Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

[Volker Ratzmann (Grüne): Mehr als alles, was Sie haben! – Weitere Zurufe von den Grünen]

Glauben Sie ernsthaft, die privaten Investoren wollen Renate Künast haben und würden im Tausch dafür den Berlinerinnen und Berliner etwas rüberreichen? Das ist doch ein Witz.

[Beifall bei der Linksfraktion – Zurufe von den Grünen]

Unser Ziel ist klar: Rekommunalisierung oder Vertragsneuverhandlungen sind kein Selbstzweck. Die Berliner Wasserbetriebe erbringen gute Leistungen für die Berlinerinnen und Berliner. Ihre Beschäftigten sind gut qualifiziert und motiviert. Sie leisten täglich viel, damit Trinkwasser bester Qualität aus unserem Hahn kommt und unsere Abwässer das Ökosystem nicht schädigen. Das können wir hier vielleicht auch noch mal festhalten.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Was würde ein von der Linken mitregiertes Berlin von einer Rekommunalisierung zu erwarten haben? – Unser Ziel ist die Anerkennung und Entwicklung der guten Tarifverträge, eine ordentliche Mitbestimmung, Neueinstellungen zur Sicherung der Arbeit und zur Weitergabe des bei den Beschäftigten konzentrierten Wissens. Wir wollen neue Diskussionen führen, wie statt einer Fremdvergabe wichtige Aufgaben auch im Unternehmen selbst erbracht werden können, indem wir Kostendruck rausnehmen. Die BWB müssen als lokales, eigenständiges Unternehmen gesichert und erhalten, demokratisch kontrolliert und transparent geführt werden. Wir wollen den Einsatz für Forschung und Entwicklung erhöhen und

neue, zukunftsfähige Lösungen für die Wasserwirtschaft fördern. Die BWB sollen sich im Rahmen der Initiative Mehrwert engagieren und damit auch Projekte für eine soziale Stadt Berlin noch stärker als bisher fördern. Schließlich wollen wir, dass die Einnahmen des Unternehmens – im Vergleich zu heute möglichst geringere Preise – im Land bleiben und den Berlinerinnen und Berlinern zugute kommen, anstatt an den Kapitalmärkten erneut auf Wanderschaft zu gehen. Daran nichts zu ändern, die Gewinne der Privaten unangetastet zu lassen und den Berlinerinnen und Berlinern stattdessen Verzicht und Anstrengung zu predigen, das – spätestens seit heute liegt es offen zutage – ist grüne Politik, Politik zulasten aller Berlinerinnen und Berliner. Erschütternd, wie geschichtsvergessen, verlogen und ideenlos Sie sich heute präsentiert haben! – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Martina Michels (Linksfraktion): Bravo!]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lederer! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Abgeordnete Kosche das Wort.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte nicht gedacht, dass der Karneval heute so doll reinhaut, Herr Henkel und Herr Lederer!

[Martina Michels (Linksfraktion): Haben Sie doch eröffnet!]

Ich bin ganz erstaunt.

Es musste ein jahrelanger Druck aufgebaut werden, und man brauchte viele Instrumente, damit endlich die Veröffentlichung der Wasserverträge durch den Senat zustande kam. Es mussten knapp 290 000 Stimmen, genau genommen 287 887, für das Volksbegehren des „Berliner Wassertisches“ gesammelt werden.

[Zuruf von Gregor Hoffmann (CDU)]

Es musste weiterhin eine Veröffentlichung des Vertragswerks durch die Tageszeitung „taz“ erfolgen, und wir brauchten eine Novelle des IFG, durch die grüne Fraktion angeschoben und hier im Parlament im Sommer beschlossen.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Dabei wird deutlich: Die Berlinerinnen und Berliner wollen das kostbare Gut Wasser nicht verkauft sehen, und sie wollen schon gar nicht, dass sie nicht wissen dürfen, zu welchen Bedingungen sie ihre Wasserbetriebe losgeworden sind. Geheimverträge sind out, ob hier in Berlin oder im Bund bei den Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke, Herr Henkel!

