Michael Müller
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben alle eine hoffentlich interessante Aktuelle Stunde vor uns. Gut zwei Wochen vor der Wahl ist das natürlich auch Wahlkampf; es wäre albern, etwas anderes zu behaupten. Wir kämpfen alle dafür, dass unsere Parteien so stark wie möglich werden. Es ist aber auch die Chance zu sagen, worum es geht bei dieser Wahl und dass es nicht egal ist, wer hier regiert. Das wird schon deutlich, wenn man sich vor Augen führt, über welche Bilanz wir heute diskutieren würden, wenn z. B. Schwarz-Grün – ein zufällig gewähltes Beispiel –
in den letzten fünf Jahren in unserer Stadt regiert hätte. Wir hätten keine gebührenfreien Kitajahre, stattdessen aber Studiengebühren. Die Hauptschule wäre nicht abgeschafft worden.
Die Flughäfen Tempelhof und Tegel mit all ihrer Belastung für die Innenstadt würden in Betrieb bleiben, würden nicht zur Naherholung oder für das Berliner Gewerbe zur Verfügung stehen.
Der Willy-Brandt-Flughafen wäre nicht kurz vor seiner Fertigstellung, und wenn, dann höchstens als Regionalflughafen. Sie hätten die Bankgesellschaft statt für fünf Milliarden Euro für zehn Millionen Euro verkauft
und damit dem Landeshaushalt schweren Schaden zugefügt. Sie hätten hunderttausend weitere Wohnungen privatisiert, die S-Bahn stünde kurz vor der Zerschlagung.
Die Stadt wäre also unsozialer, und viele Chancen wären verpasst worden. Ich bin sehr, sehr froh, dass Sie in den letzten fünf Jahren in dieser Stadt keine Verantwortung getragen haben.
Jede europäische Metropole hat ihre Probleme, Berlin ist da keine Ausnahme. Es ist nicht alles okay in unserer Stadt mit ihren 3,5 Millionen Einwohnern.
Manches ist auch noch zu tun. Wir müssen z. B. weiter um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen. Es sind noch zu viele Menschen in unserer Stadt ohne Arbeit und damit abgekoppelt von sozialer Teilhabe.
Die Verschuldung der Stadt muss weiter reduziert werden, um neue Spielräume für politische Schwerpunkte zu schaffen. Es muss uns gelingen, gemeinsam mit den Berlinerinnen und Berlinern die Solidarität in der Stadt zu stärken. Es muss doch selbstverständlich sein, sich um
einander zu kümmern, dass sich alle Eltern den Verpflichtungen gegenüber ihren Kindern stellen
und auch dass niemand in Berlin wegschaut, wenn es zu gewalttätigen Übergriffen kommt, sondern Hilfe holt.
Schlimm ist es, wenn die Relationen verschwimmen, aus dem Blick geraten, und wenn im Wahlkampf ein Zerrbild gezeichnet wird, dass auf Angst und Verunsicherung setzt. Damit es kein Missverständnis gibt: Wer Autos oder Kinderwagen anzündet, ist ein Verbrecher, und er gefährdet Menschenleben. Da kann es kein Pardon geben.
Und ich sage klar: Wir müssen uns alle gemeinsam dagegen wehren. Wir lassen uns nicht das liberale und weltoffene Klima in dieser Stadt kaputtmachen, von niemandem, egal, ob sie von links oder von rechts kommen.
Aber man muss ruhig, eindeutig und ausdauernd dafür sorgen, dass Sicherheit und Ordnung in allen Bereichen gelten und akzeptiert werden. Und das machen unsere Polizistinnen und Polizisten jeden Tag, denen ich auch heute Dank sagen will, Dank für den persönlichen Einsatz, den sie jeden Tag leisten, Dank auch für die Erfolge ihrer Arbeit, die wir auch in den letzten Tagen beobachten können.
Bei der CDU wirkt es so, als ob man an die eigenen Konzepte und den eigenen Kandidaten so wenig glaubt, dass man schon erleichtert ist, endlich ausgebrannte Autos plakatieren zu können. Dass Sie damit der inneren Sicherheit in Berlin und der Arbeit der Polizei einen Bärendienst erweisen, ist Ihnen offensichtlich völlig egal: Hauptsache immer feste druff!
Herr Henkel holt sich gute Ratschläge auch noch in der einzigen Großstadt, in der die CDU seit 16 Jahren noch regiert – nicht mehr lange –, er holt sich die Ratschläge in Frankfurt. Dumm nur, Herr Henkel, dass das in Deutschland auch die gefährlichste Stadt ist, seit Jahren mit der höchsten Kriminalitätsrate, da können Sie sich viel abgucken.
Nein, Herr Kollege Henkel, wenn man das so beobachtet, bei aller Wertschätzung, wenn ich an den 1. Mai denke, wenn Augenmaß gefordert ist, wenn es um Deeskalation geht, wenn es darum geht, die Berlinerinnen und Berliner in die Arbeit der Polizei einzubinden, dann möchte ich nicht, dass Sie Verantwortung tragen für unsere Polizei und für unsere Stadt.
Es reicht nicht, Berlin zu kennen, man muss Berlin verstehen, um die Stadt regieren und weiterentwickeln zu können.
Man muss Politik für die ganze Stadt mit all ihren Menschen machen können.
Das ist unser Anspruch. Berlin hat Kraft und in den vergangen Jahren enorm viel erreicht. Darauf können die Berlinerinnen und Berlin auch stolz sein, weil sie da mitgeholfen haben. Die Stadt ist weltoffen und tolerant. Sie ist zu einem Magnet für kreative Impulsgeber und Querdenker geworden. Von Monat zu Monat wird die wirtschaftliche Struktur in der Stadt solider. Seit 2005 gibt es einen Rückgang der Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit um 40 Prozent. 850 Unternehmen sind neu in die Stadt gekommen. Knapp 120 000 Arbeitsplätze konnten neu geschaffen werden. 40 000 Arbeitsplätze haben wir allein in dem Bereich der Green Economy. Und wir belegen in der Gesundheitswirtschaft den Platz eins.
Wir haben nicht den Fehler gemacht, nur auf einen Trend zu setzen. Wir haben uns konzentriert, aber wir haben nicht nur auf eine wirtschaftliche Entwicklung gesetzt. Wir sind stark im Tourismus, in den Dienstleistungen, im Einzelhandel, aber wir haben auch viele innovative Industrieunternehmen und finden z. B. in Adlershof und Buch kleine und große Technologieunternehmen, oft Weltmarktführer mit Tausenden von Arbeitsplätzen, die sie schaffen und erhalten.
Wir haben darüber hinaus viel in die Bildung investiert. Hier ist eindeutig ein Schwerpunkt unserer Politik sichtbar: 500 Millionen Euro zusätzlich für die Berliner Wissenschaft, 12 500 zusätzliche Studienplätze. Wir haben Wort gehalten. Die gebührenfreie Bildung von der Kita bis zur Uni setzt bundesweit Maßstäbe. Wir haben 14 000 neue Kita- und Krippenplätze geschaffen.
Und wir haben eine wichtige Schulstrukturreform umgesetzt. Die Hauptschule ist abgeschafft. Mit der Gemeinschaftsschule, der Sekundarschule und dem Gymnasium gibt es drei starke gleichberechtigte Schulformen. Sie ermöglichen allen Kindern den Weg zum Abitur, machen Ganztagsangebote und bieten durch unterschiedliche Profile größtmögliche Vielfalt.
Da ist es eine Schande, wenn Eltern genau diese Vielfalt und Flexibilität nutzen wollen, die Ihnen ja sonst immer so wichtig ist, und wenn sie sich gemeinsam mit den Lehrerinnen und Lehrern für ein längeres gemeinsames Lernen stark machen, dass dann kleinkarierte CDUStadträte in Reinickendorf verhindern, dass eine neue Gemeinschaftsschule eingerichtet wird. Die Leidtragenden Ihrer Verbohrtheit sind die Kinder.
Aber auch der soziale Zusammenhalt ist in unserer Stadt gestärkt worden durch die Stadtteilmütter, frühe und verbindliche Sprachstandstests, den Ethikunterricht, höhere Einstellungszahlen für Migrantinnen und Migranten im öffentlichen Dienst. Durch unser Partizipationsgesetz haben wir große Fortschritte auch in der Integrationspolitik gemacht.
Einen Verkauf von landeseigenen Unternehmen in dieser Legislaturperiode in den Bereichen, in denen die Berlinerinnen und Berliner nicht allein von privaten Interessen abhängig sein sollen, haben wir ausgeschlossen. Ob BVG, BSR, Vivantes, Charité, unsere Wohnungsunternehmen – was diese Unternehmen jeden Tag für Berlin leisten, wie sie sich darüber hinaus in der Stadt engagieren, zigtausend sichere Arbeitsplätze und Milliardeninvestitionen einbringen, das sichert auch den sozialen Frieden in unserer Stadt.
Gerade beim Thema landeseigene Unternehmen und Privatisierungen werden Unterschiede besonders deutlich. Ich lese Ihnen mal einen Satz aus einem Wahlprogramm vor:
Wir werden im Bereich der Daseinsvorsorge die politische Steuerung mit der Flexibilität des Marktes verbinden.
Das ist jetzt nicht aus einem Programm der FDP, es ist aus dem Grünen-Wahlprogramm.
Dieser Satz lässt jede Interpretation zu, alles – von Vollprivatisierung bis gar nichts – ist möglich. Wo ist die klare Haltung? An der Stelle frage ich Sie: Woran sollen wir uns orientieren? An den Positionen, die es bei Ihnen ja auch gibt, z. B. bei Frau Kosche, die das sehr kritisch sieht mit Privatisierungen und mit dem Marktgeschehen, das man nicht stören will? Oder sollen wir uns orientieren am Kollegen Ratzmann? Gilt immer noch, was der Kollege Ratzmann gesagt hat: Der moderne Staat ist kein Unternehmer, hat er gesagt. Wenn der Senat das Gemeinwohl in den Vordergrund stelle, sei das ein Freifahrtschein für die Fortsetzung des Berliner Staatskapitalismus.
Herr Kollege Ratzmann! Das unterscheidet uns tatsächlich. Ich finde, Politik muss das Gemeinwohl in den Vordergrund stellen und muss aufpassen, dass die Menschen nicht abhängig sind von Marktinteressen und privaten Interessen.
Gemeinsam mit den Berlinerinnen und Berlinern haben wir viel erreicht.
Die Politik dieses Senats hat vieles erst möglich gemacht, und wir haben viel vor.
Erstens: Wir wollen noch mehr Arbeitsplätze, und zwar gut bezahlte Arbeitsplätze schaffen. Allein durch den neuen Flughafen gehen wir von rund 40 000 neuen – –
Sie können doch gleich alles richtigstellen und sagen, dass Sie Privatisierungen auch ausschließen und sich für den Bereich der Daseinsvorsorge einsetzen werden. Ich bezweifle, dass Sie so eindeutig sind. Wie bei allen anderen Wahlaussagen und wie die letzten fünf Jahre hier im Parlament halten Sie sich immer jedes Hintertürchen offen.
