Heidi Kosche

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Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Ich möchte hier besonders die Änderungen zur Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses begründen, denn der Schutz der Berlinerinnen und Berliner vor dem passiven Rauchen in Berlin ist mehr als mangelhaft. Auch die Situation der Menschen, die rauchen, ist in diesem Zusammenhang schlecht.
Wir haben den Änderungsantrag gestellt, in dem das Abgeordnetenhaus den Senat von Berlin auffordert, weitere Schritte zum Schutz vor Passivrauchen einzuleiten und dazu einen gesetzlichen Neuregelungsvorschlag zu machen.
Für die Menschen, die vor dem Passivrauchen geschützt werden möchten, sind die derzeitigen Regelungen durch das Gesetz, das verkürzt Nichtraucherschutzgesetz genannt wird und im Mai 2009 in diesem Haus verabschiedet wurde, überwiegend wirkungslos. Auch hier, Herr Regierender Bürgermeister,
musste Ihnen das Volk von Berlin sagen,
wie schlecht es Ihre Regelungen zum Gesundheitsschutz findet. Viele Tausend Menschen haben die Volksinitiative „Frische Luft für Berlin“ unterstützt und wollen ein besseres Gesetz und dadurch einen absoluten Schutz in den öffentlichen Räumen des Landes Berlin.
An dieser Stelle möchten wir uns auch als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dem Dank für die Initiative „Frische Luft“ anschließen und möchten besonders für ihr Engagement danken, denn wir haben kürzlich im Gesundheitsausschuss von dieser Initiative vorgetragen bekommen, wie viele Stunden sie nachts durch die Berliner Gaststätten, Kneipen und Discoszene gezogen sind,
um Unterschriften zu sammeln, aber auch, um sich vor Ort einen Eindruck von der Situation zu machen.
Das haben sie auch getan, um uns als Gesetzgeberin Argumente dafür zu geben, warum das Gesetz besser werden muss.
Wir möchten ein Gesetz, das keine Nebenraumregelung hat, denn die Giftstoffe aus den Nebenräumen kontaminieren sehr schnell alle Räume, auch den Hauptraum, in dem sich die Menschen aufhalten und sich darin sicher wähnen.
Sie alle hier wissen das, aber die Menschen, die sich in die Restaurants begeben, die Nebenräume haben, wissen das nicht. Wir finden das nach wie vor grob fahrlässig.
Das bedeutet auch, dass die Regelungen, die es für Shisha-Kneipen derzeit gibt, neu gefasst werden müssen, denn nur Shisha-Kneipen ohne Speisen und Getränke gibt es in diesem Land Berlin nirgendwo.
Das bedeutet auch, dass die Kleinkneipenregelungen verschwinden müssen, denn die Einzelpächter, diese sogenannten Einfamilienbetriebe oder wie immer sie genannt werden, haben Menschen angestellt, die auch den Schutz genießen dürfen, einen rauchfreien Arbeitsplatz zu haben.
Zwei Forderungen der Volksinitiative möchten wir gerne in einem neuen Nichtraucherschutzgesetz zusätzlich sehen: einmal das Rauchverbot auf allen öffentlichen Spielplätzen, besonders wegen möglicher Vergiftungsgefahr der Kinder, wenn sie Kippen in den Mund nehmen. Und wir möchten, dass im Eingangsbereich aller öffentlichen Gesundheitseinrichtungen das Rauchen untersagt wird. Bei dem letzten Punkt ist uns zusätzlich noch eines wichtig: Wir sind der Meinung, dass die Raucherinnen und Raucher mit Respekt behandelt werden müssen. Sie sollten sich in diesen Eingangsbereichen nicht immer so rumdrücken und da stehen müssen, sondern sie sollten da eine Gelegenheit bekommen, eine kleine Holzhütte oder irgendwas, damit sie sich da einfach aufhalten und mit Respekt behandelt werden.
All diese Änderungen wollen wir in einem neuen Gesetz sehen. Deswegen haben wir diesen Änderungsantrag hier heute eingebracht. – Danke Ihnen!
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vor knapp zwei Monaten haben mehr Menschen diesem rotroten Senat das Misstrauen ausgesprochen, als dieser Senat an Stimmen für seinen Regierungsauftrag hat. Der Volksentscheid zum Berliner Wasser hat das enorme Misstrauen der Berlinerinnen und Berliner gegenüber den Transparenzaussagen des rot-roten Senats deutlich gemacht. – Ich möchte die Zwischenfrage stellen, ob sich vom Senat mal jemand hierher bequemen und sich das anhören kann.
Die Berlinerinnen und Berliner wollen keine teilprivatisierten Wasserbetriebe. Sie wollen auch keine geheimen Verträge in der öffentlichen Daseinsvorsorge. Deswegen muss nach diesem überwältigenden Erfolg des Volksentscheids des Berliner Wassertisches die Zeit der rot-roten Geheimhaltungspolitik endlich vorbei sein.
Dazu unser Antrag! Dies betrifft besonders den aktuell einsetzenden Verkaufsprozess der 25 Prozent Anteile von RWE an den Berliner Wasserbetrieben, aber auch weitere Verhandlungen mit Veolia. Mit diesem Antrag meinen wir Grünen nicht, dass jedes einzelne Wort und jedes Treffen mit RWE mit einer Videokamera ins Internet gestellt werden sollen, wobei wir dagegen auch nichts hätten, Frau Kolat! Wenn Sie es jetzt tun, weil Sie sagen: Wir haben so viel Misstrauen erzeugt, wir machen das jetzt –, wären wir damit auch einverstanden. Sie sollten vielmehr an geeigneten Stellen des Verhandlungsprozesses die Berliner Bevölkerung informieren. Gegebenenfalls kann es auch sinnvoll sein, Alternativen vorher hier im Parlament vorzutragen und dazu Tagesordnungspunkte in öffentlichen Ausschusssitzungen anzuberaumen, sich zu beraten und dann mit diesem Ergebnis, gestärkt durch das Votum, weiterzuverhandeln. – Immer noch niemand da vom Senat!
Wir Grünen glauben nicht daran, dass ein gerechter Verkaufspreis nur im geheimen Kämmerlein entstehen kann. Auf den Verkaufspreis kommt es jetzt aber an, denn wir wollen die Wasserpreise senken und gleichzeitig die Investitionen in die Berliner Wasserbetriebe erhöhen und wenn möglich auch energetische Sanierungen tätigen. So und nur so ist unser Antrag zu verstehen. Dass die rot-rote Koalition nicht mal ernsthaft über dieses Anliegen unseres Antrags diskutiert hat, sondern ihn mit ihrer derzeitigen Mehrheit einfach im Ausschuss abschmettert, zeigt, dass Sie von der SPD und der Linken nichts verstanden haben.
Sie haben nichts gelernt aus Stuttgart 21 oder anderen Bürgerinitiativen.
Die Menschen in Berlin und anderswo wollen mitreden, mitentscheiden und mitmachen. Sie sind an diesem Punkt noch hinter Herrn Westerwelle zurück, der wenigstens sagt: Wir haben verstanden!
Wir Grüne können uns nur wünschen, dass Sie weiterhin viel von dieser Art Politik machen, richtig viel. Machen Sie weiter so bis September! Dann ist mit diesem Spuk hoffentlich Schluss.
Herr Lederer! Ich tu mir das gern an, auf Ihr seminaristisches Gerede einzugehen.
Ich sage Ihnen etwas zu Ihrem Transparenzverständnis: Sie behaupten, dass die Parlamentarier, die in den vorherigen Legislaturperioden hier gewesen sind, die Verträge einsehen konnten. Das ist eine Lüge, Herr Lederer! Ich sage Ihnen auch, warum – weil Sie das immer so gern wissen wollen. Denn das, was die Parlamentarier hatten, war nicht alles das, was vorlag, und das wissen Sie, weil im Internet mittlerweile viel mehr veröffentlicht worden ist, als vorher den Abgeordneten bekannt wurde.
Ich sage Ihnen auch noch eines, Herr Dr. Lederer – wenn Sie das gerne so haben wollen –:
Auch das ist noch nicht alles, was zu veröffentlichen ist.
Danke, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an den Finanzsenator, Herrn Nußbaum. – Herr Nußbaum! Ich würde gern von Ihnen etwas zum Rückkauf der Anteile der Berliner Wasserbetriebe hören. Ich möchte eine aktuelle Auskunft von Ihnen haben: Wie ist der aktuelle Verhandlungsstand mit der RWE? Gibt es ein schriftliches Verkaufsangebot oder irgendwelche anderen schriftlichen Bekundungen von RWE, dass sie bereit sind, ihre Anteile abzugeben?
Herr Senator! Ich habe Sie weder nach dem bunten Frühlingsstrauß gefragt noch nach Gesprächen, die Sie führen. Ich wollte das wissen, was der Kollege Wolf hier angekündigt hat, nämlich ob es ein schriftliches Verkaufsangebot gibt und ob Ihnen das vorliegt. Wenn das nicht vorliegt, ob Ihnen dann andere schriftliche Dinge dazu vorliegen. Das ist die ganz einfache, schlichte Frage.
Herr Präsident! Vorab möchte ich einer Bitte des „Berliner Wassertisches“ folgen.
Der „Berliner Wassertisch“ hat mich gebeten, seinen Dank an die Landesabstimmungsleiterin, Frau Dr. Michaelis-Merzbach, besonders dafür zu übermitteln, dass sie und ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stets freundlich und hilfsbereit als Ansprechpartner in diesem schwierigen Prozess des Volksentscheids zur Verfügung standen, und Frau Michaelis-Merzbach zu bitten, den vielen Helferinnen und Helfern vom Sonntag diesen Dank zu überbringen.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Volksentscheid zum Berliner Wasser hat das enorme Misstrauen der Berlinerinnen und Berliner zu den Transparenzaussagen des rot-roten Senats zum Ausdruck gebracht. Der Berliner Senat führt in der Broschüre zum
Volksentscheid, die wir alle bekommen haben, aus, der Volksentscheid sei überflüssig, es habe sich alles schon erledigt, es werde alles schon gemacht, man müsse zur Abstimmung gar nicht erst gehen. – Dann sagen knapp 666 000 Berlinerinnen und Berliner dieser rot-roten Regierung: Wir glauben euch das nicht. Herr Wowereit! Herr Wolf! Das haben Ihnen mehr Wählerinnen und Wähler gesagt, als Ihnen 2006 den Regierungsauftrag gegeben haben. Das ist eine eindeutige Vertrauenskrise, die sich hier auftut.
Zur Abstimmung stand der erste Schritt in der aktiven Auseinandersetzung um das Berliner Wasser. Diese Abstimmung aber ist kein Selbstzweck, sondern sie enthält auch einen Auftrag, dessen Einhaltung überwacht werden muss. Deswegen ist klar: Dieser Senat hat nicht das Vertrauen, allein die Rekommunalisierung des Berliner Wassers zu betreiben. Dieser Senat hat nicht das Vertrauen, allein die Offenlegung aller Vertragstexte, Nebenabreden und Absprachen zur Teilprivatisierung
der Berliner Wasserbetriebe zu betreiben. Er hat auch nicht das Vertrauen, allein die Personen zu bestimmen, die jetzt alles suchen und bewerten sollen.
