Allerdings bereitet uns nicht nur die derzeitige Gefahrenlage, sondern auch der Umgang mit ihr und die Folgen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und die Kriminalitätsbekämpfung Sorge. Berlin gehört mit jährlich rund einer halben Million Straftaten zu den Kriminalitätshochburgen in Deutschland. Obwohl es damit eine ohnehin hohe Ausgangslage hat, ist die Zahl der Straftaten 2009 sogar weiter gestiegen. Dennoch werden aus Kostengründen bei der Berliner Polizei seit Jahren Stellen abgebaut und Polizeidienststellen zusammengelegt. Das führt dazu, dass sich die Anfahrtswege verlängern und es nicht selten an Personal fehlt, um rechtzeitig vor Ort zu sein. Wegen des Personalmangels müssen die Polizeibeamten die eingehenden Notrufe gewichten, was der Anrufer, dessen Anliegen als weniger wichtig angesehen wird, naturgemäß als falsch empfindet.
Wöchentlich erreichen uns Bürgerbriefe, in denen auf die Missstände hingewiesen und in denen fälschlicherweise häufig auch von einem Versagen der Polizei ausgegangen wird. Den Senat müssen solche Briefe doch auch erreichen. Warum stellt er sich nicht vor die Polizei und rechtfertigt sich vor den Bürgern für seine falsche Prioritätensetzung?
Die Präsenz von Sicherheitskräften gehört zu den zentralen Maßnahmen, um Gewalt und Kriminalität vorzubeugen. Angesichts der Terrorgefahr, die ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis in der Bevölkerung hervorruft, gilt dies umso mehr. Es ist jetzt dringend erforderlich, die personellen Lücken zu schließen, denn die Überlastung der Polizei erhöht sich durch die Terrorbedrohung weiter. In der Zeitung lesen wir heute, dass sich Eltern an der JohnF.-Kennedy-Schule zu einem eigenen Patrouillendienst entschlossen haben. Ich lasse mir in diesem Zusammenhang übrigens auch nicht vorwerfen, die aktuelle Bedrohungslage für dieses Anliegen zu instrumentalisieren. Auf die Missstände bei der Polizei hat die CDU seit vielen Jahren hingewiesen.
Innensenator Körting erwartet laut Zeitungsartikeln sogar, dass in den nächsten Wochen Islamisten nach Berlin kommen, die sich in ausländischen Terrorcamps haben ausbilden lassen. Es wird notwendig sein, diese Terrorschüler zu überwachen und auch hierfür weitere Beamte einzusetzen. Geht man von Schätzungen der Polizeigewerkschaften für die Bewachung von freigelassenen schwerstkriminellen Wiederholungstätern aus, werden für die Überwachung von Gefährdern bis zu 30 Beamte pro Tag und Gefährder benötigt.
Der Polizeipräsident ist der Meinung, dass die Polizei gemeinsam mit der Bundespolizei mit dem vorhandenen
Personal auskomme. Es kann aber doch keine Lösung sein, sich auf die Unterstützung der Polizeikräfte des Bundes und der anderen Bundesländer zurückzuziehen, zumal das überschuldete Land Berlin für diese Unterstützung zur Kasse gebeten wird. Sollte die Bedrohungssituation andauern, werden sich die personellen Probleme verstärken. Noch dementiert der Polizeipräsident die Notwendigkeit von Urlaubssperren. Aber wie lange lässt sich diese Behauptung gegenüber den Beamten noch beibehalten?
Ein weiteres Problem sind die krankheitsbedingten Ausfälle von Polizisten. Es ist nicht ersichtlich, dass der Senat ein Konzept hat, um damit umzugehen. Aber gerade in den Wintermonaten sind krankheitsbedingte Fehltage doch vorhersehbar. Wir fordern daher den Senat auf, nicht nur auf weitere Einschnitte bei der Polizei zu verzichten, sondern auch das Personal wieder zu erhöhen. Der Senat muss auch ein langfristiges Konzept für die von Terrorgefahr geprägte Sicherheitslage vorlegen.