Wir werden die Infrastruktur weiter ausbauen, auch durch die A 100 und die TVO. Tegel wird als Gewerbe- und Industriefläche für Ansiedlung neuer und Erweiterung bestehender Unternehmen zur Verfügung stehen, gerade auch für Zukunftstechnologien. Sie wissen, dass die 57 Millionen Euro zur Entwicklung dieser Fläche auch bereitstehen
genauso wie das erfolgreiche Team aus Adlershof, das das begleiten wird.
Selbstverständlich stehen auch bei knappen Kassen weiter 1,5 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung, und diese Mittel werden im Wesentlichen Arbeitsplätze in der Region, gerade auch im Berliner Handwerk, durch kleinteilige Auftragsvergabe sichern, und diese Auftragsvergabe ist mit uns selbstverständlich auch an den Mindestlohn gebunden, und der heißt im nächsten Jahr 8,50 Euro.
Aber man muss Wirtschaft auch wollen und ermöglichen. Das ist nichts Abstraktes. Da geht es nicht um Tabellen und Statistiken. Es geht darum, den Menschen in unserer Stadt eine ökonomische Perspektive zu bieten
und die Einnahmesituation der Stadt gleichzeitig zu verbessern. Nur über Ausgabenreduzierung wird es keine vernünftige Konsolidierungspolitik geben.
Die Einnahmeseite gehört genauso dazu.
Nein! – Wenn also die Grünen mehr Lehrer, mehr Polizisten, mehr Investitionen in einem Umfang von rund anderthalb Milliarden Euro fordern – das ist ungefähr die Größenordnung, wenn man alles zusammenrechnet –, dann sollten doch die Berlinerinnen und Berliner auch wissen, wo Sie das eigentlich hernehmen wollen, denn für mehr Einnahmen tun Sie nichts. Bei den 200 Abstimmungen über Bebauungspläne, die es in den letzten Jahren hier im Parlament gegeben hat, haben Sie ganze drei Mal zugestimmt. Das heißt, Sie haben 197 mal gegen Arbeitsplätze, Investitionen und Einnahmen gestimmt. Das ist keine seriöse Finanzpolitik.
Wir werden zweitens unsere Schulen und Kitas noch besser ausstatten. Wir werden daran arbeiten, dass alle Schulen einen Ganztagsbetrieb anbieten und es flächendeckend ein subventioniertes Schulessen gibt. Neue Kitaplätze werden geschaffen, wo sie fehlen, der Betreuungsumfang wird auf neun Stunden erweitert, und die Gebührenfreiheit bleibt. Denn unabhängig davon, dass es richtig ist, keine finanziellen Hürden für den Besuch einer Bildungseinrichtung aufzubauen, entlastet die Gebührenfreiheit auch mittelständische Familien. Eine Familie mit einem Durchschnittseinkommen spart so im Jahr rund 3 400 Euro, und das ist wichtig. Politik muss auch für Gering- und Normalverdiener, die sonst nirgendwo eine Unterstützung bekommen, also für die Mitte der Gesellschaft, Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg organisieren und den Zugang zur Bildung ohne finanzielle Hürden sicherstellen. Dafür arbeiten wir.
Drittens. Wir werden alles tun, damit Wohnen in der Stadt bezahlbar bleibt.
Mit einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung, mit einer Attraktivitätssteigerung in der Stadt gehen auch steigende Mieten einher. Das kann niemand komplett aufhalten. Aber wir begegnen dem mit 30 000 neuen Wohnungen, die unsere Wohnungsbaugesellschaften zur Verfügung stellen werden, genauso wie mit einer finanziellen Unterstützung für Genossenschaften, die kleine und preiswerte Wohnungen neu bauen wollen. Wir verfolgen unsere Bundesratsinitiative zur Mietrechtsänderung weiter, damit Modernisierungen nicht so stark vom Vermieter auf den Mieter umgelegt werden können. Wir werden sehen, dass wir unter dem Aspekt Zweckentfremdung auch dieser unsäglichen Entwicklung begegnen können, dass Wohnraum nicht den Berlinerinnen und Berlinern zur Verfügung steht, sondern für Ferienappartements oder Gewerbe genutzt wird. Wir werden sehen, dass durch unser Quartiersmanagement und das Programm Soziale Stadt, das wir finanzieren, nachdem der Bund sich so schäbig zurückgezogen hat, ganze Quartiere durch diese Maßnahmen auch weiterhin dauerhaft aufgewertet werden.
Wirtschaft, Arbeit, Bildung und sozialer Zusammenhalt – das sind unsere Schwerpunkte für die nächste Legislaturperiode. Die finanziellen Rahmenbedingungen bleiben schwierig. Wir müssen jeden Euro zweimal umdrehen, und die Haushaltssanierung muss weitergehen. Das heißt, fünf Jahre harte Arbeit, in denen man nicht allen alles versprechen kann, liegen vor uns. Grün-Schwarz, Schwarz-Grün – das von den Wählern am wenigsten gewollte Regierungsbündnis wird da nicht weiterhelfen. Sie haben vielleicht viele Ideen, ein Konzept für die Stadt haben Sie schon alleine nicht, geschweige denn ein gemeinsames.
Ja! – Die SPD hat gezeigt, dass man viel erreichen kann, wenn man bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und Kurs zu halten, wenn es schwer wird. Dafür braucht man eine politische Kraft, die das will und die das kann. Dafür braucht man eine Person an der Spitze, die für diese liberale, weltoffene, wilde, unfertige Stadt steht, die voller Chancen ist, gerade auch in der Wirtschaft. Eine funktionierende Gesellschaft braucht Toleranz, Demokratie, Gleichberechtigung und sozialen Zusammenhalt. Sie braucht genauso Arbeitsplätze mit einer fairen und gerechten Bezahlung, und dafür kämpfen wir auch in Zukunft. Deshalb bin ich sicher, dass die Berlinerinnen und Berliner am 18. September der Berliner SPD und Klaus Wowereit ein klares Mandat geben werden, diese erfolgreiche Arbeit fortzusetzen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Tagen sehen wir alle schreckliche, schockierende Bilder der Zerstörung und des Leids aus der Katastrophenregion in Japan. Bis jetzt erreichen uns beinahe stündlich neue beunruhigende Nachrichten. Es macht uns fassungslos und betroffen zu sehen, wie das Erdbeben, der Tsunami und schließlich die dramatischen Ereignisse in den Atomkraftwerken Schäden angerichtet haben. Zigtausende Tote und Verletzte sind zu beklagen. Hunderttausende sind auf der Flucht. Familien suchen verzweifelt ihre Angehörigen, und es gibt Sachschäden in bisher unbekanntem Ausmaß.
Kann und sollte man heute diese schlimmen Ereignisse überhaupt zum Gegenstand einer Aussprache im Abgeordnetenhaus machen? – Eine Berliner Zeitung hat schon kritisch kommentiert, dass das überflüssig sei, da Berlin gar kein Atomkraftwerk habe. Ich glaube, das ist zu kurz gedacht. Ich halte es für richtig, heute im Rahmen der Aktuellen Stunde über die Katastrophe in Japan zu diskutieren, und zwar aus mehreren Gründen. Zum einen gibt uns das Gelegenheit, unsere Betroffenheit und Anteilnahme auszudrücken. Viele Berlinerinnen und Berliner haben familiäre, freundschaftliche oder geschäftliche Beziehungen zu Japan. Seit 1994 ist Berlin mit Tokio im Rahmen einer Städtepartnerschaft verbunden. Wenn man sieht, was Flutwelle und Erdbeben angerichtet haben und welch dramatische Folgen für die Bevölkerung noch durch die Atomkatastrophe zu erwarten sind, dann lässt das auch uns trauern. Die Menschen brauchen und haben unsere Solidarität und Unterstützung. Berlin wird helfen, soweit das in dieser Situation überhaupt möglich ist. Wir sollten nicht vergessen, den vielen Helfern, die vor Ort ihr Leben riskieren, viel Kraft und für ihre schwierige Aufgabe Mut zu wünschen, damit möglichst viele Menschenleben gerettet werden.
Die dramatische Entwicklung in Japan gibt aber auch Anlass, sich klarzumachen, dass es sich hierbei nicht um ein lokales Problem weit weg von uns handelt, das uns nicht betrifft. Die Welt hält auch deshalb den Atem an und vielen Menschen macht Angst, was sie sehen, weil in einer globalisierten Welt alle mit der Situation und den Problemen der Nachbarländer konfrontiert sind. Die Folgen von Atomunfällen machen erst recht keinen Halt an Staatsgrenzen oder den Grenzen von Bundesländern. Es ist doch klar: Jede Entscheidung zur Atomenergie – egal, ob in Niedersachsen oder in Polen – betrifft auch uns in Berlin. Insofern ist es wichtig, dass wir uns mit den Ereignissen in Fukushima befassen und unsere Schlussfolgerungen daraus ziehen. Es stellt sich die zentrale Frage, wie wir in Zukunft mit der Atomenergie umgehen und
was jetzt entschieden werden muss. Was muss noch geschehen, dass alle aufwachen? Wann wollen wir darüber reden, wenn nicht jetzt?
Die Reaktorkatastrophe in Japan – nach Harrisburg und Tschernobyl – zeigt, dass auch im 21. Jahrhundert auch in einem Land der Hochtechnologie niemand von einem dauerhaft sicheren Betrieb von Atomkraftwerken ausgehen kann. Im Gegenteil! Die Mär von sicheren Kraftwerken wird in diesen Tagen eindeutig widerlegt. Der GAU ist keine theoretische, rechnerische Größe. Niemand kann sicher sein vor menschlichen oder technischen Fehlern, Naturgewalten oder Terrorismus. Wir haben gelernt, dass es der großen Fehler und Katastrophen gar nicht bedarf, um eine atomare Kettenreaktion auszulösen. Die Ursache für die fatale Entwicklung in den japanischen Kraftwerken war letztlich ein Stromausfall. Ein Stromausfall, wie er auch bei uns aus unterschiedlichsten Gründen jeden Tag eintreten kann.
Natürlich ist es verführerisch, jetzt einfache und schnelle Lösungen zu fordern. Wir wissen aber alle, dass die Energiewende nicht von heute auf morgen umzusetzen ist. Gefordert ist jetzt allerdings eine eindeutige und klare Haltung. Es muss eindeutige und unumkehrbare und vor allen auch rechtssichere Beschlüsse zum schrittweisen, schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomenergie geben.
Wir waren doch schon einmal so weit! Die rot-grüne Bundesregierung hat im Jahr 2001 den Atomkonsens beschlossen und eine Vereinbarung mit den Energieversorgern getroffen, die einen geordneten Abschied von der Atomenergie vorsah. Natürlich macht es jetzt viele Bürgerinnen und Bürger wütend, wenn Schwarz-Gelb ohne Not, nur auf Druck der Atomlobby, im letzten Herbst diesen Ausstieg rückgängig gemacht und die Laufzeiten deutscher AKWs deutlich verlängert hat, zum Teil bis zum Jahr 2040. Es ist bemerkenswert, wie die Bundesregierung nun agiert. Noch vor wenigen Tagen war alles sicher in Deutschland. Aber nach den ersten Ereignissen in Japan war man sich offensichtlich selbst nicht mehr so sicher, und es wurde ein dreimonatiges Moratorium zur Prüfung der Sicherheit beschlossen. Schon hier fragt man sich doch, auf welcher Grundlage vorher die Sicherheit garantiert wurde, wenn sie jetzt geprüft wird. Nun werden zur Prüfung die ältesten Kraftwerke sogar abgeschaltet und die Laufzeitverlängerung ausgesetzt. Auch leider erst einmal für drei Monate. Bis heute kein Erkenntnisgewinn bei der Bundeskanzlerin – wir konnten das heute bei der Debatte im Bundestag verfolgen. Keine eindeutigen Aussagen, keine Festlegung, wie sie es mit der Atomkraft hält! Hier ist die Absicht doch sehr durchsichtig: Zeit gewinnen, über wichtige Landtagswahlen kommen, auf Vergesslichkeit setzen. Ich glaube, es ist jetzt nicht die Zeit für Taktierereien. Es ist die Zeit, die Notwendigkeit des Atomausstiegs und der Energiewende endlich anzuerkennen und zu handeln!
