Thomas Kleineidam

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Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:
1. Welche Erkenntnisse hat der Senat über die Hintergründe des Anschlages auf die S-Bahn?
2. Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Sicht des Senats, um solche Vorfälle für die Zukunft zu verhindern?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Beginn unserer Sitzung heute sprach mich eine Journalistin an und fragte, ob sie mich zu diesem Thema interviewen könne. Oder gebe es dabei sowieso nur altbekannte Sachen? Ich habe gesagt: Ich fürchte, so wie die CDU ihren Besprechungspunkt formuliert hat, werden wir das hören, was wir seit zehn Jahren hören. – Gerade bin ich darin bestätigt worden.
Nach wie vor die Kernaussage: Polizei kaputtgespart. Aber es ist doch richtig, dass wir 2001 die rot-schwarze Koalition beendet haben, weil die CDU, offensichtlich bis heute, keine Einsicht in die Haushaltslage des Landes Berlin hat.
Natürlich waren da viele schwierige Entscheidungen zu treffen. Aber Rot-Rot hat sich nicht darum herumgedrückt.
Nein! Die Realitäten wurden anerkannt, und dann sind wir in allen Politikbereichen in schwierige Diskussionen gegangen. Man kann trefflich darüber streiten, ob nun jede einzelne Maßnahme der Weisheit letzter Schluss war. Aber die Probleme dieser Stadt sind angegangen worden, und zu den Finanzen gehört eben auch ein großer Personalkörper, wie es die Berliner Polizei nach wie vor ist.
Dass die Sicherheitspolitik hier kaputtgespart worden wäre, kann ich nicht feststellen – ganz im Gegenteil. Die rot-rote Sicherheitspolitik ist eine Erfolgsgeschichte. Ich will nur auf den letzten Ersten Mai verweisen. Das ist die Handschrift des Regierenden Bürgermeisters, die des Innensenators und die des Polizeipräsidenten in den letzten neun Jahren.
Dagegen habe ich heute in zwei Redebeiträgen von der CDU nichts Konkretes gehört. Da wird jedes Mal aufs Neue der Eindruck erweckt: Wenn man etwas mehr Personal hätte, könnte man die absolute Sicherheit garantieren. Das ist nicht richtig. Als Sicherheitspolitiker hätte ich nichts dagegen, wenn wir einiges mehr an Polizisten hätten. Aber den Eindruck zu erwecken, dann gäbe es keine Gewalttaten im öffentlichen Nahverkehr mehr, ist schlicht und einfach unredlich. Das haben wir auch nie gemacht.
Bei der CDU ist das relativ einfach: Man schreit: kaputtsparen!, oder wenn irgendetwas passiert, was Aufsehen erregt, heißt es: härtere Strafen! – Zu welchen abstrusen Geschichten dieser Mechanismus führt, mussten wir leider erleben, als auf einem Berliner U-Bahnhof fast ein Mensch zu Tode geschlagen wurde. Die Forderung der CDU anschließend war Warnschussarrest. Die Softies der CDU vermag ich nicht zu verstehen. Ich erwarte, dass so ein Täter eine ordentliche Strafe bekommt und nicht nur einen Warnschussarrest.
Das war völlig daneben!
Wenn Sie die Presse in den Tagen danach verfolgt haben, dürfte Ihnen aufgefallen sein, dass von der Bundesebene der CDU bis auf die Landesebene das als das Mittel hervorgehoben wurde. Offensichtlich musste man wieder Forderungen nach dem Motto „härtere Strafen, Gesetze ändern, wir tun was!“ präsentieren. Ob das im konkreten Fall etwas bringt, ist völlig dahingestellt.
Ja, wir haben ein Problem mit Gewalt im öffentlichen Nahverkehr. Wir haben auch ein Problem mit der Diskussionskultur darüber. Ich habe die Videoüberwachung, die wir haben, immer befürwortet. Ich habe schon gesehen, dass man dadurch nicht Straftaten verhindert. Aber ich habe es als einen Wert angesehen, dass man Straftaten aufklären kann. Das ist positiv gewesen.
Aber die Videos, die dann im Internet für jeden abzurufen sind, erzeugen auch eine neue Diskussionskultur. Wir sehen grauenvolle Taten, die wir früher nicht gesehen haben. Ich bin weit davon entfernt zu sagen, dass es früher wenig grauenvoll war oder dass man das nicht zeigen soll. Aber wir kriegen eine hochemotionale Debatte, und wenn wir eine verantwortliche Sicherheitspolitik machen wollen, dann dürfen nicht den momentanen Emotionen,
die beim Anblick solcher Bilder entstehen, einfach nachgeben, sondern müssen nach wie vor ruhig und sachlich überlegen, welche Maßnahmen geeignet sind und welche Maßnahmen wir ergreifen können. Genau das hat der rotrote Senat in diesem Fall auch getan.
Zu Recht ist auch darauf hingewiesen worden, dass wir ein Problem mit einem gewalttätigen Extremismus haben. Wir mussten vor über einer Woche alle mit Bedauern zur Kenntnis nehmen, was auf der rechten Seite an Gewaltpotenzial freigeworden ist. Auch aus dem linken Bereich – im weitesten Sinne nach diesem Bekennerschreiben – gab es Gewalt bei dem Anschlag auf die Bahnanlagen. Ich sage „im weitesten Sinne“, weil das Bekennerschreiben so wirr ist, dass ich ein Problem habe, darin eine politische Motivation zu erkennen.
Darin werden alle Themen, die es so gibt, herangezogen. Mein Eindruck ist eher, dass wir es mit Menschen zu tun haben, die totalitäre Gewaltfantasien haben und politische Argumente quasi als Alibi missbrauchen, um ihre Gewaltaktionen zu rechtfertigen. Deswegen tue ich mich schwer, das unter Politik abzuhaken. Ich glaube wir sind uns darin einig, dass es ganz gefährliche Täter sind, deren Taten gefährlich sind.
Ich möchte noch auf einen Vorwurf des Kollegen Juhnke eingehen, der hier indirekt von dümmlichen Ausführungen sprach, wenn man der Bahn aus SPD-Kreisen Vorhaltungen macht. So ungefähr war seine Formulierung. Ich habe am Dienstagmorgen in einem Interview diese Tat sehr deutlich verurteilt und zum Ausdruck gebracht, dass ich mir wünsche, dass diese Täter gefasst und ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. Aber wenn ein Anschlag an einem Knotenpunkt von Kommunikationsleitungen, Kabeln u. Ä. solche Auswirkungen hat, muss man auch die Frage stellen, ob das Sicherheitskonzept richtig ist. Ich habe auch darauf hingewiesen, dass die Verantwortung für diesen Bereich bei der Deutschen Bundesbahn und bei der Bundespolizei liegt. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu.
Ich weise den Vorwurf, ich würde die Bahn damit vom Opfer zum Täter machen, energisch zurück. Aber ich glaube, wir sind alle gut beraten, wenn wir uns in unserer Gesellschaft, die von Kommunikation abhängig ist – auch die gesamte Wirtschaft –, sehr genau anschauen, wie solche Infrastruktureinrichtungen aufgebaut sind. Wir haben in der Fragestunde dazu einige Ausführungen des Innensenators gehört. Wenn ich mir das anschaue, was wir da beobachten konnten, dann muss man auch überlegen, ob Privatisierungen – oder, wie die FDP sagt: Das private Kapital löst jedes Problem. – das einzig Wahre sind. Wenn man die Kabelschächte der Bahn nutzt, um darin noch billig Telekommunikationsleitungen zu verlegen und das immer mehr bündelt, dann mag sich das wirtschaftlich rechnen, aber wenn irgendwo etwas passiert, ist so viel auf einmal ausgefallen, dass ich appelliere
zu überlegen, ob wir uns solche Infrastrukturknotenpunkte leisten können. Ich will nicht den Eindruck erwecken – das habe ich immer deutlich gesagt –, man könne alle Bahnanlagen in Deutschland überwachen. Das ist Illusion. das kann niemand finanzieren. Aber da, wo offensichtlich Knotenpunkte sind, muss man sich überlegen, ob es – wie jetzt am Ostkreuz – sinnvoll ist, auf nur zwei Kabelbrücken alles zu verlegen.
Die Bahn hatte schon drei Stunden später die Erklärung parat, alles sei in bester Ordnung. Allein die Geschwindigkeit dieser Aussage weckte bei mir Zweifel, ob wirklich alles in Ordnung ist. Ich erwarten von einem solchen Unternehmen, dass es ernsthaft prüft, ob alles richtig war. Wenn man sagt, da ist eine Baustelle, dann muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, dass diese Baustelle zehn Jahre dauert. Es ist nicht von einer provisorischen Leitungsverlegung von zwei, drei Wochen die Rede, sondern wir reden über zehn Jahre. Da muss man sich schon überlegen, ob man den Sicherheitsanforderungen entsprechen kann. Ich erwähnte es bereits am Anfang meiner Rede: Zehn Jahre rot-rote Sicherheitspolitik sind – nach meiner Wertung jedenfalls – eine Erfolgsgeschichte.
Ich möchte die Debatte nutzen, dem Polizeipräsidenten, der morgen aus seinem Amt verabschiedet wird, herzlich zu danken. Ich halte das für angemessen. Ihm gebührt Dank für die Leistungen. Er war ein Glücksfall für Berlin, und ich bin mir sicher, dass eine sorgfältige Auswahl beim Nachfolger dazu führen wird, dass wir auch künftig einen guten Polizeipräsidenten oder eine Polizeipräsidentin im Land Berlin haben werden. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Juhnke! Ich gebe Ihnen an einer Stelle recht – Scheinvaterschaften, wenn sie denn tatsächlich Scheinvaterschaften sind, sind problematisch, insbesondere für die Kinder. Wenn staatliche Stellen Hinweise darauf haben, muss das aufgeklärt werden.
