Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage hat die Fraktion der Grünen mit einer Redezeit von bis zu fünf Minuten in Person des Kollegen Schäfer. Er hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute geht in Cancún die Weltklimakonferenz in ihre heiße Phase. Umweltministerinnen und Unweltminister aus fast allen Ländern der Welt sind angereist, um die Verhandlungen zu einem Ergebnis zu bringen. Doch leider ist schon jetzt absehbar, dass kein internationales Klimaschutzabkommen beschlossen wird, das die globale Erderhitzung auf ein erträgliches Maß begrenzt.
Eine der Ursachen für das Scheitern der internationalen Klimapolitik, das wir gerade erleben, ist, dass wir auf internationaler Ebene über Klimaschutz reden, als sei es eine Last. Wenn es um Lastenverteilung geht, will jedes Land, dass die anderen die Lasten haben und die Vorteile für alle da sind. Auf der anderen Seite erleben wir auch, dass sich immer mehr die Erkenntnis durchsetzt, dass die Vorreiter beim Klimaschutz profitieren, dass es weniger um Belastungen geht, sondern vielmehr um Chancen. Viele Städte und Regionen haben das erkannt. Ich möchte daran erinnern, dass es 500 amerikanische Städte waren, die auf Klimaschutz gesetzt haben, die die wirtschaftlichen und sozialen Chancen der Klimaschutzpolitik genutzt haben, als in den USA unter Bush auf nationaler Ebene nichts voranging.
Heute stehen wir global vor einer ähnlichen Situation. Wir brauchen einen Wettbewerb der Städte und Regionen um die besten Lösungen bei der Energieeffizienz und bei den Erneuerbaren. Die wachsende Nachfrage nach den knappen Ressourcen Öl, Kohle, Gas wird die Energiepreise in die Höhe schnellen lassen. Wer jetzt beim Klimaschutz Vorreiter ist, wird auf den Wachstumsmärkten Energieeffizienztechnologien, Energiedienstleistungen und erneuerbare Energien die Nase vorn haben.
Diese Chance muss Berlin endlich ergreifen. Klimaschutz bringt geringere Heizkosten, Klimaschutz verhindert Klimakatastrophen, Klimaschutz bringt Jobs in der Industrie und im Handwerk. Aber man muss die Chance auch ergreifen. Das, Herr Wowereit, tun Sie nicht! Dafür möchte ich Ihnen drei Kronzeugen nennen.
Der Berliner Mieterverein setzt sich für ein Berliner Klimaschutzgesetz ein, weil er weiß, dass die Energiepreise steigen und dass die Heizkosten nur dann nicht steigen
werden, wenn man den Energieverbrauch reduziert. Sie, Herr Regierender Bürgermeister, haben mehrfach ein Klimaschutzgesetz angekündigt, aber mehrfach ein Klimaschutzgesetz verhindert, drei Mal. Am Montag war es der Gesetzentwurf von Frau Lompscher, 2006 war es der rot- rote Gesetzentwurf für Wärmedämmung und erneuerbare Energien im Gebäudebestand, der noch Energiespargesetz hieß, hier noch beraten wurde, aber in die zweite Lesung nicht mehr eingebracht wurde und als Drittes der Vorschlag für ein Berliner Klimaschutzgesetz von Mieterverein, BUND und IHK in Berlin.
Für die Mieterinnen und Mieter in Berlin ist das eine bittere Nachricht. Denn Sie, Herr Wowereit, setzen sie damit schutzlos den zu erwartenden Energiepreissteigerungen aus. In den acht Jahren vor der Wirtschaftskrise haben sich die Preise für Gas und Öl in Berlin fast verdoppelt. Nur wenn weniger Öl, Kohle und Gas verheizt werden, sind die Heizkosten für die Berlinerinnen und Berliner in den Griff zu bekommen. Deshalb brauchen wir ein Berliner Klimaschutzgesetz, Herr Wowereit!
Zweifellos ist ein Berliner Klimaschutzgesetz durch die Beschlüsse der Bundesregierung nicht einfacher geworden. Aber es ist keine Entschuldigung dafür, dass der rotrote Senat die schwarz-gelben Belastungen der Mieterinnen und Mieter weiter verschärft, indem er keine Maßnahmen zum Schutz vor steigenden Energiepreisen ergreift. Das sieht auch der Berliner Mieterverein so. Das sieht jeder so, der eine moderne Sozialpolitik verficht. Sie aber verfechten nicht nur Energiepolitik aus der Steinkohlezeit, sondern auch eine Sozialpolitik aus dieser Zeit.