Mehr Wählerinnen und Wähler als 2006 die derzeit amtierende Regierung ins Amt gewählt haben, haben am vergangenen Sonntag ein Transparenzgesetz zur Berliner Wasserwirtschaft verabschiedet. Die Berlinerinnen und Berliner durften abstimmen, weil die Bürgerinitiative „Berliner Wassertisch“ vier Jahre lang für dieses Anliegen gekämpft hat. Deswegen ist dieses Ergebnis auch ein großer Erfolg für die direkte Demokratie, die dieses Parlament gewollt und beschlossen hat.
Die Umsetzung der Rekommunalisierung des Berliner Wassers muss jetzt in konkrete Schritte überführt werden. Wir sind der Meinung, dass sie mit einer Bürgerbeteiligung überwacht werden müssen. Denn die Umsetzung dieses Auftrags vom Sonntag kann nicht allein denjenigen übertragen werden, denen zuvor das Misstrauen ausgesprochen worden ist.
Diese Aufgabe müssen dieses Parlament und die Zivilgesellschaft mit übernehmen.
Ich möchte noch kurz auf Herrn Lederer eingehen. – Herr Lederer! Ich sage es ganz offen: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.
Ich sage es Ihnen jetzt. Wir haben als Partei zum letzten Mal am 19. Januar 2011 beschlossen, dass wir alle hinter diesem Volksentscheid stehen. Der Parteitagsbeschluss steht auf unserer Homepage.
Das ist eine andere Frage.
Aber wir haben es beschlossen, und Sie haben behauptet, wir hätten es nicht beschlossen.
Von 2006 bis 2009, in der Zeit als Barbara Oesterheld im Landesvorstand war, haben wir das jedes Jahr beschlossen.
Danke schön! – Wir haben einen Antrag vorgelegt, den Sie nicht wollen. Bündnis 90/Die Grünen bitten darum, diesem dringlichen Antrag heute Ihre Zustimmung zu geben. – Ich danke Ihnen!
Danke, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an die Gesundheitssenatorin: Frau Senatorin! Wie die Öffentlichkeit aktuell und wiederholt erfahren konnte, sind bis mindestens Ende der 80er-Jahre Herzschrittmacher verwendet worden, die in ihren Batterien radioaktives Plutonium enthalten. Wie sichern Sie, Frau Senatorin, die Gesundheit der Berliner Bevölkerung davor, dass solche Herzschrittmacher gegebenenfalls eingeäschert, geschreddert oder sonst wie unsachgemäß entsorgt werden?
Frau Senatorin! Das betrifft nur die Gruppe der Menschen, die registriert sind. Das sind die 580, denen damals der Herzschrittmacher in Westdeutschland eingesetzt wurde. Es gibt eine große Gruppe von Menschen, die aus anderen Ländern zu uns reisen, hier leben und inzwischen sehr alt sind. Um die Gruppe geht es mir. Wie wollen Sie deren Gesundheit sicherstellen? Es gibt inzwischen massiven Protest an vielen Stellen. Das hat mit Investigation gar nichts zu tun.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte nicht gedacht, dass der Karneval heute so doll reinhaut, Herr Henkel und Herr Lederer!
Ich bin ganz erstaunt.
Es musste ein jahrelanger Druck aufgebaut werden, und man brauchte viele Instrumente, damit endlich die Veröffentlichung der Wasserverträge durch den Senat zustande kam. Es mussten knapp 290 000 Stimmen, genau genommen 287 887, für das Volksbegehren des „Berliner Wassertisches“ gesammelt werden.
Es musste weiterhin eine Veröffentlichung des Vertragswerks durch die Tageszeitung „taz“ erfolgen, und wir brauchten eine Novelle des IFG, durch die grüne Fraktion angeschoben und hier im Parlament im Sommer beschlossen.
Dabei wird deutlich: Die Berlinerinnen und Berliner wollen das kostbare Gut Wasser nicht verkauft sehen, und sie wollen schon gar nicht, dass sie nicht wissen dürfen, zu welchen Bedingungen sie ihre Wasserbetriebe losgeworden sind. Geheimverträge sind out, ob hier in Berlin oder im Bund bei den Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke, Herr Henkel!
Bis zur Fünften Änderungsvereinbarung des Konsortialvertrags konnte gelten, dass das Vertragswerk politisch von den Sozialdemokraten und der CDU allein zu verantworten war. Mit der Fünften Änderungsvereinbarung aber ist das Wenige, was Grüne und PDS damals aus dem Raubzug herausklagen konnten, mit anderen Instrumenten wieder drin – leider! Diese Veränderung ist deshalb in den letzten Tagen in der Öffentlichkeit so sehr debattiert worden, weil hier zum ersten Mal ein Gegner der Teilprivatisierung das Vertragswerk mitgestaltet, es sozusagen verfeinert hat. Was ist alles geregelt worden in der Fünften Veränderungsvereinbarung? – Es beruht auf dem berüchtigten § 23 Abs. 7 Konsortialvertrag, dass das Land Nachteile auszugleichen hat. Da gibt es die neue Abschreibungsregelung auf Wiederbeschaffungszeitwerte, die Verzinsungsformel, alles Instrumente, die den Wasserpreis regeln. Es reicht hier aber nicht aus zu sagen, Herr Senator: Wir hatten keine andere Wahl. Die hätten ja sonst geklagt. – Ja, hätten die doch mal klagen sollen! Das hätte die Öffentlichkeit interessiert, wenn vor Gericht aufgezählt worden wäre in Euro und Cent, wie viel Geld es extra gegeben hat oder extra hätte geben sollen. Ich klage all diejenigen an, die der Fünften Veränderungsvereinbarung des Konsortialvertrags im Parlament zugestimmt haben, dass Sie § 23 Abs. 7 Konsortialvertrag, einem privatrechtlichen Vertrag, über das Urteil des Berliner Landesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1999 gestellt haben – und damit über die Verfassung von Berlin.
Mit der Fünften Veränderungsvereinbarung haben Sie das, was nach der Berliner Verfassung eigentlich nicht umgesetzt werden sollte, umgesetzt. Das Gericht hat nämlich nicht gesagt: Nennen Sie es anders, packen Sie es in ein anderes Gesetz und setzen Sie es dann um. – sondern: Keine Belohung durch Effizienzsteigerungsklauseln, weil Effizienzstreben selbstverständlich ist, und keine Zusatzverzinsung der Verzinsung einfach so.
Aber da ist noch etwas, das in keiner Vereinbarung der Verträge steht, so viel ich auch heute Nacht danach gesucht habe: das Instrument der Nachkalkulation. Volker Ratzmann hat es vorhin erwähnt. In der Novellierung des Berliner Betriebe-Gesetzes im Jahr 2007 wurde auf Wunsch der Wirtschaftsverwaltung die progressive beziehungsweise degressive Tarifgestaltung festgeschrieben, das heißt, die Wasserpreise sinken oder steigen je nach Ausgaben. Wenn es überhaupt jemals ein unternehmerisches Risiko in diesem Deal gegeben hat, dann war es damit weg. Hat man sich verkalkuliert, egal, denn immer zahlt der Wasserkunde. Seit 2007 ist weniger Wasser verkauft worden – dieser Trend ist Ihnen bekannt, Herr Wolf – als in den Wassertarifen der letzten Jahre eingepreist war. Somit steht den Berlinerinnen und Berlinern wohl wieder eine kräftige Wasserpreiserhöhung ins Haus – oder? In den Verträgen, die seit gestern im Internet veröffentlicht sind, habe ich zu diesem Thema nichts gefunden, das ist nicht vertraglich geregelt worden. Diese Aktion, Herr Wolf, ist Ihre, die des Wirtschaftssenators ganz allein. Da ist nicht zu entscheiden gewesen zwischen Pest und Cholera. Diese Steigerung der Wasserpreise –
ich vermute, es werden gut 4 Prozent werden – geht allein auf Ihr Konto, natürlich gemeinsam beschlossen durch die Koalition von SPD und Linken.
Nun wollen Sie heute auch noch einmal über das IFG und die IFG-Novelle sprechen, die die Grünen und die Koalitionsfraktionen in diesem Sommer beschlossen haben. Ja, wir stehen nach wie vor dazu, dass es solche Verträge wie die geheimen Wasserverträge in der Zukunft nicht mehr geben darf – vor allem nicht in der Daseinsvorsorge und bei Monopolen.
Damals habe ich bereits gesagt, dass wir uns mehr gewünscht hätten. Jetzt ist es für fünf Bereiche geregelt: Wasser, Gesundheit und anderes. Was aber zentral in der IFG-Novelle fehlt, ist die Wohnungswirtschaft, liebe SPD. Das sehen wir gerade aktuell wieder bei den Themen Spreedreieck und HOWOGE.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nein, sehr geehrte Abgeordnete der SPD, besonders Herr Müller und Herr Gaebler,
nein, das Volksbegehren Wasser zur Offenlegung der geheimen Verträge der Teilprivatisierung der Wasserbetriebe hat sich nicht erledigt, denn noch immer schlummern diese Verträge im Tresor. Auch wenn wir heute eine rotgrün-rote Reform des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes verabschieden werden und damit alles Parlamentarische getan haben, um klarzustellen, dass es in Berlin zukünftig keine geheimen Privatisierungsverträge mehr gibt. Staatliches Handeln muss transparent sein, damit es von den Bürgerinnen und Bürgern kontrolliert werden kann.
Und besonders, wenn Landeseigentum privatisiert wird, müssen die Verträge dazu öffentlich sein.
Zu diesem Zweck haben Bündnis 90/Die Grünen, auch als Antwort auf die erste erfolgreiche Stufe des Volksbegehrens des „Berliner Wassertisches“, eine Änderung des Informationsfreiheitsgesetzes vorgeschlagen. Die Regierungskoalition folgte diesem Vorschlag mit einem eigenen Antrag, und nach sehr konstruktiven Verhandlungen ist jetzt eine rot-grün-rote Lösung gefunden. Mit diesem neuen Informationsfreiheitsgesetz setzt Berlin bundesweit Maßstäbe.
Im neuen § 7a in Absatz 3 wird geregelt, wie auch geheime Altverträge offengelegt werden. Um das Risiko zu vermeiden, dass das Land Berlin Schadenersatz an die Konzerne zahlen muss, sind Nachverhandlungen über die vertraglichen Geheimhaltungsbestimmungen dieser Altverträge in Absatz 3 geregelt worden. Führen sie innerhalb von sechs Monaten nicht zum Erfolg, werden die Verträge offengelegt, wenn die Privaten nicht erhebliche wirtschaftliche Schäden durch mögliche Verletzungen ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dagegen legen können. Ob ihnen das bei einem Monopol der Wasserwirtschaft gelingt, würde uns wundern. Für uns Grüne ist klar, dass hier das öffentliche Informationsinteresse überwiegt.
Trotzdem wissen wir noch nicht, ob diese Regel auch in der Praxis den von uns gewünschten Erfolg haben wird. Deswegen, Herr Müller, Herr Gaebler, ist die zweite Stufe des Wasservolksbegehrens notwendig und richtig. Denn ohne das Wassertischvolksbegehren hätten Sie sich keinen Millimeter bewegt.