Wir brauchen jetzt einen unumkehrbaren Beschluss zum Ausstieg aus der Atomkraft und die Rückkehr zum alten Ausstiegsgesetz. Wir brauchen einen schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien, um den kompletten Atomausstieg zu beschleunigen. Die alten Kraftwerke, die abgeschaltet werden, dürfen nicht mehr zurück ans Netz. Endgültig! Wir brauchen diese Kapazitäten nicht, das Risiko ist zu groß!
Damit deutlich wird, dass es hier dieser klaren Kurskorrektur bedarf, hat sich das Land Berlin schon Ende Februar entschieden, gemeinsam mit vier anderen Bundesländern Klage gegen die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke zu erheben. Darüber hinaus wird Berlin morgen im Bundesrat zusammen mit anderen Ländern eine Initiative einbringen, die sich für die dauerhafte Abschaltung alter Atomkraftwerke ausspricht und auf Grundlage der Beschlüsse aus dem Jahr 2002 den vollständigen Ausstieg aus der Kernenergie festschreibt.
Jedes Bundesland aber muss auch seinen eigenen Beitrag zu einer schnelleren Energiewende leisten. Berlin hat hier mit Sicherheit noch einiges zu tun,
hat aber auch schon viel Richtiges auf den Weg gebracht. So verzichtet Berlin im öffentlichen Bereich schon seit mehr als acht Jahren konsequent auf Atomstrom, und das wird auch so bleiben!
Auch bei den Beschaffungen der öffentlichen Hand setzt Berlin Maßstäbe. In unserem Vergabegesetz haben wir nicht nur soziale Standards wie den Mindestlohn verankert. Beim Einkauf von Waren oder Fahrzeugen oder bei Baumaßnahmen müssen die öffentlichen Verwaltungen und Unternehmen umfassende ökologische Kriterien berücksichtigen. Nicht der kurzfristige Anschaffungspreis entscheidet, sondern der langfristige Energie- und Ressourcenverbrauch. Das ist nachhaltige Beschaffung, die beispielgebend für andere Bundesländer und den Bund ist!
In unserer Stadt gibt es 500 Unternehmen der sogenannten Green Economy mit rund 42 000 Beschäftigten. Von der Energieerzeugung über das Abfallrecycling bis zur E-Mobility finden wir jede nachhaltige Technologie. Trotzdem haben auch wir in einigen Bereichen noch deutliche Potenziale, wie zum Beispiel bei der Energieerzeugung aus Fotovoltaik und Solarthermie. Es wird erforderlich sein, in den kommenden Jahren deutlich mehr Solaranlagen zur Erzeugung von Strom und Wärme auf die Dächer zu bringen, um alle Klimaziele zu erreichen. Wir
werden weiter besonders im öffentlichen Gebäudebestand in energetische Sanierungsmaßnahmen investieren. Der Einsatz der Mittel aus dem Konjunkturprogramm II hat doch gezeigt, dass das nicht nur aus umweltpolitischen Gründen wichtig ist, sondern auch viele tausend Arbeitsplätze schafft und erhält, insbesondere im Handwerk.
Der Aufbau eines Wirtschafts- und Wissenschaftsclusters Energie kommt ebenso wie die Entwicklung Berlins zu einer Stadt mit intelligenter Steuerung im Bereich des städtischen Verkehrs hinzu. Die neuesten Studien belegen eindeutig, dass Berlin den umweltfreundlichsten Verkehr aller deutschen Großstädte hat. Ein exzellent ausgebauter öffentlicher Nahverkehr ist dafür die Grundlage. Auch das ist praktizierter Umwelt- und Klimaschutz.
Auch der mögliche Aufbau landeseigener Stadtwerke ermöglicht uns ein effizientes Energiemanagement und den stärkeren Ausbau von erneuerbaren Energien mit kleinen, dezentralen Lösungen. Niemand ist so naiv zu glauben, dass wir damit den großen Energieversorgern sofort Paroli bieten können, aber das Land sollte alle Instrumente nutzen, um den Einfluss auf eine neue Energiepolitik auszubauen.
Es gibt eine Fülle von Bausteinen, die auf dem Weg zu einer Energiewende wichtig sind. Jede Maßnahme jenseits der risikoreichen Atomenergie ist ein Schritt in die richtige Richtung. Atomenergie ist von gestern, das müssten in diesen Tagen alle gelernt haben! Wer an diesem Auslaufmodell festhält, verhindert den Ausbau erneuerbarer Energien. Dafür kann es in unserem Land keine politischen Mehrheiten mehr geben! – Vielen Dank!
Meine Damen und Herren! Am letzten Sonntag haben 650 000 Menschen abgestimmt. Das notwendige Quorum wurde erreicht. Somit hat in Berlin der erste erfolgreiche Volksentscheid stattgefunden. Natürlich wollen wir uns heute hier mit dem Ergebnis ernsthaft auseinandersetzen und unsere Schlussfolgerungen ziehen. Ich möchte aber
zu Beginn auch noch einmal sagen, dass ich Diskussionen, wie es sie wieder im Umfeld des Volksentscheides gegeben hat, wonach die Quoren zu hoch seien und auch das Verfahren verändert werden müsse, für nicht berechtigt und nicht begründet halte.
Nein, dieser Volksentscheid zeigt – genau wie übrigens auch bei ProReli und bei Tempelhof –, dass das Verfahren und das Quorum gut sind. Wir haben eine Hürde, die nicht sofort jedes Anliegen zum Erfolg werden lässt. Das ist richtig. Aber Themen, die die ganze Stadt und nicht nur einzelne Lobbygruppen bewegen, bekommen auch die nötige Unterstützung. Dazu ist nicht eine riesige Medienmaschinerie und ist nicht viel Geld notwendig, sondern das Engagement der Einzelnen und der Initiativen. Das hat es hier gegeben.
Diese Koalition hat diese Form der Partizipation ermöglicht. Auf Grundlage unserer Verfassungsänderung sind wir nun wiederum Spitze auch in diesem Bereich der Mitbestimmung. Das ist nicht immer einfach für Regierungen und die Regierenden. Das ist so. Es gibt Auseinandersetzungen in Sachfragen. Ich finde es aber richtig, dass wir dieses ergänzende und nicht ersetzende Instrument zur parlamentarischen Demokratie haben. Die wichtige Arbeit der gewählten Volksvertreter und der Parlamente wird für den Kompromiss und den Interessenausgleich gebraucht. Aber auch die Meinungsäußerung zwischen den Wahltagen ist richtig. Wir haben es ermöglicht. Es ist der richtige Weg auch für Berlin.
Was hat die Menschen nun konkret bei der Stimmabgabe bewegt? – Es waren im Wesentlichen drei Dinge: Sie wollen eine weitgehende Transparenz bei öffentlichen Verträgen. Mit dem neuen Informationsfreiheitsgesetz, das seit Mitte letzten Jahrs verabschiedet ist, ist klar und deutlich geworden, dass wir uns für eine stärkere Transparenz im Umgang mit öffentlichen Verträgen einsetzen und dass wir diese stärkere Transparenz haben wollen.
Mit diesem Gesetz führen wir wiederum auch bundesweit und haben, wie uns der Bundesdatenschutzbeauftragte bescheinigt, hier eine Vorbildfunktion für andere Länder. Ich finde es sehr schade, dass es nicht gelungen ist, gemeinsam auch mit CDU und FDP diese wichtige Initiative zu unterstützen, dass Sie sich diesem Bürgerwunsch nach mehr Transparenz verweigert haben, meine Damen und Herren von CDU und FDP. Der Beschluss ist aber richtig, damit künftig bei allen Verträgen im Bereich der Daseinsvorsorge eine vollständige Transparenz gewährleistet ist. Übrigens ist diese Offenlegung auch rückwirkend möglich, dort, wo das öffentliche Interesse überwiegt, wie es hier im Bereich des Wassers der Fall ist. Im konkreten Fall ist es auch gelungen, auf Grundlage des IFG mit den Privaten eine Veröffentlichung zu verabreden. Seit November letzten Jahres steht der komplette Privatisierungsvertrag im Internet.
Wir werden daran anknüpfen und sehen, ob weitere Dokumente jenseits des Vertrags und der Gesetzeslage, die wir seit Sonntag haben, weitere Dokumente, die noch für größere Transparenz sorgen, nicht auch veröffentlicht und ins Internet gestellt werden können. Der Senat hat eine entsprechende Prüfung bereits angekündigt. Es ist richtig, auch diese nächsten Schritte zu gehen.
Diese Haltung der Koalition und des Senats, weitgehende Transparenz sicherzustellen und zu gewährleisten, wird im Übrigen auch beim Thema BIH und Abbruch dieses möglichen Verkaufs der BIH deutlich. Wenn Investoren bei solchen Geschäften mit dem Land, bei denen es um Geschäfte mit Milliardenbeträgen geht, bei denen es um Wohnungen geht, nicht alles offen legen, dann geht es eben nicht. Das war und ist für uns in diesen Verhandlungen sowie in allen weiteren Verhandlungen bei diesem Thema eine Grundvoraussetzung. Die Risiken müssen weg vom Land Berlin. Es muss eine Haftungskette nicht nur verhandelt, sondern diese muss auch lückenlos transparent darstellbar sein. Wer dazu nicht bereit ist, kann eben nicht Geschäftspartner mit dem Land Berlin sein. Wir nicht um jeden Preis verkaufen. Mit uns gibt es keine Geheimklauseln.
Wir haben es abgebrochen. Aber wie war denn Ihre Reaktion? – Sie war wie jetzt: Fehlentscheidung, Schaden für das Land Berlin, Niederlage. – Offensichtlich war Ihnen beim Thema BIH die Transparenz nicht annähernd so wichtig wie Sie seit Sonntag tun. Sagen Sie doch den Berlinerinnen und Berlinern, für wie viel Geld Sie sich die Transparenz hätten abkaufen lassen.
Mit uns ist das kein gangbarer Weg.
Nein, keine Zwischenfrage! – Aber den Berlinerinnen und Berliner war zum Zweiten auch die Frage der Wasserpreise wichtig. Die Menschen sehen, wie die Preise für Energie, Mieten und die Lebenshaltungskosten steigen. Natürlich sind auch die steigenden Wasserpreise eine Belastung. Natürlich wollen auch wir die Preise senken.