Wir erwarten von Ihnen, dass Sie heute deutlich machen, wie Sie den sozialen Sprengstoff entschärfen wollen, der für Berlin in den steigenden Energiepreisen steckt.
Zweiter Kronzeuge: Das Solarunternehmen Q-Sells wollte sich hier in Berlin ansiedeln. Wir hatten einen der Gründer bei uns in der Fraktion. Er hat uns erklärt, warum er nach Sachsen-Anhalt gegangen ist. Die Regierung in Sachsen-Anhalt hat ihm die Steine aus dem Weg geräumt, während ihm hier in Berlin Steine in den Weg gelegt wurden. Das sind heute 2 500 Arbeitsplätze bei diesem Unternehmen, die hier in Berlin hätten entstehen können, wenn Ihr Senat dies in der ersten Legislaturperiode hätte ermöglichen wollen.
Der dritte Kronzeuge ist das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Das ist besonders bitter, dass Sie aus diesen Ansiedlungsmisserfolgen nicht gelernt haben. Das DIW hat die Ansiedlungsstrategien der Bundesländer für Unternehmen der erneuerbaren Energien miteinander verglichen. In zwölf Bundesländern ist sie besser als hier in Berlin. Herr Wowereit, in zwölf Bundesländern besser als hier! Der Bundesländervergleich erneuerbare Energien stellt Ihnen ein verheerendes Zeugnis aus. Seit 2008, als
Sie den Klimaschutz hier zur Chefsache erklärt haben, ist Berlin vom vorletzten Platz sogar auf den letzten gerutscht. Das ist die Bilanz Ihrer Politik. Wir hoffen, dass Sie uns heute erklären, welche Folgerungen Sie daraus ziehen.
Danke schön, Herr Kollege Schäfer! – Das Wort zur Beantwortung hat jetzt der Regierende Bürgermeister. – Bitte schön, Herr Wowereit!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schäfer hat es eben schon gesagt. Parallel zu dieser Debatte im Abgeordnetenhaus findet in Cancún die UN-Klimakonferenz statt. Leider bestätigen sich auch bei uns die Hinweise, dass diese Klimaschutzkonferenz nicht zu positiven Ergebnissen kommen wird. Der Prozess der Diskussion gestaltet sich wieder zäh. Wir haben es in Kopenhagen erlebt. Ich denke, dass da deutlich wird, was weltweit zurzeit auf diesem Sektor passiert, nämlich relativ wenig, weil sich viele über den konkreten Weg nicht einigen können. Trotzdem hat UN-Generalsekretär Ban Ki-moon recht, je länger wir zaudern, desto mehr müssen wir zahlen, wirtschaftlich, ökologisch und in Menschenleben. Wir können die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen und die Erderwärmung nicht länger tatenlos begleiten. Ich glaube, darüber gibt es auch einen breiten Konsens. Wir brauchen selbstverständlich auch Schritte, die sofort wirksam sind. Wir müssen das in der Tat global miteinander abstimmen. Wir werden alles tun müssen, damit der dramatische Klimawandel gestoppt wird.
Auch wenn es von der jetzigen Empfindlichkeit, auch von den Temperaturen her nicht nachvollziehbar ist, gibt es einzelne Wissenschaftler, die das in Frage stellen. Doch selbst dann ist es heutzutage überhaupt nicht mehr im Dissens, dass hier etwas getan werden muss. Ich glaube auch, dass die Erkenntnis der heutigen Zeit ganz wichtig ist: Man kann auch etwas tun. Man muss die Egoismen beiseite stellen und deutlich machen, dass hier nicht nur aufstrebende Entwicklungsländer eine Verantwortung haben, weil sie einen Nachholbedarf haben, sondern dass die internationale Staatengemeinschaft auch eine Verantwortung für andere Länder hat und nur gemeinsam ein Weg begangen werden kann. Trotz dieser Skepsis hoffen
Trotzdem gebe ich all denjenigen recht, die deutlich machen, nicht nur die ganz großen Schritte sind entscheidend, sondern jeder hat seine Verantwortung. Deutschland hat die Verantwortung, genauso wie jedes einzelne Bundesland und dementsprechend auch Berlin. Herr Schäfer, dem ich ja nicht immer recht gebe, hat absolut recht, dass natürlich die großen Städte insgesamt eine riesige Verantwortung haben, weil in den Städten wegen der Gebäude und des Verkehrs große Emissionsquellen vorhanden sind. Da über 50 Prozent in Europa in den großen Städten leben und weltweit diese Tendenz noch mehr zunimmt, werden wir insgesamt dort eher zuwachsende Beeinträchtigungen haben, wenn man nicht rechtzeitig gegensteuert.