Ihrer These, die Ausländerbehörde sei kompetenter in der Bearbeitung solcher Verdachtsfälle von Scheinvaterschaften, weil dort die aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen besser bekannt seien, vermag ich nicht zu folgen. Die aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen sind übersichtlich – hat ein Kind einen deutschen Vater, so hat es ein Aufenthaltsrecht und die Mutter auch. Dafür brauche ich keine Ausländerbehörde, das wissen auch die zuständigen Behörden auf Bezirksebene. Sie müssten nachweisen, dass eine zentrale Behörde bei der Aufklärung solcher Verdachtsfälle qualifizierter ist – davon habe ich von Ihnen nichts gehört. Sie haben von hinten argumentiert: Wenn eine Scheinvaterschaft vorliegt, dann liegt auch ein Verstoß gegen das Aufenthaltsrecht vor, deshalb Ausländerbehörde. Das macht keinen Sinn, das ist von der falschen Seite her aufgezogen.
Sie argumentieren, es sei immer ein Indiz für eine Verletzung des Aufenthaltsrechts, wenn ein deutscher Vater eine Vaterschaft anerkennt und die Mutter Ausländerin ist. Wenn das ein Indiz für eine Scheinvaterschaft ist,
bei den Lebensverhältnissen in Berlin, dann überziehen Sie so viele Menschen mit einem Verdacht, die überhaupt keinen Anlass dafür geben, und das nur, weil es vielleicht ein paar Einzelfälle gibt, in denen Menschen das ausnutzen. Das kann ich mir nicht als Position vorstellen, die dieses Haus gegenüber den vielen multikulturellen Ehen und Partnerschaften in Berlin vertritt.
Ein letzter Punkt, warum Ihr Antrag für uns nicht annehmbar ist: Wir wollen starke Bezirke! Ich gebe Ihnen recht, dass es bei der Bearbeitung dieser Fälle in einigen Bezirken Probleme gibt. Wenn wir aber bei allen entstehenden Problemen sagen, die Aufgabe muss weg von den Bezirken, dann sind wir in einigen Jahren so weit, dass wir die Bezirke völlig abschaffen, und das wollen wir nicht.
Ihrem Antrag können wir nicht unsere Zustimmung geben, denn er widerspricht ganz grundsätzlichen Positionen meiner Fraktion! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:
1. Welche Erkenntnisse hat der Senat über den Angriff mit einem Sprengsatz bei der Demonstration „Wir zahlen nicht für eure Krise“ am 12. Juni 2010, durch den zwei Polizeibeamte schwer verletzt wurden?
2. Wie bewertet der Senat den Vorfall, und welche Schlussfolgerungen zieht er daraus?
Vielen Dank, Herr Senator, für Ihre ausführliche, aber auch ganz klare Antwort! Ich bitte Sie um Auskunft, wie viele Polizeibeamte denn bei der Versammlung am Samstag eingesetzt waren.
Danke sehr, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Herr Jotzo! Wenn die Welt so einfach wäre wie Ihre Lösungsvorschläge,
dann hätten wir wahrscheinlich gar keine Probleme. Sie haben zutreffend beschrieben, mit welchen Problemen extremistisch motivierter Gewalt wir uns in Berlin auseinanderzusetzen haben. Sie haben auch zutreffend darauf hingewiesen – da sind wir, glaube ich, völlig einer Meinung –, dass es ein gutes Zeichen ist, wenn fünf Fraktionen in diesem Haus in gemeinsamen Erklärungen ihre Abscheu gegenüber solchen Taten zum Ausdruck bringen. Da braucht hier niemand eine Belehrung von jemand anders, sondern das war eine gemeinsame Aktion, und die war gut so.
Wenn Ihre Erinnerung vielleicht etwas schwach ist, darf ich Sie darauf hinweisen, dass Rot-Rot schon immer Gewalt geächtet hat. Das durchzog unsere Politik in dieser Wahlperiode von Anfang an. Aber wie gesagt, Sie haben Probleme angesprochen, und die Frage ist: Können Ihre Anträge da weiterhelfen? Sie haben das Problem von extremistisch motivierten Gewalttaten angesprochen und schlagen vor, man möge eine Imagekampagne machen. Und weil Sie selber nicht so richtig wissen, was Sie wollen, steht dann in Ihrem Antrag: Dazu soll erst mal eine Umfrage gemacht werden, wo das Image besonders schlecht ist. Sie wissen also offensichtlich selbst nicht einmal, wofür eine Kampagne gemacht werden soll – das kennzeichnet das Niveau Ihrer Anträge.
Ich muss nicht das wiederholen, was Ihnen in zwei Ausschüssen schon dazu gesagt wurde: Für uns haben diese Anträge leider nicht die notwendige Substanz, die sie zur Problemlösung bräuchten. Ihre Anträge tragen zur Problemlösung überhaupt nicht bei, und deswegen werden wir Sie heute ablehnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben einen relativ friedlichen 1. Mai hinter uns – große Enttäuschung bei denjenigen, die den Innensenator schon zum Rücktritt aufgefordert haben, und eine Opposition, deren Kritik sich auf die Behauptung beschränkt, es sei nur so gut gelaufen, weil die Forderungen der Opposition erfüllt worden seien.
Gut, der Erfolg hat immer viele Väter, das ist bekannt. Wenn das aber die Kritik der Opposition ist, muss man wohl feststellen, der Innensenator hat eine hervorragende Arbeit geleistet.
Der weitgehend friedliche 1. Mai war ein Erfolg vieler Menschen, die sich wieder einmal in Berlin für Gewaltfreiheit eingesetzt haben, und ein Erfolg der Berliner Polizei. Befriedigend war er allerdings nicht, denn auch wenn es wesentlich friedlicher als im Vorjahr war, haben wir erneut, nach jetzigem Stand, weit über hundert verletzte Polizistinnen und Polizisten zu beklagen, und knapp 500 Verhaftungen sprechen auch eine andere Sprache. Deshalb ist es richtig, dass wir uns heute noch einmal intensiv mit dem vergangenen Wochenende auseinandersetzen.
Wir haben eine Walpurgisnacht erlebt, die überwiegend friedlich war – von kleineren Problemen abgesehen –, die aber in keinem Vergleich zu den Vorjahren stand. Am Mittag des 1. Mais hatten Neonazis zu einem Marsch durch Pankow aufgerufen. Im Vorfeld waren 1 000 bis 3 000 Rechtsextremisten erwartet worden. Die erste erfreuliche Nachricht war, dass deutlich weniger Teilnehmer erschienen. Aber auch diesen haben die Berlinerinnen und Berliner deutlich gezeigt, dass die braune Ideologie auf breite Ablehnung und der Marsch in Berlin auf massiven Protest stößt. Ein breites Bündnis unterschiedlicher Organisationen und Menschen hat erfolgreich dazu aufgerufen, den Neonazis zu demonstrieren, dass sie in Berlin unerwünscht sind, dass die demokratische Zivilgesellschaft diese Ideologie ablehnt.
Die kraftvolle Gegendemonstration vieler Tausend Berlinerinnen und Berliner hat letztlich den Marsch der Neonazis in Berlin verhindern können. Die SPD bedankt sich deshalb bei all denen, die mit ihrem friedlichen Protest diesen Erfolg herbeigeführt haben.
Es ist schon bedauerlich – wenn wir eigentlich einen breiten Konsens der Demokraten in diesem Land gegen diese braune Ideologie haben –, dass die öffentliche Debatte in den letzten Tagen nicht davon geprägt ist, dass es gelungen ist, diesen Aufmarsch zu verhindern, sondern dass wir eine heftige Debatte über ein kleines Detail des Protestes haben – über die Frage, ob ein stellvertretender Präsident des Bundestags an einer solchen Gegendemonstration teilnehmen und sich Neonazis in den Weg setzen darf.
Bekanntlich ist die rechtliche Bewertung solcher Sitzblockaden umstritten. Wer aber in dem Bewusstsein darüber und mit der Bereitschaft, ggf. auch die Konsequenzen seines Handelns zu tragen, für sich die Entscheidung trifft, der braunen Ideologie entgegenzutreten und dieses friedliche Mittel einzusetzen, handelt aus ehrenwerten Motiven.
Die Berliner SPD steht deshalb solidarisch zu Wolfgang Thierse.
Der Berliner Polizei gilt dabei gleichzeitig großer Dank für ihren besonnenen Einsatz in Pankow, aber auch für ihr schnelles und konsequentes Handeln, als einige Neonazis überraschend versuchten, einen Marsch über den Kurfürstendamm herbeizuführen. Kollege Ratzmann hat zu Beginn unserer Sitzung sehr gut beschrieben, welche Gratwanderung die Polizei bei dieser Aufgabenstellung zu absolvieren hat. Sie muss auf der einen Seite das Demonstrationsrecht sichern und schützen, auf der anderen Seite muss sie ermöglichen, dass friedlicher Protest erfolgt. Aber – das möchte ich an die Grünen richten – dazu muss man der Polizei auch die Möglichkeiten geben, mit unterschiedlichen Methoden diese Gratwanderung erfolgreich zu absolvieren. Dazu gehört u. a. auch, wenn ich im Vorfeld Aufrufe zu massiven Gewalttaten habe, dass ich nicht alle Informationen preisgebe, dass ich im Interesse des friedlichen Protestes und zum Schutz vor Gewalttaten eine Demonstrationsstrecke nicht allzu früh veröffentliche. Wenn man dieses Verhalten als Verhalten einer Geheimpolizei diskreditiert, dann heizt man an und erschwert der Berliner Polizei ihre schwierige Aufgabe, diese Gratwanderung vernünftig hinzubekommen. Des
halb waren entsprechende Bemerkungen – ich glaube, Herr Lux war es – alles andere als hilfreich.
