In der Diskussion der letzten Wochen ist ein Missverständnis aufgetreten. Man konnte den Eindruck gewinnen, als würde die Bundeswehr zwangsweise an die Schulen kommen. Nein, es ist die Entscheidung jeder einzelnen Schule, wen sie einlädt und wen nicht. So sollte man es auch weiter halten. Die Entscheidung muss bei der einzelnen Schule, auf die Sie von den Grünen doch sonst auch so viel Wert legen, bleiben.
Daher ist es auch nicht ausgeschlossen, dass eine Schule die Bundeswehr und eben andere Verbände zu einem Informationsaustausch einlädt.
Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden.
Jeder soll also seinem Gewissen folgen. Aber, meine Damen und Herren von den Grünen, ich finde es schon bedenklich, wenn Sie die Schulen verpflichten wollen, wehrdienstkritische Verbände grundsätzlich mit einzuladen. Was wir brauchen, ist eine echte Abwägung jedes Einzelnen, ob er den Dienst an der Waffe mit seinem Gewissen vereinbaren kann oder nicht. Es ist jedem unbenommen, sich aus Gewissensgründen dagegen zu entscheiden.
Aber was wir nicht wollen, ist eine politische Diskussion in der Klasse, ob die Wehrpflicht nun gut ist oder nicht oder ob der Einsatz in Afghanistan nun gut ist oder nicht.
Es hat noch eine andere Qualität, ob die Bundeswehr ihrem grundgesetzlich vorgeschriebenen Auftrag nachkommt oder ob irgendwelche selbsternannten Friedensaktivisten dazu aufrufen, statt einer Gewissensentscheidung eine politische Entscheidung zu treffen. Das brauchen wir an den Schulen nicht.
Ich fordere Sie deshalb auf, meine Damen und Herren von den Grünen, meine lieben Kollegen, weiterhin klar hinter der Bundeswehr zu stehen und gemeinsam mit allen anderen Fraktionen hier die Realitätsverweigerung und die Propaganda der Linksfraktion zurückzuweisen.
[Beifall bei der CDU – Zuruf von Astrid Schneider (Grüne) – Hu! von den Grünen und der Linksfraktion]
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Steuer! – Für die Linksfraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Zillich das Wort. – Bitte!
[Dirk Behrendt (Grüne): Wir wollen gute Ratschläge für Neukölln! – Felicitas Kubala (Grüne): Für die Verteidigungsbereitschaft!]
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Mutlu! Manchmal muss man sich, wenn man ein Anliegen befördern will, darüber Rechenschaft ablegen, ob man es mit dem, was man tut, tatsächlich befördert.
Die Frage, friedliche oder militärische Konfliktlösung, oder die Frage, wie geht man mit internationalen Konflikten um, sind in unserer Gesellschaft hochumstritten. Angesichts unserer Geschichte halte ich es durchaus für eine zivilisatorische Errungenschaft, dass viele Menschen es nicht normal finden, dass sich Deutschland an militärischen Konflikten beteiligt.
Im Fall des Kriegs in Afghanistan ist eine übergroße Mehrheit der deutschen Bevölkerung gegen eine deutsche Beteiligung am Krieg. Deshalb ist es folgerichtig, wenn es immer wieder – und durchaus von einem breiten gesellschaftlichen Spektrum getragen – Proteste von Schülern und Eltern dagegen gibt, dass Jugendoffiziere und Berufswerber der Bundeswehr an den Schulen aktiv sind. Aktuell sind diese Proteste vor allem deshalb verständlich, weil Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg unlängst forderte, das Engagement der Jugendoffiziere an Schulen angesichts der schwindenden Zustimmung zum Afghanistankrieg zu verstärken. Der zuständige Minister weist damit also den Jugendoffizieren in den Schulen die Aufgabe zu, in einer hochumstrittenen politischen und gesellschaftlichen Frage Partei zu ergreifen im Sinn seiner eigenen politischen Position. Die Empörung des Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern Sellering darüber halte ich für mehr als berechtigt.
Wir finden, Schulen sollten angesichts dessen im Einklang mit der Schulgemeinschaft sehr genau prüfen, ob sie die Jugendoffiziere überhaupt einladen dürfen.
Die Frage ist durchaus berechtigt, unter welchen Bedingungen der Einsatz von Jugendoffizieren überhaupt mit dem Neutralitätsgebot der Schule vereinbar ist.
Hier hilft, denke ich, ein Gutachten weiter, das der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags zu dieser Frage angefertigt hat. Der Kollege Mutlu hat daraus schon zitiert. Dieser Wissenschaftliche Dienst kam zu dem Schluss, dass die Leitung der Informationsveranstaltung der Bundeswehr in den Händen der Schule liegen muss und nicht in denen der Bundeswehr. Das ist durchaus schon eine Abweichung von der Realität, die wir heute in vielen Fällen haben.
Er kam des Weiteren zu der Erkenntnis, dass die Schule für Ausgewogenheit der Informationen sorgen muss, für Neutralität. Sie muss dies umso mehr tun, je umstrittener ein gesellschaftliches Thema ist.
