Das generelle Problem bei der Bahn AG ist kein Berliner Problem. Die Verkehrsminister aller Bundesländer haben am Montag sowohl zu den Leistungen der Deutsche Bahn AG als auch zu den Finanzierungsproblemen deutliche Worte gefunden. Ich zitiere:
Die Verkehrsminister der Länder haben deshalb die Deutsche Bahn aufgefordert, nach einer eingehenden Fehler- und Ursachenanalyse ausreichende Vorsorge zu treffen, um künftig besser auch auf extreme Witterungsbedingungen vorbereitet zu sein.
Und Sie betonten gleichzeitig, dass die grundsätzliche Verantwortung für die Gestaltung des Bahnverkehrs in Deutschland beim Bund liegt. Das ist in der Presseerklärung der Verkehrsministerkonferenz nachzulesen.
Es ist schon ein Skandal ohnegleichen, dass der verfassungsmäßig gebotene Grundsatz der Gemeinwohlorientierung der Bahn von Herrn Grube, genauso wie vorher von Herrn Mehdorn, nicht zur Kenntnis genommen, sondern ausschließlich auf das wirtschaftliche Agieren eines privatrechtlich organisierten Unternehmens reduziert wurde und wird. Genauso ist es ein Skandal, dass die Bundesverkehrsminister der vergangenen Jahre – und da nehme ich niemanden aus, weder Herrn Stolpe noch Herrn Tiefensee und übrigens auch nicht Herrn Ramsauer – offenbar nicht willens und fähig sind, diese Gemeinwohlorientierung, die grundgesetzlich vorgegeben ist, in einem öffentlichen Unternehmen durchzusetzen. Sie tun und taten dies alle nicht, weil sie sich immer der Rückendeckung der jeweiligen Bundesregierung sicher waren, egal ob sie sich aus Rot-Grün, Schwarz-Rot oder SchwarzGelb zusammensetzte. Das ist die Wahrheit.
Wenn man diesen Missstand ändern will, dann muss man klar nach Lösungen suchen, die diese Gemeinwohlorientierung an die Wirtschaftsziele des Unternehmens binden. Also: Raus mit der S-Bahn aus den Finanzkreisläufen des international orientierten DB-Konzerns – allerdings bitte erst nach der Wiedergutmachung der S-Bahnmisere in Berlin – und rein mit kommunaler Steuerung durch das Land Berlin. Das ist der Kern unseres Vorschlags einer Kommunalisierung des S-Bahnunternehmens. Das ist im
Übrigen der einzige Weg, der die Berlinerinnen und Berliner langfristig und sicher vor dem Ausplündern der Substanz der S-Bahn zum Zweck der Finanzierung von Interessen, die außerhalb des Berliner Nahverkehrs liegen, schützt.
Ein anderes privates Unternehmen, wie es die Grünen vorschlagen, das anderen Konzernstrukturen wie z. B. Veolia, Arriva, der italienischen oder niederländischen Staatsbahn unterliegt, kommt über kurz oder lang in ähnliche Nöte wie die Berliner S-Bahn jetzt. Und mehrere davon auf einem Netz ist keine Lösung, sondern das ist das Ende des integrierten Nahverkehrs.
Noch mal zu den Fahrzeugen: Die Fahrzeugflotte der S-Bahn Berlin wurde in den vergangenen Jahren erheblich reduziert. Fahrfähige ältere Fahrzeuge wurden ausgemustert und verschrottet. Die größte Fahrzeugserie, die Baureihe 481, wurde von der Deutschen Bahn AG nach einem genauen Bestellverfahren von Bombardier gebaut, vom Eisenbahn-Bundesamt und der S-Bahn abgenommen und zugelassen und lief zehn Jahre mit einer überdurchschnittlich hohen Verfügbarkeit. Es ist völlig unlogisch zu behaupten, dass plötzlich und unerwartet diese Flotte in Gänze mangelhaft sei. Das Einzige, was sich in den letzten zehn Jahren gravierend geändert hat, ist das Wartungsregime, genannt: Optimierung S-Bahn, heute auch in der Presse in dem Brief von Herrn Constantin, ehemaliger S-Bahnvorstand, nachzulesen.
