2004 wussten das sogar die Grünen – im Gegensatz zu dem Unfug, den Herr Ratzmann vorhin in der Begründung der Aktuellen Stunde herbeihalluzinierte. Aber nicht nur Herr Ratzmann, sondern auch Herr Henkel hat ein gestörtes Verhältnis zu den Tatsachen. Wie er sich am Tag der Veröffentlichung der Verträge saturiert in seinem Fraktionsvorsitzendensofa geräkelt und kopfschüttelnd den Erstaunten gespielt hat, war schon großes Laienkino. Lieber Herr Henkel, es ist schlechterdings unvorstellbar, dass Sie 1999 nicht mitbekommen haben wollen, was hier im Parlament verabschiedet worden ist, und dass Sie in
Schauen Sie sich noch einmal genau die Ergebnisse der namentlichen Abstimmung an! Sie werden feststellen, dass schon 1999 hier im Parlament all das prophezeit wurde, was sich jetzt bestätigt hat.
Ich kann es nur noch einmal wiederholen: Auch im Jahr 2003 haben wir alles zum Thema Teilprivatisierung in öffentlicher Sitzung und unter Bezugnahme auf die konkreten Inhalte und Konsequenzen von Gesetz und Verträgen detailliert diskutiert. Ich erinnere mich gut, wie insbesondere der Kollege Esser sehr klar und zutreffend beschrieben hat, was aus den Verträgen von 1999 folgt, insbesondere aus der Tatsache, dass PDS und Grüne seinerzeit vor dem Verfassungsgerichtshof die gesetzlichen Tarifkalkulationsregeln zu Fall gebracht haben. Lieber Herr Henkel, die „taz“ ist schon zurückgerudert und bestätigt letztlich das, was ich sage! Es ist auch wahr: Mit dem, was wir 2003/2004 hier verabredet haben, ist die politische Steuerung, welche Anteile bei den Wasserkunden und welche Anteile bei den Steuerzahlern landen sollen, möglich geworden. Nichts ist daran falsch. Widerlegen Sie das! Hier ist die Gelegenheit. Sie können es im Anschluss ja noch mal probieren.
Wer jetzt plötzlich die Backen aufbläst und brüllt: „Unglaublich, wenn wir das alles gewusst hätten!“ –, der entzieht sich, lieber Kollege Henkel, der eigenen Verantwortung oder leistet, wie Kollegin Pop und der Kollege Ratzmann, Beihilfe bei der Verschleierung von Verantwortung und Fakten. Ich glaube, das ist Ausdruck der augenblicklichen schwarz-grünen Liebeleien und Avancen.
Auf „Radio Eins“ habe ich heute Morgen in der mitunter recht passenden Rubrik „Denkpause“ ein Bonmot gehört: „Wer leicht rot wird, sollte beim Lügen Grün tragen“, rät der Modedesigner Yves Saint-Laurent.
[Beifall bei der Linksfraktion– Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von Michael Schäfer (Grüne)]
Haben Sie, lieber Herr Ratzmann, Ihre Rede schon vorab an „Radio Eins“ geschickt, oder war das einfach nur der weise Weltgeist?
Dass die Grünen hin und wieder etwas vergessen, daran haben wir uns hier inzwischen gewöhnt. Dass sie sich die Wirklichkeit immer gerade so zurechtlegen, wie es ihnen in den Kram passt, auch. Beides kann man sich in der
Opposition erlauben, es muss ja in der Regel nicht den Praxistest bestehen. Aber wer nicht müde wird, den Anspruch in die Welt zu posaunen, ab dem kommenden Jahr den Berliner Senat führen zu wollen, der muss sich schon fragen lassen: Mit welcher Position wollen eigentlich Sie den Privaten in möglichen Neuverhandlungen der Verträge gegenübertreten?
Ich will die Rede von Herrn Ratzmann vorhin noch mal vorexerzieren. Wenn Sie heute Harald Wolf für die Teilprivatisierung verantwortlich machen, dann behaupten Sie im Kern doch Folgendes – erstens: Es hätte im Jahr 2003 die Möglichkeit gegeben, aus den Verträgen auszusteigen. Das ist – das wissen Sie ganz genau – Quatsch, denn die bittere Wahrheit und der Skandal der 1999er-Verträge bestehen gerade darin, dass nahezu alle Schritte des Landes, um die Rendite der Privaten zu schmälern, ausgleichspflichtig sind. § 23 Absatz 7 des Konsortialvertrags, nachlesbar im Internet, wurde genau deshalb in letzter Sekunde noch eingefügt, um das Geschäft nach der Klage von PDS und Grünen zu retten und die 3,1 Milliarden DM noch im Haushalt 1998 kassenwirksam zu machen. Das alles wollen Sie inzwischen vergessen haben?