Aber dafür müssen die Verträge verändert werden. Das ist der entscheidende Punkt. Wir verhandeln parallel eine Rekommunalisierung. Das tun wir, damit wir selbstverständlich auch wieder die unternehmerische Führung in diesem Unternehmen zurückerlangen, um stärkeren Einfluss auf die Preisgestaltung, die Arbeits- und Ausbil
dungsplätze sowie Investitionen haben, damit dieser Teil der Daseinsvorsorge nicht privaten Renditeinteressen unterworfen ist. Dafür führt der Senat diese Gespräche. Wir haben in den letzten Wochen viel erreicht. Ich erinnere mich, wie Sie im letzten November gesagt haben, es seien alles Hirngespinste, Private ließen sich nie darauf ein. Wir sind jetzt in konkreten Verhandlungen. Das ist der richtige Weg.
Aber solange Private noch Anteile haben, ist der Vertrag das Entscheidende, in dem es leider die garantierten Verzinsungen für Private gibt. Das muss verändert werden. Es ist kein Weg, einseitig auf Gewinne zu verzichten. Das wäre eine Privatisierung à la CDU. Die Preise werden gesenkt, das Land verzichtet auf Einnahmen, aufgrund der Verträge zahlt das Land aus Steuermitteln zu, Hauptsache, die Privaten haben ihre Gewinne, und die Berlinerinnen und Berliner zahlen nicht mehr über ihre Wasserrechnung, sondern über Verzicht an anderen Stellen. Das ist mit uns nicht machbar.
Deshalb machen wir hier an der Stelle keine unseriösen Versprechen, ob Wahlkampfzeit ist oder nicht. Ich stelle mich hier nicht hin und erzähle, dass irgendetwas klappen wird. Preissenkungen, die wir wollen, sind kein Selbstläufer. Ich nenne auch kein Datum, bis wann das erreicht werden kann. Es geht hier um einen neuen Vertrag oder einen Rückkauf von Anteilen an den Wasserbetrieben, für den auch enge Spielräume gesetzt sind, weil auch ein Kauf finanziert werden muss. Es ist aber richtig, diesen Weg zu gehen. Es ist richtig, die nächsten Schritte zu gehen, den Druck auf die Privaten zu erhöhen, Anteile zu übernehmen, den Vertrag neu zu formulieren, um die Chance für eine Preissenkung zu erhalten. Wenn wir die Möglichkeit haben, werden wir es auch tun.
Zum Dritten haben die Berlinerinnen und Berliner deutlich gemacht, dass ihnen der Bereich der Daseinsvorsorge von besonderer Bedeutung ist. Wir haben deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Wasser wieder in die öffentliche Hand kommen soll. Nicht alles muss der Staat machen. Nicht alles kann er besser, Private können es aber auch nicht. Deshalb haben wir schon im Vorfeld deutlich unterschieden, dass die Bereiche der Daseinsvorsorge in die öffentliche Verantwortung gehören, weil Bürger auf die Dienstleistung angewiesen sind. Deshalb gibt es seit Jahren die Beschlusslage – das ist in der SPD und in unserem Koalitionsvertrag nachzulesen –, dass BSR, BVG, Vivantes, die Charité und unser jetziger Wohnungsbestand nicht privatisiert werden. Auch wenn mancher zusammenzuckt, sage ich es noch einmal: Es schadet nichts, wenn man dazu lernt. Bei Wasser war es ein Fehler. Dieser Fehler muss korrigiert werden. Niemand würde heute wieder einen solchen Vertrag schließen. Niemand würde heute noch die Wasserbetriebe teilprivatisieren.
Das Signal von Sonntag ist doch ganz klar: Wasser ist ein besonderes Gut. Die Daseinsvorsorge ist Voraussetzung für sichere Existenz jedes Einzelnen und für das funktionierende Zusammenleben einer solidarischen Stadt. Das, Herr Kollege Henkel, ist kein Luxusproblem. Wenn Sie als Spitzenkandidat der CDU bei Ihrem Parteitag von Luxusprojekten sprechen, die in Berlin nicht zu leisten sind, gehen Sie schnoddrig über die Problemlage der Berlinerinnen und Berliner hinweg, die wollen, dass sich das Land Berlin an dieser Stelle engagiert. Das ist kein Luxusproblem, sondern ein Interesse der Berlinerinnen und Berliner.
Ich frage an dieser Stelle ohnehin, was die Opposition bei diesem Thema Rekommunalisierung und Daseinsvorsorge will. Das frage ich insbesondere die CDU und die Grünen. Bei der FDP gibt es noch eine Haltung. Ich finde die Haltung falsch, möglichst wenig Staat und möglichst viel Privates zu fordern. Aber es ist zumindest eine Haltung, mit der man sich auseinandersetzen kann. Ich frage, was CDU und Grüne wollen. Einerseits wollen sie den Haushalt konsolidieren, natürlich ohne Ausgabenreduzierung. Damit würde man Leuten weh tun. Aber einseitig auf die Einnahmen verzichten, wollen Sie auch. Einerseits fordern Sie größtmögliche Transparenz, aber den BIHVerkauf abzubrechen war falsch. Einerseits beschließen Sie mit der Koalition das IFG, andererseits schließen Sie sich dem Volksbegehren an, weil das alles nicht reicht.
Herr Ratzmann will eine weitgehende Privatisierung öffentlicher Unternehmen. Frau Pop und Frau Künast sagen nein. Die Partei der Grünen sagt gar nichts mehr dazu. Sie feiern diesen Volksentscheid als Ihren Erfolg und fühlen sich bestätigt. Aber die Berlinerinnen und Berliner haben gesagt, dass nicht vermeintliche Rekommunalisierungsphantasien, wie Sie es uns hier im November vorgeworfen haben, das Problem sind, sondern weitere Privatisierungsphantasien. Das, was am Sonntag stattgefunden hat, ist eine Absage an Ihre Programmatik, an die Programmatik der Opposition.
Für uns ist ganz klar, wir werden den Weg weitergehen, größtmögliche Transparenz auf Grundlage des IFG sicherstellen,
zusätzlich Experten einbeziehen, um das Verfahren zu begutachten und Zusatzinformationen da, wo es möglich ist, ins Internet stellen, die Verträge neu verhandeln, um endlich aus dieser Preisspirale herauszukommen und Rekommunalisierung da, wo es Sinn macht und bezahlbar ist, damit die Berlinerinnen und Berliner dauerhaft eine gute Leistung zu bezahlbaren Preisen bekommen. Das muss das Ziel sein, gerade beim Thema Wasserbetriebe.
Das ist der klare Auftrag vom Sonntag. Dafür setzen wir uns ein. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie im Rahmen der Aktuellen Stunde um Zustimmung zu unserem heutigen Antrag, zum Thema „Transparenz bei den Wasserverträgen – Verträge offen legen, Informationsfreiheitsgesetz umsetzen“ zu sprechen. Ich glaube, das ist ein wichtiges Thema, das wir hier diskutieren sollten, und zwar schon deshalb, weil über 280 000 Menschen das Volksbegehren zu diesem Thema unterstützt haben. Es ist ihnen ein wichtiges Anliegen zu erfahren, wie es in diesem Bereich weitergeht.
Dieses Thema halte ich aber auch deshalb für wichtig, weil es Unterschiede deutlich macht – das ist ja immer
wieder ein Vorwurf, der uns allen in der politischen Diskussion begegnet: Die erzählen doch bei jedem Thema alle das Gleiche! Bei diesem Thema kann man sehr deutlich unterschiedliche Konzepte und politische Ansätze klarmachen.
Meine Damen und Herren von der FDP! Ich muss es gleich vorneweg so deutlich sagen: Irrsinn ist es nicht, über Rekommunalisierung zu diskutieren, Irrsinn ist es, wenn Sie es immer noch nicht verstanden haben, dass der Markt und Private nicht alles regeln und nicht alles besser machen können, das ist Irrsinn!
Es gehört mit dazu, das auch einmal zur Kenntnis zu nehmen. Umgekehrt ist es sicherlich auch so, dass man nicht alles selbst machen muss, man muss genau hinsehen, wo der Staat Verantwortung übernehmen soll und wo nicht.
Warum wir vor dieser kritischen Bestandsaufnahme Angst haben sollten, ist mir völlig schleierhaft, in jedem anderen politischen Bereich diskutieren wir permanent kritisch und überprüfen unsere Positionen.
Ich will es deutlich machen: Beim Thema Wasserbetriebe war es aus meiner Sicht eindeutig ein Fehler, dieses Unternehmen zu privatisieren.
Unter anderem, Herr Kollege Meyer, auch wegen Ihres politischen Ansatzes: Es kann nämlich in diesem Bereich gar keinen Wettbewerb zugunsten der Bürgerinnen und Bürger geben,
aus diesem Grunde war das ein Fehler. Die Verträge, die im Zusammenhang mit der Privatisierung geschlossen wurden, würde man heute so auf keinen Fall wieder machen,
mit Zinsgarantien und dass der, der 49 Prozent hält, die unternehmerische Führung übernimmt – das sind Dinge, die man heute so nicht verabreden würde.
Aber aus heutiger Sicht ist es immer leicht, alles besser zu wissen. Wie war es denn damals beim Verkauf der Wasserbetriebe? – Das Land Berlin hat um Hilfe aus anderen Ländern gerungen, wir waren damals schon in einer schwierigen finanziellen Lage, es wurde quasi Zeit für andere strukturelle Maßnahmen und Einschnitte erkauft, und 1,7 Milliarden Euro war ein sehr hoher Kaufpreis. 2003/2004 gab es wieder eine schwierige Lage, als es darum ging, auf Grundlage von juristischen Entscheidungen die Verträge anzupassen, erneut wurde die Klage in
Karlsruhe auf Feststellung der Haushaltsnotlage vorbereitete, die Opposition hat gegen den Landeshaushalt geklagt – ich kann mich noch erinnern, wie Sie sich überschlagen haben mit immer neuen Vorschlägen, wo denn Einnahmen herkommen sollen. Die FDP wollte die Hälfte der Mitarbeiter rausschmeißen, die CDU wollte fünf Milliarden Euro einnehmen – auch über Vermögensaktivierungen –, Herr Ratzmann hat Vorschläge gemacht und wurde von seinem Landesvorstand zurückgepfiffen, als er gesagt hat, wir müssen deutlich in die Privatisierung gehen.
Und jetzt sagen Sie, man hätte damals die Ansprüche der Privaten auch dadurch befriedigen können, dass alles aus dem Landeshaushalt kommt. Wir lassen Sie aus dieser Verantwortung nicht mehr heraus, auch Sie müssen, wenn Sie solche Sprüche machen, deutlich sagen, woher das Geld kommen soll, das Sie an dieser Stelle immer noch zusätzlich ausgeben wollen.
Das Problem ist nicht 2003/2004 und eine Vertragsgestaltung, das Problem ist die Privatisierung an sich. Deshalb ist es so wichtig, dass es einen anderen Umgang mit diesem Themenkomplex gibt. Wir brauchen umfassende Transparenz. Deswegen war es so wichtig, dass wir gemeinsam, Linksfraktion, die grüne Fraktion, SPDFraktion, im Sommer hier im Parlament die Neuregelung des Informationsfreiheitsgesetzes beschlossen haben, das eine wirklich weitgehende Transparenz für die zukünftigen Verträge, aber auch rückwirkend sichert. Dieses Gesetz und die Verhandlungen des Regierenden Bürgermeisters haben den Druck aufgemacht und es ermöglicht, dass auch offiziell die Verträge offengelegt werden. Das ist ein wichtiger, ein richtiger Schritt in die richtige Richtung.