Aber es bleibt auch völlig unverständlich, dass nach dem Auffahrunfall der S-Bahn 2006 am Bahnhof Südkreuz die Schwachstellen an Bremsen und Besandungsanlage, die übrigens nicht die Ursachen des Unfalls waren, erkannt wurden, aber bis heute keine zufriedenstellende Lösung dafür gefunden wurde. Es ist auch nicht erklärlich und schon gar nicht akzeptabel, dass zwischen Betreibern, Fahrzeugherstellern und Zulassungsbehörde – Bundeszulassungsbehörde, Eisenbahn-Bundesamt – die Bälle immer nur hin- und hergeschoben werden, aber die Lösung nicht konsequent erarbeitet wird. Warum dauern die Zulassungsverfahren für die Zulassung einzelner technischer Komponenten länger als die Zulassung des gesamten Fahrzeugs? Die Folgen eines solchen Agierens trägt in erster Linie der Nahverkehr, und der volkswirtschaftliche Schaden ist noch sehr viel höher, als man vermuten mag.
Nun verspricht Herr Grube neue Fahrzeuge ab 2017. Aber warum ist es eigentlich nicht möglich, neue Fahrzeuge der alten Serie mit den inzwischen zugelassenen Verbesserungen zu beschaffen, und damit die Fahrzeugnot der Berliner S-Bahn nicht erst 2017, sondern schon 2013 oder 2014 zu beheben? Warum ist es eigentlich nicht möglich, bei den vorhandenen Fahrzeugen zusammen mit Herstellern und Eisenbahn-Bundesamt kurzfristig Lösungen zu finden, die die vorhanden Fahrzeuge nicht vordringlich ständig in die Werkstätten zwingen, sondern auf die Gleise zum Transport der Fahrgäste? Und warum schweigt eigentlich der Bund bei solchen Ideen gegenüber seiner Bundesbehörde Eisenbahn-Bundesamt und verweist auf
So kommen wir dann letztlich tatsächlich zu einem sehr unbefriedigenden Zustand, und da will ich unsere Forderungen, die kurzfristig zu realisieren sind und die über die schon ergriffenen Maßnahmen der Deutschen Bahn AG und der S-Bahngeschäftsführung hinausgehen, noch mal auflisten: Erstens, wir verlangen ein Konzept, wie mit den vorhandenen Fahrzeugen ein verlässlicher Fahrplan gefahren werden kann. Dieser Fahrplan mag zwar weniger Verkehrsleistung anbieten, als vertraglich vereinbart, aber er muss verlässlich und sicher sein und nicht bei jeder kleinen Windbö zusammenfallen. Zweitens: Darüber müssen die Kunden mit allen Mittel, personalbedient und per Ansage und Anzeige – übrigens auch im Internet –, aktuell und verlässlich über ein verlässliches Fahrangebot informiert werden.
Drittens: Die Entschädigungsleistung für die Kunden für die neuerlichen Ausfälle im Dezember und Januar und die erwarteten Ausfälle für das restliche Jahr sind schnell zu beschließen und auszuzahlen, und dies nicht erst im nächsten Winter, sondern die Kunden erwarten jetzt und bald Entschädigungsleistungen mindestens in Höhe der Leistungen des vergangenen Jahres.
Viertens: Die S-Bahn Berlin, der Bund und die Deutsche Bahn AG haben schnellstmöglich dafür Sorge zu tragen, die vorhandenen Fahrzeuge fahren und nicht stehen zu lassen, und sie müssen sich schnellstmöglich über die Beschaffung neuer Fahrzeuge einigen und nicht erst für 2017.