Dagegen sind diejenigen scharf zu verurteilen, die mit Gewalt gegen den Aufmarsch vorgehen wollten. Sie beschädigen nicht nur das Anliegen vieler Tausend Menschen, die ihre Abscheu und Ablehnung gegen rechtsextremistische Ideologie demonstrieren, sie widersprechen auch grundlegenden Prinzipien unserer Gesellschaft.
Die Würde des Menschen ist unantastbar, heißt es in Artikel 1 unserer Verfassung, und mit Würde des Menschen sind alle Menschen gemeint, auch diejenigen Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, selbst nicht dazu in der Lage sind, die Würde anderer zu achten. Deshalb zeichnet es unseren Staat aus, dass wir keine Todesstrafe haben, dass wir ein absolutes Folterverbot haben, dass wir z. B. auch im Strafvollzug darauf achten, die Würde des Menschen zu achten. Wer diesen Grundkonsens verlässt und nicht einmal die körperliche Integrität anderer Menschen achtet, ist bestimmt kein aufrechter Antifaschist, sondern offenbart vielmehr eine totalitäre und menschenfeindliche Geisteshaltung.
Der Dank meiner Fraktion gilt deshalb den vielen Tausend Menschen, die sich den Neonazis mit ihrer menschenverachtenden Ideologie in friedvoller und machtvoller Weise in den Weg gestellt haben und verhindert haben, dass dieser Aufzug durchgeführt werden konnte.
In diesem Zusammenhang ist natürlich auch das zu betrachten, was am Nachmittag in Kreuzberg stattgefunden hat. Viele Tausend Berlinerinnen und Berliner haben friedlich auf dem Myfest gefeiert, es herrschte eine ausgelassene Stimmung, und auch die Demonstration, die nach dem Willen mancher am besten verboten werden sollte, ist friedlich verlaufen. Und trotz des Engagements vieler Menschen für einen friedlichen 1. Mai in Kreuzberg mussten wir wieder feststellen, dass es ein erhebliches Gewaltpotenzial in unserer Stadt gibt. Offensichtlich von blindem Hass auf unsere Gesellschaft getrieben, versuchte wieder einmal ein sogenannter schwarzer Block, seine Gewaltfantasien an Polizistinnen und Polizisten auszuleben. Dank des besonnenen und konsequenten Einsatzes der Polizei konnten Gewaltexzesse wie im letzten Jahr verhindert werden. Dafür bedankt sich die SPD-Fraktion ausdrücklich bei allen Polizistinnen und Polizisten, aber auch bei der Führung der Berliner Polizei.
Die Menschenfeindlichkeit dieser Gewalttäter ist wieder einmal deutlich geworden. Wir mussten u. a. erleben, wie ein Polizist durch massive Gewalteinwirkung schwer verletzt wird und anschließend das Rettungsfahrzeug, in dem der Verletzte abtransportiert wird, auch noch mit Steinen beworfen wird. Wir mussten erleben, wie ein Polizist beim Löschen eines Feuers von einem Stein am
Kopf getroffen und schwer verletzt wird. Wie pervers sind eigentlich die Gedanken in den Köpfen derer, die so etwas tun?
Wir haben es aber auch noch mit einem anderen Phänomen zu tun: Es gibt offensichtlich viele Menschen, die von Gewaltaktionen fasziniert sind. Wir mussten, als wir durch Kreuzberg spazierten, immer wieder erleben, dass Menschen uns fragten, wo denn hier was los sei. Dort, wo Blaulicht zu sehen war, rannten die Leute hin, ließen sich vor brennenden Mülltonnen fotografieren. Hier haben wir es mit einem gesellschaftlichen Problem zu tun, auf das wir sicher noch nicht alle richtigen Antworten gefunden haben und an dem wir weiter arbeiten müssen.
Wir haben auch ein anderes schockierendes Bild gesehen – ich meine die Gewalt eines Polizisten gegen einen am Boden liegenden Menschen. Das war aber nicht das Bild der über 7 000 eingesetzten Polizisten, das war ein Einzelfall. Es ist gut, dass die Berliner Polizei sofort Ermittlungen eingeleitet hat – auch das kennzeichnet die Berliner Polizei heute.
Lassen Sie mich zum Abschluss auf die hier mitzuberatenden Anträge der FDP-Fraktion eingehen. Wir haben in der letzten Sitzung schon darüber gesprochen; wir haben in zwei Ausschusssitzungen darüber diskutiert: Dabei ist deutlich geworden, dass sich die FDP leider einer gemeinsamen Erklärung gegen Gewalt entzieht.
Herr Jotzo hat uns in den Ausschüssen erklärt, dass jedes Mitglied dieses Hauses persönlich zeige müsse, dass es gegen Gewalt sei. Dazu wird dann gesetzt, dass man davon ausgeht oder auch hofft, dass es ein paar gibt, die vielleicht ein Problem damit haben. – Das sind parteipolitische Spielchen, die Sie hier machen!
Das Entscheidende ist, dass dieses Haus möglichst gemeinsam ein deutliches Signal gegen Gewalt setzt, und ich kann die FDP nur auffordern, dem endlich beizutreten, statt weiter parteipolitische Spielchen zu machen.
Ja, Herr Präsident! Noch einen letzten Satz. – Ich glaube, der 1. Mai muss, gerade angesichts der Weltwirtschaftskrise, endlich wieder das werden, was er ist: ein Tag der Arbeit. Es ist bedauerlich, wenn durch Gewalttäter dieses Anliegen im öffentlichen Bewusstsein kaum mehr Berücksichtigung findet. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bayram! Vielleicht vorab: Wenn Sie sagen, ein Jahr haben wir zum Regieren, um Sachen zu verändern: Wir reden über Bundesgesetzgebung, das ändern wir nicht hier.
Es geht um die Frage, ob im Rahmen des Familiennachzugs nur Menschen nach Deutschland einreisen dürfen, die zuvor einen Sprachtest bestanden haben. Frau Bayram, Sie haben recht, das ist eine durchaus strittige Frage. Auch in meiner Partei gibt es da unterschiedliche Auffassungen. Und es ist sicher – da bin ich ganz bei Ihnen – rechtlich umstritten, was mit der Schutzverpflichtung des Staates gegenüber Ehe und Familie ist. Es ist auch zu hinterfragen, ob das so richtig ist, wenn Menschen aus
Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns
unterschiedlichen Ländern unterschiedlich behandelt werden.
Und Ihr Hinweis auf die Frage, wo ich eine Sprache am besten lerne, nämlich am besten in dem Land, wo sie Muttersprache ist, hat selbst der Kollege Wansner im Januar im Innenausschuss eindrucksvoll dokumentiert, indem er erzählt hat, dass er einmal im Jahr in die Türkei reist, um dort Türkisch zu lernen.
Auf der anderen Seite haben die Befürworter der Regelung natürlich recht, wenn sie betonen, dass Deutschkenntnisse Voraussetzung für eine gute Integration sind. Sicherlich gibt es auch einige, sehr patriarchalisch geprägte Familien, in denen fehlende Sprachkenntnisse eine zusätzliche Schranke darstellen, sich auch außerhalb der Familie zu bewegen. Es gibt also einiges an Für und Wider in dieser Frage. Wir – die SPD hier im Abgeordnetenhaus – sind zu dem Ergebnis gelangt, dass wir die Praxis dieser Regelung erst noch eine Weile beobachten sollten,
um abschließend bewerten zu können: Sind die Ziele, die damit verfolgt werden sollten, erreichbar, oder sind die Bedenken zu stark, dass man es eventuell doch ändern sollte?
Dann gibt es einen weiteren Grund, warum wir unsere Probleme mit Ihrem Antrag haben: Welche Erfolgsaussichten hätte denn eine Bundesratsinitiative? – Ich glaube, an der Stelle sind wir uns wahrscheinlich einig, dass die im Augenblick eher gegen Null tendieren.
Ich würde gerne noch den Gedankengang kurz zu Ende bringen.
Deshalb stellt sich die Frage: Macht es Sinn, eine von vornherein aussichtslose Initiative zu starten? – Unter Umständen erreicht man nämlich genau das Gegenteil von dem, was man erreichen will. Wenn es einmal eine weitere Ablehnung einer Änderung gibt, wird es später vielleicht nur umso schwerer, eine Änderung herbeizuführen.
Der Kollege Mutlu wollte was fragen.
Herr Mutlu! Ich habe versucht, gerade deutlich zu machen, dass wir den bisherigen Zeitraum nicht für ausreichend gehalten haben, zu einer abschließenden Bewertung zu kommen. Deshalb können wir das heute noch nicht vornehmen. – Ihr Hinweis auf den Bundesrat: Ja, man kann auch einmal eine Bundesratsinitiative machen, um bestimmte Diskussionen anzustoßen. Wenn wir aber nur danach Bundesratsinitiativen machen, dann machen wir eher Schaufensterpolitik, als wirklich auf Veränderungen hinzuarbeiten.