Das IFG, das wir heute hier verabschieden, ist vorbildlich für den Bund. Dies bescheinigt uns der Bundesdatenschutzbeauftragte Dr. Schaar. Ihm und seinen Kollegen sind Geheimhaltungsklauseln in Verträgen und Geheimverträge überhaupt, die der Staat mit privaten Unternehmen abschließt, seit Langem ein Dorn im Auge. Geheimverträge sind aber vor allem eine Kapitulation der Politik vor der Bevölkerung. Geheimes hat immer den Geruch, dass Regierungen nicht den Mut haben zu sagen, was sie da treiben. Die heutige Novelle regelt für fünf Bereiche die automatische Offenlegung von Verträgen, die das Land Berlin in der Grundversorgung mit Privaten schließt. Sie werden von der vertragschließenden Stelle veröffentlicht.
Wir Grünen hätten gern den Geltungsbereich weiter auf alle Verträge gefasst, die die Grundversorgung betreffen. Unser ursprünglicher Gesetzentwurf sah zudem ausdrücklich den Bereich der Wohnungswirtschaft vor. Aber ein Kompromiss ist kein Wünsch-dir-was. Die Grünen sind heute zufrieden, dass wir mit der Koalition zusammen diese Novelle des IFG erarbeitet haben, weil es ein Schritt in die richtige Richtung ist und weil die Bedingungen für Transparenz erheblich verbessert wurden. Wir danken für die konstruktive Zusammenarbeit und ziehen unseren Antrag zurück.
Ich habe eine Frage an die Gesundheitssenatorin. – Frau Lompscher! Ich würde Ihnen gern eine Frage zu den Einschulungsuntersuchungen in diesem Jahr stellen. In wie vielen Bezirken werden in diesem Jahr nicht alle Kinder rechtzeitig – sodass die Schulen auch notwendigen Förderbedarf planen können – untersucht?
Danke, Herr Präsident! – Frau Senatorin! Ich frage dann auch für dieses Schuljahr nach. Ein Bezirk, das ist an Kindern immerhin die Menge einer Großstadt. Wenn es dann, wie mir bekannt ist, mindestens drei Bezirke sind, dann ist das mittlerweile ein erheblicher Teil. Ich hätte gern gewusst, ob Sie Vorstellungen darüber haben, wie Sie kurzfristig, also für dieses Jahr, aber auch langfristig die gesetzlichen Rechte dieser Kinder sicherstellen wollen, dass vor ihrer Einschulung eine medizinische Untersuchung gewährleistet ist, dass sie den ihnen zustehenden Förderbedarf von Anfang an erhalten.
Danke! – Ich frage den Senat:
1. Was sind die konkreten Gründe dafür, dass zum allgemeinen Impfstart eine zu geringe Menge Impfstoff im Land Berlin zur Verfügung stand, und ab wann wird der spezielle Impfstoff z. B. für Schwangere in ausreichender Menge zur Verfügung stehen?
2. Warum musste der Senat bei der Abwehr der Schweinegrippe ein Kräftemessen mit der Ärzteschaft in Berlin um die Bezahlung von Beratung und Impfung praktizieren, und hat er zumindest sichergestellt, dass der öffentliche Gesundheitsdienst in der Lage ist, mögliche Engpässe aufzufangen?
Senator Dr. Jürgen Zöllner
Danke, Frau Präsidentin! – Frau Senatorin! Ich möchte Sie noch einmal zu dem spezifischen Impfstoff für Schwangere fragen. Meine Recherchen haben ergeben, dass die Amtsärzte in Berlin Sie bereits im September darauf aufmerksam gemacht haben, dass sie nicht gern den vorhandenen Standardimpfstoff für diese spezifische Impfungen nehmen würden. Ich weiß auch, dass in der Gesundheitsministerkonferenz lange darüber beraten worden ist, und auch die STIKO hat dazu eine differenzierte Position. Warum wird dieser Impfstoff erst jetzt geordert, und warum ist nicht Anfang September damit angefangen worden?
Danke, Herr Präsident! – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Winde! Ich danke Ihnen ausdrücklich von hier aus für Ihr offenes Wort, dass auch Sie hier festgestellt haben, dass diese Senatsverwaltung überfordert ist,
wie alle anderen, aber diese auch.
Seitdem die Weltgesundheitsorganisation mit dem Auftreten der Schweinegrippe die Kriterien dafür, wann eine Grippe als Pandemie einzustufen ist, geändert hat, ist die Angst in der Bevölkerung vor dieser Grippe groß. Viele Menschen können nicht einschätzen, ob sich nur eine Berechnungsgrundlage geändert hat oder ob diese weltweite Influenza wirklich im großen Maßstab lebensbedrohend ist. Die Ratlosigkeit, ob es notwendig oder sogar sinnvoll ist, sich impfen zu lassen, nimmt zu, gerade weil Impfexperten unterschiedliche Empfehlungen geben.
Die Senatsverwaltung in Berlin rät zur Impfung, und dies ist für unentschlossene Menschen eine wichtige Empfehlung, Frau Senatorin. In einer solchen Situation der Verunsicherung, wo es in der Wahrnehmung der Menschen um Leben und Tod geht, darf man sich als Verantwortliche, Frau Senatorin, keinen einzigen Fehler leisten.
Da stellt sich die Frage, ob es wirklich klug war, sich auf eine Auseinandersetzung mit der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin um das Geld einzulassen, ob Sie die richtige Entscheidung getroffen haben, als Sie sich wegen weniger Euro Differenz bei der Bezahlung für das Impfen dazu entschlossen haben, statt Kompromisse mit der KV auf Teufel komm raus zu finden, eigenständige Verträge mit jeder einzelnen Impfärztin, mit jedem einzelnen Impfarzt in Berlin zu schließen. Meine Antwort darauf ist nein. Das war eine krasse Fehlentscheidung, Frau Senatorin, gerade auch vor dem Hintergrund, dass der Beratungsbedarf der Menschen beim Impfen gegen Schweinegrippe besonders hoch ist, weil die Impfung so umstritten ist.
Da muss jeder Impfarzt genügend Zeit für die Beratung aufbringen. Außerdem ist Ihnen eine bewährte Struktur, die die Ärzte in Berlin haben, verlorengegangen. Zusätzlich haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Senatsgesundheitsverwaltung, Ihre Verwaltung, Verträge
Mario Czaja
kontrolliert, fehlende Daten nachgetragen statt sich ihren Aufgaben zu widmen, für die sie eigentlich eingestellt sind. Auch das halte ich für verantwortungslos.
Seit mindestens zwei Wochen geben Sie, Frau Senatorin, als Impfstart für die Impfwilligen in Berlin den 9. November an. Seit es den ersten am Schweinegrippevirus Verstorbenen in Berlin gibt, hätte Ihnen klar sein müssen, dass die Impfbereitschaft der Berlinerinnen und Berliner vor allem aus Angst gestiegen ist. Noch am Freitag vor dem Impfstart-Montag sagten Sie, Frau Lompscher, in verschiedenen Medien, es werde kein Chaos geben, alles sei geregelt. Sie streuten die Zahl von 100 bis 300 Verträgen mit Impfärzten. Jeder, der sich impfen lassen wolle, könne dies am Montag tun. – Aber, Frau Senatorin, das war eine Fehlinformation an die Berliner Bevölkerung, denn Sie wussten zum Zeitpunkt Ihrer Interviews genau, wie wenig ärztliche Vertragspartner Sie fest hatten, die berechtigt sind, den Impfstoff zu bekommen. Denn als Verantwortliche wissen Sie – hoffentlich –, dass die Berliner Zentralapotheke nur an Praxen ausliefern durfte, die einen gültigen Vertrag hat. Wer am Freitag bzw. am Samstag noch keinen gültigen Vertrag mit Ihnen hatte, konnte auch am Montag nicht beliefert werden und konnte sowieso am Montag nicht impfen, weil der Impfstoff außerdem 24 Stunden akklimatisieren muss.
Kein Vertrag, kein Impfstoff, kein Impfbeginn am 9. November, das ist die Wirkungskette in Berlin, Frau Senatorin, und die ist negativ.
Durch meine Beschreibung jetzt wird deutlich, welch ein organisiertes Durcheinander Sie durch Ihre Fehlentscheidung angerichtet haben in einer Situation, in der nie ein Fehler hätte passieren dürfen. Ich jedenfalls war sehr erschrocken, als in der „Abendschau“ am 9. November dieser Fehlstart vom Verbandschefs der Frauenärzte kommentiert wurde: „Ich kann nur hoffen, dass hier niemals die Pest ausbricht.“
Im eigenen kritischen Rückblick zeigen Sie sich überrascht von den Lieferschwierigkeiten am 9. November und tun so, als ob dieses Datum vom Himmel gefallen sei. Haben Sie denn diese Feierlichkeiten nicht als Senatsmitglied mitgeplant?
Jetzt hätte man erwarten können, dass Sie wenigstens einen doppelten Boden einziehen und in den bezirklichen Berliner Gesundheitsämtern für alle Fälle Notprogramme eingerichtet werden. Meine Recherche ergab aber, dass es dort nicht viel besser aussieht als in der restlichen Stadt. In den Gesundheitsämtern wird seit ca. 14 Tagen geimpft, bisher überwiegend Risikopatienten. Verstärkt kommen jetzt auch andere Impfwillige. Die dort impfenden Ärztinnen und Ärzte haben im Schnitt einen 12-Stunden-Tag
und inzwischen viele, viele Überstunden angesammelt. Lange ist diese Situation so nicht mehr aufrechtzuerhalten, höre ich von dort. Davon, dass wir mit den Gesundheitsämtern möglicherweise eine Reserve in Berlin hätten, sind wir weit entfernt. Das Info-Telefon ist überlastet. Mir wurde berichtet, dass es 500 bis 800 Anrufe pro Tag gibt. Das könnten Menschen sein, die kein Internet haben wollen. Wie werden diese Menschen mit Informationen über die Schweinegrippeimpfung versorgt?
Das Resümee der letzten 14 Tage ist gelinde gesagt fatal, Frau Senatorin. So kann es auf keinen Fall weitergehen. Die kalte Jahreszeit beginnt erst, und wir haben den Höhepunkt dieser Grippewelle eher noch vor uns. Deswegen fordern wir Sie auf: Beenden Sie die Auseinandersetzung mit der Berliner Ärzteschaft und deren Vertreterinnen und Vertretern sofort! Lösen Sie die Probleme, und sorgen Sie dafür, dass die Organisation reibungslos läuft! Verhakeln Sie sich nicht weiter in Zuständigkeitsdiskussionen! Unterstützen Sie unsere Berliner Gesundheitsämter! In einigen sind die Beschäftigten am Rand ihrer Kräfte. Wir werden deren Kompetenz und Engagement in diesem Winter noch brauchen. Und, Frau Senatorin, machen Sie die jetzt anlaufende Impfaktion zur Chefinnensache, denn es gilt, das Vertrauen der Berlinerinnen und Berliner in unser Gesundheitssystem zurückzuerobern!