Auf Bundesebene muss alle Sorge dafür getragen werden, dass die Gemeinwohlorientierung des Unternehmens Bahn auch auf den Nahverkehr Berlin ausgerichtet wird –
und dass die Abführung weiterer 500 Millionen Euro für die Schuldentilgung aus dem Bahnkonzern zu unterlassen ist. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie oft wir uns dies hier schon gegönnt haben und noch gönnen werden. Irgendwie hat man teilweise den Eindruck, wir können anfangen, unsere Textbausteine auszutauschen, und jeder übernimmt von jedem ein bisschen.
Deshalb kann ich mich auch kurz fassen. In meiner letzten Rede bin ich bereits ausführlich darauf eingegangen, wer hier eigentlich für die Bahnreform und alles, was damit zusammenhängt, zuständig war. Da sind wir ziemlich deutlich – Herr Friederici hat es eben auch betont – überall auf Sozialdemokraten gestoßen. Insofern denken wir schon, dass eine gewisse Zurückhaltung geübt werden sollte. Das gilt auch für Herrn Gaebler.
Wo stehen wir heute, zwei Jahre nach Beginn des SBahnchaos? – Wer die Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Verkehr am vergangenen Montag erlebt hat, der musste feststellen: Wir stehen faktisch vor dem Nichts. Meine Fraktion hatte sich erlaubt, Herr Regierender Bürgermeister, Ihnen öffentlich einen Entwurf zukommen zu lassen, wie man aus Sicht der FDP-Fraktion mit der Situation am besten umgehen sollte. Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass wir Sie aufgefordert haben: Kündigen Sie endlich diesen S-Bahnvertrag!
Ich sage dies nochmals, weil es in gewisser Weise wiedergibt, was die ganze Zeit gelaufen ist: Trotz diverser Frühstückseinladungen, die es gegeben hat, trotz diverser Abmahnungen und Einrichtung von S-Bahngipfeln und Krisenstäben hat sich die Situation bis heute eigentlich immer weiter verschärft. Und so ist es offensichtlich, dass man davon ausgehen muss, dass die S-Bahn nicht in der Lage ist, ihren Vertrag zu erfüllen. Deshalb ist die Kündi
Bahnchef Grube, bei dem wir uns über Monate bemüht hatten, ihn in den Ausschuss zu bekommen, irrte darin, dass wir Verständnis dafür aufbringen würden, dass die Bahn technische Probleme hat. So war seine Darstellung im Wesentlichen auf die Technik ausgerichtet. Wir sind aber alle – und das gilt für alle, die damit zu tun haben, auch die Fahrgäste – inzwischen beste Technikexperten. Wir brauchen da auch vom Bahnchef keine Aufklärung mehr. Wir kennen das alles. Wir wissen also um Bremssysteme. Wir wissen um Besandungsanlagen. Wir wissen um nicht funktionierende Weichen und alles, was damit zusammenhängt. Wenn der Bahnchef nicht mehr zu erzählen hat, als die technischen Probleme, die die S-Bahn hat, dann ist das etwas dünn.
Fest steht: Die S-Bahn fährt inzwischen schlechter denn je. Gab es die Frage, ob sie ruinös ist, weil die Neubestellungen ja immer im Raum stehen, so musste man nach der Sitzung den Eindruck haben: Ja, die S-Bahn ist ruinös! – Das heißt konkret, dass die Probleme, mit denen wir es zu tun haben, offenbar vor Auslieferung von neuen Fahrzeugen – dafür wird eine Zeitspanne von fünf Jahren angesetzt – in Gänze nicht zu beheben sind. Deshalb können die Probleme jeden Tag und jederzeit, wenn die entsprechende Witterung da ist, wieder von Neuem auftreten. Das kann nicht gehen! Deshalb fordern wir, keinen Blankoscheck zu vergeben, sondern hinzugehen und das zum Anlass dafür zu nehmen, den S-Bahnbetrieb tatsächlich im Wettbewerb auszuschreiben.
