Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

[Gelächter von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Ich möchte mich deshalb an diesem Reigen der Gesamtdarstellungen auch überhaupt nicht beteiligen, sondern durchaus in medias res gehen und mir zum Beispiel wie Herr Schneider vorstellen, das Bezirksamt Mitte mit der geschätzten Frau Dubrau und dem geschätzten Herrn Zeller hätte das Sagen gehabt. Die Frage haben Sie ja aufgeworfen, Herr Schneider! Dann hätten wir in der Tat

[Christian Gaebler (SPD): Das teuerste Hundeklo der Welt!]

keine Bebauung auf dem Spreedreieck. Wir hätten städtebaulich eine Öffnung dieser Schlucht der Friedrichstraße zur Spree hin und von der anderen Spreeseite, von der Weidendammbrücke her einen ungehinderten Blick auf den heute verstellten und dadurch irgendwo auch zusammengestauchten Bahnhof. Ich stelle erst einmal fest: Auch dieses ist eine städtebauliche Lösung, für die es gute Gründe gibt. Und jeder, der heute an die Ecke geht und das Gebäude anschaut, was dort steht, in seiner Dunkelheit und wie es den Tränenpalast und den Bahnhof erdrückt, kann beurteilen, ob das nicht sehr wohl eine gute Alternative gewesen wäre.

[Beifall bei den Grünen]

Dann hätte man – anders als der Senat aus CDU und SPD – in der Tat auf ein Tauschgeschäft, Naturaltauschgeschäft mit den Erben verzichten und stattdessen zum Erhalt des Deutschen Theaters Geld in die Hand nehmen müssen. Das wäre das Unproblematischste gewesen. Die Erben hatten seit März 2000 einen Vertrag mit dem Investor Müller-Spreer, weil sie den Grundstückstausch, den Berlin andachte, schließlich in Geld umrubeln wollten, um sich selbst in dieser Erbengemeinschaft aus Banken und Privatpersonen auseinandersetzen zu können. Und dort haben sie ihren Restitutionsanspruch praktisch auch beziffert – 15,7 Millionen Euro oder 31 Millionen DM. Das war ihre Forderung.

Da sage ich Ihnen, auf der Dubrau-Zeller-Linie hätten wir 15,7 Millionen Euro aus dem Haushalt an die Erben als Entschädigungsanspruch gezahlt und durch Einsparungen an anderer Stelle oder durch andere Vermögensaktivierungen gegenfinanziert. Das wäre die Handlungsalternative gewesen. Dann haben Sie folgendes Ergebnis: Sie haben einerseits ein Deutsches Theater, das Ihnen nicht wirklich gehörte, erworben und andererseits die 15,7 Millionen Euro, die dafür verlangt wurden, gezahlt. Da ist der Saldo null. Sie haben keinen Gewinn und keinen Verlust, und Sie haben Ihren politischen Zweck erfüllt. Wenn Sie so vorgegangen wären, meine Damen und Herren von CDU und SPD, dann hätte es die Folgegeschichte nicht gegeben.

Dann hätten Sie nicht 8,7 Millionen Euro Barentschädigung aufgrund der vertraglichen Konstruktionen, die im Untersuchungsbericht benannt worden sind, an Herrn Müller-Spreer zahlen müssen. Dann hätten Sie ihm nicht 3 Millionen Euro in Form von zusätzlichen Baurechten als Teil des Vergleichs geben müssen. Dann hätten Sie ihm nicht zwei zusätzliche Flurstücke entlang der Friedrichstraße 242 und 243 kostenlos geben müssen. Dann hätten Sie nicht später noch einmal 3 000 Quadratmeter im Wert von 3,6 Millionen Euro durch die Bausenatorin verschenken können. Dann hätten Sie keinen rechtswidrigen Bebauungsplan aufgestellt und nicht der GVG, die Herr Schneider in ihrem Charakter beschrieben hat, 4 Millionen Euro zur Klageabwendung geben müssen. Dann hätten Sie nicht 20 Millionen Euro des Steuerzahlers in den Sand setzen müssen. So schlau wäre der Bezirk Mitte gewesen, wenn er das Sagen gehabt hätte, statt der Herren, die von Diepgen bis Wowereit Senate geführt haben.