Im Juni dieses Jahres hatten wir diesen Antrag zu einer Berliner Bundesratsinitiative als Dringlichkeit hier im Plenum. Diese Dringlichkeit war damals eine Unverschämtheit, weil selbst die Bundes-FDPler auf meine Nachfrage sagten, dass dieser Antrag in dieser Legislatur nicht mehr bearbeitet werden würde. Warum dann die Dringlichkeit?
Zusammen haben die Berliner Gesundheitspolitiker und Gesundheitspolitikerinnen damals erreicht, dass erst eine Anhörung dazu im Gesundheitsausschuss stattfinden sollte, damit mehr valide Zahlen auf den Tisch kommen, bevor wir hier beschließen. Dies war vor einigen Wochen der Fall. Das Ergebnis war mau. Es ist also ein typischer „Lindner“ oder muss ich heute schon sagen, ist ein typischer „Gersch“, dieser Antrag. Wir haben den Inhalt trotzdem ernsthaft beraten. Ich begründe hier heute die Enthaltung der Grünen zu dem FDP-Antrag, weil wir sehr wohl sehen, dass es aus Patientinnen/PatientenVerbraucher-Sicht sehr gut wäre, böten viel Arztpraxen verlässliche Sprechstunden am Wochenende an. Dies wäre vor allem ein Segen für alle Eltern und Kinder, die bei plötzlichen Krankheiten der Kinder zu den vertrauten Ärzten könnten, und es wäre auch ein Segen für die Älteren unter uns, die leider oft am Wochenende Probleme haben. Denn wie es denen dann in den Rettungsstellen geht, diese Erfahrung wünsche niemandem, ich musste sie leider mehrfach machen.
Zweitens, das Finanzen-Entlastungs-Argument: Würde eine verlässliche, sonntägliche Öffnung eine Entlastung der Rettungsstellen zuverlässig garantieren, wäre unsere Entscheidung möglicherweise ein andere.
Wir hier im Hause wissen aber, es geht in diesem Antrag um Grundsätzliches – um eine Veränderung des Arbeitszeitgesetzes, das ein Schutzgesetz ist. Denn Ärzte können als Freiberufler ihre Praxen öffnen, wann sie wollen, und sie können auch ihre Patientinnen behandeln, wann sie wollen.
In diesem Konflikt geht es also darum, dass auch Arzthelferinnen, Laborantinnen – überwiegend Frauen - sonntags arbeiten dürfen sollen. Dafür soll das Arbeitszeitgesetz, das angestellte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen an Sonn- und Feiertagen schützt, geändert werden.
Und ich sage Ihnen, dass mir für eine so grundsätzliche Veränderung die Argumente und die Fakten bei der Anhörung im Gesundheitsausschuss mit der Kassenärztlichen Vereinigung nicht ausgereicht haben, weder bei dem Argument, dass so viele Patienten sonntags in die ErsteHilfe-Stellen gehen, weil sie in der Woche keine Zeit haben, und dass bei den Wartezeiten in den Rettungsstellen, die von allen Seiten immer angeführt werden?
Und das weitere Argument, dass Frauen gerne sonntags arbeiten gehen würden, sticht für mich nicht generell. Es gibt sie diese Frauen, ja natürlich. Sie sind froh sonntags arbeiten zu können, weil sie dann möglicherweise ihre Kinder/Familienangehörige durch den Partner/Partnerin versorgt wissen und froh sind, auch Geld verdienen zu können. Aber wie viele sind das? Und was ist mit den anderen, die gerne einen Tag in der Woche mit ihrer Familie zusammen sein möchten?
Und ihr letztes Argument, die Sicherung der Arbeitsplätze dieser Frauen, ist als einziges stichhaltig in der Anhörung durch die KV ausgeräumt worden: Arzthelferinnen und Laborantinnen sind in Berlin Mangelware. Ihre Arbeitsplätze sind gar nicht in Gefahr, auch nicht, wenn sie bei Bewerbungen Sonntagsarbeit ablehnen.
Weil weder von der FDP noch in der Anhörung valide Zahlen, Fakten oder Daten vorgetragen wurden, und weil wir Grünen ein Schutzgesetz nicht einfach so kippen, werden wir uns enthalten.
Frau Senatorin! Ich möchte das mit den quecksilberhaltigen Verstärkern im H1N1-Impfstoff für Schwangere noch genauer wissen. Für mich bedeutet das, dass sehr kleine
Lebewesen eine verhältnismäßig hohe Dosis erhalten. Es gibt zu dieser Empfehlung der Ständigen Impfkommission – das ist in dieser Frage die höchste Instanz – Alternativen, wie sie beispielsweise die Deutsche Bundeswehr gewählt hat. Die haben – das wissen Sie – Impfstoff bestellt, der diese Verstärker nicht enthält. Deswegen ist die Frage, die der Kollege Gersch hier gestellt hat, sehr berechtigt und brisant. Meine Frage ist: Ziehen Sie in Betracht, Schwangeren in Berlin anderen Impfstoff zur Verfügung zu stellen, beispielsweise den, den die Deutsche Bundeswehr verwendet?
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen von der SPD und der Linksfraktion! Herr Felgentreu! Ihre Frau würde Ihnen nach dieser Rede sagen:
Du hast dich mit dem Urteil nicht beschäftigt,
denn das Verfassungsgericht hat dermaßen viel Vertrauen in die Volksgesetzgebung gegeben und zu Recht gegeben, dass Sie das eigentlich, wenn Sie sich etwas mit dem Urteil beschäftigt hätten, hätten herauslesen müssen.
Der Senat hat lange die Offenlegung der geheimen Konsortialverträge durch Tricksereien, durch Wortbekenntnisse, wir wollen ja offenlegen, aber die anderen wollen nicht, verhindert. Da sind jetzt deutliche Worte gesprochen worden, das sollte jetzt endlich passieren.
Wir haben es gelesen und beraten.
Die Verträge sollten jetzt endlich offengelegt werden. Ich würde Ihnen gerne eine Empfehlung vorlesen, die der Datenschutzbeauftragte in dieser Woche im Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung gegeben hat. Er sagt nämlich:
Der Senat wird aufgefordert, ein Gesetz vorzubereiten, das die Offenlegung von Verträgen der öffentlichen Hand künftig grundsätzlich gestattet. Ungeachtet dessen wird der Senat aufgefordert mit einem Schreiben an die öffentlichen Stellen des Landes Berlin, darauf hinzuweisen, dass die öffentliche Hand künftig keine pauschalen Vereinbarungen mit den Vertragspartnern über die Geheimhaltung des gesamten Vertrags schließt.
Das, Herr Felgentreu, hätten Sie auch schon aus dem Urteil herauslesen können.
Danke, Herr Präsident! – Herr Lederer! Sie haben mich ja eben in einer Art und Weise zum Kitavolksbegehren zitiert, wie ich mich überhaupt nicht geäußert habe. Ich hätte von Ihnen als Parteivorsitzendem erwartet, dass Sie
hier politisch auf dieses Urteil reagieren und sich vielleicht in dem Sinne äußern wie der Berliner SPDParteitag, der gesagt hat: Offenlegen, Gesetze machen und jetzt tun. Diese Politik hätte man vielleicht einmal erwarten können. Dass der Parteitag der SPD das eine und das andere will und die SPD-Fraktion dann nichts tut, wissen wir auch. Das ist nun nicht der Fortschritt.
Ich will die SPD-Beispiele hier nicht aufzählen, wir sind beim Wasservolksbegehren. Ich spreche hier für den Berliner Wassertisch und sage: Legen Sie die Verträge offen! Herr Lederer, Sie sind Parteivorsitzender. Sie könnten auch so einen Beschluss in Ihrer Partei herbeiführen!
Herr Präsident! Ich habe eine Frage an den Wissenschaftssenator. – Herr Zöllner! Nach den Einsichten, die PISA auch für das Berliner Schulsystem gebracht hat, möchte ich wissen: Sind Sie mit mir der Meinung, dass das Geschachere und Gezerre, das die KMK mit der OECD aktuell um die Weiterführung der PISA-Untersuchung aufführt, unwürdig ist?
Nachdem Sie die Untersuchungen so gelobt haben, Herr Zöllner, verstehe ich die Zeichen, die aus der OECD kommen, dass Deutschland nur weiter mitmacht, wenn bestimmte Ergebnisse von Deutschland zukünftig in die Fragestellungen eingehen, nicht. Meine Nachfrage ist: Würden Sie das auch verurteilen, so vorzugehen?
Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Nach zweijähriger Diskussion in Berlin über Gesundheitsgefahren durch passives und aktives Rauchen, weiß in dieser Stadt keiner mehr genau, welche gesetzlichen Regelungen es für die Gaststätten gibt. Jeder deutet sich den Nichtraucherschutz für seinen Betrieb selbst. Auf der Strecke bleibt der Schutz.
Effektiver und klarer wäre nach wie vor eine Änderung der Arbeitsstättenverordnung auf Bundesebene. Diesen einfachen Weg legen wir Ihnen heute zur Abstimmung vor und hoffen, dass Sie dem zustimmen. Die Regelung zum Nichtraucherschutz im Arbeitsstättengesetz wird von der Ausnahme befreit, und es gibt bundesweiten Schutz. Das wäre einfacher, klarer und effektiver.
Wir Grünen haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass uns schon das derzeit geltende Gesetz zu viele Ausnahmen enthält. Heute diskutieren wir weitere Ausnahmen. Zukünftig gibt es staatlich zugelassene Rauchergaststätten in Berlin. Die Koalition argumentiert dabei so, als ob es nur um einen Bestandsschutz der derzeitigen Berliner Eckkneipe geht. Sie sagen, denen geht es zukünftig wirtschaftlich schlechter, wenn sie die Raucher verlieren. Wenn dem so ist, dann hat dies zumindest die SPD vor zwei Jahren schon gewusst, denn deren gesundheitspolitische Sprecherin hat hier an dieser Stelle aufgeführt, dass Ausnahmen ungerecht sind und dass diese zu massiven wirtschaftlichen Beeinträchtigungen der kleinen Berliner Eckkneipe führen. Deswegen hat sie gegen Ausnahmen argumentiert. Damals. Hier an dieser Stelle. Warum hat dann aber dieses Gesetz so viele Ausnahmen?
Weiter gibt die Regierungskoalition an, dass ein wesentliches Anliegen für diese Novellierung die Kennzeichnungspflicht der Rauchergaststätte ist. Nichtrauchende Gäste sollen vor dem Betreten einer Gaststätte erkennen, dass ihre Gesundheit gefährdet sein kann. Aber Sie wissen auch ganz genau, dass es durch die Nebenräume, die Sie mit Ihrem Gesetz zulassen, eine Kontaminierung der Haupträume gibt. Gleich nachdem in einigen Bundesländern diese Nebenraumpolitik angefangen hat, hat das deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg Untersuchung angestellt. Die waren erschreckend. Alle Gesundheitspolitiker hier in diesem Haus haben diese Information vom deutschen Krebsforschungszentrum bekommen. Die Senatorin hat sie auch. Möglicherweise wissen auch die Juristen in Ihren Fraktionen davon. Gaststätten, die Nebenräume haben, müssen demnach wie Rauchergaststätten bewertet und somit gekennzeichnet werden. Die Gesundheit der Menschen, die sich in den Haupträumen aufhalten, ist gefährdet. Aber diese Menschen wissen es nicht. Sie werden draußen an der Tür nicht gewarnt. Sie können nicht selbst entscheiden. Das sieht das Gesetz auch nach der Novellierung nicht vor. Die Gaststätten, die Nebenräume haben, müssten genauso wie Raucherkneipen gekennzeichnet werden. Dazu hätten Sie als Gesetzgeber die Pflicht. Dass Sie dies in Ihrer Regierungsnovellierung nicht veranlassen, finde ich zumindest grob fahrlässig.
