Protokoll der Sitzung vom 01.07.2010

[Beifall bei der CDU – Beifall von Christoph Meyer (FDP)]

Danke schön, Herr Kollege! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr der Kollege Ratzmann das Wort. – Bitte schön, Herr Ratzmann!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es für das Land Berlin nicht so tragisch wäre, müssten wir Grüne uns für das Wahlkampfgeschenk der Sozialdemokraten vom Wochenende herzlich bedanken. Wer aus dem grün-roten Wählerspektrum noch die leiseste Hoffnung auf so etwas wie einen ökologischen Aufbruch gehabt hat – es soll noch einige gegeben haben – , der weiß nach diesem Wochenende, dass mit dieser SPDBetonriege keine ökologisch-soziale Modernisierung in Berlin zu machen ist.

[Beifall bei den Grünen]

Herr Wowereit! Das war wirklich eine strategische Meisterleistung, die Sie vollbracht haben, wie Sie uns gezeigt

haben, wie man eine SPD für die kommende Wahlkampfauseinandersetzung aufstellt. Das muss man sich richtig vor Augen führen: Da gibt es den Koalitionsvertrag, in den Sie den Autobahnbau hineinverhandeln. Dann der Schwenk der SPD: kein Autobahnbau. Das will die Linke nicht auf sich sitzen lassen, dackelt fleißig hinterher und macht auch einen Parteitagsbeschluss: kein Autobahnbau. Dann zeigt Ihnen die SPD die lange Nase, nach dem Motto, das haben wir gar nicht so gemeint. Dann wirft sich der Wowereit mit seinem ganzen politischen Gewicht in die Auseinandersetzung – den Gabriel holt er auch dazu –, und stellt quasi auf dem Parteitag die Vertrauensfrage, spaltet die SPD einmal in der Mitte durch und schafft es glatt, fünf Stimmen Mehrheit für den Autobahnbau zu bekommen. Super aufgestellt, Herr Wowereit, Ihr Laden! Herzlichen Glückwunsch, kann ich da nur sagen!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Jetzt fragt sich der geneigte Beobachter und die geneigte Beobachterin:

[Christian Gaebler (SPD): Sind ja nicht geneigt!]

Wenn der so einen Aufwand damit betreibt, wie will der das eigentlich hier in der Stadt umsetzen? Entweder macht Frau Junge-Reyer jetzt Nägel mit Köpfen und schafft irreversible Fakten, was ein ziemlich unfreundlicher Akt gegenüber dem Koalitionspartner wäre, oder man schaut sich an, mit wem er es 2011 umsetzen kann. Die FDP fällt aus, weil gar nicht mehr ins Gewicht, die Linke will nicht, wir wollen nicht, bleibt die CDU. Herr Wowereit! Ich glaube, Sie haben einiges zu erklären. Sind Sie wieder dabei, die große – na ja, so groß wird die Koalition nicht –, ein schwarz-rotes Bündnis in der Stadt vorzubereiten?

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Dr. Thomas Flierl (Linksfraktion) – Zuruf von Gregor Hoffmann (CDU)]

Sie müssen, glaube ich, erklären, wie Sie Mehrheiten in der Stadt organisieren wollen.

[Regierender Bürgermeister Wowereit: Aber ihr habt doch schon gewonnen!]

Wenn Sie das nicht können, muss man Ihr Gehabe am Wochenende als bloße Wowi-Politshow abtun, mit der Sie nichts anderes getan haben, als die Stadt zu veräppeln. Mit seriöser Politik hat das nichts mehr zu tun.

[Beifall bei den Grünen]

Sie müssen auch sagen, wie Sie die Mehrheiten für die anderen Baustellen hier in der Stadt organisieren wollen.

[Regierender Bürgermeister Wowereit: Aber Herr Ratzmann! Sie haben doch die Mehrheit!]

