Dagegen sind diejenigen scharf zu verurteilen, die mit Gewalt gegen den Aufmarsch vorgehen wollten. Sie beschädigen nicht nur das Anliegen vieler Tausend Menschen, die ihre Abscheu und Ablehnung gegen rechtsextremistische Ideologie demonstrieren, sie widersprechen auch grundlegenden Prinzipien unserer Gesellschaft.
Die Würde des Menschen ist unantastbar, heißt es in Artikel 1 unserer Verfassung, und mit Würde des Menschen sind alle Menschen gemeint, auch diejenigen Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, selbst nicht dazu in der Lage sind, die Würde anderer zu achten. Deshalb zeichnet es unseren Staat aus, dass wir keine Todesstrafe haben, dass wir ein absolutes Folterverbot haben, dass wir z. B. auch im Strafvollzug darauf achten, die Würde des Menschen zu achten. Wer diesen Grundkonsens verlässt und nicht einmal die körperliche Integrität anderer Menschen achtet, ist bestimmt kein aufrechter Antifaschist, sondern offenbart vielmehr eine totalitäre und menschenfeindliche Geisteshaltung.
Der Dank meiner Fraktion gilt deshalb den vielen Tausend Menschen, die sich den Neonazis mit ihrer menschenverachtenden Ideologie in friedvoller und machtvoller Weise in den Weg gestellt haben und verhindert haben, dass dieser Aufzug durchgeführt werden konnte.
In diesem Zusammenhang ist natürlich auch das zu betrachten, was am Nachmittag in Kreuzberg stattgefunden hat. Viele Tausend Berlinerinnen und Berliner haben friedlich auf dem Myfest gefeiert, es herrschte eine ausgelassene Stimmung, und auch die Demonstration, die nach dem Willen mancher am besten verboten werden sollte, ist friedlich verlaufen. Und trotz des Engagements vieler Menschen für einen friedlichen 1. Mai in Kreuzberg mussten wir wieder feststellen, dass es ein erhebliches Gewaltpotenzial in unserer Stadt gibt. Offensichtlich von blindem Hass auf unsere Gesellschaft getrieben, versuchte wieder einmal ein sogenannter schwarzer Block, seine Gewaltfantasien an Polizistinnen und Polizisten auszuleben. Dank des besonnenen und konsequenten Einsatzes der Polizei konnten Gewaltexzesse wie im letzten Jahr verhindert werden. Dafür bedankt sich die SPD-Fraktion ausdrücklich bei allen Polizistinnen und Polizisten, aber auch bei der Führung der Berliner Polizei.
Die Menschenfeindlichkeit dieser Gewalttäter ist wieder einmal deutlich geworden. Wir mussten u. a. erleben, wie ein Polizist durch massive Gewalteinwirkung schwer verletzt wird und anschließend das Rettungsfahrzeug, in dem der Verletzte abtransportiert wird, auch noch mit Steinen beworfen wird. Wir mussten erleben, wie ein Polizist beim Löschen eines Feuers von einem Stein am
Kopf getroffen und schwer verletzt wird. Wie pervers sind eigentlich die Gedanken in den Köpfen derer, die so etwas tun?
Wir haben es aber auch noch mit einem anderen Phänomen zu tun: Es gibt offensichtlich viele Menschen, die von Gewaltaktionen fasziniert sind. Wir mussten, als wir durch Kreuzberg spazierten, immer wieder erleben, dass Menschen uns fragten, wo denn hier was los sei. Dort, wo Blaulicht zu sehen war, rannten die Leute hin, ließen sich vor brennenden Mülltonnen fotografieren. Hier haben wir es mit einem gesellschaftlichen Problem zu tun, auf das wir sicher noch nicht alle richtigen Antworten gefunden haben und an dem wir weiter arbeiten müssen.
Wir haben auch ein anderes schockierendes Bild gesehen – ich meine die Gewalt eines Polizisten gegen einen am Boden liegenden Menschen. Das war aber nicht das Bild der über 7 000 eingesetzten Polizisten, das war ein Einzelfall. Es ist gut, dass die Berliner Polizei sofort Ermittlungen eingeleitet hat – auch das kennzeichnet die Berliner Polizei heute.
Lassen Sie mich zum Abschluss auf die hier mitzuberatenden Anträge der FDP-Fraktion eingehen. Wir haben in der letzten Sitzung schon darüber gesprochen; wir haben in zwei Ausschusssitzungen darüber diskutiert: Dabei ist deutlich geworden, dass sich die FDP leider einer gemeinsamen Erklärung gegen Gewalt entzieht.
Herr Jotzo hat uns in den Ausschüssen erklärt, dass jedes Mitglied dieses Hauses persönlich zeige müsse, dass es gegen Gewalt sei. Dazu wird dann gesetzt, dass man davon ausgeht oder auch hofft, dass es ein paar gibt, die vielleicht ein Problem damit haben. – Das sind parteipolitische Spielchen, die Sie hier machen!
Das Entscheidende ist, dass dieses Haus möglichst gemeinsam ein deutliches Signal gegen Gewalt setzt, und ich kann die FDP nur auffordern, dem endlich beizutreten, statt weiter parteipolitische Spielchen zu machen.
Ja, Herr Präsident! Noch einen letzten Satz. – Ich glaube, der 1. Mai muss, gerade angesichts der Weltwirtschaftskrise, endlich wieder das werden, was er ist: ein Tag der Arbeit. Es ist bedauerlich, wenn durch Gewalttäter dieses Anliegen im öffentlichen Bewusstsein kaum mehr Berücksichtigung findet. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wieder einmal ziehen wir die Bilanz der Demonstrationen rund um den 1. Mai. In diesem Jahr gibt es Gott sei Dank Erfreulicheres zu berichten als im Vorjahr, als 479 verletzte Polizeibeamte zu beklagen waren und krasse Gewaltexzesse stattfanden. Offenbar hat der Innensenator aus den massiven Fehlern des Vorjahrs gelernt und das gemacht, was die CDU schon damals von ihm gefordert hatte, nämlich konsequent gegen Krawallmacher vorzugehen und Straftaten im Ansatz zu vereiteln.