Auch das Deutsche Kinderhilfswerk hat gefordert, dass endlich alle Kinderspielplätze rauchfrei gestellt werden. Frau Senatorin, nein, ich muss sagen, Frau Gesundheitssenatorin, lehnt dies aus rechtssystematischen Gründen ab. Das Nichtraucherschutzgesetz regele nur überdachte Räume, argumentiert sie. Und außerdem hätten, wie auch Frau Winde schon ausgeführt hat, alle Bezirke bis auf Neukölln ein Rauchverbot auf ihren Spielplätzen erlassen. – Trotzdem, Frau Gesundheitssenatorin, müssen Sie endlich zur Kenntnis nehmen, dass sich der Giftnotruf Berlin 2006 über 260 Mal mit Vergiftung von Kindern unter sechs Jahren durch das Verschlucken von Kippen befassen musste. Wir Grüne finden das zu viel und können nicht verstehen, warum hier im Nichtraucherschutzgesetz mit seinen detaillierten Ordnungswidrigkeiten kein Rauchverbot festgelegt wurde oder warum Rot-Rot nicht wenigstens dem CDU-Antrag, der gerade ausgeführt wurde, zustimmen konnte. Wir werden das tun.
Auch wenn Sie sich als Regierungskoalition mit Ihrem Gesetz aktuell auf der sicheren Seite wähnen, indem Sie die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts einhalten, was Raumgröße und Art der Speisenzubereitung betrifft. Gesund leben liegt im Trend. Sie hätten besser die andere Variante wählen sollen, die das Bundesverfassungsgericht Ihnen extra aufgezeigt hat: den ausnahmslosen Nichtraucherschutz. Das wäre zukunftsorientiert gewesen, aber zur Zukunftsorientierung hat Rot-Rot leider nicht den Mut. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Seit den 70er Jahren sieht sich die Tabakindustrie dazu veranlasst, Tendenzforschung in Auftrag zu geben. Damit soll der Trend umgekehrt werden, dass immer mehr, vor allem junge Menschen, das Rauchen aufgeben beziehungsweise gar nicht erst anfangen. In den Genuss dieser Forschungsgelder kommen hochrangige Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen außerhalb der Tabakforschung, zum Beispiel der Medizin. Dieses Vorgehen ist als WhiteCoat-Strategy oder Weißkittelstrategie weltweit bekannt. Zwischen 2003 und 2005 hat das Deutsche Herzzentrum Berlin 937 000 Euro für ein Forschungsprojekt des Kardiologen Prof. Fleck von Philip Morris erhalten. Das wissen wir auch aufgrund einer Kleinen Anfrage von Lisa Paus und mir aus dem Oktober 2008.
Herr Mutlu? – Bitte, Özcan!
Lieber Özcan! Ich beantworte die Frage damit: Ich finde das Thema sehr wichtig, denn es geht um unsere Wissenschafts- und Gesundheitseinrichtungen in der Stadt. Ich halte es für ein sehr ernstes Thema.
Das Deutsche Herzzentrum hat zwischen 2003 und 2005 937 000 Euro erhalten. Das Herzzentrum hat zu dieser Tatsache zwei Stellungnahmen herausgegeben. In der ersten sind alle diejenigen angegriffen worden, die diese Tatsache öffentlich gemacht haben. Es wurden Dinge verteidigt, die gar nicht kritisiert worden sind, wie beispielsweise der Drittmitteleinsatz für die Forschung allgemein. In der zweiten Stellungnahme musste Prof. Fleck einräumen, dass die Annahme dieser Gelder ein Fehler war, denn dem Deutschen Herzzentrum war alles wiederfahren, was die White-Coat-Strategy beinhaltet: Die Geldgeberin war keine unabhängige Stiftung, sondern die Tabakindustrie selbst, es war keine uneigennützige Grundlagenforschung, vielmehr durfte Philip Morris die Ergebnisse kommerziell für seine Interessen nutzten. Die Gefahren des Passivrauchens sollten auch mit den Ergebnissen dieser Forschung in Zweifel gezogen werden können.
Das Deutsche Herzzentrum Berlin hat aus diesem Vorfall für sich den Schluss gezogen, einen Ethikkodex gegen Gelder aus der Tabakindustrie haben zu wollen – so wie weitere 14 renommierte Wissenschaftseinrichtungen und Berufverbände wie die Pneumologen, die Kinderärzte und das Deutsche Krebsforschungszentrum. Den Brief haben Sie heute alle erhalten. Sie alle sagen: So ein Ethikkodex ist wichtig.
Nichts anderes fordern wir mit unserem Antrag: Der Senat möge sich dafür einsetzen, dass sich alle Forschungseinrichtungen sowie Gesundheitszentren einen ethischen Kodex geben, der die Annahme von Fördergeldern aus der Tabakindustrie untersagt. Bei der Beratung unseres Antrags im Gesundheitsausschuss wollten die rot-roten Politiker auch Forschungsgelder der Alkoholindustrie abgelehnt wissen –
die schöne stylische Werbung und die Alkoholexzesse der Jugendlichen dieser Stadt vor Augen. – Erste Tote beklagen wir leider. – Das tragen wir mit.
Beide Parteien legen heute eine Alternative zum Kodex vor, die nicht einmal mehr ein zahnloser Tiger ist.
Tabakindustriegelder sollen erwünscht sein, wenn gewisse Kriterien wie Tendenzforschung, Einflussnahme ausgeschlossen sind.
Das ist selbstverständlich, Herr Gaebler. Doch dieses selbstverständliche Vorgehen hat die Wissenschaft nie geschützt. Das hat die Kliniken und Forschungsinstitute in die Misere geritten. Sie waren der Meinung, freie Forschung durchzuführen, weil sie die Weißkittelstrategie nicht erkannt haben oder nicht die Zeit hatten, sich damit ausführlich zu befassen. Vor Geldern und Einflussnahme aus der Tabakindustrie benötigt die Wissenschaft Schutz. Dagegen hilft nur ein eindeutiger Kodex. Wir Grüne wollen solch einen Vorfall wie den am Herzzentrum nicht mehr haben und lehnen deshalb Ihren Text ab und wünschen uns Zustimmung zu unserem Anliegen.
Herr Oberg! Die Grünen wissen ganz genau, was sie wollen, und sie können auch ganz genau unterscheiden.
Deswegen haben wir auch diese Anträge so gestellt. Bei dem einen – das habe ich Ihnen soeben lange erklärt, und ich hatte gehofft, Sie haben es verstanden, aber es ist nicht so, und deshalb erkläre ich es Ihnen noch einmal – geht es um Tendenzforschung, um eine subtile Einflusseinnahme auf Forscherinnen und Forscher, die das leider an manchen Stellen nicht merken. Bei dem anderen Antrag geht es darum, dass wir diejenigen, die Mitverursacher und Gewinnabschöpfer bei bestimmten Produkten sind, bei der Problemlösung mithelfen und in einen unabhängigen Fonds einzahlen lassen wollen. Herr Oberg! Das sind unterschiedliche Sachen, und Sie können uns vertrauen: Dabei wissen wir ganz genau, was wir wollen.
Danke, Herr Präsident! – Herr Czaja! Was antworten Sie denn den 14 renommierten Wissenschaftseinrichtungen, die uns gestern und heute Briefe geschrieben haben, dass ein Ethik-Kodex dringend notwendig ist, wenn Sie das hier als Teufelszeug und wissenschaftsfeindlich hinstellen. Das sind Wissenschaftseinrichtungen. Die schneiden sich doch nicht ins eigene Fleisch, oder?
Danke schön! – Frau Senatorin! Sie stimmen doch sicherlich mit mir überein, dass Drogenkonsumräume 100 Prozent Kinder- und Anwohnerinnen- und Anwohnerschutz sind. Ich möchte Sie gern in diesem Zusammenhang fragen, warum dann diese Räume nur so geringe Öffnungszeiten und so wenig Geld haben.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit gut zwei Jahren wird das Nichtraucherschutzgesetz für Berlin diskutiert, und die erste rot-rote Novellierung des derzeitigen Gesetzes, die durch die SPD als Priorität eingebracht wird, ist ein guter Anlass, Bilanz zu ziehen. Als wir 2007 den ersten Entwurf des Nichtraucherschutzgesetzes für Berlin diskutierten, taten wir das hier im Haus und auch in der Öffentlichkeit unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes. Alle Diskussionen und Beiträge stellten die Gefahren – besonders für die Nichtraucherinnen und Nichtraucher durch das Passivrauchen – in den Mittelpunkt. Die 3 300 Toten pro Jahr und die heftigen Krankheiten, die durch passives oder aktives Rauchen entstehen, sollten verhindert werden. Der Zweck des Berliner Gesetzes ist es, die Berliner Bevölkerung vor den Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen zu schützen. Das können wir alle im § 2 nachlesen. Die Berliner Gesundheitssenatorin sprach sogar von radikalen Lösungen damals. Was Juristen heute aus dem Gesundheitsschutz machen, mussten wir eben erleben.
Immer schon ist uns Grünen die Liste der Ausnahmen von diesem Gesetz zu lang gewesen. Auch die Art der Ausnahmen haben wir kritisiert: Da ist die Nebenraumpolitik mit den Möglichkeiten, Nebenräume in Gaststätten zum Rauchen einzurichten, die die Haupträume kontaminieren. Das Rauchen in Nebenräumen von Sportgaststätten, in denen besonders viele Jugendliche sind, haben wir kritisiert und ebenso, dass Chefärzte in Krankenhäusern das Rauchverbot aufheben können. All das ist uns nicht genehm.
Zu dem rot-roten Änderungsantrag, der uns heute vorliegt, vorweg: Wir Grünen bedauern, dass mit der ersten Regierungsnovellierung nicht die Möglichkeit ergriffen wird, die das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich aufgezeigt hat, nämlich einen strikten, ausnahmslosen Nichtraucherschutz für Berlin.
Zu der langen Liste von Ausnahmen, die ich eben erwähnt habe, kommen durch die Novellierung neue wesentliche hinzu. Wie gesagt: Der § 4, die Liste der Ausnahmen, ist die längste Passage in diesem Gesetz. Da ist zunächst die
Genehmigung der Wasserpfeifenlokale. Das ärgert mich besonders, weil Raucherinnen und Raucher von Wasserpfeifen überwiegend jung sind. Sie begreifen sich aber wegen der Äpfel und anderer gesunder Zusätze, die in dem Shisha-Tabak enthalten sind, nicht als Tabakkonsumentinnen und -konsumenten.
Die WHO – die Weltgesundheitsorganisation – rechnet uns aber vor, dass ein User in einer Wasserpfeifensitzung so viele Schadstoffe zu sich nimmt wie beim Rauchen von 100 Zigaretten. Das scheint Rot-Rot nicht zu stören.