Man muss sich schon überlegen, was auch eine Ablehnung im politischen Diskurs in der weiteren Zukunft bedeuten kann. Für eine reine Schaufensterpolitik ist die Berliner SPD nicht zu haben. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Es ist selten, dass man gleich mit mehreren Papieren an das Rednerpult treten muss, aber in der Debatte heute gab es so viele Aktualisierungen, die mitzubedenken sind, dass ich um Verständnis dafür bitte.
Herr Jotzo! Sie haben zu Recht daraufhingewiesen, dass wir eine drastische Steigerung von Straftaten aus dem linksextremistischen Bereich haben. Das ist erschreckend, das ist auf das Schärfste zu verurteilen! Das, was Sie – die FDP-Fraktion – heute vorgelegt haben, ist ein Maßnahmenkatalog, bei dem man sich fragt, was er mit dem Thema zu hat. Da ist offensichtlich alles, was Ihnen einfällt, was wir an sicherheitspolitischen Themen im weitesten Sinn in den letzten Monaten angesprochen haben,
verarbeitet worden. Alles ist unter die Überschrift „Bekämpfung linksextremistischer Gewalt“ gepackt worden. Es ist auch eher schlampig zusammengeschrieben worden. Ich darf einige Stellen zitieren:
Der Senat muss an den Schulen den Linksextremismus stärker berücksichtigen
berücksichtigen! –
und angesichts dessen an den Schulen Comicbroschüren zu linksextremer Gewalt verteilen,
Jetzt kommt die Begründung! –
um diese Inhalte jugendgerecht zu vermitteln.
Dass die FDP einen Bedarf hat, sich per Landesparteitagsbeschluss von Gewalt zu distanzieren, ist angesichts solcher missverständlicher Äußerungen nachvollziehbar. Das gilt aber nicht für die anderen Fraktionen hier im Haus.
Was mir auch neu war, ist, dass die Gewalt im ÖPNV ein Problem linker Gewalt ist. Was Sie da hineingemixt haben, das vermag ich nicht nachzuvollziehen. Vielleicht können Sie uns das im Ausschuss noch einmal erklären. Die FDP, die in den Hauhaltsberatungen noch Grundrechtsschutz mit Ressourcenknappheit bewirken wollte, sagt jetzt: Der Senat muss den Einsatz von V-Leuten und verdeckten Ermittlern in gewaltbereitem extremistischem Milieu verstärken. Einfach mal so pauschal: verstärken. Das ist ein Rechtsstaatsverständnis, dem ich nicht folgen kann.
Ganz gefährlich wird Ihr Ansatz, den Sie noch einmal in dem Dringlichkeitsantrag vertreten, wenn Sie sagen: Wenn Extremisten bestimmte Themen ansprechen, dann darf man auf diese Themen nicht eingehen. – Wenn beim nächsten Brandanschlag ein Bekennerschreiben auftaucht, in dem gesagt wird, dass er erfolgt, um eine Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers durchzusetzen, dann wird sich die FDP auch nicht von ihrer Politik abbringen lassen. Wenn Gewalttäter politische Themen ansprechen, die sehr wohl auf der Agenda sind, wo wir auch in der Verpflichtung stehen, sich ihrer anzunehmen, dann darf man daraus nicht den Schluss ziehen, dass diese Themen nicht mehr angesprochen werden dürfen. Damit geben Sie Extremisten ein Mittel in die Hand, die politische Diskussion zu bestimmen. Das ist nicht akzeptabel. Ich glaube, da sollten Sie Ihren Ansatz noch einmal überaus gründlich überdenken.
Bei allem Streit um die einzelnen Maßnahmen zwischen Opposition und Regierung, zwischen den unterschiedlichen Fraktionen in diesem Haus, der sein muss, der in der
Demokratie dazugehört, ist es wichtig, dass es einen Konsens der Ablehnung von Gewalt gibt. Ich bin deshalb froh, dass vier Fraktionsvorsitzende in diesem Haus heute eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht haben, in der sie diesen Konsens der Demokraten zum Ausdruck bringen.
Das ist die angemessene Antwort auf die Fragen, die sich stellen. Ich bedauere es zutiefst, dass sich die FDP nicht in der Lage gesehen hat, mitzumachen, diesen Konsens mitzutragen. Herr Jotzo! Wenn Sie sagen, Ihr Dringlichkeitsantrag umfasst mehr Themen als Brandanschläge – vielleicht hatten Sie nicht genügend Zeit. In der Überschrift der gemeinsamen Erklärung ist von Brandanschlägen die Rede. Dann folgt allerdings, dass Angriffe auf Polizeistationen und Jobcenter und Baustellen verurteilt werden. Ihr gerade vorgetragener Vorwurf, der stimmt so einfach nicht.
Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen: Und auch da unterschiedet sich der Ansatz der FDP entschieden von dem der anderen vier Fraktionen. Sie schreiben in Ihrem Antrag:
Der Senat muss bei Großlagen sicherstellen, dass hinreichende polizeiliche Kapazitäten auf der Straße vorhanden sind.
Und Sie führen weiter aus:
Der Senat muss sicherstellen, dass bei linken Gewaltdelikten eine genaue Beweissicherung und eine ordnungsgemäße Sachbearbeitung zum Zweck der Strafverfolgung erfolgt.
Damit unterstellen Sie der Berliner Polizei, dass sie bei linksextremistischen Straftaten nicht ordentlich ihre Arbeit macht. Ich weiß nicht, was Anlass ist für diese Diskreditierung der Polizeiarbeit. Dagegen sagen vier Fraktionsvorsitzende eindeutig: Sie unterstützen die Arbeit der Polizei und der Justiz. Ich denke, das ist das angemessene Signal, nicht die Diskreditierung unserer Sicherheitsbehörden, wie die FDP sie vornimmt. – Vielen Dank!
Herr Jotzo! Das ist vielleicht der Unterschied zwischen vier Fraktionen in diesem Haus und der FDP-Fraktion. In vier Fraktionen gibt es Fraktionsvorsitzende, die für ihre Fraktionen sprechen und die Erklärungen nach außen abgeben können. Ich weiß nicht, in der FDP-Fraktion ist das vielleicht anders.
Nicht zugehört haben Sie mir leider, als ich Sie darauf hingewiesen habe, dass in der Überschrift von Brandanschlägen die Rede ist, dass in der gemeinsamen Erklärung aber auch andere Taten angesprochen werden. Sie bleiben weiterhin bei Ihrer Behauptung, es ginge nur um Brandanschläge. Recht haben Sie, dass eine solche Erklärung nicht alle Probleme löst. Das ist aber nicht der Sinn einer solchen Erklärung, sondern hier geht es darum, dass die demokratischen Parteien, die in diesem Abgeordnetenhaus vertreten sind, deutlich machen, dass sie bei allem Streit in der Sache gemeinsam Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung ablehnen.
Diese Gemeinsamkeit ist die entscheidende Botschaft dieser Erklärung, und die ist wichtig bei dieser Problemstellung. Schade, dass die FDP sich dazu nicht in der Lage gesehen hat.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage Herrn Innensenator Dr. Körting: Aus Anlass eines aktuellen Falles eines jugendlichen iranischen Flüchtlings bitte ich Sie um Auskunft über das Verfahren, wenn Flüchtlinge über sogenannte Drittstaaten nach Berlin kommen.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Vielen Dank, Herr Innensenator für die Auskunft! Gibt es in dem konkreten Fall, der auch durch die Berliner Presse ging, eventuell Anlass, über Ausnahmeregelungen nachzudenken?
Danke sehr, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Der Fall Uwe K. hat letzte Woche die Berlinerinnen und Berliner und auch uns hier im Haus sehr bewegt. Wenn Kinder Opfer sexuellen Missbrauchs werden, dann werden in uns starke Emotionen geweckt, und das ist auch richtig so, weil die Kinder unseren Schutz und unser Mitgefühl verdienen.
Dennoch sind wir in der Pflicht, wir, die hier als gewählte Vertreter der Bürgerinnen und Bürger Berlins in diesem Hause zu beraten haben, trotz der Emotionen ganz nüchtern Sachverhalte zu betrachten und in ruhigen Abwägungen zu überlegen, welche Maßnahmen zu ergreifen sind.
Diese Ruhe scheint mir in den letzten Tagen etwas abhanden gekommen zu sein. Ich bitte ganz herzlich alle, die sich in den weiteren Wochen mit dem Fall beschäftigen, sich darauf zu besinnen. Wir haben heute morgen ausführlich im Rechtsausschuss noch mal darüber diskutiert, und ich glaube, ich kann Einigkeit feststellen, dass es darum geht, Prozesse zu optimieren, dass Sie aber auch alle wissen, dass es eine absolute Sicherheit, eine hundertprozentige Sicherheit nicht geben kann. In den letzten
Tagen sind sehr vorschnell Vorwürfe erhoben worden. Der Vorgang ist als Skandal bezeichnet worden. Erlauben Sie mir deshalb, auf zwei Punkte kurz noch mal einzugehen:
Da gab es zunächst den Vorwurf, der Öffentlichkeit sei verschwiegen worden, dass Uwe K. erneut verhaftet wurde. Alleine das wurde schon als Skandal bezeichnet. Wir wissen jetzt nach zwei Ausschusssitzungen – wir sind noch mal darauf hingewiesen worden –, dass es in allen diesen Fällen, wo es um minderjährige Opfer geht, eine Verabredung der beteiligten Behörden gibt, den Opferschutz ganz nach vorne zu stellen. Wir wollen nicht, dass die Kinder, die missbraucht wurden, noch ein zweites Mal dadurch verletzt werden, dass sie durch die Presse gezogen werden.