Daraus ergibt sich, dass es nicht ausreicht, darauf zu vertrauen, dass die Bundeswehr, weil sie eine staatliche Institution ist, schon für eine neutrale Information sorgen wird. Es reicht auch nicht, darauf zu vertrauen, dass die Neutralität dadurch gewahrt wird, weil Schülerinnen und Schüler sich ihre Meinung trotz der Schule bilden. Daher halte ich es für zwingend und naheliegend, wenn die Forderung erhoben wird, die Neutralität dadurch zu sichern, dass, wenn Bundeswehr eingeladen wird, immer auch Vertreter wehrdienstkritischer Verbände von Zivildiensteinrichtungen, von Friedensinitiativen und so weiter eingeladen werden müssen.
Diese Forderung haben die Grünen in ihrem Antrag aufgegriffen. Damit komme ich zum Antrag der Grünen. In der Tat glaube ich, dass wir nach Wegen suchen müssen, wie wir die Neutralität der Schulen sichern. Insofern sind wir uns da im Ziel einig.
Die Grünen schlagen vor, dies durch ein Rundschreiben verbindlich und einheitlich zu regeln. Dafür spricht etwas. Dafür spricht, dass es sich hier um eine Frage der Rechtssicherheit handelt, und zwar in einer Frage, die sowohl die Schulpflicht als auch die Grundrechte von Schülerinnen und Schülern und von Eltern betrifft. Dagegen kann allerdings sehr wohl eingewendet werden, dass das Prinzip der Eigenständigkeit und Eigenverantwortung von Schulen gegen eine solche zentrale Regelung spricht. Ebenso spricht möglicherweise dagegen, dass es nicht ganz so einfach sein wird, eine allgemeine und zentrale Regelung zu schaffen.
Richtig ist auch, dass Schulen ohnehin vor der Entscheidung stehen, wie sie mit außerschulischen Partnern zusammenarbeiten, mit welchen sie zusammenarbeiten und wie sie dabei die Neutralität wahren. Allerdings – und ich bin froh, dass darauf in der Debatte schon eingegangen wurde – muss ein solches Mehr an Eigenständigkeit mindestens in dieser sensiblen Frage auch ein Mehr an Demokratie nach sich ziehen. Es kann nicht die Entscheidung eines Lehrers oder eines Rektors sein, sondern
muss in den Schulgremien unter Einbeziehung der Schülerinnen und Schüler und der Eltern beraten und entschieden werden.
[Beifall bei der Linksfraktion – Özcan Mutlu (Grüne): Noch ein bisschen sachlicher! – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Aber weniger Heuchelei!]
Dass die Schulen in der Lage sind, hier nach einer Debatte eine souveräne Entscheidung zu treffen, hat die jüngste Entscheidung am Coppi-Gymnasium gezeigt. In diesem Sinn werden wir in der weiteren Beratung hier im Parlament nach einer Lösung suchen, die geeignet ist, die
Neutralität der Schule zu sichern, und die in diesem Haus eine Mehrheit erhalten kann. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Zillich! – Für die FDPFraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Senftleben das Wort. – Bitte!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Grüne! Ich finde es schon interessant, dass Sie sich in der Begründung auf den Beutelsbacher Konsens berufen. Der ist nämlich von 1976. Der fordert die Erziehung zur Mündigkeit der Schüler, außerdem die Ausgewogenheit bei der Vermittlung von Inhalten, damit die eigene Meinungsbildung ermöglicht wird. Da kann ich nur sagen: olle Kamellen und nichts anderes!
Vor 34 langen Jahren war es vielleicht notwendig, auf diese Fakten hinzuweisen. Aber gilt das noch für die heutige Zeit? Steht nicht in jedem Schulgesetz drin, dass es oberstes Ziel ist, Kinder und Jugendliche zur Mündigkeit, zur Selbstreflexion, zur Selbstständigkeit zu erziehen? Haben wir nicht genug engagierte Lehrkräfte, engagierte Eltern, die genau darauf achten, dass eben nicht indoktriniert wird, dass keine Meinung vorgegeben wird? Irgendwie, liebe Grüne, scheint die Zeit an Ihnen vorbeigegangen zu sein, anders kann ich es hier nicht mehr sagen.
Ich habe noch Vieles, lieber Herr Mutlu, zu Ihrem Antrag zu sagen. Was wollen die Grünen: immer wieder ganz, ganz viele verbindliche Regelungen durch ein Rundschreiben des Schulsenators im Namen der Rechtssicherheit.
Der Senator soll es mal wieder richten. Und da kann ich auch nur sagen: Wo bleibt hier die Eigenverantwortung von Schule? Ich bin ja froh, dass die Kollegin Harant von der SPD sich so vehement dafür eingesetzt hat. Ich hoffe, nicht nur in diesem Fall. Gerade diese Debatte gehört in die Schule, in die Schulkonferenz, wo doch alle Beteiligten sitzen, lieber Herr Zillich!
Nein! Allein dieser Ansatz, liebe Grüne, ist falsch, und deswegen kommt allein aus diesem Grund schon von unserer Fraktion schlicht ein Nein.