Sie wollen bis 2015 im öffentlichen Dienst die Stellen auf 90 000 absenken. Gute Verrichtung, kann ich da nur sagen! Erklären Sie einmal in der Stadt, wie und mit wem Sie das machen wollen!

[Carl Wechselberg (SPD): Was wollt ihr denn?]

Auf Bundesebene bekommen Sie auch nichts mehr hin. Sie spucken bei Anne Will große Töne gegen SchwarzGelb, aber organisiert bekommen Sie nichts. Wer nimmt Sie denn als Chef einer Koalition mit den Linken in Berlin eigentlich in Ihrer eigenen Partei noch ernst nach dem Auftritt von denen gestern in der Bundesversammlung?

[Starker Beifall bei den Grünen]

Ein Haufen spießbürgerlicher Sektierer, die eine historische Chance noch nicht einmal erkennen.

[Beifall von Dr. Manuel Heide (CDU)]

Meine Damen und Herren von der Linkspartei, das war gestern noch nicht einmal AStA-Niveau, was Sie da abgeliefert haben.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Wir haben die Chance gehabt, diesem schwarz-gelben Spuk ein Ende zu bereiten,

[Zurufe von der Linksfraktion]

aber Ihnen ist Ihr eigener Hühnerhaufen wichtiger als die Republik.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Herzlichen Glückwunsch, Herr Wowereit!

[Zurufe von der Linksfraktion]

Ihr Koalitionspartner, Ihre Verantwortung!

[Zurufe von der Linksfraktion]

Von Platzeck haben wir wenigstens gehört, dass er etwas versucht hat. Sie sind wie immer still geblieben.

[Martina Michels (Linksfraktion): Mathematik hilft weiter! – Weitere Zurufe von der Linksfraktion]

Ich sage Ihnen, Herr Wowereit: Sie sind nicht in der Lage, für Menschen, die sich überlegen, ob sie hier kandidieren oder nicht, Bedingungen aufzustellen. Ich glaube, Sie haben erst einmal ein paar Dinge zu erklären: Sind Sie bereit, als Juniorpartner in eine Regierung einzusteigen?

[Beifall bei den Grünen]

Sind Sie bereit, als Oppositionspolitiker hier Verantwortung zu übernehmen?

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Unzurechnungsfähigkeit und Größenwahn!]

Schließen Sie aus, dass Sie mit der CDU eine Koalition eingehen?

[Michael Müller (SPD): Ratzmann will Schwarz-Grün!]

Wer will, dass es in Berlin eine ökologisch-soziale Erneuerung gibt, wer Wirtschaftsaufschwung, sozialen Zusammenhalt und einen anderen Regierungsstil will und wer dann auch noch will, dass das unter Beteiligung der SPD passiert, der muss dafür sorgen, dass diese Betonriege in der SPD nicht mehr das Sagen hat. Das wird sich nur

verändern, wenn wir stärker werden als die SPD. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei den Grünen – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Schaumschläger! – Zurufe von der CDU]

Herr Kollege Ratzmann! Bei einigen Ihrer Ausführungen hatte ich Schwierigkeiten, den Sachzusammenhang zum Thema zu sehen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Es geht weiter mit der Wortmeldung des Kollegen Meyer. – Bitte schön, Herr Meyer!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen nur zustimmen: Manchmal ist es in der Tat schwierig, bei den Grünen noch Inhalte zu erkennen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)]

Viel Schau, viel Luft! Man kann vor Kraft kaum laufen, Herr Ratzmann. Sie hätten die Gelegenheit nutzen können, das alles, was Sie auf Ihren Parteitagen beschließen, mit Inhalt zu unterlegen, mit einer Gegenfinanzierung. Das aber gibt es nicht. Deshalb glaube ich, dass wir ganz spannende 15 Monate vor uns haben. Wollen mal sehen, dass wir ein wenig Luft aus der Sache, die Sie aufblasen, herauslassen können.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]