Es ist genauso nötig, dass wir die Verträge nachverhandeln, und das will ich auch deutlich an die Adresse der privaten Anteilseigner sagen: Dieses Thema kann mit der Offenlegung noch nicht erledigt sein. In Zukunft muss und wird uns das Thema politisch beschäftigen, wie wir zu einer neuen Vertragsgrundlage kommen, die nicht automatisch zu neuen Preissteigerungen für die Berlinerinnen und Berliner führt. Sollte es die Chance geben – und sind die Privaten nicht bereit, über bestehende Verträge und Strukturen zu reden –, wären wir auch bereit, zusätzlich über einen Rückkauf von Anteilen Verantwortung zu übernehmen. Aber ich will hier auch offen und ehrlich sagen, dass niemand damit automatisch Preissenkungen im Bereich der Wasserbetriebe verbinden kann. Auch ein Rückkauf der Wasserbetriebe müsste aus den Erträgen der Wasserbetriebe finanziert werden.
Es gehört zur Ehrlichkeit dazu, es kann trotzdem Sinn machen, weil wir Investitionen in der Stadt sichern können, weil wir Arbeitsplätze sichern können, weil wir Ausbildungsplätze sichern können, weil wir vielleicht auch
eine Preisstabilität sichern können – anders als es Private machen, die ausschließlich Renditeinteressen haben. Deswegen wollen wir auch diesen Weg der Rekommunalisierung ernsthaft prüfen.
All das muss auf einer seriösen Grundlage passieren. Bei allem politischen Verständnis und 90 Prozent Übereinstimmung für das Volksbegehren will ich abschließend sagen, dass wir uns ihm wahrscheinlich nicht anschließen können und dass es zu einer Abstimmung kommen wird, denn das Land Berlin muss ein seriöser Vertragspartner bleiben. Wir können nicht einfach Verträge mit Privaten – und wir werben auch um andere Ansiedlungen und privates Engagement – für nichtig erklären, nur weil darüber öffentlich abgestimmt wird.
Das Thema liefert also viel Gesprächstoff für die Aktuelle Stunde, ein hochpolitisches Thema mit wichtigen Strukturentscheidungen, die für das Land Berlin zu treffen sind. Deshalb bitte ich Sie um Unterstützung für unsere Aktuelle Stunde. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich natürlich auch gefragt, was man zu diesem schwierigen Thema überhaupt noch sagen kann angesichts der sich täglich überschlagenden Meldungen im Finanzbereich, was man aus anderen europäischen Staaten hört, angesichts dessen, dass beinahe täglich neue, dreistellige Milliarden Rettungspakte geschnürt werden, die helfen sollen. Was kann man überhaupt noch sagen, wenn man hört, dass in New York und London offensichtlich Spekulanten zusammensitzen, die beobachten, wie diese Rettungsschirme formuliert werden und dann ganz kühl entscheiden, ob sie starten und Märkte erneut angreifen oder nicht. Das alles macht einen einigermaßen fassungs- und auch hilflos, und man muss noch einmal daran erinnern, was im Vorfeld passiert ist – 2008 im Zusammenhang mit der Bankenkrise. Banken und Hedgefonds geraten durch riskante Immobiliengeschäfte in die Schieflage, Länder helfen anderen Ländern und Banken und diesen Fonds, um das Finanzwesen zu stabilisieren, Verbraucher sollen
dadurch geschützt werden, dadurch geraten diese Staaten selbst in eine Schieflage durch erhöhte Defizite, und diese geretteten Banken wetten wiederum gegen die Länder und die Währung und verdienen an deren Pleite. Das alles macht ganz deutlich: Das ist ein krankes System, dort muss es Änderungen geben!
Es muss jetzt darum gehen, schrittweise Maßnahmen zu ergreifen, um die Krise zu überstehen und eine Katastrophe zu verhindern. Bei dem Thema darf es kein Wackeln geben – die Bürgerinnen und Bürger sind fassungslos: Die Rezession hat ihre Löhne geschmälert, viele befinden sich in Kurzarbeit oder haben schon ihren Job verloren. Die Menschen sehen, dass den Finanzinstituten Lasten abgenommen und dem Staat aufgebürdet werden. Die Finanzbranche hat die Krise mit ihren Geschäften zwar maßgeblich ausgelöst, kommt nun aber weitgehend ungeschoren davon, meldet gar hohe Gewinne und natürlich auch wieder steigende Managergehälter.
Es ist unabdingbar: Wir müssen die Spekulationen und Zockereien an den Finanzmärkten beenden und die Verursacher endlich an den Folgekosten beteiligen.
Ich will in dem Zusammenhang auch sagen, dass ich kein Verständnis dafür habe, wie schnell und selbstverständlich wieder über eine drastische Mehrwertsteuererhöhung diskutiert wird. Es sollen wieder nach altem System die Verbraucher, die kleinen Leute, die normalen Einkommensbezieher für diese Katastrophe bezahlen. Was ist eigentlich mit den anderen Instrumenten, mit der Vermögensteuer, mit der Erbschaftssteuer, mit Steuern im Finanzbereich? – All das wären die Maßnahmen, die jetzt als Erstes anstehen, die jetzt ergriffen werden müssen.
Es ist klar, wir müssen an die Ursachen der Krise, damit sich Ähnliches nicht wiederholt. Das ist auch deshalb unabdingbar, weil wir das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen müssen für einen schweren Weg, der vor uns allen liegt.
Aus meiner Sicht gehören dazu folgende erste Maßnahmen: Wir brauchen unabhängige und kontrollierte Ratingagenturen,
wir brauchen einen Finanz-TÜV, der Produkte auch verbieten kann, und wir brauchen selbstverständlich ein dauerhaftes Verbot von ungedeckten Leerverkäufen.
Das ist doch überhaupt die dollste Nummer mit diesen Leerverkäufen, die sich da abgespielt hat. Am Mittwoch hat die Bundesanstalt für das Finanzwesen endlich rea
giert und das Verbot sogenannter ungedeckter Leerverkäufe und ungedeckter Kreditausfallversicherungen ausgesprochen.
Dieses Verbot gilt aber vorerst nur bis Ende März 2011. Diese Befristung erschließt sich mir überhaupt nicht. Warum eigentlich?
Besonders heikel ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Verbot von ungedeckten Leerverkäufen ja schon bestand, dass es 2008 schon beschlossen und umgesetzt wurde, allerdings im Februar dieses Jahres von der neuen Bundesregierung aufgehoben wurde – somit waren Leerverkäufe wieder erlaubt. Das kann doch nicht wahr sein! Offensichtlich hat man aus der Krise von 2008 nichts gelernt – Leerverkäufe gehören dauerhaft verboten!
Darüber hinaus müssen wir über durchgreifende Regulierungen von Hedgefonds in Europa sprechen, die maßgeblich an der Zockerei gegen Griechenland beteiligt waren. Natürlich brauchen wir auch die Finanztransaktionssteuer, wie es ja selbst die CDU in ihrem Bundesvorstand schon einmal beschlossen hatte. Mit dieser Steuer auf alle börslichen und außerbörslichen Finanztransaktionen können wir endlich die Zocker und Spekulanten an den Kosten der Krise beteiligen, die von ihnen mit verursacht wurde. Es ist eine Schande, das muss man an dieser Stelle sagen, dass die Bundesregierung bei diesem Thema nicht an der Spitze der Bewegung steht, sondern sich aktuell noch immer nicht klar zu dieser Steuer bekennen kann, die doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein müsste.
Die Bundesrepublik Deutschland muss ein Zeichen setzen, und Sie werden sehen – auch wenn es am Anfang vielleicht noch nicht durchgreifend überall im internationalen Maßstab klappt –, andere Länder werden folgen! Der gesellschaftliche Druck wird sicherlich dazu beitragen, dass sich solche Finanzregulierungsinstrumente nach und nach durchsetzen werden. Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, meine Damen und Herren von der CDU, wie Sie vorhin selbstzufrieden gejohlt haben, als Frau Kolat das alles schon angesprochen hat. In den letzten Monaten hat es von der Kanzlerin an keinem Tag politische Führung in der Krise gegeben, nicht an einem einzigen Tag!
Sie werden es erleben: Wenn Sie den gesellschaftlichen Druck brauchen, dann werden Sie ihn auch kriegen. Die Menschen in unserem Land und in anderen Ländern werden es sich nicht gefallen lassen, dass Spekulanten über die Zukunft von Staaten entscheiden und dass der Eindruck entsteht, dass Regierungen dem nicht eindeutig widerstehen und entgegenstehen.
Diese Finanztransaktionssteuer brächte – je nach Ausgestaltung, es gibt unterschiedliche Modelle – für Deutschland pro Jahr bis zu 20 Milliarden Euro und sichert damit Einnahmen. Selbst wenn sie, wie ich vorhin gesagt habe, Spekulationen nicht sofort gänzlich unterbinden kann, ein zweistelliger Milliardenbetrag hilft, die Bürgschaften für Griechenland abzusichern, Schulden zu tilgen, die Finanzmärkte hinterlassen haben, und es hilft, die Einnahmebasis für Bund, Länder und Kommunen zu stabilisieren. Wie kann eigentlich eine Bundesregierung darauf angesichts völlig unüberschaubarer Haushaltsrisiken verzichten? – Im Zusammenhang mit der von SchwarzGelb so groß proklamierten Steuerreform und diesem unsäglichen Wachstumsbeschleunigungsgesetz heißt ein Verzicht auf Finanztransaktionssteuer, dass in der Bundesregierung eine völlig unseriöse Finanzpolitik gemacht wird, nichts anderes ist die Botschaft dieser politischen Haltung.
Für Berlin stellt sich die aktuelle Situation wie folgt dar: Auch wenn wir, dank vernünftiger Planung, dieses Jahr voraussichtlich ein kleines Plus von 50 Millionen Euro erzielen werden,
wird es in den nächsten Jahren Steuerausfälle geben. Allein für 2011 rechnen wir nach der jüngsten Steuerschätzung mit einem Minus von 160 Millionen Euro, das schwarz-gelbe Wachstumsbeschleunigungsgesetz mit seinen unsinnigen Steuerbegünstigungen für einige wenige Privilegierte kostet Berlin rund 200 Millionen Euro. Das macht deutlich, dass es nach der Regulierung der Finanzmärkte genauso wichtig ist, die Einnahmen für Bund, Länder und Kommunen zu stabilisieren. Wir müssen dafür sorgen, dass die Kommunen nicht durch weitere Steuersenkungen in den Ruin getrieben werden. Dazu gehört sicherlich auch, dieses Beschleunigungsgesetz mit seinen Wohltaten zurückzunehmen, dazu gehört es, die Finger von der Gewerbesteuer zu lassen, dazu wird es auch gehören, dass sich der Bund an den Sozialausgaben von Ländern und Kommunen beteiligt.
Berlin braucht dringend Einnahmen – genauso wie die anderen Länder. Selbstverständlich müssen auch wir parallel dazu die Ausgabenlinie halten und weiter konsolidieren, gar keine Frage. Dazu müssen wir uns in den nächsten Haushaltsberatungen sehr genau anschauen, was geht und was nicht geht. Das werden harte Verhandlungen werden. – Herr Goetze, das hat sich bei Ihnen vorhin so schön angehört. Aber wo bleiben an dieser Stelle eigentlich Ihre Konsolidierungs- und Sparvorschläge?