[Beifall bei den Grünen]

Bis zur Fünften Änderungsvereinbarung des Konsortialvertrags konnte gelten, dass das Vertragswerk politisch von den Sozialdemokraten und der CDU allein zu verantworten war. Mit der Fünften Änderungsvereinbarung aber ist das Wenige, was Grüne und PDS damals aus dem Raubzug herausklagen konnten, mit anderen Instrumenten wieder drin – leider! Diese Veränderung ist deshalb in den letzten Tagen in der Öffentlichkeit so sehr debattiert worden, weil hier zum ersten Mal ein Gegner der Teilprivatisierung das Vertragswerk mitgestaltet, es sozusagen verfeinert hat. Was ist alles geregelt worden in der Fünften Veränderungsvereinbarung? – Es beruht auf dem berüchtigten § 23 Abs. 7 Konsortialvertrag, dass das Land Nachteile auszugleichen hat. Da gibt es die neue Abschreibungsregelung auf Wiederbeschaffungszeitwerte, die Verzinsungsformel, alles Instrumente, die den Wasserpreis regeln. Es reicht hier aber nicht aus zu sagen, Herr Senator: Wir hatten keine andere Wahl. Die hätten ja sonst geklagt. – Ja, hätten die doch mal klagen sollen! Das hätte die Öffentlichkeit interessiert, wenn vor Gericht aufgezählt worden wäre in Euro und Cent, wie viel Geld es extra gegeben hat oder extra hätte geben sollen. Ich klage all diejenigen an, die der Fünften Veränderungsvereinbarung des Konsortialvertrags im Parlament zugestimmt haben, dass Sie § 23 Abs. 7 Konsortialvertrag, einem privatrechtlichen Vertrag, über das Urteil des Berliner Landesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1999 gestellt haben – und damit über die Verfassung von Berlin.

[Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne): Hört, hört!]

Mit der Fünften Veränderungsvereinbarung haben Sie das, was nach der Berliner Verfassung eigentlich nicht umgesetzt werden sollte, umgesetzt. Das Gericht hat nämlich nicht gesagt: Nennen Sie es anders, packen Sie es in ein anderes Gesetz und setzen Sie es dann um. – sondern: Keine Belohung durch Effizienzsteigerungsklauseln, weil Effizienzstreben selbstverständlich ist, und keine Zusatzverzinsung der Verzinsung einfach so.

Aber da ist noch etwas, das in keiner Vereinbarung der Verträge steht, so viel ich auch heute Nacht danach gesucht habe: das Instrument der Nachkalkulation. Volker Ratzmann hat es vorhin erwähnt. In der Novellierung des Berliner Betriebe-Gesetzes im Jahr 2007 wurde auf Wunsch der Wirtschaftsverwaltung die progressive beziehungsweise degressive Tarifgestaltung festgeschrieben, das heißt, die Wasserpreise sinken oder steigen je nach Ausgaben. Wenn es überhaupt jemals ein unternehmerisches Risiko in diesem Deal gegeben hat, dann war es damit weg. Hat man sich verkalkuliert, egal, denn immer zahlt der Wasserkunde. Seit 2007 ist weniger Wasser verkauft worden – dieser Trend ist Ihnen bekannt, Herr Wolf – als in den Wassertarifen der letzten Jahre eingepreist war. Somit steht den Berlinerinnen und Berlinern wohl wieder eine kräftige Wasserpreiserhöhung ins Haus – oder? In den Verträgen, die seit gestern im Internet veröffentlicht sind, habe ich zu diesem Thema nichts gefunden, das ist nicht vertraglich geregelt worden. Diese Aktion, Herr Wolf, ist Ihre, die des Wirtschaftssenators ganz allein. Da ist nicht zu entscheiden gewesen zwischen Pest und Cholera. Diese Steigerung der Wasserpreise –

ich vermute, es werden gut 4 Prozent werden – geht allein auf Ihr Konto, natürlich gemeinsam beschlossen durch die Koalition von SPD und Linken.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Er erklärt es dann noch einmal!]