Ich frage mich, was diese weiteren Ausnahmen mit dem Zweck des Gesetzes – § 2 – zu tun haben.
Zweitens, die genehmigten Raucherkneipen: Ich nenne nur ein Beispiel von den wirren Zahlen und Vorstellungen, die uns alle vorgetragen wurden. Es soll künftig staatlich genehmigte Raucherkneipen geben, mit den bekannten Bedingungen, die das Bundesverfassungsgericht genannt hat – es wurde vorgetragen: 75 qm, von Wand zu Wand, kein Nebenraum möglich usw. Unter anderem heißt es dort: „keine vor Ort zubereiteten Speisen“. Heißt das, dass zum Beispiel eine Durchreiche im Lokal zu einem Raum neben der Raucherkneipe, in dem Speisen zubereitet werden, oder ein Raum im Nebengebäude oder Hinterhof oder eine Cateringfirma genügen, um dem Gesetz zu entsprechen? Meiner Meinung nach sind Raucherkneipen damit langfristig im Vorteil gegenüber Gaststätten, die einen rauchfreien Service anbieten wollen, denn Raucherkneipen bieten beides an: Rauchen und Speisen. Das ist die falsche Richtung.
Fazit: Heute, nach zwei Jahren und auch nach der jetzt vorgelegten Novellierung wird hauptsächlich über die Ausnahmen geredet, nicht mehr darüber, wie wir den Gesundheitsschutz am besten umsetzen. Noch mehr Ausnahmen sind aber das Signal in die falsche Richtung. Das Gesetz, das vor den Gefahren des Passivrauchens schützen soll, wird immer löchriger und hat immer mehr Ausnahmen. Es wird immer mehr Verwirrung und Durcheinander in der Stadt geben, was eigentlich gilt, was möglich ist. Der Schutz vor dem Passivrauchen bleibt auf der Strecke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Gersch, wir beide reden nachher noch miteinander. Das hat sich uns allen in der letzten Woche im Praktikum erschlossen. Unsere Fraktion war zu einem Drittel anwesend. Wir hätten heute besser auf der Demo sein sollen, als hier die Bundestagsdebatte zu führen.
Der Gesundheitsfonds löst keine Probleme der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern er schafft viele neue. Fast alle wissen das, alle sagen das, im Bund, in den Ländern und auch heute hier. Als im Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene über den Gesundheitsfonds gestritten wurde, erschien der Fonds allen als eine überflüssige und unsinnige Konstruktion, die weder ein Finanzierungs- noch ein Gerechtigkeitsproblem löst. Dieser überflüssige Fonds wurde von einer Koalition beschlossen, die nicht in der Lage war und ist, mehr als Reformattrappen hinzubekommen.
Verehrte Kollegen von CDU und SPD hier im Berliner Abgeordnetenhaus! Inzwischen zeigt sich aber, dass der Gesundheitsfonds darüber hinaus eine ganze Reihe von Folgewirkungen hat, die nicht zu unterschätzen sind. Je tiefer wir in das verkorkste Räderwerk hineinschauen können, desto mehr Probleme werden deutlich. Ich möchte einige Beispiele nennen: Es gibt zum einen die Konvergenzklausel, die Landespolitiker, besonders uns in Berlin, interessieren dürfte. Diverse Sachverständige legten in Anhörungen und Stellungnahmen dar, dass sie nicht funktioniert. Wenn sie vom gröbsten Unfug befreit ist, müssten die Versicherten, die aktuell einen geringen Beitrag zahlen, beim Einheitsbeitragssatz trotzdem für das höhere Versorgungsniveau in Bayern und BadenWürttemberg zahlen. Großartig! Da wird Freude aufkommen, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU, das ist klar! Und ob die ursprüngliche Idee funktioniert, dass gerade die AOK Berlin von der Konvergenzklausel profitiert, weiß heute in diesem Haus noch niemand, oder?
Die zukünftigen einheitlichen Krankenkassenbeiträge werden über 16 Prozent liegen, so wird geschätzt. Sie sollen alle Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung abdecken. Aber 2010 soll der Gesundheitsfonds aus nur noch 95 Prozent der Ausgaben der Krankenkassen finanziert werden. Die restlichen fünf Prozent müssen die Kassen dann über Zusatzbeiträge von ihren Versicherten eintreiben. Es ist frühzeitig darauf hingewiesen worden, dass der Zusatzbeitrag die Versicherten einseitig belasten wird. Zunehmend wird auch deutlich, dass dadurch Kassen mit besonders vielen versorgungsintensiven, einkommensschwachen und kinderreichen Mitgliedern in besonderer Weise benachteiligt werden. Solche Kassen haben wir auch hier in Berlin, weil wir überdurchschnittlich viele Alte und Kranke in dieser Stadt haben. Wer gleicht den Zusatzbeitrag für die aus, die ihn nicht bezahen können? l
Wir Grünen werben dafür, den Gesundheitsfonds in seiner aktuellen Ausführung zum Jahresbeginn 2009 nicht wirksam werden zu lassen. Besser wäre es, stattdessen die grüne Bürgerversicherung einzuführen,
denn das Konzept der grünen Bürgerversicherung sorgt für soziale Gerechtigkeit, stärkt die Nachhaltigkeit der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherungen und ermöglicht erhebliche Beitragssenkungen. – Als dies 2004 diskutiert wurde, wurde von Sachverständigen gesagt, der Beitrag könne bei 12,8 Prozent oder darunter liegen. – Sie ist familiengerecht, sorgt für mehr Wettbewerb und belastet nicht den Faktor Arbeit einseitig auf der Arbeitnehmerseite.
Die von mir jetzt aufgezeigten Problembeispiele werden, so oder so begründet, auch von allen Parteienvertretern in Bund und Ländern angeführt. Dennoch soll dieser Monsterfonds im nächsten Jahr starten. Wir Grünen finden das falsch und fordern, die Einführung des Gesundheitsfonds zum Januar 2009 zu stoppen. Eine Reform des Risikostrukturausgleichs durch eine Orientierung am tatsächlichen Gesundheitszustand der Versicherten ist längst überfällig und muss endlich umgesetzt werden, denn sie ist schon 2001 im Bund beschlossen worden. Deshalb fordern wir, den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich endlich umzusetzen und den anderen Hokuspokus einfach zu lassen. – Vielen Dank!
Werter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer gut, die Wasserpreise in Berlin zur Priorität dieses Hauses zu machen, denn hier liegt in der Tat vieles im Argen. Wir alle wissen und haben gerade noch einmal erläutert bekommen, woher die hohen Wasserpreise kommen: Es liegt an der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe. Sie wurden damals von SPD und CDU an Vivendi – heute Veolia – und RWE verkauft. Die von CDU und SPD gemeinsam gestalteten Verträge sind so zuungunsten der Berliner Tarifzahlerinnen und -zahler, so dramatisch schlecht für die Verbraucher ausgefallen, dass sie in ihrer Gesamtheit nicht öffentlich sein dürfen. Seit der Teilprivatisierung sind die Wasserpreise um mehr als 25 Prozent gestiegen.
Es gäbe viele Gründe anzuführen, warum die Wasserpreise so hoch sind. Vor allem aber sind sie es, weil eine unüblich hohe Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals von derzeit etwa 8 Prozent in die Preiskalkulation eingeht und weil die Möglichkeit besteht, kalkulatorische Abschreibungen anzusetzen, und zwar auf Wiederbeschaffungszeitwerte – etwa, als wenn Sie in etwa 20 Jahren einen Fernsehen kaufen werden und heute schon wissen, was er kosten wird. Allein diese beiden Kosten machen knapp 45 Prozent der tarifrelevanten Kosten aus, und das sind die wirklichen Preistreiber. Da gibt es keine Nachkalkulation, da wird eingesteckt, nicht zurückgerechnet. Und die Berlinerinnen und Berliner zahlen diese hohen Wassertarife. Das ist der eigentliche Skandal, und hier beginnt der Beutezug.
Senator Sarrazin ist nicht da, aber ich stelle einmal einen Vergleich mit Hamburg an. Die kommunalen Wasserwerke in Hamburg haben ihre Preise seit 1996 nicht erhöht. 2004 stiegen sie um 1,46 Prozent!
Die Anträge der FDP, die heute Priorität werden sollen, würden dieses Missverhältnis nicht in Angriff nehmen. Sie gehen nicht an die Wurzeln. Die FDP will weiterhin die hohen Wassertarife von den Berlinerinnen und Berlinern bezahlen lassen, indem sie das von mir eben beschriebene Verfahren der „Grundlagen der Tarifkalkulation“ der BWB-Dokumentation Tarifkalkulation bestehen lassen wollen – übrigens nachzulesen auf einer der letzten Seiten. Der Gewinn, der durch diese hohen Tarife entsteht, soll den Wassermultis ausgezahlt werden, und der Anteil, den das Land bekommt, soll wieder zur Wasserpreissenkung eingesetzt werden.
Das ist ein Vorschlag, dem wir Grünen nicht folgen wollen,
unabhängig davon, dass wir die Rekommunalisierung der BWB für zwingend erforderlich halten; damit nicht mehr Geld aus dem Gesamtsystem herausgezogen wird, wollen wir, dass der Anteil, den das Land bekommt, auch für Wasser ausgegeben wird. Wasser bezahlt Wasser – das ist das richtige Motto.
Wir wollen, dass der Landesgewinnanteil zum Beispiel ausgegeben wird für die Pflege und Verkleinerung von Rohren, für die Pflege von Brunnen, für ökologisch nachhaltige Maßnahmen wie die Umsetzung europäischer Wasserrahmenrichtlinien,
für Innovation und Neuentwicklung. Vor allem wollen wir, dass Verfahren erforscht werden, wie Hormone und andere schwierige Chemikalien effektiv aus dem Wasser entfernt werden können.
Wasser unterhält Wasser – das ist ein Prinzip, mit dem die Wasserver- und -entsorgung gut funktionieren würden, mit dem wir hohe Trinkwasserqualität bei Tiefstpreisen für nachfolgende Generationen in Berlin erhalten könnten und mit dem wir – weil ausreichend und kontinuierlich in das Gesamtsystem investiert würde – keine Londoner Verhältnisse bekämen.
Das, verehrte FDP, was wir aus Ihrem ersten Antrag mittragen würden, wäre der Punkt 5: eine unabhängige Kommission als Genehmigungsbehörde für die Wassertarife. Der zweite Antrag, den Sie heute einbringen, widerspricht diesem Punkt 5. Wir wissen nicht genau, was die FDP will, weil sie nämlich in ihrem zweiten Antrag fordert, der Senat in seiner Funktion als Tarifgenehmigungsbehörde solle die flexiblen Wassertarife – diese neuen, die da vorgeschlagen werden – ermöglichen.
Was will die FDP nun, eine unabhängige Behörde oder den Senat weiterhin als Tarifgenehmigungsbehörde ansprechen? – Wir können das jetzt nicht mehr klären, wie Herr Lindner vorhin schon bemerkte. Uns ist das insgesamt zu wenig, deswegen unterstützen wir diese Anträge nicht.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! „Interessant“ fand Gesundheitssenatorin Lompscher zum Amtsantritt 2006 die Berliner Gesundheitspolitik. Sie versprach in einem Zeitungsinterview, sich mit „Herzblut und Neugier“ einzuarbeiten. Wir haben heute durch die Priorität der FDP die Chance zu bewerten, wie viel Herzblut inzwischen geflossen ist und wie die Leistungsbilanz der „interessanten Gesundheitspolitik“ von Rot-Rot aussieht.
