Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

Abschließend noch ein Wort in Richtung Grüne: Ich werbe, lieber Herr Ratzmann, auch ausdrücklich um Ihre Unterstützung. Aber ich war gestern schon ein bisschen verwundert, in Ihrer Presseerklärung lesen zu müssen, dass Sie unseren Vorschlag zur Einbeziehung der Menschen in Sachen A 100 als „Schnapsidee“ bezeichneten.

[Oh! von der Linksfraktion]

Ich war deshalb verwundert, weil Sie am Wochenende in einem Antrag zu Ihrer Landesdelegiertenkonferenz formuliert haben – ich zitiere –:

Wir haben viel vor, daher soll nicht nur unsere bündnisgrüne parlamentarische, sondern auch eine gesellschaftliche Mehrheit unsere Projekte tragen.

Lieber Herr Ratzmann! Liebe Frau Pop! Auch Sie müssen sich langsam entscheiden, wie Sie es mit diesen Prinzipien halten,

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

ob Sie die Menschen nun ernst nehmen und sie überzeugen wollen oder ob auch Sie einfach nur Ihre Politik

durchdrücken wollen. Zeigen Sie, dass Sie es ernst meinen mit der Einbeziehung von Menschen! Beschließen Sie hier Dinge, die Ihren Argumenten folgen! Dann wären wir ein Stück weiter. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Henkel! – Nun hat Herr Ratzmann von Bündnis 90/Die Grünen das Wort. – Bitte schön, Herr Ratzmann!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Henkel! Es gibt eine Volksbefragung zur A 100, und das ist die Wahl am 18. September, und wer da das Kreuz an der richtigen Stelle macht,

[Björn Jotzo (FDP):... der bekommt sie auch!]

wird sich genau dazu bekennen oder dieses Projekt ablehnen.

[Beifall bei den Grünen und bei der FDP]

Ihr Vorschlag verspottet all diejenigen, die sich an die Verfahren zu Volksbegehren und Volksentscheiden halten, die wir hier gemeinsam beschlossen haben, die sich auf die Straße stellen und Unterschriften sammeln, die dafür arbeiten. Deswegen sage ich nach wie vor: Ihre Idee widerspricht dem, was wir hier als Verfahren zugrunde gelegt haben. Auch Volksbefragungen, lieber Herr Henkel, brauchen eine Legitimation, sonst wären sie nur ein Akklamationsinstrument für Regierungspolitik, und Sie sollten sich gut überlegen, ob Sie das weiterverfolgen.

[Beifall bei den Grünen]

Ich glaube, dass wir gerade gesehen haben, wie man sich für ein Thema engagiert. Ich glaube, an dieser Stelle muss man zuvörderst denjenigen, die die Unterschriften gesammelt und sich im „Wassertisch“ und für die Initiative engagiert haben, Hochachtung, Anerkennung und Dank aussprechen, weil sie zuallererst dafür gesorgt haben, dass diese Verträge offengelegt werden. Ohne ihr Engagement und ohne einen drohenden Volksentscheid wäre deren Inhalt niemals öffentlich geworden – trotz Informationsfreiheitsgesetz und alldem.

[Beifall bei den Grünen]

Wir haben auch zur Kenntnis genommen, dass es des Regierenden Bürgermeisters bedurfte, um zu verkünden, dass die Verträge offengelegt werden. Es war nicht der zuständige Senator und, wie man hört, war er auch nicht unbedingt in die Absprache zur Verkündung eingebunden. Dennoch war der Schritt richtig, denn es ist der Senat, den wir zur Veröffentlichung verpflichtet haben, und nicht die „taz“.

Aber die Veröffentlichung ist das eine. Noch besser wäre es gewesen, man hätte diese Verträge gar nicht erst abgeschlossen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Das hat uns die damals noch große Koalition eingebrockt – neben der Bankgesellschaft das zweite Geschenk, für das die Berlinerinnen und Berliner heute noch die Zeche zahlen. Das dürfen wir nie vergessen. CDU und SPD waren diejenigen, die diese Verträge geschlossen haben. – Herr Henkel! Wenn ich Sie heute höre, beide Hände in der Kasse, und jetzt schreien Sie: Haltet den Dieb! – Das ist wirklich bigott von Ihnen.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Die Veröffentlichung wird auch nicht dazu führen, dass diese Verträge so einfach rückgängig gemacht werden können. Dafür hat nicht zuletzt Harald Wolf gesorgt. Der hat unter dem Mantel der Geheimhaltung alles dafür getan, dass die Privaten ihre garantierten Renditen erhalten.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Haben Sie nur ein Kurzzeitgedächtnis, oder sind Ihnen die Krönungsfeierlichkeiten zu Kopf gestiegen?]

Ich darf aus einem Papier der Senatsverwaltung für Finanzen vom 5. Januar 2010 zitieren – mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident –:

Zusammen mit der erst 2007 insbesondere auf Vorschlag der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen eingeführten Nachkalkulation, die zu einem Wegfall des unternehmerischen Risikos der Kostenunterdeckung geführt hat, folgt damit aus dem Nachteilsausgleich faktisch eine Garantierendite für die privaten Anteilseigner.