Aber auch auf Bundesebene besteht Handlungsbedarf. Die Ermittlungsbehörden müssen auf die Verbindungsdaten von Telefongesprächen und der Internetkommunikation zugreifen können, natürlich in einem verfassungsgemäßen Rahmen und unter Richtervorbehalt. Wir fordern den Senat daher auf, die Wiedereinführung der sogenannten Vorratsdatenspeicherung durch eine entsprechende Initiative im Bundesrat zu unterstützen.
Herr Dr. Körting hat hier mit seinen Äußerungen schon einen Vorstoß gewagt, der hoffentlich bei beiden Parteien von Rot-Rot positive Aufnahme findet.
Wir müssen die derzeitigen Warnungen ernst nehmen. Panik wäre die falsche Reaktion. Die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus vertraut den Polizeikräften im Bund und insbesondere unseren aus Berlin.
Sofern sie die Unterstützung erhält, wird unsere Polizei für den bestmöglichen Schutz der Bevölkerung sorgen. Wir sollten gemeinsam unsere Polizei unterstützen, wir Bürger, wir Parteien, aber insbesondere auch der Senat! – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Juhnke! Leider haben Sie zu diesem besonderen Anlass, zu der schwierigen Situation nichts anderes sagen können, als wie immer Ihren Forderungskatalog anzuführen, und es
ist deutlich geworden, dass Sie damit weit hinter der Haltung und den Äußerungen Ihres eigenen CDUInnenministers zurückbleiben.
Im Moment ist viel davon die Rede, dass es sich bei der nun erfolgten Terrorwarnung um ein Novum in der bundesdeutschen Geschichte handelt. Es sind diesmal konkrete Personen und Zeiträume bekannt geworden. Gewiss, es gibt diese neue Qualität, und ich finde es sowohl richtig, dass der Innenminister die Warnung ausgesprochen hat, als auch, dass zum jetzigen Zeitpunkt eine deutliche Polizeipräsenz den Bürgerinnen und Bürgern signalisieren soll, dass alles für ihre Sicherheit getan wird.
Ebenso richtig ist das Wie der ausgesprochenen Warnung, mit maximaler Unaufgeregtheit und dem Postulat – das unterschiedlich zum Beitrag von Herrn Juhnke –, dass die Situation nicht für sicherheitspolitische Schnellschüsse zu vereinnahmen ist.
Innenminister de Maizière hat sich – obwohl Befürworter – dabei ausdrücklich auch auf die vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärte Vorratsdatenspeicherung berufen. Sie haben wieder das Gegenteil getan. Es täte allen gut, sich daran zu halten, was der Innenminister rät, zumal wir von all den Antiterrorpaketen, die seit dem 11. September hastig geschnürt wurden, nicht wissen, was für den Ernstfall taugt, und wir hoffen natürlich sehr, dass wir es nicht zu erfahren brauchen.
Aber zurück zum ersten Satz. Die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik befinden sich nur scheinbar in einer neuen Situation. Es gab bereits zahlreiche Terroranschläge in der Vergangenheit, wenn auch nicht durch islamistische Terroristen wie in London oder Madrid. Wir hatten Attentate durch ausländische Geheimdienste in der Diskothek „La Belle“ und im Restaurant „Mykonos“, aber entscheidend ist: Es gab die Siebzigerjahre und die RAF. Das ist aus dem Grund zu erwähnen, weil ich glaube, dass Geschichte, insbesondere diese, uns auch Erkenntnisse bringen soll und uns zum Lernen anhalten muss. Die RAF-Terroristen und die Reaktion des Staates zur damaligen Zeit haben das Land mehr verändert, als mancher wahrhaben will. Nicht umsonst spricht man von einer „bleiernen Zeit“. Ich denke, das sollte uns nicht wieder passieren.