Fangen wir mit der Koalitionsvereinbarung an. Die Koalitionsvereinbarung von Rot-Rot sieht eindeutige Vorgaben für den Vivantes-Konzern mit der Charité vor, damit alle wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und gesundheitspolitischen Potenziale beider Gesundheitsunternehmen optimal entwickelt werden können. Hat diese Vorgaben schon jemand hier im Haus gesehen? Darüber sollten wir einmal reden.
Dann geht es um den Sanierungsbedarf der VivantesKrankenhäuser von 200 Millionen € Instandhaltungskosten und 300 Millionen € für die Investitionen. Die Antwort darauf kann kein Herumdoktern und Schließungsbeschlüsse nach der Salamitaktik, sondern nur ein Gesamtkonzept sein, das endlich vorzulegen ist. Auch über ein solches Gesamtkonzept der Berliner Krankenhauslandschaft von Ihnen, Frau Senatorin, hätten wir heute gern gesprochen.
Den Vivantes-Mitarbeitern wurden massive Lohnkürzungen zur Konsolidierung des Konzerns zugemutet. Mein Vorredner sprach davon. Hier ist das Ende der Zumutbarkeit erreicht. Weiter ausquetschen darf nicht sein. Wie ist das mit den kommenden Tarifabschlüssen, Frau Senatorin? Werden sie durch Stellenkürzungen bei Vivantes ausgeglichen? Auch darüber wäre es lohnend zu reden.
Dann geht es um die Krankenhausplanung der Stadt. Seit Wochen sickern immer wieder Informationen von Schließungen bei Vivantes durch. Ist Ihre Vorlage zur Krankenhausplanung mit den Fakten zum Vivantes-Konzern so brisant, Frau Senatorin, dass Sie diese am Finanzsenator und Regierenden vorbeischmuggeln mussten? Finden Sie es angemessen, dass nicht Sie, sondern der Vorstandsvorsitzende von Vivantes, Herr Bovelet, laufend den Berliner Krankenhausplan der Öffentlichkeit vorstellt, indem er Schließung hier und Schließung dort verkündet, obwohl noch gar nichts beschlossen ist? „Das Leben besteht aus Widersprüchen“, sagt die Senatorin im gleichen Interview, und sie halte sie aus. Uns aber wird aus den obigen Aufzählungen von Versäumnissen deutlich, dass das Ziel von landeseigenen Krankenhausplänen, eine patienten- und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen und wirtschaftlichen Krankenhäusern sicherzustellen, durch den rot-roten Senat und dieser Senatorin aus zu vielen Widersprüchen besteht.
Wir Grüne wollen eine wohnortnahe Grundversorgung der Berliner gewährleisten, ob dabei die Schließung des Klinikum Prenzlauer Berg und des Wenckebachkrankenhauses ein richtiger Schritt sind, hätte das Gesamtkonzept ergeben müssen. Im Bereich der Geriatrie haben wir da unsere Zweifel. Wir Grünen wollen nicht, dass kurzfristige Aufbesserungen der Vivantesbilanzen die Krankenhausplanung bestimmen, sondern vor allem die Bedürfnisse kranker Bürger. Wir Grüne wollen, dass für ein professionelles Krankenhausmanagement die idealen Netzwerkstrukturen für die stationäre Versorgung erhalten und ausgebaut werden. Deswegen wäre es an der Zeit gewesen, über all das hier zu reden, um „die Widersprüche“ der rot-roten Gesundheitssenatorin, die Frau Senatorin aushält, wir Grünen aber nicht aushalten wollen, zu beseitigen.
Ein Nichtraucher- und Nichtraucherinnenschutzgesetz, das Ausnahmen zulässt, ist falsch für den Gesundheitsschutz und falsch für die Gaststätten und Kneipen, die besonders in Berlin im heftigen Wettbewerb stehen. Das war immer Grünen-Position.
Auch die Berliner SPD war bis zum Sommerbeginn 2007 dieser Meinung: Frau Winde führte in diesem Hause damals aus: „Nebenräume als Ausnahme im Gesetz schaffen eine besonders harte Konkurrenz für die inhabergeführten und anderen Einraumkneipen und sind unsinnig“. Warum die Koalition dann genau dies ins Berliner Nichtraucherschutzgesetz geschrieben hat, wird Rot-Rotes Geheimnis bleiben.
Das Prinzip aber, liebe FDP, lieber Herr Gersch, war klar und richtig: Jede Ausnahmeregelung im Gesetz führt zu einer Wettbewerbsverzerrung, und Wettbewerbsverzerrungen führen zu wirtschaftlichen Einbrüchen bei denen, die ungeliebte Neuregelungen einführen.
Aktuell beobachten wir, wie die Konkurrenz unter den Gaststätten in Berlin durch die halbjährliche, bußgeldfreie Übergangsfrist wirkt – auch eine Ausnahme, wenn auch vom Gesetz nur befristet vorgesehen. Sie wird zwischen den gesetzestreuen Gaststättenbetreiberinnen und -betreibern und jenen, die die Frist abwarten wollen, ausgetra
gen. Für die gesetzestreuen Betreiberinnen und -betreiber ist die wirtschaftliche Existenz dadurch mancherorts ziemlich brenzlig.
Und was folgert die Berliner FDP daraus? – Sie will mit der vorliegenden Gesetzesänderung des NRSG weitere Ausnahmen ermöglichen: Die inhabergeführten Einraumkneipen sollen die Wahl zwischen Raucher- bzw. Nichtraucherkneipe per Gesetz bekommen. Damit würde die Konkurrenz zu den Mehrraumgaststätten eröffnet, liebe FDP! Auch zu denen, die Nebenräume haben. Und der Nichtraucher- und Nichtraucherinnenschutz bliebe mehr und mehr auf der Strecke. Wie in Spanien, dort läst das Gesetz so viele Ausnahmen zu, dass daran gemessen ein Schweizer Käse eine geschlossene Einheit ist. Und das Ergebnis ist entsprechend! Es gibt praktisch keinen Nichtraucher- und Nichtraucherinnenschutz dort, und der Wettbewerb ist radikal und hart für alle Gaststätten.
Wir Grünen wollen dies alles so nicht. Wir wollen einen Nichtraucher- und Nichtraucherinnenschutz für Berlin, so wie er in den Ländern Schottland, England – besonders Irland – sowie den Skandinavischen Ländern praktiziert wird: umfassend und ohne Ausnahmeregelungen im Gaststättenbereich. Legen Sie eine Gesetzesänderung vor, die die Ausnahmen abschafft und die Kinderspielplätze der Stadt in den Schutz einbezieht. Dann haben Sie uns Grüne auf Ihrer Seite!
Herr Präsident! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Der Gesundheitsschutz für die Nichtraucherinnen und Nichtraucher in Berlin war Anfang des Jahres auf einem guten Weg. Die Kitas und Schulen waren per Gesetz rauchfrei. Die BVG, die Vivantes-Kliniken, das Urbankrankenhaus mit seinem Eingangsbereich und die Flughäfen waren es durch Selbstverpflichtung.
Wir bewerten heute das rot-rote Gesetz für den Nichtraucherschutz und fragen, ob der Schutz so umfassend ist, wie wir es uns wünschen. Nach meiner Auffassung gibt es zu viele Ausnahmen. Zu den kritikwürdigsten Ausnahmen gehört, dass in den Gaststätten – und leider nach wie vor in den Sportgaststätten – und neuerdings auch in den Diskos der Stadt in abgeschlossenen Nebenräumen geraucht werden darf. Die Koalition argumentierte dazu im Gesundheitsausschuss, sie hätte die Auflagen zum Einrichten von Nebenräumen so erschwert, dass davon kaum Gebrauch gemacht werden könne. – Welch ein Unsinn!
Es werden Nebenräume eingerichtet. Das werden jedoch die Gastwirte und -wirtinnen tun, die das Geld dafür haben. Das Schlimmste aber ist, dass von dieser Nebenraumpolitik weiterhin eine Gesundheitsgefährdung ausgeht, und zwar so, als gäbe es keinen Nichtraucherschutz in Gaststätten. Der Rauch bleibt nämlich nicht in den Nebenräumen. Er zieht heraus, weil die Türen offen stehen. Die Schadstoffe, Herr Albers, sind nicht nur in der Luft, sondern sie lagern sich in den Gardinen, Teppichen und Wänden ab. Die Nichtraucherräume kontaminieren mit der Zeit. Die neueste Studie von Dr. Martina PlötschkeLanger des Krebsforschungszentrums Heidelberg vom September 2007, Herr Czaja, hat in eindrucksvoller Weise aufgezeigt, wie stark diese Gesundheitsgefährdung ist. Die zentrale Aussage dieser Studie lautet: Die Werte für lungengängige Partikel sind im Nichtraucherbereich vor dem Raucherraum gleich hoch wie im Raucherraum selbst.
Angesichts dieser klaren Ergebnisse gibt es nur die grüne Alternative, die wir heute ein zweites Mal mit unserem Änderungsantrag einbringen: keine Ausnahmen für den Schutz der Nichtraucherinnen und Nichtraucher, keine Nebenraumpolitik.
Was ist mit dem Schutz der Menschen, die in der Gastronomie arbeiten? Das sind Sie von der rot-roten Koalition schon so oft gefragt worden. Sie sind die Antwort aber regelmäßig schuldig geblieben. Jetzt gebe ich Ihnen die Antwort aus der vorher erwähnten Studie: Der Zwang zur Arbeit in den Raucherräumen verstößt gegen das Recht der Beschäftigten auf körperliche Unversehrtheit. So sieht Ihre Gesundheits- und Sozialpolitik aus. Das lehnen wir ab.
Unsere Kinder bekommen immer noch nicht genug Schutz durch das rot-rote Gesetz. Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sind Kinderspielplätze untersucht worden. Das Ergebnis: Auf den Spielplätzen liegen massenhaft Kippen für die Kinder bereit. Die Giftnotzentrale Berlin befasste sich im letzten Jahr über 260 Mal mit Vergiftungen durch das Verschlucken von Zigaretten bei Kindern auf Spielplätzen. Das Argument von Rot-Rot, Kinderspielplätze nicht in das Gesetz einzubeziehen, lautet: Es passt nicht in die Rechtssystematik. – Das ist abenteuerlich. Bayern bezieht seine Festzelte in den Schutz ein. Bei uns passt es nicht in die Rechtssystematik. Wir fordern qualmfreie Kinderspielplätze und werden deswegen – obwohl Sie uns nicht erwähnt haben, Herr Czaja – dem Änderungsantrag der CDU zustimmen.