Man kann sicherlich immer alles noch besser machen. Aber ich will an den Einschnitt beim Solidarpakt erinnern, an den Ausstieg aus der Anschlussförderung, an Vermögensaktivierungen, die es in den letzten Jahren
gegeben hat, um zu konsolidieren. Auch an Personalabbau will ich erinnern. Wo bleiben Ihre konstruktiven Vorschläge, in dieser Krise mit dem Finanzproblem umzugehen?
Selbst bei den Themen ICC und Charité – in der Fragestunde hat das schon wieder eine Rolle gespielt – kann man nicht bei Ausgaben im dreistelligen Millionenbereich sagen: Macht mal schnell, entscheidet mal schnell! Vivantes, Charité – was wird saniert? ICC – abreißen oder sanieren? – Nein, es gehört zur seriösen, verantwortungsvollen Regierungspolitik, das eine oder andere Szenario genau abzuwägen, um zu sehen, was man diesem Haushalt zumuten kann und was nicht.
Das Ziel des politischen Handelns muss sein, Gestaltungsspielräume für die öffentliche Hand zurückzugewinnen. Eine realistische Steuer- und Finanzpolitik unter den Bedingungen der Schuldenbremse muss dazu führen, dass wir uns nicht länger durch überbordende Verschuldung in die Hände der Banken und der Spekulanten begeben. Das gilt für Berlin, für Deutschland und für die europäischen Länder.
Wir dürfen dabei aber – und das möchte ich betonen – einen Fehler nicht machen: Wir dürfen diejenigen nicht doppelt für die Fehler unserer Generation bezahlen lassen, in deren Händen unsere Zukunft liegt, nämlich durch die Verschuldung auf der einen Seite und durch Kürzungen bei den Bildungsaufgaben auf der anderen Seite. Wem, wie Herrn Koch aus Hessen, angesichts der Wirtschafts-, Finanz- und Währungskrise nichts Besseres einfällt, als bei der Bildung mit Sparen anzufangen, der hat die Herausforderung des 21. Jahrhunderts noch nicht begriffen.
Ich will zum Abschluss betonen: Bei aller Konsolidierung müssen wir genau hinschauen, was wir bei den Investitionen machen können. Ich glaube, es wäre falsch, hier pauschal die Axt anzulegen. Investitionen bedeuten eben auch, die Einnahmeseite zu stärken. Sie bedeuten, Arbeitsplätze zu sichern und Ansiedlungen in unserer Stadt sicherzustellen.
Die Krise hat uns drastisch vor Augen geführt, dass vieles von dem, was wir für Wachstum und Wertschöpfung gehalten haben, in Wahrheit kein Wachstum und keine Wertschöpfung war. Wenn wir diese Erkenntnis teilen, dann müssen wir heute nicht nur bestimmte Fehlentwicklungen im Finanzsektor, sondern grundlegend hinterfragen, was uns eigentlich als Wert und Wohlstand gilt.
Ich bin schon beim Schlusssatz. – Wir müssen die Ziele und Maßstäbe unseres Wirtschaftens neu definieren. Das ist die Aufgabe, der wir uns alle in dieser Krise stellen müssen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jotzo! Ich habe mich eben zu Wort gemeldet, weil Sie eine bemerkenswerte Rede gehalten haben, leider keine bemerkenswert gute Rede.
Es ist eine Schande, was Sie eben dargestellt haben.
Ich will das auch kurz sagen. Es sind zwei Dinge im Zusammenhang mit diesem 1. Mai zu würdigen. Das Erste ist, dass es in einer gemeinsamen Anstrengung gelungen ist, Randalierern, auch Linksextremen, deutlich entgegenzutreten und Einhalt zu gebieten. Es ist ein deutlich friedlicherer 1. Mai gewesen als in den Jahren zuvor. Das ist gelungen durch eine gute und kluge Polizeiarbeit, durch die Begleitung des Innensenators und insbesondere auch durch das Engagement vieler Tausend Menschen vor Ort. Das muss man würdigen.
Zum Zweiten: Es ist gelungen, auch Nazis in Berlin zum wiederholten Mal deutlich zu machen, dass es für sie in dieser Stadt keinen Platz gibt.
Auch das ist durch eine gute und kluge Polizeiarbeit gelungen, durch eine politische Begleitung auch hier aus dem Haus heraus und eben auch durch viele Bürger vor Ort, die sich entsprechend engagiert haben.
Man kann darüber streiten und geteilter Meinung sein, ob eine Sitzblockade das Richtige ist. Daran muss man sich nicht beteiligen, das kann man auch kritisieren. Das ist von Staatsanwaltschaft, von Polizei auch entsprechend zu begleiten. Da darf es aus meiner Sicht auch keine Privilegien für Politiker geben. Es ist für mich aber auch eine Selbstverständlichkeit, dass Politiker auch für sich in Anspruch nehmen, ihre staatsbürgerlichen Rechte zu leben und zu sagen: Wir machen das durch unser Engagement deutlich. Wir bieten denen die Stirn und lassen ihnen keinen Platz in unserer Stadt. – Auch das ist positiv zu würdigen.
Dass Sie, Herr Jotzo, sich hier hinstellen, ausgerechnet Sie – Sie haben wirklich jeden Kompass verloren –,
der Sie in den letzten Diskussionen wirklich jedes Maß verloren haben – das ist in den letzten Diskussionen deutlich geworden –, dass Sie glauben, als frisch gebackener Geschäftsführer agieren zu müssen, dazu kann ich nur sagen, dass Sie Ihre Rolle noch nicht gefunden haben. Dass ausgerechnet Sie sich hier hinstellen und Leuten wie Wolfgang Thierse oder Wolfgang Wieland unterstellen, sie täten dies als PR-Gag, ist eine Schande und schäbig.
Gerade bei diesen beiden, auch bei anderen, die sich beteiligt haben, steht die moralische und politische Integrität völlig außer Frage.
Es ist völlig klar, dass die beiden nicht aus PR-Gründen gehandelt haben, sondern weil es ihnen seit Jahren ein politisches und wichtiges Anliegen ist, Rechten in unserer Stadt keinen Raum zu geben. Dass Sie das nicht entsprechend würdigen können, dass Sie hier im Klein-klein auftreten und parteipolitisch taktieren und nicht die Kraft haben, als Berliner FDP mit den anderen Fraktionen zusammenzustehen, dass Sie sich verweigert haben, dem gemeinsamen Papier der Fraktionsvorsitzenden beizutreten, ist traurig.
Selbst dazu hatte die FDP-Fraktion hier im Haus keine Kraft. Jetzt hier so aufzutreten und das Engagement dieser beiden Politiker so herabzuwürdigen, ist eine Schande für das Parlament.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Wieland hat eben darauf hingewiesen und deutlich gemacht, wie viel Arbeit und Herzblut in einem solchen Haushalt steckt, der uns heute zur Beratung vorliegt. Insofern möchte ich es auch zu Beginn meiner Rede nicht versäumen, allen zu danken, die dabei mitgewirkt haben, allen Verwaltungen, der des Abgeordnetenhauses, den Senatsverwaltungen, insbesondere natürlich auch dem
Ralf Wieland
Finanzsenator. Ganz besonders bedanken möchte ich mich aber auch im Namen der SPD-Fraktion bei den Mitgliedern des Hauptausschusses und beim Vorsitzenden des Hauptausschusses. Viel Arbeit ist da eingeflossen. Vielen Dank für diese Arbeit, die geleistet wurde!
Die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise hinterlässt tiefe Spuren. Die tiefgreifenden Auswirkungen sind bereits im laufenden Haushalt, aber auch in den heute zur Abstimmung stehenden Doppelhaushalt sichtbar. Der Doppelhaushalt 2010/2011 umfasst rund 22,5 Milliarden Euro Ausgaben pro Jahr. Dem stehen knapp 20 Milliarden Euro Einnahmen gegenüber. Die Differenz von rund fünfeinhalb Milliarden Euro neuen Schulden für beide Jahre zusammen zeigt, in welch finanzieller Notlage Berlin sich nach wie vor befindet.
Das ist deshalb besonders schmerzhaft, weil wir mit der Haushaltskonsolidierung auf einem sehr guten Weg waren. Ich erinnere daran, dass wir nach den Jahren intensivster Sparanstrengungen 2007 einen ausgeglichenen Haushalt und mit dem Doppelhaushalt 2008/2009 ebenfalls einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt hatten. Zusätzlich konnten wir noch einen Überschuss von rund 1 Milliarde Euro zur Schuldentilgung verwenden. Der Doppelhaushalt 2008/2009 war der Beleg sicherlich auch für eine positive Wirtschaftsentwicklung, aber er war auch ein Beleg für eine jahrelange erfolgreiche und konsequente Haushaltskonsolidierung, zu der die Berlinerinnen und Berliner beigetragen haben.
Bevor ich weiter auf unseren Haushalt eingehe – der Kollege Wieland hat das auch schon getan –, ist es wichtig und notwendig, noch einen sehr kritischen Blick auf die Politik des Bundes zu richten, denn die Prognosen lassen für die öffentlichen Haushalte und somit auch für Berlin in den kommenden Jahren keine grundlegenden Verbesserungen erwarten. Die Schulden der öffentlichen Hand werden bis 2013 auf über 2 100 Milliarden Euro steigen. Das heißt, dass in nur fünf Jahren noch einmal 600 Milliarden Euro Schulden hinzukommen. Das ist ein Zuwachs von mehr als einem Drittel. Sicherlich: Die Beschlüsse der vergangenen Legislaturperiode zur Stabilisierung der Finanzmärkte fließen mit in diese Zahlen ein, aber es kommen allein durch die schwarz-gelben Koalitionsbeschlüsse noch einmal 70 bis 80 Milliarden Euro obendrauf. Statt die Lasten der Finanzmarktkrise abzubauen, finanzieren Union und FDP Klientelpolitik: Steuervergünstigungen für Erben, für Hotels. Hier wird knallhart von unten nach oben umverteilt. Hier wird knallhart auf Kosten der sozial Schwachen und der Länder umverteilt.
Den weitaus größten Preis für diese Klientelpolitik werden die Länder zahlen müssen. Sie sind zu mehr als der Hälfte an den Einnahmerückgängen beteiligt. Für Berlin werden sich durch die Beschlüsse die Mindereinnahmen im Zeitraum von 2010/2013 nach ersten Schätzungen der
Finanzverwaltung auf etwa zweieinhalb Milliarden Euro belaufen. Pro Jahr fehlen Berlin bei voller Wirksamkeit der Koalitionsbeschlüsse über 700 Millionen Euro zusätzlich. Damit das klar ist: Diese Größenordnung entspricht ungefähr 50 000 Studien- oder 100 000 Kitaplätzen. Das kann man nicht hinterhersparen. Wenn wir das tun würden, würden wir weite Teile unserer Stadt kaputtsparen und nichts anderes machen.
Es wird deutlich: Wegbrechende Einnahmen auf Bundes- und Landesebene, Steuergeschenke von Schwarz-Gelb, das Auslaufen des Solidarpakts belasten die ostdeutschen Länder zusätzlich und gleichzeitig eine Schuldenbremse, die den Ländern jeden Handlungsspielraum nimmt – das alles zusammen ist eine unseriöse und verantwortungslose Politik, der sich alle Länder im Bundesrat engagiert entgegenstellen müssen. Das ist nicht zu akzeptieren.