Zweitens: Der Vorwurf, der rot-rote Senat sei für die hohen Wasserpreise verantwortlich, besagt doch de facto, man solle besser die Verzinsung senken und den Privaten dafür einen Ausgleich aus den Gewinnanteilen des Landes Berlin oder gar aus dem Haushalt zahlen, was im Übrigen bedeutet, Berlin soll gleich doppelt verzichten, einmal auf eigene Ansprüche und zweitens durch die Befriedigung der Ansprüche von Privaten. Also: Der Senat hätte, anstatt die Wasserpreise wie 1999 vereinbart zu kalkulieren, den Landeshaushalt belasten sollen. Statt der Wasserkunden sollen die Steuerzahler zahlen. – Lieber Herr Henkel! Das ist nicht die Kasse von Herrn Wolf. Gucken Sie sich doch mal seinen Anzug an!
[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Martina Michels (Linksfraktion): Richtig!]
Gerade die CDU wird ja nicht müde, jeden Tag eine neue Idee zu entwickeln, wo wir das Geld hinpulvern sollen. Ja, wo leben wir denn?
Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass Verhandlungen zwischen den Grünen und den Privaten ausgesprochen kurze Verhandlungen werden würden, weil ihnen die
privaten Investoren um den Hals fallen würden. Die würden sagen: Spitze! Mehr wollten wir doch überhaupt nicht. Sichert uns unsere Gewinne, und wir sind vollauf zufrieden! – Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, meine Damen und Herren von den Grünen!
Das ist doch keine Verhandlungsposition, das ist schlicht und ergreifend der Vollzug dessen, was die große Koalition beim Abschluss der Verträge im Kopf hatte und was damals üblich war: die Sicherung privater Rendite auf Kosten der Steuerzahler.
[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der FDP – Zurufe von der Linkspartei: Genau! – Volker Ratzmann (Grüne): Und Sie wollen einen verfassungswidrigen Haushalt!]
Zumal es gerade die Grünen und im Übrigen auch die CDU waren, die zu Beginn der ersten rot-roten Legislatur den Landesetat beklagt haben, weil die Nettoneuverschuldung zu hoch, die Einnahmen zu niedrig und die Ausgaben zu hoch seien. So sieht also grüne Haushaltskonsolidierung aus.
Das finde ich spannend. Sagen Sie das nur laut, damit die Berlinerinnen und Berliner wissen, woran Sie mit Ihnen wären.
Ein bekannter Politiker unserer Stadt hat jüngst so plastisch gesagt: „Bevor man den Fisch schlachten kann, muss man ihn erst mal an Bord hieven.“ – Anstatt schon munter die Senatspöstchen unter ihren Parteimitgliedern zu verteilen, sollten Sie hier mal klar sagen, was eigentlich Ihre Zukunftsperspektive für die Berliner Wasserbetriebe ist. Was da bisher kam, hat nämlich den Nährwert einer Reiswaffel. Wir Linken haben seit zwölf Jahren eine konsistente Position in dieser Frage,
und wir haben es auch nicht nötig, uns in inhaltsleerer grüner Manier bei den Berlinerinnen und Berlinern anzubiedern und einzuschleimen, die zu Recht über die Folgen der Teilprivatisierung wütend sind.
Was sind eigentlich Ihre Vorschläge? – Ich kenne keine. Während Sie schwadronieren, handeln wir. Das Kartellverfahren zu den Berliner Wasserpreisen ist die einzige Möglichkeit, Druckpotenzial aufzubauen, um einer Neuverhandlung der Verträge oder einem Rückkauf der Anteile näherzukommen,
denn die Investoren kalkulieren den Wert ihrer Unternehmensbeteiligung nach den zu erwartenden Gewinnen, Herr Ratzmann, den Gewinnen, die Sie ihnen belassen wollen. Wir dagegen wollen, dass beide Seiten, die Privaten und das Land Berlin, in gleicher Weise auf Gewinnausschüttungen verzichten müssen. Wir haben das Ziel, die 1999er-Teilprivatisierung nicht zum Dauerzustand zu machen – wie die Grünen –, sondern zu beenden, so oder so.
Das geht nur, indem wir die Gewinnerwartungen der Privaten dämpfen, denn RWE erzielt beispielsweise am Strommarkt deutlich andere Margen, und es muss darum gehen, das Berliner Finanzinvestment für die Konzernlenker weniger attraktiv zu machen, als es derzeit dank der großen Koalition der Fall ist.
Liebe Grüne! Was ist Ihr Plan? Glauben Sie allen Ernstes, ein bisschen nett plaudern würde dazu führen, dass die Privaten auf Gewinnanteile verzichten? Verwechseln Sie die beiden Global Players nicht vielleicht mit einem Wohlfahrtsverband? Sie stehen doch mit leeren Händen da. Außer Renate Künast haben Sie doch gar nichts anzubieten.