Kommen wir zum letzten Wochenende. In der Tat haben es Herr Wowereit und Herr Müller geschafft, die Berliner SPD wieder auf die Grundlage ihres eigenen Wahlprogramms und des Koalitionsvertrages zu bekommen. Das begrüßen wir erst einmal ausdrücklich.
Diese Stadt kann es sich nämlich in der Tat nicht erlauben, eine 420-Millionen-Euro-Investition aus rein ideologischen Gründen zu verhindern. Die A 100 ist das zentrale Investitions- und Infrastrukturprojekt für die Erschließung des Berliner Südostens und von elementarer Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung dieser Stadt. Wir wollen aber heute, nach dem Parteitag, von Ihnen wissen, wie es weitergeht. Hat die SPD noch die Kraft, einen Parteitagsbeschluss in Regierungshandeln umzusetzen, oder werden Sie den Beschluss in den nächsten Monaten wieder zerreden? Die Linke ist offensichtlich nicht bereit, sich an den Koalitionsvertrag zu halten. Udo Wolf erklärte am Montag nach dem SPD-Parteitag: Mein Auftrag ist es, weiterhin die A 100 zu vermeiden.
Wir müssen jetzt über Alternativen zur A 100 diskutieren. Wir erwarten heute vom Regierenden Bürgermeister Auskunft, ob der Koalitionsvertrag noch weiterhin seine Gültigkeit hat, im Senat und in der Koalition. Und wir erwarten, dass die A 100 als wichtiges Zukunftsprojekt in den nächsten Monaten nicht zum Spielball von parteipolitisch motivierten Spielchen zwischen SPD, Linken und dem Reserverad der Macht der SPD, den Grünen, wird.
[Beifall bei der FDP – Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion) – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]
Bedauerlicherweise haben Sie, liebe Kollegen von der SPD, gestern die Chance verpasst, die Planungsmittel für den Weiterbau der A 100 zu entsperren. Die FDP hatte einen Antrag vorgelegt. Da hätten Sie ein klares Zeichen setzen können, dass Sie nach Parteitagsbeschlüssen auch bereit sind, dem Taten folgen zu lassen.
Wir möchten mit Ihnen heute aber auch über den Preis sprechen, den alle Berlinerinnen und Berliner für den A-100-Beschluss der selbsternannten Verkehrsexperten der Berliner SPD und dank Ihrer Führungsschwäche zu bezahlen haben. Sie müssen uns erklären, ob Sie allen Ernstes Hauptverkehrsstraßen zurückbauen bzw. die Stadt flächendeckend auf Tempo 30 ausbremsen und sie so ideologisch begründet in ein Stauchaos stürzen wollen. Sie müssen uns auch erklären, ob Sie von der Senatsebene allen Ernstes die Berlinerinnen und Berliner mit Parkraumwirtschaft beglücken und die Bürgerinnen und Bürger abzocken wollen. Ich kann Ihnen schon mal ankündigen – das hat in Charlottenburg-Wilmersdorf auch sehr gut funktioniert –: Wenn Sie die Parkraumbewirtschaftungszonen ausweiten wollen, werden wir dies mit den Bürgerinnen und Bürgern in den Bezirken über eine Bürgerbeteiligung zu verhindern wissen.
Und Sie müssen uns heute auch erklären, Herr Wowereit, warum Sie über ein Jahr zugesehen haben und die Debatte über den Weiterbau der A 100 anderen hinterlassen haben, anstatt bereits vor zwölf Monaten Ihr gesamtes politisches Gewicht für die A 100 in die Waagschale zu werfen. Sie müssen sich dem Vorwurf stellen, dass Sie bei allen großen Entscheidungen, vor allem bei Infrastrukturentscheidungen – zum Beispiel beim ICC, zum Beispiel bei der Frage Charité und Vivantes –,
den Eindruck vermitteln, selbst keine Agenda, keinen eigenen Gestaltungswillen mehr zu haben und sich stattdessen von Ihrer eigenen Partei und einzelnen Fachpolitikern treiben zu lassen und erst kurz vor zwölf, wenn es nicht mehr anders geht, steuernd einzugreifen.
CDU, Grüne und FDP wollen heute mit Ihnen über das Thema A 100 sprechen. Ich denke, es wäre gut, wenn Sie diesem Antrag folgten. Stellen Sie sich der Debatte im Plenum, anstatt uns wieder mit einem Ihrer Verlegenheitsthemen zu langweilen! – Ich danke Ihnen.
Danke schön, Herr Kollege Meyer! – Dann lasse ich abstimmen, und zwar zuerst über den Antrag der Koalitionsfraktionen. Wer dem Antrag der Koalitionsfraktionen die Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD und Linke. Danke! Die Gegenprobe! – Das sind die drei anderen Fraktionen. Ersteres war die Mehrheit. Dann ist das Thema so beschlossen. Ich werde es für die Aktuelle Stunde unter der lfd. Nr. 3 aufrufen. Die anderen Themen haben damit ihre Erledigung gefunden.