Ich gestehe, dass ich schon schockiert war bei einigem, was ich in den letzten Tagen in der Berliner Presse feststellen musste. Wenn beispielsweise das Gesicht der Mutter eines Opfers abgedruckt wird, damit auch jeder im Lebensumfeld erkennen kann, über welches Kind in Berlin diskutiert wird, dann finde ich – der Begriff sei mir erlaubt – es widerlich, dass mit einem Kind, das missbraucht wurde, so umgegangen wird, dass es weiterhin in seinem Alltag stigmatisiert wird.
Bei allem Verständnis für Oppositionsarbeit, vielleicht auch für die Freude, die Regierung angreifen zu können, glaube ich, muss man doch genauer hingucken, worüber man spricht. Das, was hier unterstellt wurde, war von den Fakten her schon falsch, dass angeblich 4,5 Stellen bei einer Behörde für die Überwachung von 230 Personen zuständig seien und dass das viel zu wenig sei. Bereits am Montag im Innenausschuss ist klargestellt worden, beim Landeskriminalamt gibt es eine Stelle mit 4,5 Stellen, die die Überwachungsmaßnahmen koordiniert, die weitere Polizistinnen und Polizisten in Anspruch nehmen oder in Einsatz bringen kann, um die 230 gefährlichen Personen zu überwachen. Und wer dann immer noch behauptet, es sei ein Skandal, das 4,5 Personen 230 überwachen, spielt ein falsches Spiel. Ich glaube, das ist nicht angemessen, wenn es um diese Fragen geht.
Ich vermag heute nicht zu sagen, ob da alles richtig gelaufen ist. Ich glaube, es ist unsere Aufgabe in den Ausschüssen, das ganz sorgfältig aufzuarbeiten. Ich will an dieser Stelle ausdrücklich dem Kollegen Lux Dank dafür aussprechen, dass er genau mit der gleichen Intention – das war jedenfalls mein ganz persönlicher Eindruck – herangegangen ist, nachzufragen: Was ist tatsächlich passiert? Was hätte man noch tun können? – und eine Bewertung der Vorgänge hintenanzustellen. Das ist der angemessene Umgang. Da die weitere Diskussion in den Ausschüssen gewährleistet ist, so unsere Verabredung,
war meine Fraktion der Meinung, dass wir dieses Thema heute nicht diskutieren müssen. Die weitere Aufarbeitung ist gesichert. Meine Fraktion wird deshalb dem Themenvorschlag der CDU-Fraktion ihre Zustimmung geben. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich selber habe in den letzten 14 Tagen drei Mal die Position meiner Fraktion zu diesen Fragen dargelegt – im Rechtsausschuss, im Innenausschuss und vor 14 Tagen in der Plenarsitzung. Ich habe mit Spannung die Rede erwartet und war neugierig, welche neuen Aspekte uns die FDPFraktion mit auf den Weg geben will. Ich habe allerdings keinen einzigen neuen Aspekt gehört
außer dem, dass die FDP meint, dass das, was in vielen Kommunen Deutschlands gute Praxis ist und was in Berlin über Jahrzehnte gut funktioniert hat, organisierte Unverantwortlichkeit sei.
Das mag Ihre Sichtweise sein. Ich habe für meine Fraktion mehrfach dargelegt, dass wir mehrheitlich zu einer anderen Auffassung gekommen sind. Wir haben auch nichts Neues gehört, was lohnt, diese Position noch einmal zu überdenken.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits vor fünf Sitzungen haben wir das Pro und Contra von poli
Thomas Birk
tischem Bezirksamt bzw. Proporzbezirksamt ausführlich diskutiert. Ich gestehe, ich habe mich vor der heutigen Debatte – und nachdem ich gehört habe, die Grünen melden es als Priorität an –
gefragt, was wir an neuen Aspekten diskutieren wollen. Seinerzeit, als Sie Ihr Antragspaket eingebracht haben, sind die Argumente ausgetauscht worden.
Nein! – Wir haben in Berlin seit 1920, seit dem Gesetz über Groß-Berlin, immer wieder die Diskussion gehabt, wie die Konstruktion der Berliner Bezirke sein sollte. Ich behaupte: Es gibt kein absolut richtig oder falsch, weil die Berliner Bezirke eine Art Zwitterstellung zwischen echter Kommune und Teil der Verwaltung haben. Deshalb – und das gestehe ich Ihnen gern zu – gibt es auch gute Argumente für ein politisches Bezirksamt. Aber es gibt auch gute Argumente für das Proporzbezirksamt.
Meine Partei hat noch einmal einen sehr langen und intensiven Diskussionskurs durchlaufen, um die Argumente abzuwägen. Wir haben uns – das wissen Sie, das war öffentlich auf einem Landesparteitag – mit einer relativ knappen Mehrheit, aber einer Mehrheit dafür ausgesprochen, dass wir das Proporzbezirksamt fortsetzen wollen. Dass die Grünen jetzt sagen, das Motiv für eine solche an Sachargumenten abgewogene Entscheidung könne nur Gier nach Macht und Posten sein, sagt vielleicht mehr über die eigene politische Motivation als über die der anderen, denen sie das unterstellen. Da sollten Sie mal über sich selber nachdenken.
Dass man das dann als unrühmlichen Schlusspunkt einer Diskussion bewertet, weil man sich mit den eigenen Positionen nicht durchsetzen konnte, spricht auch eher für Ihr Demokratieverständnis als gegen unseren Antrag.
Wir werden mit dem Antrag für Rechtsklarheit ab dem 1. Januar nächsten Jahres sorgen, denn ab diesem Zeitpunkt ist die Rechtslage ungeklärt. Deshalb hoffe ich, dass wir es in diesem Haus gemeinsam hinbekommen, die Beratungen zu diesem Antrag zügig durchzuführen.
Ja, bitte sehr!
Herr Kollege Lux! Ich habe große Zweifel, ob es Sinn machen würde, diese Diskussion permanent weiterzuführen. Uns ist daran gelegen, Rechtssicherheit herzustellen, und ich denke, das tun wir mit dem Antrag.
Damit habe ich die wesentlichen Punkte genannt. Ich will nicht das wiederholen, was ich vor fünf Sitzungen schon einmal gesagt habe. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu einer internationalen, weltoffenen Stadt wie Berlin gehört auch eine bürgernahe, offene Polizei. Wir halten es deshalb für richtig, dass der Polizeipräsident eine Kennzeichnung für alle Polizisten einführen will.
In allen anderen Bereichen der Exekutive treten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung als Vertreter des Staates unter ihrem Namen Bürgern gegenüber. Wir leben zum Glück in einem Staat, der seinen Bürgern nicht anonym, sondern offen gegenübertritt. Das ist ein Zeichen für eine bürgernahe Verwaltung, und es ist deshalb richtig, dass der Polizeipräsident dieses Zeichen nun auch für alle Bereiche der Polizei umsetzen will.
Herr Kollege Juhnke! Ich war eben etwas verwundert, dass Sie in Ihrer Rede einen Zusammenhang mit einem Vorfall bei einer Demonstration hergestellt haben. Die Diskussion um die Kennzeichnung ist deutlich älter. Ich möchte Ihnen – falls Sie sie nicht kennen – kurz aus einer Presseerklärung der GdP nach dem Innenausschuss am 21. September 2009 vorlesen, die ausdrücklich begrüßte
…, dass Staatssekretär Ulrich Freise und Polizeipräsident Dieter Glietsch in der Innenausschusssitzung des Abgeordnetenhauses klargestellt haben, dass die vorgesehene namentliche Kennzeichnung von Polizeibeamtinnen und -beamten nicht in Zusammenhang mit der Diskussion über angebliche Übergriffe eines Polizisten auf einen 37-jährigen Demonstranten zu sehen ist
Es folgt der Dank an Sie und mich persönlich, dass wir diese Haltung unterstützt haben. Schade, dass Sie heute davon abrücken.
Es gibt bei vielen Polizistinnen und Polizisten erhebliche Vorbehalte und Ängste, obwohl die überwiegende Zahl der Mitarbeiter der Polizei bereits heute Namensschilder trägt.
Es ist zweifelsohne so, dass Polizisten immer wieder in schwierige Situationen kommen, bedroht und angegriffen werden. Sie üben eine verantwortungsvolle Aufgabe für uns alle aus und verdienen deshalb unser aller Respekt und Unterstützung. Natürlich haben wir deshalb auch eine Fürsorgepflicht gerade gegenüber den Polizistinnen und Polizisten. Fraglich ist allerdings, ob aus dieser Fürsorgepflicht tatsächlich eine Ablehnung einer Kennzeichnung folgen muss. Auch in anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung treten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Staates unter ihrem Namen Betroffenen gegenüber. Sie treffen Maßnahmen, die bei Betroffenen alles andere als beliebt sind. Ob Sie an Richter oder Staatsanwälte denken, Mitarbeiterinnen in Sozial- oder Jugendämtern und vielen anderen Verwaltungen, sie alle geraten immer wieder in Ausübung ihres Amtes in Konfliktsituationen mit Betroffenen. Wir mussten gerade erleben, wie ein Staatsanwalt im Internet persönlich bedroht worden ist. Ich bin dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses ausgesprochen dankbar dafür, dass er diese Bedrohung scharf verurteilt hat – in unser aller Namen. Das war richtig so.