Frau Senatorin! Sie halten immer noch an den Ergebnissen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Nichtraucherschutz zum Nachteil des Schutzes der Berlinerinnen und Berliner fest. Diese Ergebnisse sind aber so gesundheitsschädlich, dass viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen längst ausge
schert sind und weitergehende Schutzbestimmungen in ihre Ländergesetze aufgenommen haben. Vorbildlich ist die bayerische Position: keine Ausnahme beim Nichtraucherschutz in Gaststätten. Die Bayern haben mit ihrer Laptop- und Lederhosenpolitik schon immer das Maximum für ihre Landsleute im Blick gehabt. Machen wir im Norden heute hier eine Ausnahme: Folgen wir den Bayern!
Der FDP-Antrag ist noch gesundheitsschädlicher als der rot-rote Gesetzentwurf. Dem können wir nicht zustimmen.
Da ich als letzte Rednerin zu diesem Thema spreche und da ich im Frühjahr den Anstoß dazu gegeben habe, möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Abgeordnetenhauses für das eindrucksvolle Logo in der Eingangshalle bedanken. Sie haben uns damit unterstützt und unsere Vorbildfunktion eindrucksvoll ausgefüllt. Ich bedanke mich auch dafür, dass Sie die Monsteraschenbecher so schnell weggeräumt haben und unser Haus jetzt vorbildlich aussieht. Ich bitte unseren Präsidenten, diesen Dank zu überbringen. – Vielen Dank!
Das Jahr 2007 fing gut an für den Nichtraucherschutz in Berlin: Die neue Gesundheitssenatorin Lompscher forderte im Januar „einen besonders strengen Nichtraucherschutz“. Sie plädierte für ein „totales Rauchverbot in Gaststätte“. Begründung: „Alles andere wäre eine Wettbewerbsverzerrung, weil die Gastronomen sehr unterschiedliche Möglichkeiten hätten, ein abgetrenntes Raucherzimmer einzurichten“. Außerdem befürchtete sie – damals –, „dass durch Ausnahmen der Nichtraucherschutz langsam ausgehöhlt werden könnte“. Und noch im Februar erwog Frau Lompscher: „Wenn (die Entscheidungen der Länderchefs) nicht ausreichen sollten, werde ich mich dafür einsetzen, dass Berlin einen mutigen Schritt für einen umfassenden Nichtraucherschutz wagt“.
Wir sind nun heute hier, um diesen „mutigen Schritt“ in der I. Lesung des rot-roten Nichtraucherschutzgesetzes zu bewerten: Es ist ein umfassendes Gesetzeswerk das alle öffentlichen Gebäude einbezieht. Wir würden es begrüßen, dass der Nichtraucher/-innenschutz spezialgesetzlich – d. h. speziell für Kitas, für Krankenhäuser etc. – geregelt wird, weil damit das Vor-Ort-Prinzip besser zur Geltung kommen könnte. Aber das nur am Rande.
Ich möchte mit den Ausnahmen des Schutzes beginnen, die das Gesetzt macht: In Gaststätten soll nun doch in abgeschlossenen Nebenräumen geraucht werden dürfen. Wie dicht sollen diese Nebenräume denn sein, wenn ich mal fragen darf? Darf denn da die Tür geöffnet werden? Und bleibt der Rauch auch schön im Nebenraum, wenn die Tür offen steht, oder entweicht der etwa in die Gaststätte? Und wer soll denn da die Raucher/-innen bedienen? Und putzen die Menschen, die in den „Nebenräumen“ rauchen, diese selber? Und wo lassen die ihre Kinder, wenn sie in den Nebenräumen sitzen?
Wir lehnen diese Nebenräumeraucherpolitik ab. Immer schon! Ganz besonders und vor allem die Nebenräume in Sportgaststätten, denn wir wollen, dass mit dem EUweiten Nichtraucher/-innenschutz eine Generation heranwächst, die gesund leben cool findet. Ich wünsche mir, dass gesund leben Lifestyle wird, für alle jungen Menschen in Europa, und dazu passt es nicht, dass dort, wo sich viele Jugendliche aufhalten – in Sportstätten –, geraucht wird. Da geht Berlin einen falschen Weg.
Vor allem aber kritisiere ich die Ausnahmen bei den Gesundheitseinrichtungen unserer Stadt, also die Ausnahmeregelung Nr. 5. Hier bin ich mit der Wirkung dieser Ausnahmen überhaupt nicht einverstanden, denn es heißt hier bei dieser Ausnahmenregelung: „...in besonders ausgewiesenen Räumen im Gesundheitsbereich, insbesondere in der Psychiatrie und der Palliativmedizin.“ Es heißt nicht: nur in den Bereichen der Psychiatrie und der Palliativmedizin.
Es ist Ihr politischer Wille, Frau Lompscher, dass durch jede Krankenhausleitung wieder Raucherräume eingerichtet werden können, jeder Chefarzt kann für sich selber und für andere Räume zum Rauchen ausweisen. Das ist eine falsche Politik, ein falsches Signal ! Das sind die Dinge, die im Gesetzentwurf falsch sind.
Aber ich möchte auch über die Bereiche reden, die nicht im Berliner Gesetzentwurf stehen aber zu einem umfassenden Nichtraucher/-innenschutz gehören:
Qualmfreie Kinderspielplätze: Im Bezirk FriedrichshainKreuzberg sind 10 Kinderspielplätze untersucht worden. Das Ergebnis: Es wird auf den Spielplätzen gequalmt, was die Lunge hergibt, und es liegen massenhaft Kippen – sozusagen – für die Kinder bereit. Der Giftnotruf Berlin befasst sich über 260 Mal im Jahr mit der Frage der Vergiftung durch das Verschlucken von Zigaretten/Kippen bei Kindern bis zu 6 Jahren! Dabei wären qualmfreie Kinderspielplätze so einfach zu regeln für ganz Berlin, Frau Lompscher – mit der Kollegin Stadtentwicklungssenatorin zusammen. Z. B. das Grünanlagengesetz bekäme in § 6 eine Ziffer mehr, und die würde lauten:(6) „ Das Rauchen auf und in der näheren Umgebung von Kinderspielplätzen ist verboten“ – und fertig. Ich weiß, eigentlich sind die Bezirke zuständig, aber sie könnten ja auch mal unterstützt werden.
Und es gibt zusätzlich noch viele Orte in Berlin, wo gar nichts geregelt ist: Wie sieht es mit dem Schutz aus in den Hotels der Stadt, den Bierzelten, den Einkaufszentren, dem öffentlichen Verkehr der Schifffahrt und der Flughäfen in Berlin? Der Nichtraucher/-innenschutz ist so löchrig wie eine Käse, und die von Ihnen an dieser Stelle als Argument genannte „Einheitlichkeit“ mit den anderen Bundesländern stimmt erstens nicht – und ist aus Berliner Sicht nichts wert, wenn dadurch der Schutz der Berliner/innen geringer wird!
Überprüfung bzw. Einhaltung des Nichtraucher/ -innenschutzes: Auch darüber müssen wir uns hier unterhalten. Die schöne neue Welt aufschreiben und dann niemanden haben, der diese auch überprüft, das ist politischer Unsinn! Die Polizei wird für den Nichtraucher/ -innenschutz keine extra Streife gehen können. Da bleiben die bezirklichen Ordnungsämter und die haben entweder um 20.00 Uhr Feierabend oder nicht genügend Personal für Schichtdienst.
Fazit: Das ist nicht das, Frau Senatorin, was von Ihnen zu Beginn des Jahres versprochen wurde, ein mutiger Schritt. Es ist ein löchriges Gesetz mit falschen Signalen, und es ist nicht umfassend, vor allem nicht, was die Kleinsten in unserer Gesellschaft betrifft. Viele Organisationen und Menschen in unsere Stadt sind weiter beim umfassenden Schutz als Sie, z. B. die Vivantes-Kliniken, die in allen ihren Häusern bis 2008 komplett rauchfrei sind. Und auch viele Sportvereine, die von sich aus das Rauchverbot auf ihren Anlagen ausgesprochen haben.
Es wäre schön, Frau Senatorin, wenn Sie mit der Berliner Bevölkerung in Sachen Nichtraucher/-innenschutz Schritt halten würden – wenn es denn zum mutigen Schritt nicht reicht !
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der liberale Tiger – das meine ich nicht persönlich – startet heute zum Nichtraucherschutz und legt ein umfassendes Gesetzeswerk zur ersten Beratung vor, in dem für alle öffentlichen Einrichtungen der Schutz vor dem Passivrauchen gelten soll.
Zum Grundsätzlichen: Die Fraktion der Grünen hält dieses umfassende Gesetzeswerk nicht für sinnvoll, weil – erstens – in verschiedenen Einrichtungen in Berlin der Nichtraucherinnen- und Nichtraucherschutz schon geregelt ist und praktiziert wird und weil wir es – zweitens – für sinnvoller halten, dass dieser Schutz grundsätzlich spezialgesetzlich geregelt wird, damit das Vor-Ort-Prinzip zur Geltung kommen kann. Beispielsweise müsste dann nicht mehr im Gesetz selbst durch Ausnahmen geregelt
werden, dass in Palliativ- und Psychiatrieabteilungen von Krankenhäusern etwas anderes gilt, oder auch, dass Justizvollzugseinrichtungen differenzierte Regelungen haben.
Eine andere Variante als die spezialgesetzliche ist die Regelung des Schutzes durch Hausrecht, wie es aktuell beispielsweise bei der BVG der Fall ist. Auch da käme das Vor-Ort-Prinzip zur Geltung.
Zu den Inhalten: Wir Bündnisgrünen haben im Sinn des Spezialgesetzes in den 9. Plenarsitzung ein Gaststättengesetz eingebracht, das vor dem Passivrauchen schützt, und zwar umfassend und ohne Ausnahmen.
Wenn Betreiber und Betreiberinnen es dulden, dass in ihren Gaststätten geraucht wird, begehen sie eine Ordnungswidrigkeit. Bei Wiederholung droht sogar der Konzessionsentzug.
Der liberale Tiger aber reißt mit dem heute vorgelegten Gesetz Lücken in diesen Schutz. Es soll wieder möglich sein, dass bei Schulveranstaltungen außerhalb der Schulgebäude und mit Genehmigung der Schulkonferenz – das macht es auch nicht besser – geraucht werden darf. Es soll Rauchergaststätten geben, in denen alle, die dort arbeiten müssen, schutzlos sind, und es gibt keine Sanktionen für Wirte, die das Rauchen dulden. Rauchen wird durch solche Lücken im Schutz weiterhin gesellschaftlich akzeptiert. Die FDP hat an diversen Stellen in ihrem Gesetz beschrieben, wie gefährlich das passive Rauchen ist, kommt aber trotzdem zu solchen Ergebnissen.
Das können sich nur liberale Tiger ausdenken, die dann eben auch zahnlos werden.
Was die Befristung des Gesetzes soll – da gebe ich meinem Vorredner recht –, versteht keiner. Es gibt sicherlich Gesetze, bei denen eine Befristung sinnvoll ist. Man evaluiert nach einige Zeit und prüft, ob alles funktioniert. Aber beim passiven Mitrauchen macht das keinen Sinn: Als ob die gesundheitlichen Risiken des Passivrauchens 2011 aufgehört hätten! Diese Liberalität ist eine falsch verstandene Rücksichtnahme, und ich sehe aus all den genannten Gründen den zahnlosen Tiger als Bettvorleger.