Dann möchte ich Sie auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte das im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um eine entsprechende Mitteilung.
Dann gibt es Entschuldigungen von Senatsmitgliedern für die heutige Plenarsitzung. Herr Senator Dr. Körting wird von 16.00 bis 17.30 Uhr abwesend sein, um an einer Sitzung des Verteidigungsausschusses im Bundesrat teilzunehmen. Herr Senator Dr. Zöllner wird während der Aktuellen Stunde anwesend sein. Ansonsten nimmt er an einer Sitzung des Wissenschaftsrates teil. Frau Senatorin Lompscher ist ganztägig entschuldigt, weil sie auf der Gesundheitsministerkonferenz in Hannover ist.
Gibt es Bemerkungen zur Tagesordnung? – Da meldet sich der Kollege Ratzmann – zum Tagesordnungspunkt 10 bzw. 25, ist mir gesagt worden. – Bitte schön, Herr Ratzmann!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben einen Antrag zur Neubesetzung betreffend den Vorsitz des Untersuchungsausschusses Spreedreieck eingebracht. Wir haben beantragt, den Vorsitzenden abzuwählen, und die Fraktion der SPD aufgefordert, einen neuen Vorsitzenden vorzuschlagen. Wir haben gestern aus der Geschäftsführerrunde die Information erhalten, dass die Verwaltung des Hauses diesen Antrag zutreffenderweise als einen Wahlantrag eingestuft hat und ihn entsprechend unter der lfd. Nr. 10 dort in die Tagesordnung einsortiert hat, wo die Wahlen behandelt werden.
Dann gab es eine E-Mail, einen Protest des parlamentarischen Geschäftsführers der SPD, und flugs hat sich die Reihenfolge wieder geändert. Der Antrag ist jetzt nicht
mehr als Wahl tituliert, sondern unter der lfd. Nr. 25 eingeordnet. Ich finde, so kann man mit solchen Anträgen nicht umgehen, werter Herr Gaebler!
Es kann schon gar nicht sein, dass Sie mit einer einzigen Mail die Ansicht der ganzen Verwaltung, die sich damit auseinandergesetzt hat, einfach so über den Haufen werfen. Wir haben eine ganz klare, rechtlich einwandfreie und objektive Beurteilung, was wir beantragt haben, nämlich eine Wahl. Ich kann Ihnen aus einem Kommentar zu den Untersuchungsausschussgesetzen von Bund und Ländern zitieren, wo es heißt: Wie schon die Wahl des Vorsitzenden ist auch seine Abwahl in Bund und Ländern unterschiedlichen Voraussetzungen angeknüpft. Die Abwahl als Actus contrarius zur Wahl bzw. zur Bestimmung des Vorsitzenden kann daher nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss vor allem dann, wenn es an einer ausdrücklichen Regelung über die Abwahl fehlt – und so ist es hier in Berlin –, in Beziehung zum Kreationsakt gesetzt werden. – Das heißt, die Abwahl ist genauso eine Wahl wie die Wahl eines Vorsitzenden, und deshalb werden Sie sie auch so behandeln müssen.
Diese Bewertung unterliegt nicht in irgendeiner Art und Weise der Mehrheitsentscheidung dieses Hauses. Das ist ein objektives Kriterium. Sie bestimmen nicht – Sie als SPD schon gar nicht, auch nicht mit der Mehrheit dieses Hauses –, was hier Wahl ist und was nicht Wahl ist. Damit greifen Sie in die Rechte der Beteiligten dieses Parlaments ein. Ich kann Ihnen gleich ankündigen: Wir werden das nicht hinnehmen. Das ist eine Wahl, die wir beantragt haben, und wir wollen, dass sie auch als Wahl behandelt wird. Deswegen beantragen wir, dass dieser Antrag heute als Wahl unter der lfd. Nr. 10 behandelt wird.
Herr Kollege Ratzmann! Sie irren sich in einem Punkt! Wenn ich das alles richtig lese – und lesen kann ich noch –, dann ist es – –
[Volker Ratzmann (Grüne): Herr Momper! Wollen Sie in die Debatte eingreifen? Dann gehen Sie ans Rednerpult!]
Ich will ja nicht reden, ich will nur auf das aufmerksam machen, was Stand der Tagesordnung ist. Dort steht es als lfd. Nr. 10. – Jetzt hat der Kollege Gaebler sich gemeldet. – Bitte schön, Herr Gaebler!
Es geht jetzt erst einmal um die Geschäftsordnungsdebatte. Vielleicht können Sie sich etwas darauf konzentrieren, was tatsächlich Gegenstand der Debatte ist. – Erst einmal: Wir reden darüber, ob der Antrag, der unter der lfd. Nr. 25 im Entwurf der Tagesordnung stand, vorgezogen und unter „Wahlen“ behandelt wird. Dazu kann ich erst
mal sagen: In dem Antrag ist von einer Wahl keine Rede, sondern es ist ein Sachantrag, der zum einen eine Abwahl fordert und zum anderen die SPD-Fraktion dazu auffordert, einen Vorschlag für eine Neuwahl zu machen.