Dementsprechend ist dieses gesamte Thema neben der Umweltkomponente auch ein Faktor in der Wirtschaftskraft geworden. Ich finde es gut, wenn Sie eine gescheiterte Ansiedlung hier erwähnen. Es wäre zwar nicht aus Sicht der Opposition, aber aus Sicht der Wahrheit gut gewesen, wenn Sie die zahlreichen erfolgreichen Ansiedlungen hier mit erwähnt hätten. Gerade in der Solartechnik, Photovoltaik können wir uns sehen lassen. Wir haben einen riesigen Bereich, der sich hier angesiedelt hat, weil er Berlin und die Region Berlin-Brandenburg als ein gutes Pflaster für zukünftige Entwicklungen sieht.
Klimaschutz geht uns also alle an: Bund, Länder und Kommunen. Berlins Leistungen bei der Einsparung von klimaschädlichem CO2 können sich sehen lassen, und zwar nicht nur national, sondern auch weltweit. Wir haben leider eine Situation, dass auf der Bundesebene zurzeit wieder eine Rolle rückwärts gemacht wird. Die Entwicklungen, die wir auf der Bundesebene zu verzeichnen haben, sind überhaupt nicht hoffnungsfroh, sondern kontraproduktiv – ich glaube, dass das hier ganz deutlich geworden ist – leider bei lebenswichtigen Entscheidungen.
Die Laufzeitverlängerung für Atommeiler ist von der Bundesregierung beschlossen worden. Ich finde, dies ist ein skandalöser Vorgang. Er gefährdet unsere Sicherheit, er verhindert eine nachhaltige Politik. Diese Politik der Verlängerung ist im Hinterzimmer ausgehandelt worden, ohne den zuständigen Minister.
Es ist ein Geschenk an die Lobby der großen Energieerzeuger. Hier werden nach konservativen Berechnungen den Unternehmen über 60 bis 70 Milliarden Euro mehr Gewinne gegeben. Auf der anderen Seite wird man hier abgespeist mit einer sogenannten Brennelementesteuer, die überhaupt nicht viel bringt. Dies ist ein Skandal. Dies werden wir auch zu verhindern suchen.
[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Christoph Meyer (FDP): Wird Ihnen aber nicht gelingen!]
Die Brennelementesteuer wird Steuerausfälle in gigantischen Größenordnungen bringen. Sie sind kein Ersatz für das, was hier gegeben wird durch die Laufzeitverlängerung. Allein für das Land Berlin kann man davon ausgehen, dass in den nächsten Jahren 190 Millionen Euro Steuerausfälle zu verzeichnen sind. Wenn Sie sich erinnern an die Debatte im Bundesrat, da hat der zuständige Vertreter der Bundesregierung im Bundesrat, nachdem man sich lange auch mit CDU-Ministerpräsidenten gestritten hatte, lediglich angekündigt, dass man im Jahr 2012 irgendwann einmal etwas erklären werde und vielleicht für eine Kompensation sorgen – „sorgen“, das hat er noch nicht einmal gesagt – vielleicht über eine Kompensation nachdenken könnte. Das ist die Realität, wie hier damit umgegangen wird.
Nicht nur aus diesem Grund haben hier die Länder gesagt, dass wir uns das nicht gefallen lassen. Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass hier bei der Verlängerung die Zustimmungspflichtigkeit des Bundesrats gegeben ist.
Deshalb werden die Länder Brandenburg, Bremen, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Berlin gemeinsam eine Verfassungsklage einreichen, nachdem der Bundespräsident dieses Gesetz gerade unterzeichnet hat.