Zur ausgestreckten Hand gehört auch, dass der Staat vorbereitet sein muss, wenn sie ausgeschlagen wird, um seine Rechtsordnung zu schützen. Man darf nicht nur ständig über die Strategie der ausgestreckten Hand reden, man muss sie auch anwenden.
Doch wenn hier im Titel der Aktuellen Stunde bei der Koalition von einem „Erfolg der Zivilgesellschaft gegen Randale-Rituale“ die Rede ist, dann ist das falsch, denn es waren die 7 400 Frauen und Männer von der Polizei aus Berlin, den anderen Bundesländern und der Bundespolizei, denen dafür zu danken ist, dass Randale in diesem Jahr weitgehend draußen geblieben ist.
So weit die positiven Aspekte des Einsatzes um den 1. Mai, denn insgesamt ist das kein Tag zum Schulterklopfen. Die Dinge, die uns Sorgen bereiten und denen wir uns alle stellen müssen, überwiegen.
Bei aller erfreulichen Abnahme der Anzahl der Verletzten – jeder verletzte Polizeibeamte bleibt einer zu viel.
Es ist vollständig inakzeptabel, wenn Polizeibeamte angegriffen und verletzt werden. Ich freue mich daher, dass der Bundesinnenminister de Maizière angekündigt hat, dass die Bundesregierung schärfere Strafen für Angriffe auf Vollstreckungsbeamte vorsehen will.
Doch generell sind nicht nur die Verletzungen ein Problem. Grundsätzlich muss man einmal festhalten: Es kann nicht der Normalzustand sein, dass alljährlich der Tag der Arbeit in Berlin nur dann nicht in einen Bürgerkrieg ausartet, wenn er durch 7 400 Polizeibeamte abgesichert wird.
Von den hinterlassenen Müllbergen und der Verwüstung des Görlitzer Parks will ich hier gar nicht reden. Wir bleiben alle aufgefordert, durch Maßnahmen an unterschiedlichsten Stellen – und die Polizei steht dabei nur ganz am Ende der Kette – darauf einzuwirken, dass Randale nicht zur periodischen Selbstverständlichkeit wird.
[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Ich habe Sie nicht gewählt! – Zuruf von der Linksfraktion: Wo waren Sie denn in Pankow?]
Pankow ist groß! – Dabei ist es wichtig, diejenigen, die zur Gewalt anstiften, von denjenigen zu isolieren, die sich eventuell durch Neugier oder Alkoholkonsum dazu verführen lassen mitzumachen. Dazu ist auch wichtig, durch klare Ansagen und konsequentes Handeln den Gewaltbereiten den Schneid abzukaufen, es noch einmal zu versuchen. Dazu ist es aber auch erst recht wichtig, die politischen Aussagen von linken Krawallmachern mit der gleichen Entschlossenheit zu bekämpfen, wie wir das auf der rechten Seite erfolgreich tun. Wer sich über dumpfe Parolen wie „Nationaler Sozialismus jetzt!“ oder „Hier marschiert der nationale Widerstand!“ erregt, der darf bei „Deutschland verrecke!“ nicht wegsehen.
Ich kann im Gegensatz zu Herrn Wolf bei solchen Dingen nicht finden, dass dies ein großer Tag für die Demokratie gewesen sei, das tut mir leid.
Der Protest vieler Bürger gegen Neonazis unterstreicht die Tatsache, dass rechtsradikale Meinungen in dieser Gesellschaft keine Chance haben, aufgenommen zu werden oder gar parlamentarische Mehrheiten zu gewinnen.
An dieser Stelle sei mir noch ein Wort zur Causa Thierse gestattet: Herr Thierse hat an einer Demonstration gegen Rechtsradikale teilgenommen. Das ist sein gutes Recht und natürlich in einer Demokratie auch grundsätzlich begrüßenswert. Man muss sich allerdings auch immer ansehen, mit wem man an einer solchen Stelle den Schulterschluss übt. Wenn unter dem Deckmäntelchen des Antifaschismus auch diejenigen mitmarschieren, die diesen Staat und seine Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung abschaffen wollen, dann kann es, auch bei noch so berechtigten Anliegen, keine Gemeinsamkeiten geben.
Was man Herrn Thierse jedoch vorwerfen muss, ist, dass er trotz eindeutiger Belehrung, auch durch Innensenator Körting, gegen geltendes Recht verstoßen hat. Das ist für jemand, der einst als Bundestagspräsident dem Organ der Gesetzgebung vorgestanden hat, ein besonders schwerwiegendes Vergehen. Der Zweck heiligt nicht in jedem Fall die Mittel.
Darüber hinaus – und das wurde in der bisherigen Berichterstattung nicht hinreichend deutlich – hat er seine Privilegien, die er als Parlamentarier hat, missbraucht,
denn der Ort, an dem die Sitzblockade stattfand, befand sich nach der einen wie der anderen Seite hinter den Polizeilinien, das heißt auf praktisch neutralem Gebiet, das er ohne seine Stellung nicht hätte betreten dürfen.
Er hat damit nicht nur die ihm dieses Privileg gewährenden Polizeibeamten in eine Zwickmühle gebracht, sondern auch eine gewalttätige Eskalation riskiert, denn leicht hätten die anderen Demonstranten,