue. Wir werden das gemeinsam diskutieren und im Senat zu einer Entscheidung kommen. So einfach ist das.

Vielen Dank! – Meine Damen und Herren! Damit hat die Fragestunde ihre Erledigung gefunden, und ich rufe auf

lfd. Nr. 3:

Aktuelle Stunde

1. Mai 2010 – großer Erfolg der Zivilgesellschaft gegen Neonazis und Randale-Ritual!

Antrag der SPD und der Linksfraktion

in Verbindung mit

lfd. Nr. 33:

a) Antrag

Für ein tolerantes Berlin gegen politischen Extremismus (II) – präsente und bürgernahe Großstadtpolizei schaffen

Antrag der FDP Drs 16/3174

b) Antrag

Für ein tolerantes Berlin, gegen politischen Extremismus (III) – Imagekampagne für die Polizei starten!

Antrag der FDP Drs 16/3175

c) Antrag

Für ein tolerantes Berlin, gegen politischen Extremismus (IV) – Aufklärungsarbeit bei Kindern und Jugendlichen stärken!

Antrag der FDP Drs 16/3176

d) Antrag

Für ein tolerantes Berlin, gegen politischen Extremismus (V) – Linksextremismus im Schulunterricht stärker behandeln!

Antrag der FDP Drs 16/3177

in Verbindung mit

Dringliche Beschlussempfehlung

Für ein tolerantes Berlin, gegen politischen Extremismus (I) – linke Gewalt endlich wirksam bekämpfen

Beschlussempfehlung InnSichO Drs 16/3184 Antrag der FDP Drs 16/3068

in Verbindung mit

Dringliche Beschlussempfehlung

Linksextremistische Gewalt und Brandanschläge müssen geächtet und dürfen nicht politisch gerechtfertigt werden

Beschlussempfehlung InnSichO Drs 16/3185 Entschließungsantrag der FDP 16/3105

Den zuletzt genannten Dringlichkeiten wird offensichtlich nicht widersprochen.

Für die gemeinsame Besprechung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zu, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden können. Es beginnt für die SPD-Fraktion der Kollege Kleineidam.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben einen relativ friedlichen 1. Mai hinter uns – große Enttäuschung bei denjenigen, die den Innensenator schon zum Rücktritt aufgefordert haben, und eine Opposition, deren Kritik sich auf die Behauptung beschränkt, es sei nur so gut gelaufen, weil die Forderungen der Opposition erfüllt worden seien.

[Beifall bei der CDU – Jawohl! von der CDU]

Gut, der Erfolg hat immer viele Väter, das ist bekannt. Wenn das aber die Kritik der Opposition ist, muss man wohl feststellen, der Innensenator hat eine hervorragende Arbeit geleistet.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Der weitgehend friedliche 1. Mai war ein Erfolg vieler Menschen, die sich wieder einmal in Berlin für Gewaltfreiheit eingesetzt haben, und ein Erfolg der Berliner Polizei. Befriedigend war er allerdings nicht, denn auch wenn es wesentlich friedlicher als im Vorjahr war, haben wir erneut, nach jetzigem Stand, weit über hundert verletzte Polizistinnen und Polizisten zu beklagen, und knapp 500 Verhaftungen sprechen auch eine andere Sprache. Deshalb ist es richtig, dass wir uns heute noch einmal intensiv mit dem vergangenen Wochenende auseinandersetzen.

Wir haben eine Walpurgisnacht erlebt, die überwiegend friedlich war – von kleineren Problemen abgesehen –, die aber in keinem Vergleich zu den Vorjahren stand. Am Mittag des 1. Mais hatten Neonazis zu einem Marsch durch Pankow aufgerufen. Im Vorfeld waren 1 000 bis 3 000 Rechtsextremisten erwartet worden. Die erste erfreuliche Nachricht war, dass deutlich weniger Teilnehmer erschienen. Aber auch diesen haben die Berlinerinnen und Berliner deutlich gezeigt, dass die braune Ideologie auf breite Ablehnung und der Marsch in Berlin auf massiven Protest stößt. Ein breites Bündnis unterschiedlicher Organisationen und Menschen hat erfolgreich dazu aufgerufen, den Neonazis zu demonstrieren, dass sie in Berlin unerwünscht sind, dass die demokratische Zivilgesellschaft diese Ideologie ablehnt.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall von Anja Schillhaneck (Grüne)]

Die kraftvolle Gegendemonstration vieler Tausend Berlinerinnen und Berliner hat letztlich den Marsch der Neonazis in Berlin verhindern können. Die SPD bedankt sich deshalb bei all denen, die mit ihrem friedlichen Protest diesen Erfolg herbeigeführt haben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es ist schon bedauerlich – wenn wir eigentlich einen breiten Konsens der Demokraten in diesem Land gegen diese braune Ideologie haben –, dass die öffentliche Debatte in den letzten Tagen nicht davon geprägt ist, dass es gelungen ist, diesen Aufmarsch zu verhindern, sondern dass wir eine heftige Debatte über ein kleines Detail des Protestes haben – über die Frage, ob ein stellvertretender Präsident des Bundestags an einer solchen Gegendemonstration teilnehmen und sich Neonazis in den Weg setzen darf.

[Björn Jotzo (FDP): Ob er Grundrechte mit Füßen treten darf, das ist das Problem!]

Bekanntlich ist die rechtliche Bewertung solcher Sitzblockaden umstritten. Wer aber in dem Bewusstsein darüber und mit der Bereitschaft, ggf. auch die Konsequenzen seines Handelns zu tragen, für sich die Entscheidung trifft, der braunen Ideologie entgegenzutreten und dieses friedliche Mittel einzusetzen, handelt aus ehrenwerten Motiven.

[Beifall bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion]

Die Berliner SPD steht deshalb solidarisch zu Wolfgang Thierse.

[Beifall bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion]

Der Berliner Polizei gilt dabei gleichzeitig großer Dank für ihren besonnenen Einsatz in Pankow, aber auch für ihr schnelles und konsequentes Handeln, als einige Neonazis überraschend versuchten, einen Marsch über den Kurfürstendamm herbeizuführen. Kollege Ratzmann hat zu Beginn unserer Sitzung sehr gut beschrieben, welche Gratwanderung die Polizei bei dieser Aufgabenstellung zu absolvieren hat. Sie muss auf der einen Seite das Demonstrationsrecht sichern und schützen, auf der anderen Seite muss sie ermöglichen, dass friedlicher Protest erfolgt. Aber – das möchte ich an die Grünen richten – dazu muss man der Polizei auch die Möglichkeiten geben, mit unterschiedlichen Methoden diese Gratwanderung erfolgreich zu absolvieren. Dazu gehört u. a. auch, wenn ich im Vorfeld Aufrufe zu massiven Gewalttaten habe, dass ich nicht alle Informationen preisgebe, dass ich im Interesse des friedlichen Protestes und zum Schutz vor Gewalttaten eine Demonstrationsstrecke nicht allzu früh veröffentliche. Wenn man dieses Verhalten als Verhalten einer Geheimpolizei diskreditiert, dann heizt man an und erschwert der Berliner Polizei ihre schwierige Aufgabe, diese Gratwanderung vernünftig hinzubekommen. Des

halb waren entsprechende Bemerkungen – ich glaube, Herr Lux war es – alles andere als hilfreich.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]