Protokoll der Sitzung vom 06.05.2010

Es mag so manchen verwundern, dass Teile der Grünen, der Linken und selbst der SPD durchaus mit Organisationen sympathisieren, die all dies tatsächlich in Frage stellen. Aber bei kaum einer Fraktion liegen die Auffassungen des Fraktionsvorsitzenden und des verantwortlichen Fachsprechers für Innenpolitik zum Thema linke Gewalt so weit auseinander wie bei den Grünen. Kürzlich war der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Volker Ratzmann, im Fernsehen zu sehen. Er sagte zur gewaltbereiten linksextremistischen Vereinigung „Antifaschistische Linke Berlin“ – ALB –, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird – ich zitiere –:

Es ist gerade für einen Linken eminent wichtig, sich deutlich abzugrenzen von solchen gewalttätigen Tendenzen.

Ganz recht!

[Beifall bei der FDP]

Ganz auf dieser Linie hat Herr Ratzmann als Fraktionsvorsitzender auch die Erklärung unterzeichnet, in der die Brandanschläge von diesem Haus verurteilt werden. Er sagte, er habe dabei für seine ganze Fraktion gesprochen, aber offensichtlich sehen das einige Fraktionsmitglieder anders. Wenn man im Internet nachschaut, kann man die ALB auch auf Facebook finden. Wenn man dort den Freundeskreis durchstöbert, findet man erstaunliche Personen: Björn Böhning von der SPD, der in der Senatskanzlei für politische Grundsatzfragen und Planungsangelegenheiten zuständig ist, Franziska Drohsel von den Jusos und natürlich auch Clara Herrmann und Benedikt Lux aus der Fraktion der Grünen. All diese Personen signalisieren ganz klar und öffentlich, dass sie als Freunde mit den Zielen der ALB sympathisieren. Sie sprechen sich damit für eine gewaltbefürwortende und verfassungsgefährdende Organisation aus, die nichts anderes will, als unsere demokratische Grundordnung zu beseitigen.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Es wird deutlich, dass eine Fraktionsvorsitzendenerklärung von Herrn Ratzmann zu Brandstiftungen nicht das Papier wert sein kann, auf dem sie gedruckt ist.

Schon der zuständige Fachsprecher für Inneres in seiner Fraktion teilt offenbar nicht einmal die grundsätzlichen Auffassungen seines eigenen Fraktionsvorsitzenden auf dem Papier. Daher war es auch wichtig und richtig, dass sich die FDP-Fraktion dieser Placebopolitik einer entsprechenden Erklärung der Fraktionsvorsitzenden in diesem Haus nicht angeschlossen hat. Die Solidarität, die von Teilen der Linken, Grünen und der SPD, linksextremisti

schen Organisationen entgegengebracht wird, macht es zwingend erforderlich, dass sich alle Abgeordneten ohne jede Ausnahme in diesem Haus, im Plenum, gegen linke Gewalt aussprechen. Mit unserem Entschließungsantrag erhält heute jeder Abgeordnete die Chance, ein eindrucksvolles und klares Zeichen in diesem Zeichen gegen Linksextremismus zu setzen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Uwe Doering (Linksfraktion): Nicht nach unserer Rede!]

Wir dürfen nicht zulassen, dass der Linksextremismus über die Hintertür der kuscheligen Grünen, der Linken oder der SPD salonfähig wird. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Kräfte Grundrechte nur für diejenigen gelten lassen wollen, die deren Meinung teilen.

[Beifall bei der FDP – Lars Oberg (SPD): Schäbig!]

Wir dürfen auch nicht länger zulassen, dass an jedem 1. Mai Tausende Polizistinnen und Polizisten gebraucht werden, um die Sicherheit in unserer Stadt zu gewährleisten.

[Beifall bei der FDP – Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Was sagen Sie eigent- lich zum Fußballspiel?]

Berlin braucht endlich ein umfassendes Präventionskonzept gegen linke Gewalt. Mit unseren Anträgen schlagen wir Ihnen diverse Maßnahmen vor, die von der schulischen Bildung – in der Tat, Frau Seelig hat einige erwähnt – bis hin zur einer dringend nötigen Organisationsreform und Imagekampagne für die Berliner Polizei reichen. Das gilt besonders, Frau Seelig, für die problematischen Bevölkerungskreise, die das staatliche Gewaltmonopol immer noch nicht verstanden haben bzw. meinen, sie könnten hier am 1. Mai jedes Jahr wieder über die Stränge schlagen und eine Art Volksaufstand für Arme veranstalten.

Wir müssen dem Linksextremismus ebenso wie allen anderen Extremismusformen den Wachstumsboden in unserer Stadt entziehen, politisch und durch wirksame Prävention.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Die entsprechenden Anträge haben wir Ihnen vorgelegt. Es werden in den nächsten Wochen weitere Einzelanträge folgen.

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Jetzt haben wir Angst!]

Wir sehen einer konstruktiven Debatte im Innenausschuss entgegen. Wir werden diesen Meinungskanon, den Sie hier in diesem Haus anstimmen, einer Verharmlosung linksextremistischer Gewalt, nicht länger mittragen. Das wird an dieser Stelle immer wieder klar gesagt werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Das Wort hat Herr Innensenator Dr. Körting!

[Michael Müller (SPD): Ich habe mich doch gemeldet!]

Verzeihung, Herr Kollege Müller! Wir hatten hier gerade noch eine Diskussion. Sie haben das Wort zu einer Kurzintervention. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jotzo! Ich habe mich eben zu Wort gemeldet, weil Sie eine bemerkenswerte Rede gehalten haben, leider keine bemerkenswert gute Rede.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Es ist eine Schande, was Sie eben dargestellt haben.