Aber ich habe noch niemanden gehört, der daraus abgeleitet hat, Richter und Staatsanwälte sollten künftig anonym arbeiten. Sie haben, wie Sie gerade ausgeführt haben, Kollege Juhnke, regelmäßig mit einer Klientel zu tun, insbesondere Strafrichter, die in hohem Maße kriminell ist. Denken Sie an Jugendämter. Bei einem Eingriff eines Jugendamtes in eine Familie, aus der ein Kind herausgenommen wird, entstehen hoch emotionale Situationen. Es hat in der Vergangenheit immer wieder Fälle gegeben, wo Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Jugendämtern in solchen Situationen bedroht wurden. Aber niemand kam auf die Idee zu sagen, sie sollen künftig anonym arbeiten. Es ist vielmehr im demokratischen Rechtstaat selbstverständlich, dass sich alle Bürgerinnen und Bürger über die Verwaltung und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschweren können, wenn sie sich falsch oder ungerecht behandelt fühlen, und zwar unabhängig davon, ob sie objektiv betrachtet mit ihrem Gefühl richtig oder falsch liegen. Es ist ihr Recht, sich im demokratischen Rechtsstaat zu beschweren. Und da kann für die Polizei im Prinzip auch nichts anderes gelten als für Richter oder Staatsanwälte.
Die Vertreter der CDU führen in diesem Zusammenhang als Gegenargument gegen eine Kennzeichnung immer wieder an, die Polizisten würden dann mit ungerechtfertigten Anzeigen überzogen. Nun wissen wir nie bei einer Anzeige von vornherein, ob sie gerechtfertigt ist oder nicht. Mit Ihrem Argument erwecken Sie aber den Eindruck, die Polizei habe etwas zu verstecken. Sie wollen es offensichtlich den Bürgerinnen und Bürgern schwer machen, Klagen und Anzeigen gegen Polizisten zu erheben. Genauso falsch ist Ihr Argument, eine Kennzeichnung würde die Polizei unter Generalverdacht stellen. Vielmehr ist es umgekehrt so, dass eine fehlende Kennzeichnung den Eindruck erwecken kann, die Polizei habe etwas zu verbergen. Dieser Eindruck belastet das Bild der Polizei
bei Bürgerinnen und Bürgern. Die Berliner Polizei ist zum Glück eine bürgernahe Polizei, die nichts zu verbergen hat. Wer wie die CDU einen anderen Eindruck erweckt, schadet dem Ansehen der Polizei, weckt Misstrauen gegen die Polizei und vermindert damit die Akzeptanz gegenüber polizeilichem Handeln. Das wollen wir nicht. Wir vertrauen unserer Polizei. – Vielen Dank!
Herr Juhnke, zwei Punkte: Es ist einfach falsch, wenn Sie behaupten, der Polizeipräsident habe diesen Vorfall bei der Demonstration zum Anlass genommen, diese Forderung aufzustellen.
Er verfolgt seine Pläne schon länger, wie auch immer man dazu steht. Der Zusammenhang stimmt einfach nicht. Das waren andere interessierte Kreise, die diesen Vorfall zum Anlass genommen haben, aus ihrer Perspektive eine Kennzeichnung zu fordern. Aber das ist etwas anderes als das, was der Polizeipräsident macht.
Zweiter Punkt: Das Thema beschäftigt dieses Parlament schon. Schon seit längerem liegt ein Antrag der Grünen im Innenausschuss vor, den wir bisher einvernehmlich noch nicht behandelt haben, weil wir den Diskussionsprozess innerhalb der Behörde noch etwas abwarten wollten.
Aber eines Antrags der CDU bedurfte es nicht, weil es den Antrag von den Grünen schon gibt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Uns trennt nicht viel bei der Absicht, die Sie mit diesem Antrag verfolgen. Auch innerhalb der Koalition wird seit einiger Zeit darüber diskutiert, was wir tun können. Denn es ist wohl klar, dass es Handlungsbedarf bei der Flüchtlingssituation auf dieser Welt gibt und dass Deutschland sich seiner Verantwortung auch stellen muss. Insofern sind wir in der Grundlinie völlig einer Meinung. Selbstverständlich steht auch Berlin in der Verantwortung und wird diese – wie in der Vergangenheit in vielen Fällen demonstriert – auch übernehmen.
Über die Aufnahme von Flüchtlingen entscheidet Berlin allerdings nicht allein, sondern es gibt ein bestimmtes Verfahren zwischen den Bundesländern im Einvernehmen mit dem BMI, und so wird es wohl auch in der Zukunft laufen müssen.
Etwas merkwürdig mutet aus meiner Sicht Ihr – ich sage mal – Höchstgebot einer Zahl von aufzunehmenden Flüchtlingen an: München hat eine Absichtserklärung abgegeben, 850 aufzunehmen, dann müssen wir mindestens 1 000 aufnehmen. Was sind das für Kriterien? – Das ist purer Populismus. Lassen Sie uns ernsthaft darüber diskutieren, was wir tragen können, wie sich das auf die Länder verteilt. Damit kann man vielleicht nicht so schöne Schlagzeilen machen wie mit einer plakativen Zahl von 1 000, aber damit können wir den Menschen wirklich helfen, und das wollen wir machen. Ich hoffe, dass wir in
diesem Sinn im Innenausschuss über diesen Antrag konstruktiv beraten können. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heute geltende Rechtslage läuft am Ende dieses Jahres aus, die die bisherige Regelung zur Bildung von Bezirksämtern beinhaltet. Damit gibt es ab dem nächsten Jahr nicht mehr das sogenannte Proporzbezirksamt. Ab dem 1. Januar 2010 könnte ein Bezirksamt vollständig allein durch eine einfache Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung gewählt werden, das sogenannte politische Bezirksamt. Die Grünen weisen zu Recht darauf hin, das ohne weitere Gesetzesänderung eine Regelungslücke entstehen würde: zum einen vom 1. Januar 2010 bis zum Ende der 16. Wahlperiode, weil unklar ist, wie dann beispielsweise beim Rücktritt, einer Abwahl eines Bezirksamtsmitglieds zu verfahren wäre, aber auch, wenn man die gesetzliche Regelung zum politischen Bezirksamt belassen würde, ergibt sich Gesetzesänderungsbedarf, weil viele Regelungen, die wir im Bezirksverwaltungsgesetz haben, auf ein Proporzbezirksamt zugeschnitten sind. Einiges hat der Kollege Birk bereits angesprochen. Auch wenn man sich grundsätzlich für ein politisches Bezirksamt entscheidet, muss man einige Gesetze ändern.
Sie wissen, dass sich meine Partei wie auch die Grünen und die Linken im letzten Jahr intensiv mit dieser Frage auseinandergesetzt hat. In der SPD gab es eine lange, kontroverse Debatte. Sie nannten einige Beispiele aus dieser Debatte, Herr Kollege Birk. Es ist übrigens gut, wenn es in solchen Debatten ganz unterschiedliche Überlegungen gibt. Wir haben uns am Ende dieser Debatte für die Beibehaltung des bisherigen Prinzips ausgesprochen. Auch die Koalition hat sich inzwischen auf dieses Prinzip verständigt und wird dazu einen Gesetzesentwurf vorlegen.
Die Debatte über das Verhältnis zwischen den Berliner Bezirken und dem Land Berlin ist so alt wie die Berliner Bezirke selbst. Die im Grundsatz mit dem Groß-BerlinGesetz von 1920 festgelegte Rechtsstellung der Bezirke als Selbstverwaltungseinheiten Berlins ohne Rechtspersönlichkeit führt im Grunde genommen dazu, dass die Berliner Bezirke eine Art Zwitterstellung haben. Weder sind sie eigenständige Kommunen noch einfach Teile der Berliner Verwaltung, sondern sie erfüllen ihre Aufgaben nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung. Ich sehe im Augenblick niemand in diesem Haus, der diese Grundlage ernsthaft in Frage stellen will. Allerdings ergibt sich daraus auch, dass alle Modelle, die man diskutieren kann, schwierig im Detail sind, weil es eben die besagte Zwitterstellung der Bezirke gibt.
Sie haben mit Ihrem Antragspaket konsequent den Versuch unternommen – das gestehe ich Ihnen gerne zu –, sogenannte politische Bezirksämter zu stärken, die Regelungen dem Grundgedanken eines politischen Bezirksamts anzupassen. Ihre Lösungsvorschläge machen aber auch deutlich, zu welch merkwürdigen Lösungen man bei diesen Überlegungen kommt. Sie wollen zum Beispiel für einen Rat der Bezirksämter ein Vetorecht gegenüber vom Parlament beschlossenen Gesetzen einführen. Sie haben gerade gesagt, Herr Birk, damit solle die politische Kraft der Bezirke gestärkt werden. Aber auch ein politisches Bezirksamt ist Teil der Verwaltung. Sie haben hier schlicht und einfach das Prinzip der Gewaltenteilung übersehen. wenn sie der Exekutive ein Vetorecht gegenüber der Legislative einräumen wollen. Das kann nicht sinnvoll sein, einmal abgesehen davon, dass es sicher auch nicht verfassungsgemäß ist.
Wenn Sie die politische Arbeit der Bezirke wirklich stärken wollen, dann sollten Sie auch in diesem Haus einmal selbstkritisch Ihre eigene Antragsarbeit überprüfen!
Ich glaube, es gibt kaum eine Fraktion in diesem Haus, die hier so gerne BVV-Themen thematisiert, wenn ihr gerade das nicht passt, was in irgendeinem Bezirk beschlossen wurde.