Zum Zweiten – zu dem, was Sie gerade vorgetragen haben: Wenn Sie diesen Bezug herstellen – das kann ich Ihnen jetzt gar nicht widerlegen, das können wir gern an anderer Stelle weiter erörtern –, dann müssten Sie einmal gucken, wie der Vorsitzende ins Amt gekommen ist. Das hat nicht unter dem TOP „Wahlen“ stattgefunden, sondern im Rahmen der Behandlung des Sachantrags „Einsetzung des Untersuchungsausschusses Spreedreieck“. Insofern ist Ihre Argumentation leider nicht stichhaltig und nicht zielführend. Deshalb sind wir auch der Meinung, dass man diesen Antrag nach wie vor als das behandeln sollte, was er ist, nämlich als einen Sachantrag. Übrigens sind auch andere Misstrauensvoten nach unserer Geschäftsordnung Sachanträge. Insofern gibt es da sehr gute Anknüpfungspunkte, das entsprechend zu behandeln.
Wenn eine Verwaltungsmitarbeiterin in einer ersten Stellungnahme gesagt hat, na ja, das könnte man als Wahl behandeln, kann ich nur sagen, wir sehen das anders. Und es unser gutes Recht, dem Vorziehen dieses Punktes – und es handelt sich um ein Vorziehen, wenn man von 25 auf 10 geht – zu widersprechen. Nicht mehr und nicht weniger haben wir getan. Dann heißt es, dass es bei der alten Reihenfolge bleibt, es sei denn, es gibt einen anderen Antrag. Den haben Sie gestellt, das ist auch Ihr gutes Recht. Darüber können wir abstimmen. Aber diesen Popanz aufzubauen, von wegen Rechtswidrigkeit, und Sie rennen gleich wieder zum Verfassungsgericht, weil Sie in Ihren Rechten eingeschränkt werden – da habe ich den Eindruck, Sie stellen fest, Sie kommen in der Sache nicht weiter, und versuchen jetzt, einen Popanz an Formalfragen aufzubauen. Das, Herr Ratzmann, ist bei Ihnen zwar üblich, aber es ist weder sachgerecht noch zielführend! – Wir bleiben dabei: Ihr Spektakel ist ein Politspektakel. Formal ist alles ganz klar und korrekt. Dieser Antrag ist ein Sachantrag, deswegen stimmen wir auch gegen das Vorziehen. – Vielen Dank!
Wenn ich das richtig verstanden habe, beantragt Herr Ratzmann das Vorziehen von Punkt 25 auf Punkt 10 der Tagesordnung. Ist das richtig so?
Dann lassen wir darüber abstimmen. Wer dafür ist, dass Tagesordnungspunkt 25 auf 10 vorgezogen wird, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Grünen, die CDU und die FDP. Danke! Die Gegenprobe! – Das sind die SPD und die Linksfraktion. Letzteres war die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt. Gibt es Enthaltungen? – Die sehe ich nicht. Dann verfahren wir so.
Herr Kollege Kohlmeier! Wir warten noch, bis alle den Raum verlassen haben, die Ihnen nicht zuhören wollen. Dann können Sie anfangen. Es gibt jetzt ein großes Gehen. Ich habe heute zeitlich bis Open End eingeplant. Ich weiß nicht, ob andere das auch getan haben. – Können wir bitte die Diskussionen in den Reihen einstellen, damit der Kollege Kohlmeier beginnen kann!
1. Gibt es auch für Berlin Planungen, dass Briefe und Unterlagen, die von Arbeitssuchenden an die Arbeitsagentur geschickt werden, von der Deutschen Post geöffnet und eingescannt werden sollen, und was passiert dann mit den Originalschriftstücken?
2. Wie sollen der Datenschutz und das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen gewährleistet werden, wenn mit der Deutschen Post ein Dritter Zugang zu hochsensiblen Daten erhält?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Kohlmeier! Sie haben den Senat um Antworten zu Sachverhalten gebeten, die nicht in unsere Zuständigkeit fallen. Deshalb habe ich die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg um Amtshilfe gebeten. Von dort ist folgende Auskunft gekommen:
Zur ersten Frage: Ab Herbst wird die Bundesagentur für Arbeit Schritt für Schritt ihre Papierkundenakten auf elektrische Akten, eAkten, umstellen. Die Umstellung startet als Pilotprojekt in SachsenAnhalt und Thüringen. Die Umstellung erfolgt zunächst für die Arbeitslosenversicherung, also das Arbeitslosengeld I und in der Familienkassen, also das Kindergeld. Am Ende der Pilotphase wird ein Erfahrungsbericht erstellt. Aus seiner Basis entscheiden Verwaltungsrat und Vorstand der Bundesagentur über die bundesweite Einführung der eAkte.
Falls dies befürwortet wird, ist der bundesweite Einsatz der elektronischen Akten für den Arbeitslosengeld I-Bereich in drei Stufen geplant. Die erste Stufe umfasst Berlin-Brandenburg, Bayern und