Nun wollen Sie heute auch noch einmal über das IFG und die IFG-Novelle sprechen, die die Grünen und die Koalitionsfraktionen in diesem Sommer beschlossen haben. Ja, wir stehen nach wie vor dazu, dass es solche Verträge wie die geheimen Wasserverträge in der Zukunft nicht mehr geben darf – vor allem nicht in der Daseinsvorsorge und bei Monopolen.

[Beifall bei den Grünen]

Damals habe ich bereits gesagt, dass wir uns mehr gewünscht hätten. Jetzt ist es für fünf Bereiche geregelt: Wasser, Gesundheit und anderes. Was aber zentral in der IFG-Novelle fehlt, ist die Wohnungswirtschaft, liebe SPD. Das sehen wir gerade aktuell wieder bei den Themen Spreedreieck und HOWOGE.

[Beifall bei den Grünen – Christian Gaebler (SPD): Was hat denn das Spreedreieck damit zu tun?]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kosche! – Für die FDPFraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Schmidt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Veröffentlichung der Wasserverträge sind eine gute Sache, die wir vor allem dem „Wassertisch“ zu verdanken haben. Es war eben nicht nur, Herr Jahnke, eine Nettigkeit des Senats.

[Beifall bei der FDP]

Wer in Zukunft Verträge über die öffentliche Versorgung mit dem Land Berlin schließt, der muss sich auch der öffentlichen Diskussion und der Transparenz stellen. Das fordert auch die FDP-Fraktion.

[Beifall bei der FDP]

Die Veröffentlichung ist aber kein Selbstzweck, sondern wir wollen daran aufarbeiten, welche Fehler passiert sind, damit sie nicht wieder geschehen. Die erste Stufe ist der schwarz-rote Vertrag zulasten der Bürger. Herr Henkel, den haben Sie eben vergessen. Sie haben eben auf die zweite Stufe abgestellt, darauf, was Rot-Rot falsch gemacht hat. Aber CDU und SPD haben damals einen Vertrag zulasten der Bürger geschlossen. Sie haben darin alles geregelt: Investitionen, Arbeitsplatzsicherung, fette Renditen für die Privatinvestoren, gute Renditen für das Land Berlin, ordentlicher Kaufpreis. Die Rechnungen, die sich dann aus all diesen Forderungen ergeben haben, haben sie dann in Form zu hoher Wasserpreise einfach den Bürgern präsentiert.

Wir alle zahlen zuviel für das Wasser. Das war auch durchaus die Absicht des Vertrages. Es handelte sich nicht nur um Inkompetenz oder einen ordnungspolitischen Irrlauf, es war zum Teil auch Vorsatz. Das zeigt diese Garantieklausel. Man schreibt doch nicht eine solche Klausel einfach so in den Vertrag, dass das Land Berlin einspringen muss, wenn die Dinge vom Gericht für rechtswidrig erklärt werden. Es war Ihnen ganz bewusst, was da passieren konnte. Sie haben es deshalb vorsätzlich hineingeschrieben, Sie haben gewusst, dass Sie damit die Bürger schädigen.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Michael Schäfer (Grüne)]

Beteiligt daran waren Frau Fugmann-Heesing von der SPD als Finanzsenatorin – ich weiß nicht, wie Sie es heute sehen, wenn Sie von hinten aus dem Saal auf die Historie blicken – und Herr Branoner von der CDU als Wirtschaftssenator. Deshalb, Herr Henkel – Sie haben im „Tagesspiegel“ gefordert, Rot-Rot möge für niedrigere Wasserpreise sorgen –: Ihr CDU-Parteifreund Branoner hat diesen Vertrag gestaltet, Ihr CDU-Parteifreund Diepgen hat die Stadt regiert: Statt heute solche Forderungen zu stellen, sollten Sie sich dafür entschuldigen, was Ihre Partei dieser Stadt angetan hat!