[Beifall bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion]

Ich will das auch kurz sagen. Es sind zwei Dinge im Zusammenhang mit diesem 1. Mai zu würdigen. Das Erste ist, dass es in einer gemeinsamen Anstrengung gelungen ist, Randalierern, auch Linksextremen, deutlich entgegenzutreten und Einhalt zu gebieten. Es ist ein deutlich friedlicherer 1. Mai gewesen als in den Jahren zuvor. Das ist gelungen durch eine gute und kluge Polizeiarbeit, durch die Begleitung des Innensenators und insbesondere auch durch das Engagement vieler Tausend Menschen vor Ort. Das muss man würdigen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei den Grünen – Sebastian Czaja (FDP): Das hat er alles gesagt!]

Zum Zweiten: Es ist gelungen, auch Nazis in Berlin zum wiederholten Mal deutlich zu machen, dass es für sie in dieser Stadt keinen Platz gibt.

[Beifall bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion]

Auch das ist durch eine gute und kluge Polizeiarbeit gelungen, durch eine politische Begleitung auch hier aus dem Haus heraus und eben auch durch viele Bürger vor Ort, die sich entsprechend engagiert haben.

Man kann darüber streiten und geteilter Meinung sein, ob eine Sitzblockade das Richtige ist. Daran muss man sich nicht beteiligen, das kann man auch kritisieren. Das ist von Staatsanwaltschaft, von Polizei auch entsprechend zu begleiten. Da darf es aus meiner Sicht auch keine Privilegien für Politiker geben. Es ist für mich aber auch eine Selbstverständlichkeit, dass Politiker auch für sich in Anspruch nehmen, ihre staatsbürgerlichen Rechte zu leben und zu sagen: Wir machen das durch unser Engagement deutlich. Wir bieten denen die Stirn und lassen ihnen keinen Platz in unserer Stadt. – Auch das ist positiv zu würdigen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Dass Sie, Herr Jotzo, sich hier hinstellen, ausgerechnet Sie – Sie haben wirklich jeden Kompass verloren –,

[Beifall bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion]

der Sie in den letzten Diskussionen wirklich jedes Maß verloren haben – das ist in den letzten Diskussionen deutlich geworden –, dass Sie glauben, als frisch gebackener Geschäftsführer agieren zu müssen, dazu kann ich nur sagen, dass Sie Ihre Rolle noch nicht gefunden haben. Dass ausgerechnet Sie sich hier hinstellen und Leuten wie Wolfgang Thierse oder Wolfgang Wieland unterstellen, sie täten dies als PR-Gag, ist eine Schande und schäbig.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Gerade bei diesen beiden, auch bei anderen, die sich beteiligt haben, steht die moralische und politische Integrität völlig außer Frage.

[Beifall bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion – Andreas Gram (CDU): Was ist denn das für ein Spruch?]

Es ist völlig klar, dass die beiden nicht aus PR-Gründen gehandelt haben, sondern weil es ihnen seit Jahren ein politisches und wichtiges Anliegen ist, Rechten in unserer Stadt keinen Raum zu geben. Dass Sie das nicht entsprechend würdigen können, dass Sie hier im Klein-klein auftreten und parteipolitisch taktieren und nicht die Kraft haben, als Berliner FDP mit den anderen Fraktionen zusammenzustehen, dass Sie sich verweigert haben, dem gemeinsamen Papier der Fraktionsvorsitzenden beizutreten, ist traurig.

Herr Kollege, Sie müssen Ihren Schlusssatz sagen.

Selbst dazu hatte die FDP-Fraktion hier im Haus keine Kraft. Jetzt hier so aufzutreten und das Engagement dieser beiden Politiker so herabzuwürdigen, ist eine Schande für das Parlament.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall von den Grünen]

Das Wort zur Erwiderung hat der Kollege Jotzo.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Müller! Dass Sie sich letztlich hier auf persönliche Angriffe gegen mich versteift haben, zeigt, dass Ihre Argumentationslinie denkbar dünn war.

[Michael Müller (SPD): Sie sind viel zu unwichtig! – Udo Wolf (Linksfraktion): Sie sollten sich einfach entschuldigen!]

So ist es auch, dass niemand bestreitet, dass wir hier ein Recht des Herrn Thierse hatten, sich wie jeder andere Bürger auch, dieser Demonstration als Gegendemonstrant friedlich entgegenzustellen. Das würden weder meine Fraktion noch ich je in Frage stellen. Wir haben selbst durch unseren Menschenrechtsbeauftragten Markus Löning zu einem entsprechenden zivilgesellschaftlichen Engagement gegenüber dieser Demonstration aufgerufen. Selbstverständlich sind auch viele Parteifreunde dem nachgekommen, allerdings nicht unbedingt im Sicherheitsbereich und im Blitzlichtgewitter, wo man sich schnell einmal mit 30 Journalisten niederlässt. Darauf haben wir verzichtet.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Herr Müller! Wenn die politische Integrität des Herrn Thierse so außer Frage steht, frage ich Sie, warum Herr Thierse nicht darauf verzichtet hat, sich in den Rücken der Einsatzkräfte zu begeben. Warum hat er sich nicht wie alle anderen Gegendemonstranten auch staatsbürgerlich dort hinter die Absperrung begeben und ganz klar gesagt: Hier möchte ich die politische Meinungsäußerung nicht haben. Das wäre sein gutes Recht gewesen. Jeder hat nach unserer Verfassung das Recht, sich entsprechend zu verhalten. Dafür braucht er keine Sonderrechte zu bemühen. Dafür muss er die Polizei nicht in Schwierigkeiten bringen.