[Beifall bei den Grünen]

Entschuldigung, Herr Abgeordneter Esser! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Köhler?

Nein! An der Stelle wirklich nicht, weil ich finde, Herr Dr. Köhler sollte dann seinerseits vielleicht mal nachbessern am Bericht, den Sie tragen und wir nicht, und voll

ständig die angeblich sinnlosen – wie Sie gesagt haben – Zeugenerhebungen zur Darstellung bringen. Es sind nur so wenig Zitate in Ihrem Bericht enthalten, weil Sie nur diejenigen gebracht haben, die Ihnen gepasst, und alles, was kritisch ist und für die SPD ein Problem darstellt, weggelassen haben. Deswegen sind es so wenige. Wenn andere Leute diesen Bericht schreiben würden und könnten, dann sähe das ganz anders aus. Ich finde, der Untersuchungsbericht war keine gute Leistung und ist kein guter Grund für Zwischenfragen. – Entschuldigen Sie bitte!

Nun zur östlichen Seite der Friedrichstraße – weil Sie sagten, wie kann man da eine Wertminderung als Schaden annehmen: Da hätte man nicht, wie die damalige Finanzsenatorin Fugmann-Heesing, die wir heute bei den Wasserbetrieben bereits hatten, mit dem Bund im Jahr 1999, Festpreise für Grundstücke, die zwischen dem Bund und dem Land strittig waren, vereinbaren, dem Bund sein Geld auszahlen und selber dann auf den Wertminderungen sitzen bleiben dürfen. Wenn ich sage, dass man auf diese Weise hinter dem, was 1999 zwischen Ihnen, Frau Fugmann-Heesing, und Herrn Eichel ausgemacht war, im Endeffekt um knapp 10 Millionen Euro zurückgeblieben ist, dann hat man sich da verspekuliert und einen finanziellen Schaden von 10 Millionen Euro auf der anderen Straßenseite gemacht.

Was ist meine politische Zusammenfassung aus einer solchen Sache? – Herr Schneider! Sie haben die Leute, ob nun Müller-Spreer oder GVG, mit denen wir zu tun hatten – von mir aus auch den abgezockten Bund –, richtig beschrieben. Es hat sich gezeigt, dass dieser Senat und seine Verwaltungen der geänderten Situation nach der Wiedervereinigung und den viel abgezockteren und größeren Akteuren, mit denen eine Metropole wie Berlin seitdem zu tun hat, nicht gewachsen war. Deswegen, sage ich, ist es Zeit, dass das Land Berlin, das neue Berlin eine Regierung kriegt, die dem gewachsen ist,

[Uwe Doering (Linksfraktion): Die abgezockt ist!]

und wir alle miteinander lernen und besser werden.

[Christian Gaebler (SPD): Ihr seid doch schon so gut!]

Der Ärger, den ich bei der Abwehr von vergangenen Fehlern durch Rot-Rot habe, ist, dass jedes Lernen mit dem ehrlichen Zugeben von Fehlern, mit Selbstkritik beginnt, weil anderenfalls Fehler überhaupt nicht korrigiert werden können

[Beifall bei den Grünen]

und man dann die von Herrn Graf vorgetragenen oder in unserem Antrag niedergelegten Lehren nicht wirklich zieht.

Das wird heute zur Folge haben, dass das, was wir wenigstens als Kernbestandteile in unserem Beschluss niedergelegt haben, nachher keine Zustimmung findet. Damit gibt Rot-Rot aber das Signal auch in die Verwaltung hin

ein: Das ist alles nicht so schlimm. Macht weiter wie bisher!