Wenn sowohl der Innenminister als auch Senator Körting vor Hysterie warnen, sollte dies ernsthaft zur Kenntnis genommen werden. Statt zu verdächtigen oder klammheimliche Sympathisanten zu wittern, sollten wir gerade jetzt verstärkt auf die in unserem Land lebenden Muslime zugehen und ihnen deutlich machen, dass sie willkommen und Teil dieser Gesellschaft sind und dass Terror keinen Teil irgendeiner Religion darstellt.
Statt Kritikern von verschärften Sicherheitsgesetzen zu unterstellen, sie setzten die Sicherheit der Bevölkerung aufs Spiel, sollte man die Argumente ernsthaft prüfen, denn es gibt auch Scheinsicherheit. Es gibt genug Belege dafür, dass derjenige, der alles über alle wissen will, zum Schluss das Entscheidende nicht weiß.
Auch der öffentliche Raum darf nicht zu einer dauerhaften Sicherheitszone werden, weil es richtig ist, dass Menschen, die nicht mehr ihren normalen Gewohnheiten nachgehen können, schon die ersten Opfer des Terrorismus geworden sind. Dem Terrorismus geht es ja gerade darum, Freiheit zu verhindern. Ich finde es besonders wichtig, den Polizistinnen und Polizisten, die ihren verantwortungsvollen Dienst in dieser Situation tun, den Rücken zu stärken, ihnen zu sagen: Ihr könnt das! Ihr seid hervorragend ausgebildet. Der Schutz der Bevölkerung ist bei euch in guten Händen. – Mir fehlt jedes Verständnis für Gewerkschaftsvertreter, die sich jetzt zu Wort melden, um mitzuteilen, dass die Polizei dies gerade nicht könne, weil sie entweder zu wenige oder zu schlecht vorbereitet seien.
Natürlich gibt es keine absolute Sicherheit, aber es ist auch jedem klar, dass es sie auch nicht gäbe, wenn hunderttausend Polizisten mehr die Straßen bevölkern würden, und setzten wir die Bundeswehr im Inneren ein, wie auch schon wieder von einigen gefordert, wäre auch das ein Sieg für den Terrorismus. Denn was wäre dann unser Grundgesetz und der tiefe Gedanke, der dahinter steht, noch wert? Militärische Logik ist das Letzte, was man in der Auseinandersetzung mit dem Terrorismus braucht.
Das hat schon der Irakkrieg bewiesen, und das sollte auch den Befürwortern des Afghanistankrieges langsam dämmern. Unsere Welt ist damit kein Stück sicherer geworden. Trotzdem – damit wir uns nicht missverstehen – dürfen wir Länder wie Afghanistan, Pakistan oder den Jemen nicht mit ihren Problemen allein lassen, denn Ursachen für Terrorismus liegen auch in einer ungleichen Verteilung der Reichtümer dieser Welt, in Hunger, Elend und Ausweglosigkeit.
Demokratie und Menschenrechte kann man nicht herbei bomben, aber wir haben die Verpflichtung, sie zu verteidigen, in gefährlichen und schwierigen Situationen wie jetzt ganz besonders, mit Mut, Vertrauen und der festen Überzeugung, dass eine freie Gesellschaft auf keinem Altar, auch nicht dem einer vermeintlichen absoluten Sicherheit geopfert werden darf. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am letzten Dienstag hat der Präsident des Deutschen Bundestages, Norbert Lammert, die Sitzung mit den folgenden Worten eröffnet:
Ich versichere …, dass sich der Deutsche Bundestag von niemandem und nichts an der Wahrnehmung seiner Aufgaben und Verpflichtungen hindern lassen wird.
Eine Reaktion, vielleicht auch ein Appell angesichts einer ernsten Lage. So konkret wie hier waren die Warnungen noch nie, und wir müssen die Lage ernst nehmen und gleichzeitig dafür einstehen, dass unsere Freiheit keinen Schaden nimmt.