Es hilft uns auch kein Sanierungsvertrag, wie ihn die CDU vorschlägt. Herr Henkel hatte es vorhin betont – er unterhält sich gerade angeregt –: Nicht Köpfe, sondern Züge sollen rollen. Das ist zwar schön gesagt, hört sich gut an, aber aus Sicht der FDP-Fraktion verlangen wir, dass auch Köpfe rollen. Das ist das Einzige, was der DBChef von sich gab – er hat ja auf die Frage nach der Verantwortung diese sehr stark bei der Industrie abgeladen –: Wenn man sich die Vergabe anguckt, sei das gewissermaßen schon ein Krimi. – Diesen Krimi würden wir schon sehr gern aufgeklärt sehen und wüssten gern, wer dafür zuständig ist.
Ich glaube, die FDP-Position muss ich hier nicht weiter erklären. Das habe ich bereits an verschiedensten Orten und zu verschiedensten Zeiten hier gemacht. Wir sind gegen Staatsmonopole und im Übrigen auch gegen private. Gegen Staatsmonopole und gegen private Monopole hilft nur eines, und das ist Wettbewerb. Den fordern wir genauso wie die Grünen. Da freuen wir uns auch, dass die Grünen an unserer Seite sind. Herr Gaebler war es nach der letzten Sitzung auch in gewisser Weise. Das war aber wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass Sie das genauso genervt hat wie es uns alle genervt hat. Da hatte ich
schon die stille Hoffnung, dass Sie vielleicht letztlich auf die Wettbewerbsrichtung kommen. Inzwischen sind wir eines Besseren belehrt worden: Sie wollen das nicht. Vielleicht liegt das ja an Ihrer Arbeitsgemeinschaft für Arbeiternehmerfragen. Ich zitiere aus einem Parteitagsbeschluss:
die FDP und die Grünen im Abgeordnetenhaus fordern, kann nur das Gegenteil bewirken. Die weitere Auslieferung der S-Bahn an den Wettbewerb heißt den Plünderungsprozess zugunsten der Rendite noch zu forcieren und führt zu noch mehr S-Bahnchaos.
Herr Kollege! Darf ich Sie kurz unterbrechen? – Da oben wird gefilmt. Würden Sie das bitte unterlassen! Das ist unzulässig. Ich muss sonst den Ordnungsdienst bitten. Würde der Ordnungsdienst bitte dem Herrn das Filmen untersagen!
Übrigens ist die Schuldzuweisung des Herrn Grube an die Industrie auch ein merkwürdiges Phänomen gewesen. Das hat er ja schnell wieder eingeräumt. Er hat dann ziemlich schnell Prügel von Herrn Franz vom VBB bezogen, der darauf hingewiesen hat, dass diese Industrieschelte, die da stattgefunden hat, nicht berechtigt ist und den guten Ruf der deutschen Fahrzeugindustrie in einer gefährlichen und unverantwortlichen Weise schädigt. Wir wüssten schon gern: Ist die Schuld tatsächlich bei der Industrie, oder ist sie beim Auftrageber? Herr Franz betont in diesem Zusammenhang, dass noch Ende 2005 die S-Bahn Berlin von einer qualitativ hochwertigen Fahrzeugflotte schwärmte, die sich durch durchschnittlich 92 Prozent Verfügbarkeit auszeichnete. Wenn jetzt die Technik versagt, dann sagt Herr Franz – und das kennen wir vom VBB –, dass das ursächlich in den von der S-Bahn eigenmächtig verlängerten Wartungsintervallen liegt. Das ist das Problem, mit dem wir es zu tun haben, und das ist eines, das offenbar nicht mehr zu beheben ist.
Der ehemalige S-Bahnchef Constantin – er wurde schon erwähnt – behauptet, die Schuld liege eindeutig beim Hersteller und man könne klagen. Wir haben also ein ganzes Spektrum von Darstellungen. Die einzige Frage, die wir haben, ist: Was haben die Fahrgäste davon?