Wenn man politische Bezirksämter haben will, dann muss man auch die politischen Gremien im Bezirk respektieren. Man muss sagen können: Dann macht eben Bezirk X irgendetwas völlig anderes als die anderen Bezirke oder
Thomas Birk
die Landesebene, wenn es nur im Rahmen der Gesetze bleibt. Nur stellt gerade Ihre Fraktion immer wieder unter Beweis, dass das nicht gewollt ist.
Fraglich erscheint mir auch Ihr Antrag, die bezirklichen Aufgaben explizit festzuschreiben. Wir haben uns im Land Berlin nach langen Diskussionen darauf verständigt, im Grunde genommen einen Grundsatz „Allzuständigkeit der Bezirke“ festzulegen, die als bürgernahe Verwaltungseinheiten für alles zuständig sind, was nicht explizit der Landesebene zugeordnet ist. Diesen Grundsatz hebeln Sie mit Ihrem Antrag auf. Ich glaube nicht, dass das bürgerfreundlich wäre, denn auch bei noch so guter Arbeit, die wir hier gemeinsam, alle fünf Fraktionen, leisten können, wird es immer Sachverhalte im Leben geben, an die man nicht gedacht hat. Wenn es eine Allzuständigkeit gibt, dann sind die Bezirke in der Lage, vor Ort konkrete Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. Wenn neue Fragen auftreten, können sie bürgernah für die Menschen da sein. Mit Ihrem Modell ist das nicht möglich.
Sie haben weiter einige Fragen zur rechtlichen Stellung von BVV-Fraktionen aufgeworfen. Da kann ich mir durchaus auch Veränderungen vorstellen. Ich denke, das sollten wir in den Ausschüssen im Detail diskutieren.
In der Grundfrage allerdings, Proporzbezirksamt oder Mehrheitsbezirksamt, macht mir Ihr Antragspaket eher deutlich, dass meine Partei die richtige Grundentscheidung für ein Proporzbezirksamt getroffen hat. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Nach dem Aufenthaltsgesetz wird für den Nachzug eines Ehegatten u. a. verlangt, dass sich dieser „zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann“. Mit dieser gesetzlichen Regelung sollte u. a. Zwangsverheiratungen entgegengewirkt werden. Wenn Menschen auf diesem Weg nach Deutschland kommen, sich aber nicht zumindest in einfacher Art in deutscher Sprache verständigen können, sind ihre Möglichkeiten, sich aus der Zwangslage zu befreien, erheblich eingeschränkt.
In der Begründung des Antrags erklären die Grünen, es gebe keine Hinweise darauf, dass dieses Ziel mit der gesetzlichen Regelung erreicht worden sei. Fest steht lediglich, dass die Anzahl von Ehegattennachzügen zum Teil erheblich zurückgegangen ist. Da es aber ohnehin wenig verlässliche Zahlen über Zwangsheiraten gibt, kann daraus kaum der Schluss gezogen werden, die gesetzliche Regelung habe ihren Zweck nicht erfüllt. Zugegeben ist, dass aus den bekannten Zahlen auch nicht der umgekehrte Schluss gezogen werden kann. Ich persönlich teile die Bedenken der Grünen hinsichtlich der Frage, inwieweit diese gesetzliche Regelung mit der Schutzverpflichtung des Staates gegenüber Ehe und Familie in Einklang steht.
Bei aller Diskussionswürdigkeit dieser Fragen muss aber auch gefragt werden, welchen Sinn eine Bundesratsinitiative in dieser Frage eigentlich macht. Aus meiner Sicht gibt es keine Hinweise darauf, dass eine solche Initiative auch nur den Hauch einer Chance auf Erfolg haben könnte. Aber macht es dann einen Sinn, einen solchen Antrag zu beschließen, der reine Schaufensterpolitik wäre? Ich halte davon wenig und kann mir schon deshalb nicht vorstellen, dass wir Ihrem Antrag letztlich zustimmen können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lindner! Für Beschimpfungen sind Sie in diesem Haus bekannt.
Ob Sie als Erklärungsmeister für das Grundgesetz auftreten können – daran habe ich nach diesem Redebeitrag größte Zweifel.
Sie haben einen kurzen Antrag vorgelegt, drei Absätze. Gehen wir einmal durch! Der erste Absatz:
Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland hat einen beachtlichen Anteil an der erfolgreichen demokratischen und rechtsstaatlichen Entwicklung unseres Gemeinwesens …
Völlig richtig! –
Kodifizierung der Grundrechte … ein Meilenstein der deutschen Geschichte.
Völlig richtig! –
Und zu diesen Grundrechten gehört die Meinungsfreiheit, gehört die Demonstrationsfreiheit, und immer gehört die Freiheit des Andersdenkenden auch dazu.
Dass das bei Ihnen nicht angekommen ist, ist in Ihrem Redebeitrag eben deutlich geworden. Ich muss mir nicht von jedem, der hier in Berlin demonstriert, die Meinung zu eigen machen.
Da gibt es vieles, was ich persönlich überhaupt nicht nachvollziehen kann, aber ich werde immer dafür eintreten, dass diese Menschen die Grundrechte aus unserer Verfassung auch ausleben dürfen und durchsetzen können.
Wenn die FDP-Fraktion meint, das wäre für das Abgeordnetenhaus ein Anlass, sich zu unserer Verfassung zu bekennen – das verstehe ich überhaupt nicht. Vielleicht hat die FDP-Fraktion ein Bedürfnis, sich zu unserer Verfassung zu bekennen. Für den Rest des Hauses, kann ich, glaube ich, sagen, ist das Bekenntnis völlig unstrittig.
Am Ende Ihres Antrags sagen Sie: Wenn ein Mitglied des Abgeordnetenhauses den Aufruf von Linksextremisten unterstützt, dann wird damit
Dr. Martin Lindner
die Achtung des Grundgesetzes durch alle Mitglieder des Abgeordnetenhauses infrage gestellt.
Was für ein Selbstbewusstsein hat Ihre Fraktion eigentlich? Wenn ich so verfahren würde, weil irgendeine Kollegin oder ein Kollege irgendwo ausgemachten Unsinn erzählt, wenn ich immer sagen würde, das wird auch auf mich bezogen, dann müsste ich in jede Plenarsitzung mit fünf Entschließungsanträgen kommen. Sie sollten überlegen, ob Sie nicht etwas mehr Selbstbewusstsein entwickeln. Niemand erwartet von Ihnen, dass Sie jede Position übernehmen. – Der Antrag, den Sie vorgelegt haben, ist kein Beitrag zur Würdigung unserer Grundrechte. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jotzo! Gerne würden wir mit allen Fraktionen zusammenarbeiten, aber gerade wenn ich daran denke, was die FDPFraktion in den letzten Jahren an Vorschlägen zur Zukunft des öffentlichen Dienstes gemacht hat – betriebsbedingte Kündigungen, radikaler Stellenabbau, Privatisierung –, kann ich nur sagen: Das werden Sie mit uns nicht erleben.
Wir sind uns sehr wohl bewusst – und das hat auch die Politik der rot-roten Koalition in den letzten Jahren gekennzeichnet –, dass wir in einer schwierigen Haushaltslage arbeiten und einen Spagat zu bewältigen haben – zwischen dem Ziel „Perspektive und Fürsorgepflicht für die Beschäftigten“ und dem Ziel der Haushaltskonsolidierung. Das gilt es ernsthaft abzuarbeiten, statt mit solchen populistischen Anträgen zu kommen, wenn man selber ganz andere Maßstäbe im Umgang mit den Beschäftigten anlegt.
Die Beschäftigten des Landes Berlin haben in den letzten Jahren durch den Solidarpakt einen enorm großen Beitrag zur Konsolidierung des Berliner Landeshaushalts geleistet, indem sie erhebliche Einkommensverluste getragen haben. Die Koalition ist sich bewusst, dass die Haushaltskonsolidierung ohne diesen Beitrag nicht erfolgreich gewesen wäre. Deshalb erkläre ich an dieser Stelle noch einmal für meine Fraktion den ausdrücklichen Dank an die Dienstkräfte des Landes Berlin.
Wir sind uns auch bewusst, dass inzwischen eine erhebliche Kluft zwischen dem Einkommen im öffentlichen Dienst in Berlin und anderen Bundesländern entstanden ist – eine Kluft, die auf Dauer untragbar ist.
Deshalb wird es ab dem 10. Juni Tarifverhandlungen geben, die letztlich auch den Rahmen bestimmen müssen, wie Berlin – als letztes Ziel – wieder in die Tarifgemeinschaft der Länder zurückkehren kann.
Dass das nicht von heute auf morgen geht, ist den Verhandlungspartnern sicherlich sehr wohl bewusst. Die Grünen – das kann man heute in der Presse lesen – warnen schon jetzt vor zu großen Gehaltssprüngen. Das können wir uns nicht leisten. Und wir haben heute auch schon gehört – Stichwort Steuerschätzung –, dass der finanzielle Rahmen eher enger wird. Ich vertraue darauf, dass die Tarifpartner in den Verhandlungen verantwortungsbewusst eine angemessene Lösung für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Berlin finden werden. Das werden sicher harte Verhandlungen. Die müssen geführt werden, aber die Perspektive für die Beschäftigten ist klar. Bei einem solchen Antrag, wie Sie ihn heute gestellt haben – insbesondere angesichts der Position Ihrer Fraktion –, entsteht bei mir eher der Eindruck, dass Sie damit den öffentlichen Dienst in Berlin verhöhnen. Wie gesagt, die Partei bzw. die Fraktion, die betriebsbedingte Kündigungen aussprechen und einen radikalen Stellenabbau wollte! Das ist nicht das, was die Beschäftigten des Landes Berlin verdient haben. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Der 1. Mai 2009 findet vor dem Hintergrund einer bisher nicht gekannten Wirtschaftskrise statt. Viele Menschen in unserem Land haben Sorge um ihren Arbeitsplatz, ihre Zukunft, vor Lohndumping, und deshalb werden sie morgen für ihre Rechte demonstrieren, ihre Sorgen formulieren und ihre Forderungen deutlich machen. Der 1. Mai hat damit eine Bedeutung wie schon lange nicht mehr in unserem Land.