Was konnten wir mit unserem Haushalt auf Berliner Ebene bewegen? – Ich könnte jetzt alle Kollegen, insbesondere die meiner Fraktion, damit erschrecken, dass ich die 120 Minuten SPD-Redezeit allein nutze, um Detail für Detail genau darzustellen, wo und wie wir Schwerpunkte gesetzt haben. Hunderte Punkte sind es.
Ja! Es ist so! Es sind Hunderte von Punkten, wo es einen deutlichen Schritt nach vorn gehen konnte. – Das Abgeordnetenhaus – übrigens ohne Ihr Zutun, Sie haben da nicht geholfen –
hat alle diese Schwerpunkte setzen können ohne zusätzliche Schuldenaufnahme, ohne dass dafür zusätzlich Geld zur Verfügung gestellt werden musste, sondern durch Umschichtung, durch eine Schwerpunktsetzung im Bereich der Kultur für die kleinen Theater, der Feuerwehr, Stellenanhebungen, Stellen im nichtrichterlichen Bereich, Programm „Sexuelle Vielfalt“, Mütterkurse, Frauenprojekte, Jugendverbandsarbeit, Schulhelfer –
all das konnte finanziert werden, und all das ist richtig und wichtig und schafft Entlastung in vielen kritischen Bereichen.
Viel wichtiger ist aber, glaube ich, welchen politischen Anspruch wir mit diesem Haushalt verbinden, wie und was wir mit diesem Haushalt gestalten wollen, denn dieser Haushalt stellt uns nach wie vor 44 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist eine Menge Geld, das man in den nächsten beiden Jahren ausgeben kann. Es stellt sich also wieder die Frage: Wie soll die Stadt, in der wir leben, aussehen? Welche Ziele verfolgen wir für das vor uns liegende Jahrzehnt mit unserer Finanzpolitik?
Im ersten Jahrzehnt nach der Wende war es ganz klar, welche Aufgaben vor uns lagen: Das Zusammenwachsen der Stadt war zu organisieren, gleiche Lebensverhältnisse waren darzustellen. Im zweiten Jahrzehnt nach der Wende hat sich Berlin weiterentwickelt zu der deutschen Metropole, zu einer weltoffenen und toleranten Metropole, die Menschen aus dem In- und Ausland anzieht. Kulturschaffende, Wissenschaftler leben und arbeiten gern in unserer Stadt.
Dieses dritte Jahrzehnt wird nach meiner Einschätzung auf die Veränderung reagieren müssen, die mit einer internationalen Metropole einhergehen. Es gibt soziale Verwerfungen, und viele sagen dann: Wir müssen darauf achten, dass wir die soziale Gerechtigkeit im Blick behalten. – Das stimmt mit Sicherheit, aber darunter versteht auch jeder etwas anderes. Vielleicht geht es auch um ein bisschen mehr. Vielleicht geht es für viele Menschen auch um soziale Sicherheit. Gerade in den Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise machen sich viele Menschen Sorgen: Werden sie ihren Arbeitsplatz behalten können? Oder, wenn sie ihn verloren haben: Werden sie einen neuen finden? Werden die Kinder eine gute Ausbildung erhalten? Wird man sich die Gesundheitsversorgung, die man braucht, auch leisten können, wenn man krank wird? Werden wir weiter in einer sicheren Stadt leben? Wie werden sich Umwelteinflüsse, die veränderte Umwelt auf uns, auf unser Leben und das Leben unserer Kinder auswirken? Werden wir gemeinsam mit den Menschen, die zu uns kommen, eine Grundlage formulieren können, von der wir sagen könnten, dass es eine gelungene Integration ist?
All diese Fragen werden nicht allein auf Landesebene zu bewegen sein und schon gar nicht über einen Doppelhaushalt. Nicht in jedem Einzelfall wird man helfen können, und für viele Probleme in unserer Stadt wird es keine einfachen Lösungen geben, aber wir müssen jeden Tag gemeinsam daran arbeiten, dass wir Lösungen anbieten und auf diese Fragen Antworten geben können, die die Menschen so drängen.
Klar ist: Gute Bildung, aktive Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik, also die ökonomische Basis, sind wichtige Voraussetzungen für soziale Sicherheit, die es zu stärken gilt. Deshalb investieren wir mit diesem Doppelhaushalt nicht nur weiter im klassischen Sinne in Infrastruktur, sondern wir investieren im Wesentlichen in diesem Haushalt in Bildung und Wissenschaft. Das ist eindeutig der Schwerpunkt der Koalition, und es ist der richtige Schwerpunkt.
Aber auch in der Wirtschaftspolitik beginnen wir nicht bei null. Trotz Wirtschaftskrise haben wir erfreuliche Zahlen vorzuweisen. Die Arbeitslosenquote konnte seit 2005 um sechs Prozent gesenkt werden. Gleichzeitig haben wir einen Anstieg der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wie sonst nirgendwo im Bundesgebiet. Wir haben die richtigen Weichen im Bereich der Tourismuswirtschaft, Kreativ- und Kulturwirtschaft, in unserer Cluster-
und Kompetenzfeldstrategie gestellt. Berlin hat eine starke Position bei zukunftsträchtigen Wirtschaftszweigen. Das belegt der Zukunftsatlas 2009: Rang eins in der Gesundheitswirtschaft, Rang zwei bei hochwertigen Unternehmens- und Forschungsdienstleistungen, Rang vier in der Logistik. Insgesamt arbeiten rund 300 000 Berlinerinnen und Berliner in einem der Zukunftsfelder Berlins, mehr als in jeder anderen Region Deutschlands.
Aber wir dürfen an der Stelle auch nicht lockerlassen. Wir müssen die Industrie unterstützen hin zu einer Neuorientierung, zu nachhaltigem Wirtschaften. Wir müssen auf Umwelttechnologien setzen. Wir müssen dafür werben, dass Berlin der Standort für Umwelttechnologien ist. Wir können und sollten der Ort für neue Mobilitätskonzepte sein, gerade auf den großen Flächen, die wir in Tegel und in Tempelhof zur Verfügung stellen können. Ich bin froh, dass sich der Regierende Bürgermeister so dafür einsetzt, dass aus dem dann ehemaligen Flughafen Tegel ein Technologiepark wird, und in diesem Technologiepark müssen selbstverständlich auch Industrieflächen zur Verfügung gestellt werden.
Siemens hat zusammen mit dem Land Berlin in einer Studie deutlich gemacht, dass Berlin Platz acht im europaweiten Wettbewerb der umwelt- und klimafreundlichsten Städte einnimmt. Wir sind da besonders engagiert und haben viele Kompetenzen, auf die wir weiter setzen müssen.
Ich sage das ganz bewusst auch in Bezug auf das Klimaschutzgesetz. Es ist ein richtiger und wichtiger Schritt, auch ein Klimaschutzgesetz voranzubringen. Wir müssen hier klare Akzente setzen, und es wird nicht so sein, dass man Klimapolitik betreiben kann, ohne dass es jemand merkt.
Es ist richtig, Ziele vorzugeben. Es ist richtig, einen Stufenplan umzusetzen, aber die SPD ist sich einig mit der IHK, dem Mieterverein und dem BUND: Wir müssen diese Ziele und Vorgaben in einer weitestgehenden Technologieoffenheit erreichen. Es muss auch darum gehen, dass wir das entsprechend umsetzen. Ich glaube, dass wir so im Klimaschutz entscheidend vorankommen.
Wir investieren nach wie vor. Der BBI allein ist ein Sonderkonjunkturprogramm. Wir finanzieren weiter unsere Sanierungsprogramme im Bereich der Bäder und Schul- und Sportstätten. Das Konjunkturprogramm II kommt hinzu. 632 Millionen Euro werden dort insgesamt ausgegeben, davon 434 Millionen Euro im Bereich der Bildung. Über 94 Prozent der geplanten Maßnahmen sind angepackt. 737 Projekte gelten als laufende Maßnahmen, und 51 Millionen Euro sind bereits ausgezahlt. Das alles stärkt die Wirtschaft, das alles sichert Arbeitsplätze. Die Handwerkskammer betont, dass die Berliner Betriebe von einer
veränderten Auftrags- und Vergabepraxis, die die Stadtentwicklungssenatorin durchgesetzt hat, profitieren. Viele Aufträge – bauliche und energetische Sanierung, technische Ausstattung wird verbessert, in der Verwaltung, in Krankenhäusern, Kitas und Schwimmbädern. Viele dieser Aufträge verbessern unsere Infrastruktur, insbesondere auch im Bildungsbereich. Wir können die Schulstruktur weiterentwickeln und Ganztagsbetreuung sowie Mensen an unseren Schulen verstärkt anbieten.
Da bin ich beim Thema Bildung: Ich glaube, dass das neben der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik einer der ganz großen, wichtigen weiteren Schwerpunkte ist. Schüllerrückgang, bildungsferne Elternhäuser, Schulabbrecher, zu wenig Abiturienten für ein Land, dessen wichtigste Ressource das Wissen ist, führen bundesweit zu Diskussionen über die Schulstruktur. Dabei steht fest: Bildung ist in Deutschland immer noch von der sozialen Herkunft abhängig.
Damit können wir uns nicht abfinden – damit das klar ist.
Es muss sein, dass wir jetzt alle Anstrengungen unternehmen, um eine größere Chancengleichheit zu erreichen, denn wenn wir jetzt keine Reform auf den Weg bringen, dann bedeutet das für unser Land nicht nur Stillstand, sondern Rückschritt. Genau diesen Rückschritt können wir uns nicht leisten, weder in der Kita noch in der Schule noch in der Hochschule. Die Berliner Kitas sind schon hervorragend ausgestattet. Wir haben ein Platzangebot, eine Vielfalt wie bundesweit sonst nirgendwo. Wir haben konfessionelle und staatliche Träger, bilinguale Kitas und Sportkitas. Sie alle sind auf engstem Raum zu erreichen. Wir haben das letzte gebührenfreie Jahr vor der Einschulung ohnehin schon eingerichtet. Sprachlerntagebücher machen deutlich, dass Kitas bei uns wirklich Bildungseinrichtungen sind.
Aber wir werden diesen Standard noch einmal verbessern.
Sicherlich! Das Volksbegehren hat mit dazu beigetragen. Das, was in einem Stufenplan ohnehin beabsichtigt war, kommt jetzt schneller, das ist keine Frage. Der Teilzeitanspruch wird erweitert. Wir haben eine Verbesserung beim Personalschlüssel vorgesehen sowie die Absenkung des Leitungsschlüssels. 2010 kostet uns das rund 20 Millionen Euro, 2011 60 Millionen Euro. Das ist viel Geld, das auch aus anderen Bereichen kommen musste, aber es ist richtig, dass wir das gemacht haben, und es ist richtig, dass wir nicht zugelassen haben, dass die Qualitätsverbesserung ausgespielt wird gegen die Gebührenfreiheit im Bereich der Kitas.