Das, Herr Wolf, nenne ich Planübererfüllung, und Sie sind dafür verantwortlich.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Sie haben systematisch dafür gesorgt, dass alles aus dem Weg geräumt wird, was der Rendite der Privaten im Weg stand. Ich gestehe Ihnen gern zu, dass Sie einen Vertrag vorgefunden haben, der katastrophal war. Aber Sie haben sich in allen Schritten und Etappen nicht für die Interessen der Bürgerinnen und Bürger eingesetzt, sondern für Sie standen immer nur die Vertragspartner im Vordergrund. Das ist keine Politik für Berlin.

[Beifall bei den Grünen]

Auch wenn Sie heute groß von Rekommunalisierung fantasieren, dann wissen wir doch alle, dass die Privaten nach dem und nach Ihren Handlungen überhaupt kein Interesse am Verkauf haben. Sie haben doch die Braut erst geschmückt und so teuer gemacht, dass heute kaum noch jemand darüber nachdenkt. Sie haben doch beim Nachbessern des Teilprivatisierungsgesetzes dafür gesorgt, dass wir keinen Hebel haben.

[Martina Michels (Linksfraktion): Purer Unsinn!]

Sie haben mit Anschluss- und Benutzerzwang gegen den Willen der SPD einen Hebel aus der Hand gegeben und verhindert, dass Verbraucherinnen und Verbraucher eine Gegenmacht entfalten können. Das war Ihr Werk, dafür haben Sie die Verantwortung zu tragen und können sich

auch mit Ihren Rekommunalisierungsfantasien nicht aus der Verantwortung stehlen.

[Beifall bei den Grünen]

Jeder – da gebe ich dem Kollegen Müller ausdrücklich recht –, der heute über Rückkauf nachdenkt, wird sich an einem Maßstab messen lassen müssen: Man kann über einen Rückkauf nur nachdenken, wenn nach der Finanzierung eines Kaufpreises noch so viel Volumen im Unternehmen übrigbleibt, dass Gebühren gesenkt werden können und eine ökologisch vernünftige Wasserpolitik hier im Lande durchgeführt werden kann.

[Beifall bei den Grünen]

Diese Aufgabe haben Sie, Herr Wolf, mit Ihrem Kurs erschwert, und das werden wir den Berlinerinnen und Berlinern immer wieder sagen. Sie sind genauso dafür verantwortlich, dass der Karren so in den Dreck gefahren wurde.

[Gernot Klemm (Linksfraktion): Lügner!]

Sie haben alle Chancen vergeigt, die es für das Land Berlin gegeben hat, da vernünftig rauszukommen. Deshalb sind Sie genauso für die hohen Wasserpreise verantwortlich. Es wird Sie auch nicht retten, dass Sie jetzt zum Bundeskartellamt laufen und versuchen, jemand anderen Ihre Geschäfte machen zu lassen. Das ist eine Bankrotterklärung für eigene Handlungsfähigkeit. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen – Gernot Klemm (Linksfraktion): Pfui Teufel, Sie Lügner!]

Meine Damen und Herren! Der Begriff Lügner ist eine Schmähkritik und nicht parlamentarisch. Deshalb, Herr Kollege Klemm, rufe ich Sie zur Ordnung. – Jetzt hat der Kollege Meyer, der Vorsitzende der FDP-Fraktion, das Wort. – Bitte schön!

Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Die rot-rote Koalition ist sich – das erfahren wir seit mehreren Monaten – nicht mehr in sehr vielen Punkten einig außer in einem – da geht es nach wie vor in dieselbe Richtung –, nämlich im Überbieten und Wetteifern um immer neue Verstaatlichungshirngespinste.

[Beifall bei der FDP]

Wenig erstaunlich ist – das haben wir eben beim Kollegen Ratzmann auch wieder mitbekommen –: Im Zickzackkurs sind die Grünen irgendwie dabei, und die Berliner CDU – ordnungspolitisch mittlerweile komplett entkernt – läuft als schwarzlackierter Dackel dem neuen Frauchen Renate Künast hinterher.

[Beifall bei der FDP – Gelächter bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir wollen heute vom Senat wissen: Welche Strategie verfolgen Sie in den nächsten elf Monaten im Bereich der Beteiligungen? Was ist mit dem Rückkauf der Wasserbetriebe? Wollen Sie den Wiedereinstieg bei den Strom- und Fernwärmenetzen? Was ist mit dem Kauf der S-Bahn? Verfolgen Sie den Kauf von Teilen des BIHWohnungsbestandes? Das Schlimme: Bei all diesen Vorhaben geht es dem Senat nicht um die Entlastung der Berliner, sondern darum, mehr Geld von den Bürgern abzukassieren. Das ist für uns nicht hinnehmbar.

[Beifall bei der FDP]

Nehmen wir das Beispiel Wasserbetriebe. Wir haben es mit einer unseligen Melange zu tun, einer Mischung aus christsozialistischer wirtschaftlicher Inkompetenz in der CDU, scheinheiliger rot-roter Preistreiberei und linksideologischen Rekommunalisierungsfantasien. Es ist bezeichnend, Herr Henkel, dass die CDU als einzige Fraktion nicht das Thema Wasser für die Aktuelle Stunde ausgewählt hat. Die elementare Verantwortung für die katastrophalen Teilprivatisierungsverträge und die überteuerten Wasserpreise tragen der Diepgen-Senat und die Berliner CDU.

[Beifall bei der FDP]