Ärgerlich ist, dass diese berechtigten Forderungen, diese Sorgen der Menschen in der öffentlichen Diskussion der letzten Wochen in Berlin kaum mehr eine Rolle spielen, sondern dass von unterschiedlichsten Seiten in Vorbereitung auf den 1. Mai eine beispiellose Eskalation betrieben wird. Von links bis rechts werden Drohgebärden geäußert, wird Stimmung gemacht, und man hat den Eindruck, die eine Seite ist jeweils Stichwortgeber für die andere Seite. Es wird ein „Polizeinotstand“ beschworen, und die wirklichen Probleme der Menschen geraten in den Hintergrund.
Der 1. Mai in Berlin, insbesondere in Kreuzberg, hat unter Rot-Rot eine Geschichte der Deeskalation und der konsequenten Strafverfolgung erfahren, eine Erfolgsgeschichte des Innensenators Dr. Körting und der Berliner Polizei.
Polizeiliche Maßnahmen mit Sinn und Verstand, nicht so, wie wir es in den Vorjahren oft erleben mussten! Die Berliner Polizei hat in den letzten Jahren eine hervorragende Arbeit geleistet und ist bestens darauf vorbereitet, auf dieser Linie auch den 1. Mai 2009 zu begleiten.
Es ist unerträglich, wenn Teilen der Berliner Polizei von Bezirkspolitikern vorgeworfen wird, einen „faschistischen Korpsgeist“ zu haben.
Die Berliner SPD steht ohne Wenn und Aber hinter der Berliner Polizei und wird sie auch in der schwierigen Arbeit der nächsten Tage unterstützen.
Es ist aber genauso unerträglich, wenn in diesem Haus immer wieder der Berliner Polizei vorgeworfen wird, bei der Verfolgung von Gewalttaten zwischen Rechten und Linken zu unterscheiden, so als ob die Berliner Polizisten den einen schärfer als den anderen verfolgen würden. Das beleidigt die Arbeit der Berliner Polizei und ist nicht zu rechtfertigen.
Ich habe großen Respekt vor der schwierigen Arbeit der Berliner Polizei, die sie hervorragend leistet, die sie heute Nacht und auch morgen leisten wird.
Die Polizei konnte ihre Arbeit auch deshalb so gut erledigen, weil es in Kreuzberg viele Menschen gab und auch in diesem Jahr gibt, die sich aktiv für friedliche Proteste und für Maifeste engagieren. Gewaltfreiheit ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft, nicht nur der Polizei. Die kommt eigentlich erst ganz am Schluss. Zunächst ist die Zivilgesellschaft gefordert, und da haben in den letzten Jahren – ich will sie ausdrücklich nennen – das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg und die vielen Kreuzbergerinnen und Kreuzberger, die sich für ihren Kiez engagiert haben, gemeinsam mit der Polizei hervorragende Arbeit geleistet.
In Veranstaltungen vor dem 1. Mai hat man das Gespräch miteinander gesucht.
Aber, das möchte ich an dieser Stelle auch betonen, es ist auch Aufgabe anderer in dieser Stadt, für einen friedlichen Verlauf Sorge zu tragen. Ich bitte an dieser Stelle auch die Medienvertreter zu überlegen, ob das, was wir an Presseberichterstattung in den letzten Tagen erlebt haben, diesem gemeinsamen Ziel förderlich war.
Die Erfolge der Berliner Polizei und der Kreuzberger gefallen offensichtlich nicht allen in dieser Stadt. Die selbsternannten Straßenkämpfer möchten gern einmal wieder ins Fernsehen, CDU und FDP machen schon mal Wahlkampf und betätigen sich als Stichwortgeber für Chaoten, und die Medien hätten wohl gern wieder tolle Bilder von Ausschreitungen. Im letzten Jahr durfte ich in Kreuzberg erfahren, dass es so friedlich war: Wenn man sich eine Zigarette anzünden wollte, musste man schon
aufpassen, dass nicht schon wegen des Feuers des Feuerzeugs die Journalisten mit den Kameras über einen herfielen.
Es wäre schlimm, wenn es den Provokateuren gelänge, mit den Gewalttaten die Medien von den berechtigten Protesten der Gewerkschaften abzulenken. Die Millionen Menschen, die um ihre Jobs fürchten, die zu Recht ihren Protest gegen das maßlose Gewinnstreben neoliberaler Wirtschaftsführer
artikulieren wollen, verdienen unsere Aufmerksamkeit.
Ich fordere deshalb alle Berlinerinnen und Berliner auf, die sich diesem Protest anschließen wollen, morgen um 10 Uhr an den DGB-Kundgebung teilzunehmen.
Gewaltfreiheit ist die beste Garantie dafür, dass die wirklichen Probleme dieser Menschen ausreichend Gehör finden. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Auf welcher Rechtsgrundlage hat die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz
die Adressen der Mütter von Neugeborenen erhoben und für den Zweck einer Umfrage zum Thema Klimaschutz an die Technische Universität Berlin weitergeleitet, die wiederum die Internetabwicklung der Umfrage einem privaten Unternehmen überlässt?
2. Kann der Senat sich vorstellen, dass Mütter von Neugeborenen andere Sorgen haben, als unter anderem darüber Auskunft zu geben, ob sie bereits Ökostrom beziehen oder demnächst beziehen möchten?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Senatorin! Darf ich Ihnen nach der Sitzung das Schreiben zeigen, das von Ihrem Staatssekretär unterschrieben ist und in dem die Frage steht: Beziehen Sie Ökostrom oder nicht?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war etwas erstaunt über die Geschichtsklitterung, aber wenn die
CDU meint, sie hat es nötig, sich als die Erfinderin der Ordnungsämter darzustellen, dann soll das so sein. Sie sind eine gute Sache, von Rot-Rot eingeführt. Und das war auch richtig so.
Die CDU hat offensichtlich ein neues Thema gefunden. Und damit es jeder merkt, wird das bunte Sammelsurium von 13 Minianträgen in 13 Minianträge aufgeteilt – drei heute, fünf in der nächsten Sitzung und fünf weitere in der übernächsten Sitzung. Das mag medial Sinn machen, nach dem Motto: Wenn die CDU immer wieder neue Anträge stellt, kommt sie mit dem Thema in der Öffentlichkeit häufiger vor. Eine solche propagandistische Maßnahme ist insbesondere dann sinnvoll, wenn der Inhalt der Anträge nicht so viel hergibt, weil darüber wohl kaum jemand berichten würde. Also muss man zu solchen Mitteln greifen.
Ein Teil der Anträge ist aus dem Arbeitsplan des Senats abgeschrieben. Es ist beileibe nicht so, dass der Senat hier nichts getan hat, sondern Sie wissen ganz genau, wenn Sie die Vorlagen – zur Kenntnisnahme – gelesen haben, dass es seit einiger Zeit ein Projekt zur Optimierung der Ordnungsämter gibt. Der Senat hat angekündigt, dem Parlament bis zum 30. März 2009 über die Ergebnisse seiner Arbeit zu berichten. Das ist dann natürlich sehr nett gemacht, wenn man pünktlich zu diesem Termin 13 Anträge einbringt, mit denen man dann den Eindruck erwecken kann, man sei Initiator dieser Arbeit des Senats gewesen.
Dann gibt es einen weiteren Teil von Anträgen, in denen mehr Personal und eine bessere Bezahlung gefordert wird. Hier ist die CDU-Fraktion nie kleinlich. Sie muss es ja auch nicht bezahlen. Das ist uns aus den letzten Haushaltsberatungen noch in schlechter Erinnerung. Dieses Mal soll das Personal gleich verdoppelt werden: von 400 auf 800. Zwölf Stunden später kann man in Zeitungen lesen, 1 000 sollen es sogar sein. Das ist schon beachtlich. Das Personal soll dann auch noch besser bezahlt werden. Glauben Sie ernsthaft, dass Ihnen jemand diesen durchsichtigen Populismus abnimmt?
Es gibt tatsächlich Probleme. Wir haben gemeinsam am 13. Oktober 2008 im Innenausschuss von Vertretern und Vertreterinnen der Ordnungsämter zahlreiche Schwierigkeiten aus der Praxis zur Kenntnis nehmen dürfen. Wir sind uns, glaube ich, in dieser Sitzung auch einig gewesen, dass es unsere Pflicht ist, das abzuarbeiten. Die SPDFraktion spricht den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ordnungsämter ausdrücklich ihre Anerkennung für die oft schwierige Arbeit aus. Wir wollen die Schwierigkeiten, die sich in der praktischen Arbeit ergeben, beseitigen. Deshalb sehen wir gespannt den Ergebnissen des Projekts zur Optimierung der bezirklichen Ordnungsämter entgegen, sind aber selbstverständlich auch offen für alle weiteren sinnvollen Vorschläge zur Weiterentwicklung der Ordnungsämter.