[Beifall bei der FDP, den Grünen und der Linksfraktion – Beifall von Frank Jahnke (SPD)]

Wir kommen zur zweiten Stufe: Rot-Rot, die waren auch nicht harmlos. Der rot-rote Senat hat sich nämlich freudig weiter an der Abzocke aus den Wasserentgelten beteiligt. Nachdem die erhöhte Verzinsung für rechtswidrig erklärt worden war, wurde zwar formal das Teilprivatisierungsgesetz geändert und dort die Mindestverzinsung, die skandalöse Klausel mit den Garantien blieb jedoch unangetastet und wurde durch Änderungen – Frau Kosche hat darauf hingewiesen – des Konsortialvertrages noch einmal bestätigt. Das Geld floss genauso weiter wie zuvor.

Mein Fraktionskollege Meyer hat abgefragt, wie hoch der Unterschied zwischen der Mindestverzinsung nach dem Berliner Betriebe-Gesetz und der Verzinsung der Wasserbetriebe ist. Im Jahr 2010 sind das allein 83,7 Millionen Euro. Das sind die Beträge, die die Bürger zahlen, weil der Vertrag nicht ordentlich nachverhandelt worden ist.

[Beifall bei der FDP]

Jetzt haben Sie, Senator Wolf, noch etwas gemacht. Sie haben die Verzinsung so hoch getrieben, dass die Privatinvestoren ihre Ausschüttung bekommen, damit das Land Berlin nicht „nachschießen“ muss. Das Land Berlin hat genau das Gleiche mitkassiert. Für jeden Euro, den Veolia und RWE zuviel verdienen, verdient auch das Land Berlin einen Euro zuviel.

Herr Jahnke hat gesagt, man möge den Staat nicht mit Privatleuten vergleichen. Ich mache es trotzdem. Es ist so, als beobachteten Sie einen Raubüberfall und anstatt ihn zu stoppen, gehen Sie mit und greifen parallel in die Kasse. Genau das hat der rot-rote Senat gemacht.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Sie haben nicht nur Investoren die Gewinne gesichert, sondern sich selbst noch eine dicke Scheibe dazu abgeschnitten. Ich weiß nicht, ob Ihnen, Herr Lederer, der Begriff von der „Raub- und Beutegemeinschaft“ des Landes Berlin und der Privatinvestoren nur so durchgerutscht ist, aber genau das ist die richtige Beschreibung.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Deshalb, Herr Wolf, ist es Hohn, wenn Sie sagen, dass Sie sich für niedrigere Gebühren einsetzen. Rot-Rot geht es nicht um niedrigere Wassergebühren, es geht vor allem um mehr Geld für den Senat. Rot-Rot tut nichts, um die Interessenverschränkung bei Senator Wolf zu beheben und Transparenz herzustellen. Es gibt noch mehr Stufen als Herr Henkel dargestellt hat. Zunächst einmal legt Senator Wolf die Verzinsung fest, dann berechnen die Wasserbetriebe die Tarife – mit Herrn Wolf im Aufsichtsrat –, danach genehmigt Herr Wolf die Tarife und wenn man sich beim Landeskartellamt beschwert, dann untersteht dieses auch wieder Herrn Wolf.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Somit ist alles komplett in einer Hand. Deshalb fordern wir als FDP-Fraktion Transparenz durch eine unabhängige Kommission, die die Wassertarife festlegt.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Dass es Ihnen vor allem um das Geld geht, hat auch Herr Müller zugegeben. Sie sind in der „taz“ damit zitiert worden, wenn man rekommunalisiere, sei es notwendig, dass sich die Refinanzierung des Kaufpreises durch zusätzliche Gewinne darstellen lasse. Sie haben heute noch einmal bestätigt, dass Sie die Wasserpreise nicht senken wollen.