Da waren einige ganz schnell vorneweg und haben gesagt: Lasst das doch! – Nein, es ist richtig, dass wir in
unserer Stadt die Kitas gebührenfrei anbieten. Gerade bei der Sozialstruktur, die wir in unserer Stadt haben, ist das der richtige Weg, und gerade weil wir wollen, dass möglichst viele Kinder in die Kitas gehen, dass es keine Hürden bei den Kitas gibt. Deswegen ist das falsch, was wir auf Bundesebene erleben, dass Schwarz-Gelb tatsächlich wieder auf ein Betreuungsgeld setzt und die Kinder von den Bildungseinrichtungen, die sie so dringend brauchen, fernhalten möchte.
Natürlich geht es genau darum. Ich will deutlich sagen: Nicht nur dieses Betreuungsgeld ist falsch, sondern ganz grundsätzlich, diese Art der Finanzierung in der Bildungslandschaft ist falsch, und auch Kindergelderhöhungen sind falsch. Wir müssen Schritt für Schritt dazu kommen, dass wir viel mehr die Systeme finanzieren, von denen unsere Kinder und Jugendlichen profitieren. Darum muss es gehen, da müssen die Milliarden reinfließen.
Die Schulstrukturreform ist das zentrale Thema in der Bildungspolitik. Das Schuljahr 2009/2010 hat gut begonnen, der Bildungssenator hätte sich zurücklehnen können. Das hat in den letzten Jahren nicht immer so gut begonnen, was etwas damit zu tun hatte, das dieses Schuljahr sehr gut ausgestattet war und sehr gut organisiert wurde. Aber der Bildungssenator hat sich eben nicht zurückgelehnt, sondern er hat gesagt: Es ist ja einiges zu tun! Wir müssen den Kinder eine Perspektive in unserer Bildungslandschaft bieten. Deswegen ist es richtig, dass wir von der Vielgliedrigkeit wegkommen. Deswegen ist es richtig, dass wir von der Hauptschule wegkommen, die vielen Kindern und Jugendlichen keine Bildungsperspektiven mehr bietet. Wir haben eine bundesweite Debatte. Berlin steht – vielleicht gemeinsam mit Hamburg und Bremen – an der Spitze der Bewegung. Wir wollen hin zu einem längeren gemeinsamen Lernen, das ist uns wichtig. Wir wollen das Ganztagsangebot ausweiten. Wir wollen an den Sekundarschulen eine hohe Durchlässigkeit haben, um an einer Schule wirklich zu jedem Bildungsabschluss kommen zu können.
Diese Schulen werden sehr praxisorientiert mit der Berliner Wirtschaft zusammenarbeiten. Man wird dort die Chance haben, in insgesamt 13 Jahren zum Abitur zu kommen. Wir werden eine hervorragende Ausstattung an den Sekundarschulen haben, mehr Erzieher, mehr Sozialarbeiterstellen, mehr Lehrerstellen, und an den Brennpunkten ist die Anzahl noch einmal mit zusätzlichen Lehrerinnen und Lehrern verstärkt worden. Insgesamt kommen noch einmal über sechs Millionen Euro zu den ohnehin 18 Millionen Euro hinzu, die für die Umsetzung der Schulstrukturreform obendrauf vorgesehen waren.
Wir bekommen dafür viel Unterstützung von der IHK, der Handwerkskammer und vom Landeselternausschuss. Nur von der Opposition – genauer gesagt von CDU und FDP – hört man an dieser Stelle so gut wie gar nichts.
Ich habe das CDU-Papier dabei. Es sind 15 Seiten, in denen gefordert wird, dass viele Kommissionen für eine neue Schulstruktur eingesetzt werden, Arbeitspapiere gefertigt und Gutachten eingeholt werden, und Arbeitsgruppen auf Landes- und Bundesebene sollen das immer begleiten. Ich dachte immer, Herr Kollege Henkel, die SPD wäre Weltmeister im Gründen von Arbeitskreisen, aber den führenden Status
haben Sie jetzt übernommen. Es ist gut, wenn man sich gründlich vorbereitet, aber irgendwann, Herr Kollege Henkel, muss man auch mal etwas entscheiden.
Ja! Irgendwann muss man auch mal etwas entscheiden. – Es geht nicht darum, ob Sie sich oder wir uns gut fühlen, ob die Journalisten das richtig oder falsch finden oder die Lehrer oder sonst wer, sondern es geht darum, ob wir ein entsprechendes Bildungsangebot für die Kinder in unserer Stadt machen. Darum muss es gehen!
Da schlagen Sie nun in Ihrem langen Papier vor, dass man in den Kommissionen tatsächlich darüber reden kann, ob nicht innerhalb der nächsten zwei Legislaturperioden, das heißt, innerhalb der nächsten zehn Jahre, schrittweise etwas neu organisiert wird. Dieses Neue soll dann so aussehen, dass es einen ersten Bildungsgang gibt, der einen praktischen Schulabschluss bietet, und einen zweiten Bildungsgang, der einen mittleren Schulabschluss bietet, und einen dritten Bildungsgang, der dann das Abitur bietet. Sie wollen genau bei der Schulstruktur bleiben, die wir im Moment haben, und den Kindern und Jugendlichen keine bessere Bildungsperspektive bieten – um das ganz deutlich zu sagen.
Ich möchte auch gern wissen – ich glaube, die Berlinerinnen und Berliner wollen das auch gern wissen –, was die CDU, die größte Oppositionsfraktion an dieser Stelle zu bieten hat. Herr Heilmann kann jetzt nicht nach vorne kommen, der Werbefachmann der CDU, der immer mal testet, was denn in der Öffentlichkeit so geht. Jetzt ist der Oppositionsführer gefragt, wohin aus Sicht der CDU die Reise in der Bildungspolitik gehen soll.
Ich möchte gern auch ein Wort von Ihnen hören, wie Sie das begleiten, was im Moment schon an Umstrukturierung in den Bezirken passiert. Ist das, was zu lesen war, wahr, nämlich, dass im CDU-Landesvorstand darüber entschieden wurde, ob die CDU-Bildungsstadträte in Reinickendorf, Spandau und Tempelhof-Schöneberg tatsächlich diese Schulreform begleiten können oder nicht? – Wenn das so wäre, dann ist es ein Skandal,
dass nicht alle an der Spitze der Bewegung stehen und sich darum kümmern.
Wir machen einen guten Vorschlag zu dieser Schulstrukturreform. Der Elternwille wird eindeutig gestärkt,
die Sekundarschulen werden starke Sekundarschulen sein, und auch die Gymnasien werden als zweite starke Säule mit den Schulleiterinnen und Schulleitern, die durch ihre Entscheidung echte Profile an den Gymnasien bilden können, ein starkes Angebot in unserer Bildungslandschaft machen können.
Ich fordere Sie auf, das zu unterstützen, denn es kann nur eine Antwort in der Bildungspolitik geben: Ein klarer bildungspolitischer Kurs ist notwendig, nein zum Betreuungsgeld, Gebühren abschaffen von der Kita bis zur Universität, weiter in die Qualität der Kitas investieren und eine Schulstrukturreform umsetzen für die optimale Förderung aller Kinder und Jugendlichen, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und familiären Situation. Dafür müssen wir uns gemeinsam engagieren.
Klar ist auch: Wir dürfen in der Wissenschaft nicht nachlassen. Derzeit lehren, forschen, arbeiten und studieren rund 200 000 Menschen aus aller Welt in Berlin. Allein in den Hochschulbereich investiert Berlin im Jahr rund 1,5 Milliarden Euro. Mit dem Masterplan Wissenschaft wird die Hauptstadt zum führenden Wissenschaftsstandort in Deutschland ausgebaut. Durch die Hochschulverträge erhalten die Berliner Hochschulen mindestens 334 Millionen Euro zusätzlich für die Jahre 2010 bis 2013. Diese sehr gute finanzielle Ausgangslage der Hochschulen stärkt ihre Autonomie und Wettbewerbsfähigkeit.
Gleichzeitig haben wir den Startschuss für ein zukunftsorientiertes Hochschulfinanzierungssystem in Deutschland gegeben, das ab 2012 die Berechnung des Landeszuschusses zu zwei Dritteln auf der Grundlage der von den Hochschulen erbrachten Leistungen vorsieht. Mit dieser Umstellung können in den Jahren 2012 und 2013 bis zu 6 000 zusätzliche Studienplätze geschaffen werden. Auch das heißt: Im Bereich der Wissenschaftspolitik machen wir einen großen Sprung nach vorne und statten sie hervorragend aus.
Und trotzdem, obwohl wir also in den Bereichen der Wirtschaft und der Bildung eine gute Grundlage haben, die wir weiter stärken werden, gibt es keinen Anlass, sich zurückzulehnen. In unserer Stadt, die international geschätzt wird und innerhalb Deutschlands beliebt ist wie keine zweite Stadt, gibt es auch soziale Verwerfungen – keine Frage! Viele junge Menschen aus Deutschland und Europa zieht es nach Berlin. Als Tourist oder als Neuberliner kommen sie nach Berlin. Berlin ist ein Magnet für
Kreative genauso wie für Wissenschaftler. Die Berlinerinnen und Berliner gönnen sich Weltoffenheit, Modernität und vielfältige Lebensstile. Menschen verschiedener Herkunft leben tolerant und friedlich miteinander.
Aber Berlin ist eben auch – wie viele Metropolen – bedroht von sozialer Spaltung, Armut, Ausgrenzung oder Verdrängung aus dem angestammten Kiez. Darauf müssen wir Antworten finden, aber wir müssen politische Antworten finden. Das Anzünden von Autos ist keine Antwort, sondern schlichtweg ein krimineller Akt und nichts anderes.
Das ist so, und ich erwarte auch, dass sich alle Fraktionen und alle Abgeordneten aller Fraktionen in diesem Punkt einig sind, dass wir den Innensenator und die Berliner Polizei in ihrem Bemühen unterstützen. Es kann hier kein Wackeln von Demokraten geben.
Rechte wie linke Gewalt ist zu verurteilen und hat in unserer Stadt keinen Platz.
Alle Partner, die Kirchen, die Vereine, die Gewerkschaften, die Polizei, die Politik und die Stadtgesellschaft insgesamt, müssen ein Interesse daran haben, diese Entwicklung zurückzudrängen.
Die Stadtentwicklungspolitik hat hier mit Sicherheit auch eine besondere Aufgabe. Dabei geht es mir in diesen Fragen nicht um die klassische Bau- oder Verkehrspolitik, sondern darum: Wie erhalten wir lebenswerte Quartiere in unserer Stadt? – Die Bezirke werden zusätzlich mit rund 90 Millionen Euro ausgestattet. Das ist der Bereich – die Bezirke vor Ort –, wo die Menschen die Stadt oft erleben, wo sie die Infrastruktur erleben, wo es vor Ort funktionieren muss. Wir haben neue Gebiete in das Programm „Soziale Stadt“ aufgenommen. Es sind jetzt insgesamt 34 Gebiete, die mit zusätzlichem Geld, Infrastruktur und Know-how unterstützt werden.
Es ist der Stadtentwicklungssenatorin gelungen, dass der Mietspiegel wieder von den Mieter- und Vermieterorganisationen gemeinsam unterschrieben wird und eine neutrale Datenbasis für die Mieterinnen und Mieter in der Stadt bildet. Wir wollen an dieser Stelle weitere Schritte gehen. Wir werden prüfen, ob es durch Bundesratsinitiativen oder Regelungen auf Landesebene möglich ist zu verhindern,