Deshalb komme ich zum Schluss noch einmal zu Senatorin Junge-Reyer: Sie hat einen rechtswidrigen Bebauungsplan aufgestellt. Dafür trägt sie politisch und fachlich die Verantwortung. Das darf und sollte nicht passieren. Dieser Fehler hat uns 4 Millionen Euro gekostet. Die Bezirksverwaltungen haben teilweise immer noch nichts dazugelernt.

Herr Abgeordneter Esser! Kommen Sie zum Schluss!

Denn durch die gleichen Fehler sind – Sie können es in der Presse nachlesen – in der Zwischenzeit wieder drei Bebauungspläne für rechtswidrig erklärt worden. Wir möchten erreichen, dass wir uns alle zusammen auf den Weg machen und diese Dinge künftig besser handhaben. – Danke!

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Florian Graf (CDU) und von Jutta Matuschek (Linksfraktion)]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Esser! – Für die FDPFraktion hat jetzt Herr Abgeordneter von Lüdeke das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Alle, die das begleitet haben, haben eine zweijährige Arbeits- und Leidenszeit hinter sich. Deshalb möchte ich mich zunächst bei den Mitarbeitern des Hauses, aber auch der Fraktionen bedanken. Sie haben eine gewaltige Arbeitsleistung hinter sich gebracht.

[Allgemeiner Beifall]

Wenn Sie nach dem Ergebnis dieser Leistung fragen, kann ich zusammenfassend sagen: Wir haben in diesem Untersuchungsausschuss alle sehr viel gelernt. Die Hoffnung, die sich daran anschließt, ist, dass wir aus den Lehren auch die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Da fehlt mir leider momentan noch ein wenig der Glaube. Ich hoffe, dass die Koalitionsfraktionen sich besinnen und tatsächlich das Gelernte konsequent umsetzt.

[Beifall bei der FDP]

Es wurde eine Vielzahl von Fehlern begangen. Wir brauchen es nicht zu vertiefen. Jeder, der sich ernsthaft dafür interessiert, darf gerne die Berichte darüber lesen. Ich habe gestern schon in der Pressekonferenz gesagt, dass der Kollege Esser zu Anfang eine Schadenstabelle aufgestellt hat, die Bestandteil der ersten von uns gegebenen Pressekonferenz war. Der Koalition ist es nicht gelungen,

uns davon zu überzeugen, dass diese Schadenstabelle keine Gültigkeit hat. Ich habe bis heute den Eindruck, dass das, was Herr Esser damals ausgerechnet hat, mit dem Ergebnis des Untersuchungsausschusses übereinstimmt. Das haben bereits meine Vorredner von der Opposition betont.

[Uwe Doering (Linksfraktion): So ein Zufall! Das heißt, das Ergebnis stand vorher schon fest. Besser kann man es nicht ausdrücken!]

Herr Doering! Sie durften vorhin reden. Jetzt rede ich. Sie brauchen sich nicht aufzuregen. Sie können aber auch nicht leugnen, dass andere, wie der Landesrechnungshof und Transparency International, auch gerechnet haben und zu Schäden gekommen sind. Tun Sie also nicht so – –

[Zuruf von Uwe Doering (Linksfraktion)]

Hören Sie auf zu blöken!

[Beifall bei der FDP – Uwe Doering (Linksfraktion): Das ist im Parlament erlaubt!]

Tun Sie nicht so, als sei hier kein Schaden für das Land entstanden und als sei das – wie Herr Sarrazin einmal gesagt hat – ein gutes Geschäft für das Land gewesen. Das ist dummes Zeug.

[Beifall bei der FDP]

Kommen wir zu den einzelnen Konsequenzen, die sich aus dem Untersuchungsausschuss ergeben: Wir mussten feststellen, dass jegliche Prüfung von Chancen und Risiken bei den Liegenschaften fehlte. Das haben wir an der Bewertung des Deutschen Theaters gesehen. Diese Unternehmensbewertung wurde von einem Mitarbeiter ausgeführt, der zum ersten Mal in seiner beruflichen Praxis eine Unternehmenswertermittlung vornehmen musste. Dass dieser Wert in die Diskussion einging und sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte des Spreedreiecks zog, ist erstaunlich.