Wir haben etwas zu verteidigen. Wir haben Werte, deren wir uns auch in der jetzigen Situation immer wieder versichern müssen: die Unantastbarkeit der Menschenwürde, die Gleichheit, den sozialen und demokratischen Rechtsstaat, die Glaubens-, Versammlungs- und Pressefreiheit. All das wurde erkämpft. Die Freiheitsrechte stehen in unserem Grundgesetz. Das zu leben, werden wir uns von nichts und niemandem nehmen lassen.
Es war ein Wagnis der politisch Verantwortlichen, mit einer solchen Warnung an die Öffentlichkeit zu gehen. Jetzt geht es darum, angemessen und verantwortlich zu reagieren, nichts zu überziehen, aber auch nichts zu verharmlosen. Nur das wird uns helfen, solche Warnungen für die Zukunft nicht zu entwerten. Wir alle wünschen uns doch, dass nichts passiert, aus welchem Grund auch immer.
Einige meinen vielleicht nun, das sei nur ein billiger Vorwand, dem Leviathan die Ketten abzunehmen und die gesetzlichen Instrumente zu schärfen. Das meine ich nicht. Ich sage ganz klar: Nach allem, was wir wissen, war es richtig, diese Warnung zu veröffentlichen. Es ist richtig, die öffentliche Debatte darüber zu führen – Innenpolitik darf nicht Geheimpolitik sein. Auch hier ist eine offene Gesellschaft gefordert, zu zeigen, dass sie verantwortlich und besonnen mit einer solchen Situation umgehen kann. Die Ruhe und Besonnenheit des Bundesinnenministers de Maizière in dieser Lage verdient Anerkennung!
Diese Ruhe und Besonnenheit ist genau das Richtige, das, was wir brauchen. Wir merken doch alle, dass das irgendwie etwas mit uns macht, das erreicht uns doch in
irgendeiner Art und Weise. Da wird plötzlich auch von unseren Kindern gefragt: Können wir denn noch auf den Weihnachtsmarkt gehen? Musst du morgen wirklich in den Bundestag zur Arbeit gehen? – Die Antwort kann nur sein: Ja, davon lassen wir uns nicht einschränken! Ja, wir haben eine gute Polizei in Berlin, die wissen, was sie tun, die sind ausgebildet, wir sind gut vorbereitet, und solange die Polizei nicht sagt, dass wir uns anders verhalten sollen, werden wir das auch nicht tun.
Die Polizei hat reagiert – wir sehen es im öffentlichen Straßenland, wir merken es im alltäglichen Leben, auch hier im Haus. Das alles ist Teil der Reaktion, und man kann nur darum bitten, ihnen mit dem nötigen Respekt zu begegnen, denn auch sie sind Teil dessen, was wir machen müssen, nämlich die Terrorwarnungen ernst nehmen und unsere Freiheit schützen.
Die Verantwortung aller, die jetzt an der öffentlichen Debatte teilnehmen, ist groß – für die Politik genauso wie für die Medien. Auch sie müssen sich fragen lassen, ob der schnelle Erfolg der Veröffentlichung einer vertraulichen Unterlage den Schaden, den das anrichten kann, aufwiegt. Ja, wir brauchen Transparenz, da wo Bürgerinnen und Bürger Entscheidungsgrundlagen für ihr eigenes Verhalten und für Beteiligungen brauchen oder wo Verantwortliche eventuell etwas zu Unrecht verheimlichen. Aber die Veröffentlichung überzogener Darstellungen oder auch bloßer Vermutungen trägt zur Verunsicherung bei und ist wenig hilfreich. Zu entscheiden, was veröffentlicht wird, liegt aber im alleinigen Verantwortungsbereich der Medien, da dürfen und wollen wir uns nicht einmischen, auch das gehört zu der Freiheit, die wir schützen müssen – der Pressefreiheit.