[Beifall bei der FDP]

Darüber hinaus hat uns die Frage nach dem S-Bahneingang und den Tunnelanlagen immens beschäftigt. Jeder Blinde hätte sehen müssen, dass sich dort ein S-Bahneingang befindet und damit der Kaufvertrag nichtig ist, weil der Verkäufer nicht das Versprochene liefern konnte. So viele juristische Kenntnisse bringt wohl jeder mit, um das von vornherein zu wissen. Deshalb fordern wir eine Due-Diligence-Prüfung für alle Verkaufsobjekte des Landes. Wir können darüber diskutieren, ab welcher Höhe man das tut, aber wir brauchen eine Offenlegung der möglichen Chancen und Risiken. Ohne das geht es nicht. Die mangelnde Sorgfalt, die in den Verwaltungen herrschte, die fehlende Kommunikation und Leitung dürfen sich keinesfalls wiederholen. Das muss die Schlussfolgerung aus diesem Untersuchungsausschuss sein.

[Beifall bei der FDP]

Eine weitere Schlussfolgerung muss sein, dass sich das Land nie wieder derartig selbst unter Druck setzen darf: Ein dreiseitiger Vertrag wurde geschlossen, Baurecht im

Übertragungsvertrag zugesichert, die S-Bahntunnel nicht ausreichend formuliert, Baurecht im Zusatzvertrag zugesichert, Zeitdruck durch eine Terminierung mit einer bestandkräftigen Baugenehmigung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt – in diesem Fall der 30. September 2006 – aufgebaut. Durch diesen Druck, bestimmte Vereinbarungen einhalten zu müssen, konnte das Land gewissermaßen nur noch heilend arbeiten. Zur Vermeidung unnötiger Rechtsrisiken für das Land bei der Vertragsgestaltung brauchen wir klare Vereinbarungen, die jede Art der Risikoübernahme ausschließen.

[Beifall bei der FDP]

Zum Punkt Bauleitplanung: Es fehlte von Beginn an eine sichtbare Vision. Herr Esser sagte, wie das heute aussieht. Wir haben sicher alle ähnliche Eindrücke. Die Planung wurde ohne eine Gegenkontrolle an die BSM übertragen. Das darf es künftig ebenfalls nicht mehr geben. Natürlich kann man so etwas extern vergeben, aber man muss es auch kontrollieren. Wenn es Aufwüchse bei der Aufstellung des B-Plans von 12 000 Quadratmetern ursprünglich auf 20 860 Quadratmeter im realisierten Zustand gibt, dann muss man daraus den Schluss ziehen, dass das nie mehr vorkommen darf. Deshalb fordern wir, dass die Bebaubarkeit vor der Vermarktung von Grundstücken definiert werden muss. Wir brauchen vorher und nicht hinterher Angaben zur Bebaubarkeit. Wir dürfen uns nicht mehr diesem Zugzwang aussetzen, Baugenehmigungen zu erteilen und Bebaubarkeiten durchzusetzen, nur weil eine Institution einen Verkauf getätigt hat und Verpflichtungen für das Land eingegangen ist.

[Beifall bei der FDP]

Wir brauchen bezüglich der Bauleitplanung auch eine Abwägung der Bauhöhen nach den Verhandlungen mit den tatsächlichen Gestalten vor Ort, z. B. über versetzte Baukörper. Das darf nicht hinterher wieder abgeräumt werden. Stetig gewachsene Baudichte wurde nirgendwo hinreichend begründet. Die nach wie vor bestehende öffentliche Straße wurde zwischendurch als Geh-, Fahr- und Leitungsrecht zugunsten der Allgemeinheit umgewidmet. Das war klarer Etikettenschwindel.